Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.09.2014 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Das Verfahren L 11 KA 13/15 ER wird an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Widersprüche der Beigeladenen gegen die dem Antragsteller erteilte Zweigpraxisgenehmigung aufschiebende Wirkung haben.
Der Antragsteller ist als Facharzt für Augenheilkunde mit Vertragsarztsitz in F, W-straße 00, niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Antragsgemäß erteilte ihm die Antragsgegnerin nach Einholung einer Stellungnahme ihrer Kreisstelle F mit Bescheid vom 16.01.2014 die Genehmigung für eine Zweigpraxis in F, X-straße 00. Diesem Bescheid widersprachen die Beigeladenen zu 1) bis 5), denn sie und eine weitere Augenärztin stellten die Versorgung im F Norden in überdurchschnittlichem Maße sicher. Mit Bescheid vom 03.06.2014 nahm die Antragsgegnerin die Zweigpraxisgenehmigung gemäß § 49 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Durch die Drittwidersprüche habe sie davon Kenntnis erhalten, dass im direkten Umfeld der Zweigpraxis Fachärzte für Augenheilkunde über freie Kapazitäten verfügten. Demzufolge könne die genehmigte Zweigpraxis die Versorgung nicht verbessern. Infolge der durch die Drittwidersprüche bewirkten aufschiebenden Wirkung dürften in der Zweigpraxis keine Leistungen mehr erbracht werden. Der Antragsteller widersprach dem Rücknahmebescheid fristgerecht. Unter dem 17.06.2014 bat er die Antragsgegnerin um schriftliche Bestätigung, dass seinem Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid vom 03.06.2014 aufschiebende Wirkung zukomme. Die Drittwidersprüche der Beigeladenen zu 1) bis 5) seien mangels Anfechtungsbefugnis offensichtlich unzulässig mit der Folge, dass diese keine aufschiebende Wirkung hätten. Sollte sich die Antragsgegnerin dem nicht anschließen, beantrage er, die Drittwidersprüche unverzüglich zurückzuweisen. Hierauf teilte die Antragsgegnerin mit, infolge der zurückgenommenen Genehmigung sei über die Drittwidersprüche nicht mehr zu entscheiden.
Am 25.08.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf um Eilrechtsschutz nachgesucht. Die Drittwidersprüche der Beigeladenen zu 1) bis 5) hätten keine aufschiebende Wirkung, denn sie seien offensichtlich unzulässig. Niedergelassene Vertragsärzte seien grundsätzlich nicht berechtigt, Rechtsmittel gegen Zweigpraxisgenehmigungen zugunsten anderer Ärzte einzulegen. Da die Antragsgegnerin zu Unrecht von der aufschiebenden Wirkung der Drittwidersprüche ausgehe, bestehe ein negatives Feststellungsinteresse. Demgegenüber entfalte sein Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid vom 03.06.2014 aufschiebende Wirkung. Der Zweigpraxisgenehmigungsbescheid sei nicht willkürlich erteilt worden. Die Kreisstelle F der Antragsgegnerin habe bestätigt, dass sich die Versorgung durch die Zweigpraxis verbessere. Die Behandlung türkischer Patienten bei Verständigung in ihrer Muttersprache könne durchaus zu einer Verbesserung führen. Schließlich habe er bereits erhebliche finanzielle Mittel für den Aufbau und den Unterhalt der Zweigpraxis aufgewandt.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Widersprüche der Frau Dr. L B und des Herrn Dr. I B vom 12.03.2014 sowie der Frau M U, des Herrn Dr. M X und des Herrn Dr. D B1 vom 28.03.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.01.2014 keine aufschiebende Wirkung haben,
2. hilfsweise die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 16.01.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Zwar entfalte § 24 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) selbst keine drittschützende Wirkung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch in seinem Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 – ausdrücklich offengelassen, ob ggf. eine Willkürkontrolle zuzulassen sei. In ihrem schriftlichen und mündlichen Vortrag hätten die beigeladenen Drittwiderspruchsführer zu Recht geltend gemacht, sie – die Antragsgegnerin – habe die Zweigpraxisgenehmigung willkürlich erteilt. Die Zweigpraxisgenehmigung habe zurückgenommen werden müssen. Der Antragsgegner habe als Beweggrund für seinen Antrag allein besondere Sprachkenntnisse angegeben. Diese begründeten keine Versorgungsverbesserung. Die medizinische Versorgung türkischer oder türkischstämmiger Patienten werde vom Antragsteller in seiner nur 4,9 km entfernten Hauptpraxis, von anderen F Augenärzten und den Drittwiderspruchsführern gewährleistet.
