Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht Honorareinbehalte für die Zeit vom 01.01.2001 bis 18.02.2001 vorgenommen hat.
Durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 17.02.2001 wurden für konservierend-chirurgische Behandlungen (KCH) einerseits und für Kieferorthopädie (KFO), Zahnersatz (ZE), Parodontose (PAR) sowie Kieferbruch/Kiefergelenk (KB/KG) für die Zeit ab 01.01.2001 Teilhonorarkontingente gebildet. Hinsichtlich der Regelung im Einzelnen wird auf § 4 Abs. 1 a des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten verwiesen. Der Beschluss wurde in einer Sonderausgabe des Rheinischen Zahnärzteblattes vom 19.02.2001 bekanntgegeben.
Der Kläger ist in B zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 13.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2002 nahm die Beklagte vorläufige Honorareinbehalte für das Quartal I/2001 in Höhe von 20.715,81 DM für den Bereich der Primärkassen und 7.397,54 DM für den Bereich der Ersatzkassen vor.
Mit der Schlussabrechnung für das Jahr 2001 vom 08.04.2002 (Anlage zur Quartalsabrechnung für das Quartal IV/2001 vom 12.04.2002) stellte die Beklagte die endgültigen Honorareinbehalte in Höhe von 29.545,61 DM für den Bereich der Primärkassen und 2.209,14 DM für den Bereich der Ersatzkassen fest. Dem Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2002 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die erst am 19.02.2001 bekanntgemachten Ergänzungen des HVM mit Wirkung vom 01.01.2001 verstießen gegen das Rückwirkungsverbot. Dies gelte zumindest für die vor Bekanntgabe des HVM behandelten Fälle. Bei den sogenannten übrigen Leistungsarten (außer konservierend-chrirurgischen Leistungen) erfolge eine monatliche Abrechnung jeweils zum 15. des Monats. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitigen HVM-Regelung sei die Leistungserbringung und Abrechnung für die Zeit bis zum 15.02.2001 (Monatsabrechnung Januar am 15.01.2001 und Monatsabrechnung Februar 15.02.2001) bereits abgeschlossen gewesen. Ein Vertragszahnarzt habe nicht damit rechnen können und müssen, dass durch die Beklagte einseitig für diese Leistungsbereiche rückwirkende Honorargrenzen eingeführt würden. Er habe vielmehr davon ausgehen können, dass ihn für diese Leistungen ungekürzte Honorare gezahlt würden; diese Vertrauensposition resultiere daraus, dass nahezu identische Honorarbegrenzungsregelungen für das Vorjahr ausdrücklich bis zum 31.12. des Jahres befristet gewesen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Quartalsabrechnung für das Quartal IV/01 vom 12.04.2002 nebst Belastungsanzeigen vom 08.04.2002 (Schlussabrechnungen für das Jahr 2001 im Bereich der Primär- und Ersatzkassen) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2002 die bis zum 18.02.2001 abgerechneten Honorare im Bereich der übrigen Leistungsarten ohne Honorareinbehalte auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, das rückwirkende In-Kraft-treten für einen Zeitraum von ca. 6 Wochen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unschädlich. Dies gelte insbesondere, weil die letztlich vorgenommenen Einbehalte aufgrund der HVM-Kontingentierung die von den Vertragszahnärzten über das gesamte Jahr 2001 abgerechneten Leistungen beträfen; wäre das erste Quartal unkontingentiert geblieben, wäre die für die verbleibenden Quartale 2001 zur Verfügung stehende Gesamtvergütung deutlich geringer ausgefallen.
