I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.378,98 € nebst Zinsen i.H. von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2021 zu bezahlen.
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II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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III. Der Streitwert wird auf 2.378,98 € festgesetzt.
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T a t b e s t a n d :
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Streitig ist eine Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlung in Höhe von 2.378,98 €.
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Der Patient wurde bei der Klägerin vom 26.05.2020 bis 05.06.2020 und vom 24.06.2020 bis 15.07.2020 stationär behandelt, für den ersten Aufenthalt rechnete die Klägerin die DRG E71B ab, für den zweiten Aufenthalt die DRG E05A. Die Beklagte hat zunächst die Rechnungen vollständig bezahlt. Nach Überprüfung kam der MDK zum Ergebnis, dass bei Entlassung aus dem ersten stationären Aufenthalt der Termin zur erneuten stationären Aufnahme bereits vorgelegen habe, also sei eine Fallzusammenführung vorzunehmen. Die Beklagte hat dann eine Verrechnung mit anderen unstrittigen Forderungen vorgenommen, sodass jetzt noch eine Forderung der Klägerin in Höhe von 2.378,98 € offen ist.
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Die Klägerbevollmächtigten machten geltend, dass die Klägerin die Abrechnung korrekt vorgenommen habe, es sei eine getrennte Abrechnung unter Berücksichtigung von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG vorzunehmen. Eine Fallzusammenführung scheide schon aufgrund dieser Regelung aus. In § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG ist Folgendes bestimmt: In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.
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Die Klägerbevollmächtigten verwiesen darauf, dass selbst wenn man davon ausgehen würde, dass entgegen dieser eindeutigen Regelung eine Fallzusammenführung unter Grundlage der fiktiven wirtschaftlichen Fallzusammenführung möglich sei, zu berücksichtigen sei, dass nach der BSG-Rechtsprechung eine Beurlaubung nur möglich ist, wenn die Behandlung für „wenige Tage“ unterbrochen werde. Hier habe die Unterbrechung jedoch 19 Tage gedauert. Eine Beurlaubung käme daher nicht in Betracht. Die Verrechnung der Beklagten sei daher insgesamt rechtswidrig.
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Die Beklagte machte geltend, dass die Verrechnung aufgrund des Ergebnisses der MDK-Prüfung rechtmäßig sei. Die Beklagte habe zu Recht die Fallzusammenführung vorgenommen, sodass nun ein einheitlicher Behandlungsfall vergütet werden müsste. Aus Sicht der Beklagten bedeute Fallzusammenführung nicht mehr und nicht weniger als dass mehrere Aufenthalte auf Abrechnungsebene als ein Fall zu bewerten sind und das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen hat, § 8 Abs. 5 Satz 1 KHEntgG. Genau diese Tatbestandsmerkmale würden hier vorliegen. § 1 Abs. 7 Satz 4 FPV spreche eindeutig sowohl für die Möglichkeit der Fallzusammenführung im Fall der Beurlaubung als auch dafür, dass § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2019 einen eigenen Tatbestand der Fallzusammenführung darstellt, der nicht von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG erfasst werde. § 2 FPV führe nicht dazu, dass sich weitere Fall-Zusammenführungstatbestände verbieten. Die Voraussetzungen für eine Beurlaubung seien in den BSG-Entscheidungen vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16) und 19.11.2019 (B 1 KR 6/19 R) enthalten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot könne im Rahmen der Fallzusammenführung wegen Beurlaubung weiterhin Anwendung finden, wenn das Krankenhaus nicht in wirtschaftlicher Weise gehandelt habe. Etwas Anderes wäre mit den Wirtschaftlichkeitsgeboten aus § 2 und § 12 SGB V nicht in Einklang zu bringen. Selbst wenn man entgegen all dessen in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG einen Ausschluss des Wirtschaftlichkeitsgebots sehen sollte, käme man zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach dieser Regelung sei die Fallzusammenführung nur in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen unzulässig. Die Fallzusammenführung habe hier jedoch in § 1 Abs. 7 FPV eine vertragliche Grundlage. Es müsste geprüft werden, ob für die Behandlung gleich zweckmäßige und notwendige, aber wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten bestanden hätten, insoweit werde auf die Entscheidung des BSG vom 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) verwiesen.
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Die Klägerbevollmächtigten machten geltend, dass das BSG-Urteil aufgrund der Gesetzesänderung keine Anwendung mehr finden könne, aber auch unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten sei keine Fallzusammenführung vorzunehmen. Der Rechtsfigur fehle es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Es wurde auf die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 5 KHEntgG verwiesen. Dies zeige, dass die frühere BSG-Rechtsprechung vom 28.11.2013 (B 3 KR 33/12 R) die vom Gesetzgeber gewollte Rechtslage zutreffend beurteilt habe. Das BSG habe damals festgestellt, dass eine erweiternde Auslegung der Fallzusammenführungsvorschriften der FPV rechtlich unzulässig sei. Außerdem würden die Voraussetzungen der Beurlaubung nicht vorliegen. Es wurde auf die Entscheidung des LSG Bayern vom 29.01.2019 (L 5 KR 631/17) verwiesen. Soweit die Beklagte dennoch eine Beurlaubung aus wirtschaftlichen Gründen heranziehe, sei dies vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung nicht mehr zulässig.