Mit Beschluss vom 05.09.2014 hat das SG festgestellt, dass die Widersprüche der Beigeladenen zu 1) bis 5) keine aufschiebende Wirkung haben. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen, sei es grundsätzlich unerheblich, ob ein Rechtsbehelf zulässig und/oder begründet sei, um den Suspensiveffekt eintreten zu lassen. Allerdings entfalle diese Wirkung jedenfalls bei einem offensichtlich unzulässigen Widerspruch, da der Bescheid dann bestandskräftig geworden sei. Die Drittwidersprüche der Beigeladenen seien offensichtlich unzulässig. Mit Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R – habe das BSG entschieden, dass Vertragsärzte nicht berechtigt seien, die einem anderen Vertragsarzt erteilte Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis an einem anderen Standort anzufechten. Einschränkend habe das BSG angenommen, es sprächen durchaus Gründe dafür, eine Willkürkontrolle jedenfalls bei konkret versorgungsbezogenen Genehmigungen auch außerhalb des für eine defensive Konkurrentenklage erforderlichen strikten rechtlichen Nachrangverhältnisses zuzulassen. Willkürlich seien behördliche Entscheidungen dann, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar seien und sich daher der Schluss aufdränge, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Das sei hinsichtlich der Zweigpraxisgenehmigung vom 16.01.2014 nicht der Fall. Rechtsgrundlage sei § 24 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 Ärzte-ZV. Diese Regelung setzte voraus, dass die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werde. Geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes seien unbeachtlich, sofern sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen würden. Nach § 24 Abs. 3 Satz 5 Ärzte-ZV habe der Arzt einen Anspruch auf Genehmigung, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 vorlägen. Die inhaltliche Bewertung, ob sich durch den Betrieb der Zweigpraxis eine Versorgungsverbesserung am Ort der geplanten Zweigpraxis und/oder eine Versorgungsbeeinträchtigung am Ort der Hauptpraxis ergäbe, erfordere Abwägungen, bei denen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG werde die Versorgung in erster Linie bei einer qualitativen Veränderung des Leistungsangebots verbessert. Eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots reiche hingegen nur unter gewissen Umständen aus. Das Hinzutreten eines weiteren Behandlers in überversorgten Bereichen sei keine Versorgungsverbesserung. Die Antragsgegnerin habe diesen rechtlichen Maßstab für ihre Genehmigungsentscheidung erkannt und in der Begründung des Bescheides zum Ausdruck gebracht. Ihre Entscheidung sei auch nicht ohne jegliche Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse "aus der Luft gegriffen", sondern stütze sich auf eine Stellungnahme der Kreisstelle F, die am 10.12.2013 mitgeteilt habe, die augenärztliche Versorgung in F werde sich durch die Zweigpraxis infolge des zusätzlichen Leistungsangebots für mittwochs- und freitagnachmittags verbessern. Die anderen Praxen hätten dann regelmäßig geschlossen.
