Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. Juni 2008 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 wird aufgehoben, soweit der Klägerin darin Säumniszuschläge in Höhe von 12.259,55 EUR auferlegt werden. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung von Säumniszuschlägen (SZ) für nachgeforderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge.
Die Klägerin gehört zu einer Firmengruppe, die sich aus einem ursprünglichen Familienunternehmen entwickelt hat und seit vielen Jahren von N N, u. a. geschäftsführender Gesellschafter der Komplementärin der Klägerin, der L. M. B. N Verwaltungs- GmbH, geleitet wird. Die Gesellschaftsanteile der Klägerin hat N N im Jahre 1985 erworben. Es war von Anfang geplant, dass sein Schwager U L, der das auf den Verkauf und die Reparatur von Uhren im oberen Preissegment spezialisierte Ladenlokal in C führte, die Gesellschaftsanteile übernehmen werde. Ohne dass es dazu letztlich kam und ohne dass zumindest eine Eintragung als Geschäftsführer in das Handelsregister erfolgte, oblag U L die Verantwortung für das Ladenlokal in C einschließlich der Entscheidungen über die Einstellung und Entlassung von Personal. Die Buchhaltung und weitere Personalverwaltung erfolgten jedoch in der Zentrale der Firmengruppe in C1. Im Rahmen von EDV-gesteuerten routinemäßigen Plausibilitätsüberprüfungen, denen alle Geschäftsbereiche unterworfen waren, fielen bezüglich der Klägerin Ende 2005 Unregelmäßigkeiten im Umlaufvermögen auf, die den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH veranlassten, eine Zeitlang die Buchführung der Klägerin in C1 parallel "mitschreiben" zu lassen. Im Rahmen dieser Kontrolle wurden weitere Vorfälle mit erhöhtem Erklärungsbedarf entdeckt. Nachdem der Leiter des Ladenslokals in C, U L, keine akzeptablen Erklärungen vorbringen konnte, veranlasste der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH eine umfassende betriebswirtschaftliche Kontrolle der Klägerin unter Einbeziehung von Vergleichsberechnungen anderer Unternehmensteile. Mit dem Ergebnis konfrontiert, machten der Leiter des Ladenlokals in C, seine Ehefrau, die Schwester des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, und die bei der Klägerin in Teilzeit beschäftigte Büromitarbeiterin D L dennoch keine wahrheitsgemäßen Angaben. Nach ersten Gesprächen mit dem Finanzamt und der Staatsanwaltschaft C1 erstattete N N Selbstanzeige und führte im Ladenlokal C der Klägerin weitere betriebliche Ermittlungen durch. Am 09.02.2006 sprach er u. a. seinem Schwager U L gegenüber die fristlose Kündigung des bestehenden Angestelltenverhältnisses aus. Als Ergebnis einer strafprozessualen Durchsuchung im Hause L und in den Betriebsräumen der Klägerin wurden eine "schwarze Kasse" und ein "schwarzes" Kassenbuch aufgefunden. Es ließ sich rekonstruieren, dass U L im Zeitraum 2000 bis 2005 offensichtlich in einer Größenordnung von ca. 3 bis 3,5 % des Umsatzes der Klägerin Gelder unterschlagen und darüber in dem "schwarzen" Kassenbuch Aufzeichnungen durch die Mitarbeiterin L hatte führen lassen. Deren Befragung stützte den Verdacht, dass U L an diese ca. 1.000,00 EUR monatlich in bar ausgezahlt hatte; es ließ sich nicht klären, ob damit zusätzliche Arbeitsstunden der Mitarbeiterin L im Hinblick auf die "schwarze" Buchführung abgegolten werden sollten oder ob es sich bei den Zahlungen ganz oder teilweise um "Schweigegeld" gehandelt hatte.
Mit dem Finanzamt C1-Mitte schloss der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin nach Abschluss der Ermittlungen am 20.07.2006 eine sog. "tatsächliche Verständigung" zur Vereinfachung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens. Zugrunde gelegt wurden bei fortbestehenden Unsicherheiten über die Höhe der bisher nicht versteuerten und von dem Leiter des Ladenlokals in C, U L, entwendeten Einnahmen aus dem Unternehmen für das Jahr 2000 100.000,00 EUR, für 2001 125.000,00 EUR, für 2002 175.000,00 EUR, für 2003 200.000,00 EUR, für 2004 250.000,00 EUR und für 2005 350.000,00 EUR. Die u. a. nachzuentrichtende Umsatzsteuer belief sich auf insgesamt 165.517,24 EUR. Zugleich gingen die Partner der "tatsächlichen Verständigung" von nicht verbuchten Lohnzahlungen in Höhe von jeweils 12.500,00 EUR, betreffend die Jahre 2000 bis 2005, aus, für die Lohnsteuer nachzuzahlen war. Zu Gunsten der Klägerin gaben die Eheleute L am 03.07.2006 ein notarielles Schuldanerkenntnis in Höhe von 1.200.000,00 EUR ab.