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Es erging ein gerichtlicher Hinweis an die Beteiligten. Die BSG-Entscheidung vom 27.10.2020 betreffe Behandlungen aus 2012, insoweit sei § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG nicht anwendbar. § 1 Abs. 7 S. 5 FPV sei kein Fallzusammenführungstatbestand, dies zeige sich auch aus der BSG-Rechtsprechung. Diese Regelung werde vom BSG zur Prüfung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens herangezogen. Aus der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG ergebe sich, dass die FPV-Regelungen zur Fallzusammenführung abschließend sein sollen. Eine Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots käme somit nicht in Betracht. Die Beklagte könne daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV nicht von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG erfasst werde. Es wurde ein Anerkenntnis angeregt.
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Die Beklagte teilte mit, dass ein Anerkenntnis derzeit nicht erfolge. Die Auslegung der Beklagten werde von anderen Sozialgerichten nicht als kritisch gesehen, insoweit wurde auf das SG Mannheim verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
\n die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.378,98 € nebst Zinsen
\n in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
\n dem 06.07.2021 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
\n die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Akte der Beklagten.
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\nE n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entschieden werden, weil beide Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärten.
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
\nDie Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in dem von ihr beantragten Umfang.
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Die Klage ist zulässig, es handelt sich um eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG.
\nDie Klage ist auch in vollem Umfang begründet.
\nRechtsgrundlage hierfür ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Die Forderung in Höhe von 2.378,98 € ist nicht durch Aufrechnung erloschen, da der Beklagten kein Rückforderungsanspruch zustand.
\nVorliegend durfte keine Fallzusammenführung vorgenommen werden.
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Die von der Klägerin zu beanspruchende Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Rechtsgrundlage ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 KHEntgG und § 17 b Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für das Jahr 2020.
\nDie Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen.
\nVergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (z.B. BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 25/13 R). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 7/12 R).
\nVorliegend war unter Berücksichtigung von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG eine getrennte Abrechnung der beiden stationären Aufenthalte vorzunehmen. Eine Fallzusammenführung, wie von der Beklagten geltend gemacht, durfte nicht vorgenommen werden.
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Es handelt sich um Behandlungen aus dem Jahr 2020, so dass § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG anwendbar ist.
\nSoweit sich die Beklagte auf die BSG-Entscheidung vom 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) beruft, ergibt sich keine andere Beurteilung. Diese betraf eine Behandlung aus dem Jahr 2012, insoweit konnte § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG noch keine Anwendung finden.
\nDie BSG-Entscheidung vom 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt daher nicht vergleichbar.
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Vorliegend scheidet eine Fallzusammenführung aufgrund von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG aus.
\nDort ist Folgendes geregelt:
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„In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.“
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Vorliegend sind die Fallzusammenführungstatbestände nach § 2 Abs. 1 bis 3 und § 3 Abs. 3 FPV unstreitig nicht erfüllt.
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§ 1 Abs. 7 Satz 5 FPV ist nach Auffassung des Gerichts kein Fallzusammenführungstatbestand.
\nIn § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV ist Folgendes geregelt:
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„Eine Beurlaubung liegt vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist“.
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Wie sich aus der Entscheidung des BSG vom 27.10.2020 (B 1 KR 9/20 R) ergibt, sieht auch das BSG § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV nicht als Fallzusammenführungstatbestand an, sondern zieht diese Regelung zur Prüfung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens heran. Wie aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG (BT-Dr. 19/5593 S. 125) jedoch gerade hervorgeht, sollte diese Regelung klarstellen, dass die in der FPV getroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierung der Zulässigkeit der Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind und eine von den Regelungen der FPV abweichende oder darüber hinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, nicht zulässig ist.
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Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 17 b Abs. 2 Satz 2 KHG (BT-Dr. 19/5593 S. 110). Dort heißt es, dass die Änderung von § 17 b Abs. 2 Satz 2 KHG den Verhandlungsauftrag für die Vertragsparteien auf Bundesebene präzisiert, sie stehe in Zusammenhang mit der gesetzlichen Vorgabe von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG, wonach die Regelungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind.
\nWie bereits ausgeführt, sind Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben. Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt zwar grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird, Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht, dies gilt auch für die in der FPV enthaltenen Abrechnungsbestimmungen (BSG 19.06.2018, B 1 KR 16/17 B).
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Bei § 1 Abs. 7 Satz 5 SGB V handelt es sich daher nach Auffassung des Gerichts nicht um einen Fallzusammenführungstatbestand.
\nInsoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV einen Fallzusammenführungstatbestand darstellt, der nicht von § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG erfasst werde.
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Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn man die Möglichkeit einer Fallzusammenführung entgegen § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG bejahen würde im vorliegenden Fall, diese letztlich daran scheitern würde, dass nach der BSG-Rechtsprechung eine Beurlaubung nur möglich ist, wenn die Behandlung für „wenige Tage“ unterbrochen wird (BSG 19.11.2019, B 1 KR 6/19 R).
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Im vorliegenden Fall dauerte die Unterbrechung jedoch 19 Tage und überschreitet damit nach Auffassung des Gerichts den vom BSG genannten Rahmen von „wenigen Tagen“.
\nAuch aus diesem Grund käme eine Fallzusammenführung, selbst wenn man sie entgegen § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG für zulässig halten würde, nicht in Betracht.
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Nach alledem war die Klage in vollem Umfang begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
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Erstellt am: 28.01.2022
Zuletzt verändert am: 28.01.2022