Das SG hat weiter ausgeführt: Der Antragsteller habe in seinem Antrag auf Genehmigung der Zweigpraxis angegeben, Sprechstunden dort (auch) Mittwoch und Freitag 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr anzubieten. Demgegenüber sei die Praxis der Beigeladenen zu 1) und 2) am Mittwoch und Freitag nur von 08:30 Uhr bis 11:30 Uhr und die Praxis der Beigeladenen zu 3) bis 5) am Mittwoch nur von 07:00 Uhr bis 12:30 Uhr und am Freitag ganztägig geschlossen. Wenn die Antragsgegnerin auf der Grundlage dieser Mitteilung ihrer Kreisstelle F dem Antragsteller eine Zweigpraxisgenehmigung erteilt habe, beruhe dies jedenfalls nicht auf gänzlich sachfremden Gründen, zumal das BSG auch ein erweitertes Sprechstundenangebot als Versorgungsverbesserung angesehen habe. Die Genehmigungsentscheidung sei daher nicht willkürlich. Die Drittwidersprüche der Beigeladenen seien damit offensichtlich unzulässig und entfalteten keine aufschiebende Wirkung. Die Zweigpraxisgenehmigung wirke daher vorerst weiter fort.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin fristgemäß mit der Beschwerde an. Sie trägt vor: Die Argumentation des SG greife zu kurz. Die Beigeladenen stützten die von ihnen reklamierte Anfechtungsberechtigung auf Willküraspekte. Das BSG habe in seinem Urteil vom Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R – ausdrücklich offen gelassen, ob eine Drittanfechtung in Fällen willkürlich erteilter Zweigpraxisgenehmigung zulässig sei. Deswegen und wegen Art. 12 Grundgesetz (GG) sei bis zur abschließenden höchstrichterlichen Klärung davon auszugehen, dass eine Drittanfechtung, in der eine willkürliche Bescheiderteilung mit einer gewissen Plausibilität behauptet werde, jedenfalls nicht offensichtlich unzulässig sei. Der erkennende Senat habe in seinem Beschluss vom 23.12.2010 – L 11 KA 71/10 B ER – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein unzulässiger Konkurrentenwiderspruch keine aufschiebende Wirkung habe. Lege allerdings der Konkurrent plausibel dar, dass die von ihm angegriffene Genehmigung willkürlich erteilt worden sei, werde der an sich unzulässige Widerspruch zulässig; die aufschiebende Wirkung trete als automatische Folge des zulässigen Widerspruchs kraft Gesetzes ein. So liege es hier. Die Drittwiderspruchsführer trügen vor, sie – die Antragsgegnerin – habe keine eigenen Ermittlungen angestellt; auch sei die übliche Abklärung der Sicherstellungssituation vor Ort und Diskussion im Kreisstellenvorstand der KV unterblieben. Dieses Vorbringen reiche aus, um eine "gewisse Plausibilität" annehmen zu können. Die Drittanfechtung sei nicht offensichtlich unzulässig. Die verfahrensrechtliche Beschwerdebefugnis sei zu bejahen. Die Drittwidersprüche hätten aufschiebende Wirkung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.09.2014 die Anträge zurückzuweisen.
2. hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Beigeladenen zu 1) und 2) vom 12.03.2014 sowie der Beigeladenen zu 3) bis 5) vom 28.03.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.01.2014 anzuordnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 05.09.2014 sowie den seitens der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellten Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zurückzuweisen.
Er trägt vor: Die Zweigpraxisgenehmigung sei nicht willkürlich verbeschieden. Die Drittwiderspruchsführer hätten nicht ansatzweise plausibel gemacht, dass die Zweigpraxisgenehmigung willkürlich erteilt worden sei. Sie verwiesen vielmehr auf die nach ihrer Auffassung bestehende gute augenärztliche Versorgungssituation am Standort der Zweigpraxis, argumentieren also "inhaltlich". Anders als im Sachverhalt der Entscheidung des Senats vom 23.12.2010 (L 11 KA 71/10 B ER) werde auch nicht behauptet, die Antragsgegnerin habe sich im Rahmen der Verbescheidung allein auf seine – des Antragstellers – Angaben gestützt ohne eigene Ermittlungen durchgeführt zu haben. Die Drittbeschwerdeführer rügten vielmehr, dass der "innere Entscheidungsprozess" der Antragsgegnerin nach ihrer Wahrnehmung mutmaßlich nicht dem "üblichen" Prozedere entsprochen habe. Die Kreisstelle der Antragsgegnerin habe darauf hingewiesen, dass sich die augenärztliche Versorgung in F mit der Einrichtung der Zweigpraxis "durch die Versorgung am Mittwoch und Freitag in den Nachmittagsstunden, an denen die anderen Praxen in der Regel geschlossen haben" verbessern werde. Dies sei nach der Rechtsprechung ein Faktor, der einen Anspruch auf Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung begründen könne. Der Antrag auf Sofortvollzug könne keinen Erfolg haben. Er – der Antragsteller – habe medizinische Geräte für die Zweigpraxis angeschafft und weitergehende Investitionen getätigt, er erbringe dort Leistungen (wird ausgeführt).
Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich zum Verfahren geäußert.
Der Senat hat den im Beschwerdeverfahren erstmals gestellten eigenständigen Antrag, die aufschiebende Wirkung der Drittwidersprüche anzuordnen, zum Az. L 11 KA 13/15 ER erfasst.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und ein von der Antragsgegnerin als Verwaltungsvorgang vorgelegtes Unterlagenkonvolut.
II.
1. Hauptantrag (L 11 KA 94/14 B ER).
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig (a)) und unbegründet (b)).
a) Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist dennoch unzulässig. Die Antragsgegnerin ist mangels materieller Beschwer nicht anfechtungsbefugt.