Auf der Grundlage der o. g. "tatsächlichen Verständigung" und im Hinblick auf die dort vermerkten fehlenden Möglichkeiten, bestimmte Lohnzahlungen einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen, machte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Summenbescheid vom 14.11.2006 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen, ausgehend von bisher nicht verbeitragten Arbeitsentgelten in Höhe von jährlich 12.500,00 EUR für die Jahre 2000 bis 2005, in Höhe von 34.848,46 EUR sowie SZ in Höhe von weiteren 12.259,55 EUR geltend. Die SZ seien zu zahlen, da die Klägerin nach dem sich aus der o. g. "tatsächlichen Verständigung" ergebenden Sachverhalt Kenntnis von ihrer Zahlungspflicht gehabt habe.
Mit ihrem lediglich gegen die festgesetzten SZ gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei der Frage nach der Kenntnis von der Zahlungspflicht im Sinne von § 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sei auf den gesetzlich und gesellschaftsrechtlich Verantwortlichen der Klägerin, den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, abzustellen. Dieser habe jedoch erst Anfang 2006 Kenntnis davon erlangt, dass möglicherweise Lohnzahlungen nicht ordnungsgemäß verbucht und insoweit weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Dass der Mitarbeiter L, der u. a. für die Weitergabe der maßgeblichen Daten der Beschäftigten an die Personalzentrale C1 zuständig gewesen sei, sich mit hoher krimineller Energie bereichert und Schwarzgelder ausgezahlt habe, sei trotz laufender Kontrollen und Überwachung wegen der geschickten Fälschung von Belegen und Manipulationen der Kasse nicht eher aufgefallen. Dessen Verhalten, das sich weit außerhalb der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ihr, der Klägerin, gegenüber bewegt habe, sei ihr nicht zuzurechnen, auch wenn U L Aufgaben- und Verantwortungsbereich demjenigen eines Geschäftsführers gleich gekommen sei.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2007 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Sie müsse sich die Kenntnis ihres leitenden Angestellten L, dem arbeitsrechtlich auch die Regelung der Angelegenheiten gegenüber den Sozialversicherungsträgern oblegen hätten, unmittelbar selbst zurechnen lassen. Aus welcher Motivation heraus der Mitarbeiter seine Pflichten verletzt habe, sei unerheblich; dieser sei sog. "Wissensvertreter" seines Arbeitgebers im Sinne von § 166 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Zur Begründung ihrer am 21.06.2007 bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, der leitende Mitarbeiter L habe die für die Lohn- und Gehaltsabrechnungen relevanten Daten der ihm unterstellten Mitarbeiter über die zentrale Personalverwaltung in C1 an ein Steuerbüro weitergeleitet, das die Lohnabrechnungen auf dieser Grundlage durchgeführt habe. Trotz ständiger Kontrolle und Überwachung seien die von L vorgenommenen bzw. veranlassten Manipulationen der Bücher und der Kasse über Jahre nicht aufgefallen. Ein solches Verhalten, bei dem sich der Arbeitnehmer außerhalb seines Arbeitsvertrages bewege, sei dem Arbeitgeber im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB IV nicht zuzurechnen. Ihr, der Klägerin, sei durch das Verhalten des Mitarbeiters L, der immer als zuverlässiger und ehrenhafter Kaufmann erschienen sei, ein immenser Gesamtschaden in siebenstelliger Höhe entstanden. Wegen der Uneinsichtigkeit des Mitarbeiters L habe sie, die Klägerin, sogar ein Strafverfahren bei der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft C1 initiieren müssen. Es sei gegen den Hauptverantwortlichen ein Strafbefehl mit Bewährungsauflagen ergangen; u. a. habe sich dieser verpflichten müssen, einen wesentlichen Teil des Schadens wieder gut zu machen. Daraufhin sei das notarielle Schuldanerkenntnis abgeben worden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 aufzuheben, soweit ihr darin Säumniszuschläge in Höhe von 12.259,55 EUR auferlegt worden seien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Bescheid bezogen.