Mit Urteil vom 14.07.2004 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte unter Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, dem Kläger die bis zum 18.02.2001 abgerechneten Honorare im Bereich der übrigen Leistungsarten ohne Honorareinbehalt auszuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die In-Kraft-Setzung der Regelung in § 4 Abs. 1 a HVM ab 01.01.2001 und damit ihre Anwendung auf die Honoraransprüche für die bis zum 18.10.2001 erbrachten Leistungen der Leistungsbereiche KFO, ZE, PAR und KB/KG verstoße gegen das Verbot einer echten Rückwirkung von Normen und sei somit in diesem Umfange rechtswidrig. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie darlegt, dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend die Vorgaben der BSG-Rechtsprechung zur zulässigen Rückwirkung von Honorarverteilungsregelungen sowie das grundsätzlich für alle Leistungsarten im Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung geltende "Quartalsprinzip" berücksichtigt habe. Der Kläger, der seit 1993 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sei, könne sich auch keinesfalls auf Vertrauensschutz berufen, denn ihm sei bewusst gewesen, dass die Begrenzung der von den Krankenkassen zu zahlende Gesamtvergütung unverändert auch für das Jahr 2001 bestehe; damit war davon auszugehen, dass auch für dieses Kalenderjahr Begrenzungsregelungen greifen würden; allein aus dem Umstand, dass diese Regelungen nicht bereits zu Beginn des Kalenderjahres beschlossen gewesen seien, hätte der Kläger nicht davon ausgehen können, dass ein bestimmter Zeitraum zu Beginn des Jahres 2001 kontingentfrei sei. Vor dem Hintergrund der Honorarverteilungssystematik sei es möglich gewesen, im Februar 2001 noch zulässigerweise rückwirkend in Form einer unechten Rückwirkung Kontingente ab Jahresbeginn festzusetzen; mit der Einführung von Teilkontingenten für einzelne Leistungsarten, die erst nach Ende des Kalenderjahres im Rahmen einer Schlussabrechnung abschließend den Honoraranspruch begrenzen, greife die Beklagte nicht in abgeschlossene Sachverhalte ein; auch die zu Beginn des ersten Quartals erbrachten konservierend-chiurgischen Leistungen seien, wenn der Patient beispielsweise allein zu einer Kontrolluntersuchung oder Füllungstherapie erscheine, bereits abgeschlossen, obwohl erst mit der Quartalsabrechnung und schließlich in einem zweiten Schritt mit der endgültigen Quartalsabrechnung des vierten Quartals der diesbezügliche Honoraranspruch endgültig festgestellt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird – insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten – ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Bescheide der Beklagten über die streitigen Honorareinbehalte (auch für die Zeit vom 01.01. bis 18.02.2001) sind rechtmäßig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Auszahlung des aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 1 a HVM einbehaltenen Honorars.
§ 4 Abs. 1 a HVM der Beklagten in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 17.02.2001 (veröffentlicht am 19.02.2001) ist grundsätzlich rechtmäßig und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Die grundsätzliche Zulässigkeit von Honorarbegrenzungsregelungen im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung ist zu bejahen (BSG, Urteil vom 03.12.1997 – 6 RKa 21/97). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung und Bewertung ausdrücklich an. Sie ist auch auf die vorgenommene Honorarbegrenzung im Jahr 2001 anwendbar, da sie auf die Budgetierung der Gesamtvergütungen in den Jahren 1993 bis 1995 gestützt ist; die Situation im streitbefangenen Jahr 2001 stellt sich in gleicher Weise dar. Es können Honorartöpfe für Arztgruppen/Versorgungsgebiete gebildet werden. Sie können aber auch – wie es in der streitigen Regelung der Fall ist – für bestimmte Leistungsbereiche geschaffen werden (BSG, Urteil vom 09.09.1998 – B 6 KA 55/97 R). Die Festschreibung von Honorarkontingenten durch die Bildung von Töpfen für einzelne Leistungsbereiche ist grundsätzlich sachlich gerechtfertigt. Dies stellt sich als die konsequente Vorsorge dagegen dar, dass eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Bereiche das Honorargefüge zu Lasten anderer Leistungsbereiche beeinflusst (BSG, Urteil vom 09.09.1998 – a.a.O.; sowie BSG, Urteil vom 03.03.1999 – B 6 KA 56/97 R).
Die Rechtswidrigkeit der streitigen Regelung in § 4 Abs. 1 a HVM der Beklagten ergibt sich auch nicht wegen der erst am 19.02.2001 erfolgten Veröffentlichung. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt nicht vor.