Eine materielle Beschwer eines Beteiligten liegt nur vor, wenn die angegriffene Entscheidung tatsächlich in eine eigene rechtlich anerkannte und geschützte Rechtspositionen eingreift (BSG, Urteil vom 14.03.2006 – B 4 RA 55/04 R -; LSG Hamburg, Urteil vom 07.02.2013 – L 4 AS 288/12 -; LSG Bayern, Urteil vom 21.01.2010 – L 9 AL 77/09 -). Eine KV hat eine ihr durch § 75 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugewiesene Garantenstellung. Diese begründet eine materielle Beschwer, was das BSG (Urteil vom 02.07.2014 – B 6 KA 23/13 R -) wie folgt formuliert:
"Aufgrund der ihr übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V) werden KÄVen durch Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse stets und unmittelbar in eigenen Rechten betroffen. Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen unabhängig von dem Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall im Prozess geltend zu machen (BSG SozR 3-2500 § 119 Nr 1 S 2; BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8, RdNr 13)."
Ob die KVen durch Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse "stets" und unmittelbar in eigenen Rechten betroffen werden, mag dahinstehen. Auf vorliegende Fallkonstellation ist die Erkenntnis des BSG jedenfalls nicht zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat eine von den Beigeladenen zu 1) bis 5) mit Drittwidersprüchen angegriffene Zweigpraxisgenehmigung erteilt. Die Interessenlage ist atypisch, denn die Antragsgegnerin streitet für die Beigeladenen mit dem Ziel, die von ihr erteilte Zweigpraxisgenehmigung zu suspendieren.
Auch bei grundsätzlich bestehendem Beschwerderecht ist das für alle Rechtsschutzbegehren geltende Erfordernis der materiellen Beschwer zu beachten. Es muss immer gegeben sein. Nur soweit ein Kläger durch den beanstandeten Verwaltungsakt in eigenen Rechten betroffen wird, ist er zur Anfechtung befugt. Soweit z.B. das Gesetz das Merkmal der "Betroffenheit" nur im Zusammenhang mit dem Beschwerderecht der Ärzte und der Landesverbände der Krankenkassen (§ 106 Abs. 5 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) erwähnt, ändert dies nichts daran, dass auch bei allen anderen Anfechtungsberechtigten eine eigene Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit des konkret eingelegten Rechtsbehelfs gegeben sein muss (zum Beschwerderecht der KZV gegen Entscheidungen des Prüfungsausschusses: BSG, Urteil vom 28.08.1996 – 6 RKa 88/95 -).
Vorliegend fehlt es an der materiellen Beschwer. Nur wenn die Antragsgegnerin i.S.d. oben aufgezeigten Garantenstellung tätig wird, kann eine materielle Beschwer ohne weiteres ("stets") angenommen werden. Die Antragsgegnerin hat sich indes aus der ihr zugewiesenen Garantenstellung gelöst. Mit Haupt- und Hilfsantrag wendet sie sich gegen ihren Bescheid und verficht die Interessen der Beigeladenen zu 1) bis 5). Überdies greift die Entscheidung des SG nicht in die Rechte der Antragsgegnerin ein. Das Gegenteil ist der Fall. Das SG hat ausgeführt, dass die von der Antragsgegnerin erteilte Zweigpraxisgenehmigung im Rahmen kursorischer Prüfung rechtmäßig ist und die Drittwidersprüche offensichtlich unzulässig sind. Soweit die Antragsgegnerin nunmehr meint, ihr Genehmigungsbescheid sei nicht nur rechtswidrig sondern auch willkürlich erteilt, weswegen sie ihn nach § 49 SGB X zurückgenommen habe, ändert dies an der fehlenden materiellen Beschwer nichts. Die auf § 49 SGB X gestützte Rücknahme ist bislang nicht bestandskräftig. Schon deswegen ist der Rücknahmebescheid nicht geeignet, nachträglich die fehlende materielle Beschwer auszufüllen. Im Übrigen scheitert ein solches Verfangen auch am Grundsatz des "venire contra factum proprium". Solange die Zweigpraxisgenehmigung nicht bestandskräftig beseitigt ist, bleibt die Antragsgegnerin an ihre Entscheidung gebunden. Sie wäre materiell beschwert, wenn die Genehmigung aufgehoben würde, nicht aber, wenn die Genehmigung bestätigt wird.