Mit Urteil vom 11.06.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, die Klägerin habe die geltend gemachte Beitragsnachforderung anerkannt. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV seien daher von ihr auch, wie es dem gesetzlichen Regelfall entspreche, SZ zu zahlen. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 24 Abs. 2 SGB IV lägen nicht vor. Es habe der Klägerin auffallen müssen, dass Mitarbeiter in dem Ladenlokal in C beschäftigt worden seien, für die die Klägerin keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. Bereits im Rahmen eines üblichen betrieblichen Controllings hätte die Klägerin die fehlende Anmeldung zur Sozialversicherung feststellen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, könne nur mit dem besonderen Vertrauensverhältnis des leitenden Angestellten aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen erklärt werden. Lasse ein Arbeitgeber jedoch einen leitenden Mitarbeiter ohne hinreichende Kontrolle die Geschäfte führen, so liege immer ein Organisationsverschulden vor. Eine Möglichkeit zur Exkulpation bestehe nicht.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 20.06.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.06.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist sie darauf, dass das SG von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei. Die Beiträge seien aufgrund einer Schätzung ermittelt worden und nach Angaben des leitenden Mitarbeiters L fast ausnahmslos an die bei ihr, der Klägerin, in Teilzeit beschäftigte D L geflossen. Die mit dieser arbeitsvertraglich vereinbarten Gehaltszahlungen seien ordnungsgemäß verbucht und verbeitragt worden. Lediglich für die Entgelte, die an diese wegen der im Zusammenhang mit der Führung der "schwarzen" Kasse geleisteten Arbeitsstunden gezahlt worden seien, und für das "Schweigegeld" seien keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden. Genauere Angaben seien nicht zu ermitteln gewesen, insbesondere nicht, ob die geschätzten Zahlungen in Höhe von monatlich ca. 1.000,00 EUR überhaupt Mehrarbeitsvergütungen oder als "Schweigegeld" nach ihrer Auffassung überhaupt nicht sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Im Rahmen eines üblichen betrieblichen Controllings seien die Vorgänge jedenfalls nicht zu entdecken gewesen, da sie sorgfältig verschleiert worden seien. Ihr, der Klägerin, könne im Rahmen des § 24 Abs. 2 SGB IV letztlich nicht vorgeworfen werden, dass sie – zu ihrem eigenen Nachteil – die auf Schätzungen beruhenden Gesamtzahlungen an Arbeitnehmer als sozialversicherungspflichtiges Arbeitentgelt gewertet habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 11.06.2008 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 aufzuheben, soweit ihr darin Säumniszuschläge in Höhe von 12.259,55 EUR auferlegt worden seien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis als zutreffend. Der Vortrag der Klägerin, dass die nicht verbucht gewesenen Lohnzahlungen im Wesentlichen nur einer Mitarbeiterin zuzuordnen seien, betreffe weder die Forderung als solche, die im Übrigen gar nicht Streitgegenstand sei, noch die Entscheidung durch Summenbescheid. Auch wenn den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin persönlich kein Verschulden an der fehlenden Verbeitragung treffe, so sei der Klägerin doch das Verhalten ihres leitenden Mitarbeiters L zuzurechnen. Dieser sei deren "Wissensvertreter" gewesen; sein Wissen um die Beitragspflicht sei der Klägerin gem. §§ 166, 278 BGB zuzurechnen.
Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, vertritt die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV vorlägen. Die Befragung des Geschäftsführers N habe deutlich gemacht, dass zu keinem Zeitpunkt ein Organisationsverschulden vorgelegen habe. Das Wissen des Mitarbeiters L sei der Klägerin nicht zuzurechnen, da sich dieser außerhalb des arbeitsvertraglichen Tätigkeitsfeldes bewegt habe, in dem es zu den Unregelmäßigkeiten gekommen sei.
Der Senat hat den Geschäftsführer N umfassend befragt und auf Antrag der Beteiligten, die sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt haben, die Öffentlichkeit hergestellt und mündlich verhandelt.
