I. Der Bescheid vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2007 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten eine in der Zeit ab 01.07.2004 wegen Überschreitens von Hinzuverdienstgrenzen entstandene Rentenüberzahlung zurückzuerstatten.
Mit Bescheid vom 18.04.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger beginnend am 14.07.1999 und befristet bis 31.12.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf seinen Weitergewährungsantrag vom 23.11.2001 stellte sie mit weiterem Bescheid vom Januar 2002 und Wirkung ab 01.01.2002 den Rentenanspruch auf Dauer fest.
Im August 2006 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger seit Juli 2004 aus einer Nebentätigkeit ein gleichbleibendes monatliches Bruttoentgelt von 400,00 EUR und ab Juli 2006 ein solches von 399,00 EUR erzielt. Mit Anhörungsschreiben vom 25.09.2006 teilte sie ihm mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 18.04.2000 für die Zeit ab 01.07.2004 an aufzuheben und den wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze überzahlten Rentenbetrag zurückzufordern. Mit nun streitgegenständlichem Bescheid vom 19.10.2006 hob sie schließlich den Bescheid vom 18.04.2000 mit Wirkung ab 01.07.2004 auf. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Kläger habe nach Erlass des Verwaltungsaktes vom 18.04.2000 Einkommen erzielt, das – wegen der Vorschrift des § 96 a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zum Wegfall bzw. zur Minderung des Anspruchs geführt habe. Den hiergegen seitens des Klägers erhobenen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 06.02.2007 zurück.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 05.03.2007.
In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
den Bescheid vom 19.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie waren ebenso wie die Gerichtsakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 19.10.2006 und 06.02.2007 waren rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Verwaltungsakte beruht auf einer fehlerhaften Anwendung von § 48 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte berechtigt und verpflichtet, einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in seinen bei Erlass bestehenden tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Unter bestimmten – in Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift näher dargelegten Fallgestaltungen – soll sie den Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufheben.
Der (von der Beklagten aufgehobene) Bescheid vom 18.04.2000 war zweifelsfrei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Seine von der Beklagten ausgesprochene Aufhebung mit Wirkung ab 01.07.2004 scheitert aber daran, dass der Verwaltungsakt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirksam war. Dies ergibt sich aus § 39 Abs. 2 SGB X, wo geregelt ist, dass ein Verwaltungsakt so lange wirksam bleibt, bis er sich (u.a.) durch Zeitablauf erledigt hat. Eine solche Erledigung des Zeitablaufs war zum 31.12.2001 eingetreten, nachdem die Beklagte in materiell-rechtlich zulässiger Weise den Rentenanspruch des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit im Bescheid vom 18.04.2000 gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI (in der Fassung bis 31.12.2000) befristet hatte. Der Verwaltungsakt ist mit diesem bekannt gegebenen Inhalt wirksam (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB X) und nach dem er nicht angefochten wurde, auch bindend geworden (§ 77 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Mit Erreichen des Endpunktes der Befristung zum 31.12.2001 endete die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes vom 18.04.2000. Die Aufhebungsvorschrift des § 48 SGB X setzt sowohl was die künftige als auch die vergangheitsbezogene Aufhebung eines Verwaltungsaktes betrifft, naturgemäß voraus, dass der aufzuhebende Verwaltungsakt im Zeitpunkt des seine Aufhebung rechtfertigenden Änderungsereignisses auch noch seine Wirkungen entfaltet. Dies war vorliegend zweifelsfrei aber nicht mehr der Fall, nachdem der Bescheid vom 18.04.2000 durch die von der Beklagten selbst ausgesprochene Befristung zum 31.12.2001 ohne Weiteres (rechtliches) Zutun, also quasi automatisch, seine Wirksamkeit verlor und sich erledigte.
Eine bestandserhaltende Korrektur der streitgegenständlichen Verwaltungsakte durch die (Heilungs-) Vorschriften der §§ 41 und 42 SGB X scheidet aus, weil keine der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist.
Die fehlerhaften Verwaltungsakte vom 19.10.2006 und 06.02.2007 können auch nicht gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden. Nach dieser Vorschrift, die nach herrschender und insbesondere vom Bundessozialgericht (BSG) vertretener Auffassung (u.a. SozR 3-1300 § 48 Nr. 25) nicht nur von den Verwaltungsbehörden, sondern auch den Gerichten angewendet werden kann, kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
Die Beklagte führt im Tenor des Bescheides vom 19.10.2006 und zumindest sinngemäß auch in dem den Widerspruch zurückweisenden Verwaltungsakt vom 06.02.2007 ausdrücklich aus, dass sie den Bescheid vom 18.04.2000 aufhebt. Diese klare und unmissverständliche Erklärung der Beklagten ist wegen ihrer Eindeutigkeit weder einer Auslegung noch einer Konversion zugänglich. Nachdem die auf den Bescheid vom 18.04.2000 zielende und ihre Wirkung ab 01.07.2004 entfalten sollende Verwaltungsmaßnahme der Beklagten mangels noch bestehender Wirksamkeit des Bescheides vom 18.04.2000 nicht realisierbar war, kann sie auch nicht in eine andere auf diesen Verwaltungsakt bezogene (rechtlich zulässige) Entscheidung umgedeutet werden. Jede nur denkbare Umdeutung scheitert an der Befristung des Bescheides vom 18.04.2000. Die Konversion stellt einen Erkenntnis- und nicht einen Entscheidungsakt dar (Kasseler Kommentar, § 43 SGB X RdNr. 8). Das bedeutet, dass das Gericht in die Grundentscheidung der Behörde darüber, welchen in der Vergangenheit erlassenen Verwaltungsakt sie (ggf in zulässiger Überwindung seiner Bestandskraft) nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften korrigieren will, nicht eingreifen kann. Der befristete Bescheid vom 18.04.2000 hat sich mit Ablauf des 31.12.2001 erledigt. Er wirkt nicht darüber hinaus, auch nicht im Sinne einer Weitergeltung in Gestalt des Bescheides vom Januar 2002. Mit diesem hat die Beklagte rechtlich neu und ohne Bindung an den vorhergehenden Verwaltungsakt über den Rentenanspruch entschieden. Diesen Verwaltungsakt hätte sie aufheben müssen, um den Rückzahlungsanspruch zu realisieren.
Nachdem auch eine Korrektur gemäß § 38 SGB X ausscheidet, war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 17.04.2008
Zuletzt verändert am: 17.04.2008