Fehlt es sonach an einer materiellen Beschwer, ist die Beschwerde unzulässig, sofern nicht die Antragsgegnerin in Prozessstandschaft für die Beigeladenen tätig wird. Das jedoch ist nicht der Fall. Es fehlt jeglicher Ansatz, für eine gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschaft. Da auch im Übrigen keinerlei rechtliche Konstruktion ersichtlich ist, die die Antragsgegnerin befugt, fremde Rechte im eigenen Namen geltend zu machen, ist die Beschwerde unzulässig.
b) Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Der Senat nimmt insoweit in entsprechender Anwendung auf die als zutreffend erachteten Gründe im Beschluss des SG vom 05.09.2014 Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Die Beigeladenen sind nicht befugt, die dem Antragsteller erteilte Zweipraxisgenehmigung anzufechten (BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R -). Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auch in Fällen der Drittanfechtung eine die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs betreffende Anfechtungsbefugnis jedenfalls solange gegeben ist, wie auf der Grundlage des Sachvortrags eine willkürliche Bescheiderteilung zumindest als möglich erscheint und vom BSG die Willküranfechtung nicht expressis verbis ausgeschlossen wird (Beschluss vom 04.05.2011 – L 11 KA 120/10 B ER -; Beschluss vom 23.12.2010 – L 11 KA 71/10 B ER -). Das BSG (a.a.O.) hat die Zulässigkeit einer Drittanfechtung wegen Willkür offengelassen. Im Übrigen gilt: Eine etwaige Rechtswidrigkeit des Bescheides genügt nicht, um die Anfechtungsbefugnis unter Willkürgesichtspunkten zu eröffnen, denn Willkür liegt erst vor, wenn gravierende Rechtsverstöße vorliegen und diese den Kläger schwer beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 6 KA 42/08 R – m.w.N.; Senat, Beschluss vom 23.12.2010 – L 11 KA 71/10 B ER -).
An einem Sachvortrag, der eine willkürliche Bescheiderteilung schlüssig macht, fehlt es. Die weitgehend identisch formulierten Widersprüche enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Beigeladenen die Zweigpraxisgenehmigung als willkürlich erteilt ansehen. Das Willkürmoment hat erstmals die Antragsgegnerin aufgegriffen, die auf diesem Weg versucht, den Beigeladenen eine Möglichkeit zu eröffnen, den von ihr erteilten Genehmigungsbescheid anzugreifen. Das bleibt erfolglos. Die Beigeladenen haben im Verwaltungsverfahren nur dargelegt, warum die Zweigpraxisgenehmigung aus ihrer Sicht rechtswidrig ist. Sie haben Sachaufklärungsdefizite moniert und im Ergebnis lediglich eine andere Auffassung über die örtliche Versorgungssituation geäußert. Außerdem fühlen sie sich durch die Entscheidung der Antragsgegnerin deswegen übergangen, weil deren Kreisstelle die Obleute nicht angehört hat. Dass dieses Vorbringen nicht ansatzweise den Schluss zulässt, die Antragsgegnerin habe die Zweigpraxisgenehmigung willkürlich erteilt, bedarf keiner weiteren Darlegung. Ist die Zweigpraxisgenehmigung nach alldem nicht willkürlich erteilt worden, sind die Beigeladenen nicht anfechtungsbefugt. Ihre Widersprüche sind offenkundig unzulässig und haben keinen Suspensiveffekt.
2. Hilfsantrag (L 11 KA 13/15 ER)
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin befugt ist, Drittinteressen geltend zu machen, ist der Senat instanziell nicht zuständig. Einstweilige Maßnahmen nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 SGG kann nur das Gericht der Hauptsache treffen. Das Hauptsacheverfahren ist vor dem SG anhängig. Dem Senat ist nur das hieraus abgeleitete einstweilige Rechtsschutzverfahren L 11 KA 94/14 B ER angefallen. Damit ist der Senat sachlich für den Hilfsantrag nicht zuständig. Das Verfahren ist an das zuständige SG zu verweisen (§ 98 SGG), das abschließend über die Kosten und die Streitwert zu befinden hat.
III.
In einstweiligen Rechtsschutzverfahren wegen Zweipraxisgenehmigung ist der Streitwert auf 20.000,00 EUR festzusetzen (hierzu ausführlich Senat, Beschluss vom 27.07.2010 – L 11 B 16/09 KA ER -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Den Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 18.06.2015
Zuletzt verändert am: 18.06.2015