Wegen der Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- und Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der seinem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat durch die Berichterstatterin entscheiden können, denn die Beteiligten haben sich mit einer Einzelrichterentscheidung gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist in vollem Umfange begründet. Das SG hat zu Unrecht mit Urteil vom 11.06.2008 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 ist rechtswidrig, soweit der Klägerin darin SZ in Höhe von 12.259,55 EUR auferlegt worden sind. Zwar sind die Voraussetzungen für den Anspruch der Beklagten auf einen SZ nach § 24 Abs. 1 SGB IV gegeben. Die Klägerin hat sich jedoch zu Recht auf unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht berufen.
Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein SZ von eins vom Hundert des rückständigen auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach Abs. 2 der Vorschrift ein darauf entfallender SZ nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Letzteres ist bei der Klägerin der Fall.
Unabhängig von der Frage, ob die an die Mitarbeiterin L geleisteten Zahlungen im Wesentlichen zum Ziel hatten, strafbare Handlungen zu Lasten des Arbeitgebers zu begehen bzw. zu ermöglichen und ob solche Schweigegeldzahlungen Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV darstellen, hat die Klägerin den die Zahlungspflicht feststellenden Bescheid jedenfalls bestandskräftig werden lassen. Sie hat jedoch glaubhaft gemacht (§ 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X-), von der Zahlungspflicht unverschuldet keine Kenntnis gehabt zu haben. Dies steht zur Überzeugung des Senates insbesondere aufgrund des Ergebnisses der eingehenden Befragung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH der Klägerin fest.
Eine juristische Person des Privatrechts wie die Klägerin kann selbst keine "Kenntnis" bestimmter Umstände haben (Bundessozialgericht -BSG- Urt. vom 17.04.2008, Az.: B 13 R 123/07 R, www.juris.de), wobei sich das Verschulden entsprechend § 276 BGB beurteilt und neben Vorsatz auch alle Grade der Fahrlässigkeit umfasst (Segebrecht in: jurisPraxiskommentar -jurisPK-SGB IV, § 24 RdNr. 32). Der Klägerin ist im Rahmen des § 24 Abs. 2 SGB IV auch keine Kenntnis eines Funktionsträgers zuzurechnen. Stellt man insoweit auf den rechtlichen Vertreter der Kläger ab, also auf den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin N, so hat dieser glaubhaft gemacht, in den Jahren 2000 bis 2005 keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Das Verhalten des Geschäftsführers bei Entdecken der Unregelmäßigkeiten Ende 2005, der unverzüglich mit allen Mitteln die Situation aufzuklären versuchte und sofort Staatsanwaltschaft und Finanzamt einschaltete, macht aus Sicht des Senates deutlich, dass dieser eine fehlerhafte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, hätte er denn von diesen Umständen gewusst, in den Vorjahren keinesfalls toleriert hätte. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass auch die Kenntnis der innerhalb eines Betriebes für die regelrechte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen Verantwortlichen der juristischen Person des Privatrechts zuzurechnen sein kann (vgl. bzgl. des zuständigen Amtswalters bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts: Bundessozialgericht -BSG-, Urt. vom 17.04.2008, Az.: B 13 R 123/07 R, www.juris.de). Diese Verpflichtung hat jedoch gerade nicht, wie die Beklagte unterstellt, dem leitenden Mitarbeiter U L oblegen. Vielmehr hat der zuständige Steuerberater – nach Einschaltung der zentralen Personalverwaltung der Firmengruppe in C1 – die Gehälter und damit die Sozialversicherungsabgaben berechnet und im Auftrage der Klägerin abgeführt; diese sind bzgl. der Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsabgaben "Wissensvertreter" der Klägerin. Ebenso wie der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin haben jedoch weder der Steuerberater noch die zuständigen Mitarbeiter der zentralen Personalverwaltung vor 2006 gewusst bzw. hätten diese wissen müssen, wie auch die Beklagte zugesteht, dass an die Mitarbeiterin L über die offiziell mitgeteilten Vergütungsansprüche hinaus weitere Zahlungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geflossen sein könnten, die möglicherweise bei der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen hätten berücksichtigt werden müssen. Der Mitarbeiter L, dem – lediglich – die Pflicht oblegen hat, Änderungen in der monatlichen Vergütung der Mitarbeiter in C an die zentrale