Die rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (BSG, Urteil vom 27.04.2005 – B 6 KA 18/04 R). Eine belastende Rückwirkung ist daher statthaft, soweit ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr gerechtfertigt ist (BVerfG 72, 302, 326; 88, 384, 404). Ebenso verhält es sich, wenn durch eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung hervorgerufen wird (sog. Bagatellvorbehalt – BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258; 95, 64, 86; BSGE 81, 86, 96; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 4). Das ist vorliegend der Fall.
In seiner Entscheidung vom 17.09.1997 (6 RKa 36/97) hat das BSG eine echte Rückwirkung und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes angenommen, wenn Rechtsnormen, die nach Abschluss des für die Leistungserbringung maßgeblichen Zeitraums nachträglich die punktzahlmäßige Bewertung von Leistungen reduzieren, in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreifen und im Nachhinein den Wert der vom Vertragsarzt erbrachten Leistung verringern. Die Notwendigkeit, den Honorarvorschriften Bestandsfestigkeit zuzuerkennen, ergibt sich vor allem darauf, dass sie steuernd auf die Leistungserbringung, also auf das Leistungsverhalten des Vertrags-(zahn)arztes einwirken sollen. Der Normgeber ist darüberhinaus berechtigt und verpflichtet, über die Definition und Bewertung ärztlicher Leistungen das Leistungsverhalten steuernd zu beeinflussen (BSG, Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 51/95, BSGE 78, 98, 105).
Eine derartige Fallgestaltung liegt hinsichtlich der hier streitigen Leistungsbereiche jedoch nicht vor. Denn die Leistungserbringung in den Leistungsbereichen KFO, ZE, PAR und KB/KG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zuvor beim zuständigen Kostenträger durch den Versicherten und den Vertragszahnarzt beantragt und seitens des Kostenträgers genehmigt werden muss (z.B. Heil- und Kostenplan). Darüberhinaus erfolgt die Leistungserbringung durch den Vertragszahnarzt nicht "spontan", sondern über einen längeren, der Planung unterworfenen Zeitraum. Das Leistungsverhalten des Vertragszahnarztes hinsichtlich dieser Leistungen wird also nicht aufgrund der im Zeitpunkt der Abrechnung der Leistung geltenden Rechtsnormen, sondern aufgrund der Vergütungsregelungen im Zeitpunkt der Planung bzw. Beantragung/Bewilligung der Leistung beeinflusst. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegt – nach den Erfahrungen des Senates auch aufgrund der Sachkunde der ehrenamtlichen Richter – regelmäßig ein Zeitraum von drei bis sechs Monaten. Weiter kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Leistungsabrechnung (z.B. nach Eingliederung) durch den Vertragszahnarzt nur in begrenztem Maße beeinflussbar ist. Denn der Abschluss der Leistungserbringung kann sich aufgrund mehrerer Umstände verzögern (z.B. mangelnde Terminseinhaltung durch den Versicherten, Erkrankung des Versicherten, erforderliche Korrekturen an der einzugliedernden Prothetik, etc.).
Darüber hinaus ist es dem Vertragszahnarzt freigestellt, wann er nach Abschluss der Behandlung (z.B. Eingliederung der Prothetik) die Leistung tatsächlich abrechnet. Nach den Abrechnungsbestimmungen der Beklagten kann er damit den Zeitpunkt der Abrechnung relativ frei wählen, um unter Berücksichtigung von steuerrechtlichen Gesichtspunkten, Degression, Kontingentierung und/oder Budgetierung ein möglichst optimales Honorar zu erzielen. Dies zeigt auch das Abrechnungsverhalten des Klägers. Aufgrund der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Listen ergibt sich, dass der Kläger – aus welchen Gründen auch immer – nicht immer die im letzten Abrechnungsmonat abgeschlossenen Leistungen abgerechnet hat, sondern teilweise auch Leistungen deren Leistungserbringung bereits mehrere Monate zuvor erfolgt war.
Daraus ergibt sich, dass für die im Zeitraum vom 01.01. bis 18.02.2001 vom Kläger abgeschlossenen Leistungen aus den Leistungsbereichen KFO, ZE, PAR und KB/KG nicht das Vertrauen auf eine honorarbegrenzungsfreie Vergütung entscheidend war.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 197 a, SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Erstellt am: 07.12.2005
Zuletzt verändert am: 07.12.2005