Personalverwaltung in C1 weiterzugeben, hat zur Verdeckung der von ihm und von der mit ihm kollusiv zusammenwirkenden Mitarbeiterin L über sechs Jahre begangenen Straftaten zu Lasten der Klägerin alles – bis hin zur akribischen Führung einer "schwarzen" Kasse und eines solchen Kassenbuches – getan, um die entsprechenden Informationen u. a. vor den für die Berechnung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zuständigen Mitarbeitern der Klägerin bzw. vor dem Steuerberater zu verheimlichen. Der Mitarbeiter L ist aus Sicht des Senates wegen seiner insoweit beschränkten Aufgabenzuweisung innerhalb der Klägerin nicht als die maßgebliche Person für die Zurechnung der Kenntnis anzusehen. Eine solche Zurechnung scheidet jedoch ohnehin deshalb aus, weil sich eine mögliche Kenntnis des L lediglich aus einem Verhalten ergeben kann, das eklatant gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und mit hoher krimineller Energie auf Schädigung der Klägerin gerichtet gewesen ist. Sein Verhalten könnte allenfalls der Klägerin zuzurechnen sein, wenn dieser ein Organisationsverschulden bei der Kontrolle und Überwachung dieses Mitarbeiters vorzuwerfen wäre, sie also bei ordnungsgemäßem Geschäftsablauf hätte merken müssen, dass weitere Sozialabgaben über die abgeführten hinaus zu entrichten gewesen wären. Dies ergibt sich aus den Zielsetzungen des § 24 SGB IV, die mit der Verpflichtung zur Zahlung der SZ verfolgt werden. Einerseits soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Beiträge den Versicherungsträgern nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen; es handelt sich damit um einen standardisierten Mindestschadensausgleich (BSG Sozialrecht -SozR- 4-2400 § 24 Nr. 2). Andererseits dient die Anordnung auch dazu, Druck auf die Beitragsschuldner auszuüben, damit die Beiträge rechtzeitig entrichtet werden (vgl. BSG SozR 3-2400 § 24 Nr. 1; BSG SozR 3-2400 § 24 Nr. 4; Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, a. a. O. m. w. N.). Zumindest der letztgenannte Zweck kann in Fällen wie dem vorliegenden nicht erfüllt werden, würde man bei der Zurechnung der Kenntnis von der Zahlungspflicht auf Mitarbeiter abstellen, die, wie vorliegend, in strafbarer Weise gegen die Interessen ihres Arbeitgebers handeln. Daran, dass kein Organisationsverschulden der Klägerin vorliegt, hat der Senat, ebenso wie die Beklagte und die Beigeladene, jedoch keinen Zweifel. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er – unabhängig von einer verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Mitarbeiter L – die Klägerin, wie alle Geschäftsbereiche der Firmengruppe, regelmäßig Controllingmaßnahmen unterzogen hat. Wegen der äußerst geschickten Vorgehensweise des Leiters des Ladenlokals in C haben jedoch vor Ende 2005 keine Unregelmäßigkeiten auffallen können. Es trifft insbesondere nicht zu, wovon das SG ausgegangen ist, dass in dem Ladenlokal Mitarbeiter beschäftigt worden sind, die überhaupt nicht zur Sozialversicherung angemeldet wurden. Dass die Mitarbeiterin L möglicherweise Mehrarbeit im Zusammenhang mit der Führung der "schwarzen" Kasse geleistet hat, ist vielmehr mit hoher krimineller Energie vor dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und den übrigen für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zuständigen Mitarbeitern der Klägerin sowie vor dem Steuerberater verborgen worden.
Die Klägerin hatte schließlich auch unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht, § 24 Abs. 2 SGB IV. Ein – allein in Betracht kommendes – Organisationsverschulden ist der Klägerin nicht vorwerfbar. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH hat insoweit glaubhaft gemacht, dass er sich eingehend und fortwährend in betriebswirtschaftlicher Hinsicht mit allen Zweigen des Familienunternehmens befasst. Er hat auch in den Jahren 2000 bis 2005 durch Controlling und Vergleichsberechnungen dafür Sorge tragen wollen, dass in steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht alle Obliegenheiten der Klägerin erfüllt werden. Dass er diese Verpflichtung sehr ernst nimmt und genommen hat, machen die akribischen Ermittlungen deutlich, die er nach Entstehen eines Anfangsverdachtes entfaltet hat, ebenso, dass er in jeglicher Hinsicht die Verantwortung für die Vorfälle übernommen und die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Nachforderungen unverzüglich erfüllt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Anlass zur Zulassung der Revision hat nicht bestanden, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Erstellt am: 13.11.2008
Zuletzt verändert am: 13.11.2008