Das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. April 2005 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2004 verurteilt, die Zeit vom 01.06.1970 bis 31.07.1972 als nachversicherte Zeit des Klägers vorzumerken. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Nachversicherung des Klägers.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger war bei dem beigeladenen Land Nordrhein-Westfalen (NRW) als Beamter beschäftigt, wobei er zunächst ab dem 01.06.1970 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an der Realschule ableistete und zum 01.02.1972 unter Berufung zum Realschullehrer zur Anstellung zum Beamten auf Probe ernannt wurde. Mit Ablauf des 31.07.1972 wurde er auf sein Verlangen aus dem Dienst des Beigeladenen entlassen.
Mit Schreiben vom 19.10.1972 teilte der Beigeladene dem Kläger mit, es sei zu prüfen, ob Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung im Dienste des Landes nach § 124 Abs. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zu entrichten seien oder ob die Nachentrichtung der Beiträge nach § 125 Abs. 1 AVG aufzuschieben sei. – Die über den Kläger geführten Personalakten des Beigeladenen enthalten keinen Rücklauf auf dieses Schreiben, sondern nur einen Vermerk "über den vorläufigen Abschluss des Nachversicherungsfalles". Mit einem am 24.05.1974 beim Beigeladenen eingegangenen Schreiben teilte der Kläger diesem u.a. mit, ihm sei am 02.08.1973 ein Schreiben über eine evtl. Nachversicherung zugesandt worden. Für die verspätete Beantwortung entschuldige er sich. Er gebe dieses Schreiben in der Anlage zurück. Dieses Schreiben des Klägers ist den Personalakten mit der Bemerkung beigeheftet, "die Anlage bezüglich der Nachversicherung liege nicht an". Eine entsprechende Benachrichtigung des Klägers unterblieb.
Nach dem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis im Juli 1972 nahm der Kläger zunächst erneut ein Studium auf. Zum 08.09.1981 trat er sodann in ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als angestellter Realschullehrer beim Beigeladenen ein. Seit diesem Zeitpunkt wurden für ihn durchgehend Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet.
Im Dezember 2003 machte der Kläger im Rahmen eines Kontenklärungsantrags gegenüber der Beklagten erstmals geltend, es könne für ihn ein Anspruch auf Nachversicherung für die Zeit vom 01.02.1970 bis 31.07.1972 bestehen. Der Beigeladene erhob mit Schreiben vom 10.03.2004 aufgrund einer Mitteilung der Beklagten, es sei für den Kläger, der aus der versicherungsfreien Beschäftigung bei dem Beigeladenen ausgeschieden sei, die Frage der Nachversicherung zu prüfen, gegenüber dieser die Einrede der Verjährung nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Daraufhin lehnte es die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 23.04.2004 ab, die Nachversicherung für die Zeit vom 01.02.1970 bis 31.07.1972 gemäß § 233 Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) i.V.m. § 9 des AVG durchzuführen. Der Anspruch des Versicherungsträgers zur Beitragsforderung sei gemäß § 205 AVG i.V.m. § 29 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit der Beiträge verjährt, soweit diese nicht absichtlich hinterzogen worden seien. Für den letzteren Fall habe in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB (§§ 195 ff.) eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gegolten. Nach Aktenlage seien die Nachversicherungsbeiträge am 01.08.1972 fällig geworden. Damit bestehe für sie, die Beklagte, kein Recht mehr auf Forderung der Beiträge, es sei denn der Nachversicherungsschuldner würde diese freiwillig anbieten. Der Beigeladene habe jedoch die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit dem Widerspruch bezog sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Saarbrücken, wie sie in einem Urteil vom 18.03.2004 (L 1 RA 77/01) zum Ausdruck komme. Hiernach seien im Nachversicherungsfall auch dann Beitragszeiten rentenerhöhend zu berücksichtigen, wenn die Beiträge infolge der Einrede der Verjährung vom früheren Dienstherrn nicht verlangt werden könnten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09.11.2004 zurück:
Aufgrund des unversorgten Ausscheidens des Klägers aus dem Beamtenverhältnis am 31.07.1972 seien Nachversicherungsbeiträge am Folgetag, dem 01.08.1972, fällig geworden (§ 9 Abs. 1 AVG). Damit sei die Verjährungsvorschrift des § 29 Abs. 1 RVO in der bis zum 30.06.1977 geltenden Fassung einschlägig. Danach verjähre der Anspruch des Versicherungsträgers auf Nachversicherungsbeiträge nach zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden seien. Seien die Beiträge absichtlich hinterzogen worden, gelte eine dreißigjährige Verjährungsfrist. Die Nachversicherungsbeiträge seien im Fall des Klägers am 01.08.1972 fällig geworden, so dass die Zweijahres-Frist am 31.12.1974, die dreißigjährige Verjährungsfrist am 31.12.2002 geendet habe. Damit sei ihr, der Beklagten, Beitragsanspruch verjährt. Der Dienstherr habe sich auf die Einrede der Verjährung berufen und kein freiwilliges Beitragsangebot gemacht. Mit dem am 01.08.2004 mit rückwirkender Relevanz in Kraft getretenen § 281 Abs. 1 SGB VI habe der Gesetzgeber klargestellt, dass auch vor dem 01.01.1992 fällige aber noch nicht entrichtete Nachversicherungsbeiträge erst mit der Zahlung im Sinne des § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VI als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gelten würden. Dem vom Kläger im Bezug genommenen Urteil des LSG für das Saarland vom 18.03.2004 komme mithin keine Bedeutung mehr zu.
Der Kläger hat am 03.12.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Aachen erhoben, zu deren Begründung er sich im wesentlichen erneut auf das Urteil des LSG für das Saarland (L 1 RA 77/01) bezogen hat.
Das SG hat mit Urteil vom 22.04.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Frage, ob bei einem unversorgten Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis die Anerkennung der nachzuversichernden Beitragszeit auch ohne eine entsprechende Beitragserstattung durch den ehemaligen Arbeitgeber erfolge, sei umstritten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dies für den Geltungsbereich des § 124 AVG zunächst offen gelassen. Sodann habe der 4. Senat des BSG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es nicht auf die tatsächliche Beitragszahlung ankomme, sondern der Erwerb der nachversicherten Beitragszeit unabhängig davon erfolge, ob der Arbeitgeber die entsprechenden Nachversicherungsbeiträge entrichte. Im Schrifttum werde hingegen die Meinung vertreten, dass es für die Anerkennung von nachversicherten Beitragszeiten auf die tatsächliche Beitragszahlung des Arbeitgebers ankomme. Der Gesetzgeber habe diesen Streit nunmehr durch Einführung des § 281 Abs. 2 SGB VI entschieden. Diese Vorschrift verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil keine feststehende Rechtslage geändert, sondern nur eine in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Auslegungsfrage geklärt worden sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 24.05.2004 zugestellte Urteil am 17.06.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ausführt, es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr, der pflichtwidrig keine Nachversicherung vorgenommen habe, anschließend auf die Einrede der Verjährung berufe. Die Beklagte habe nicht erklären können, warum entgegen der gesetzlichen Verpflichtung beim Ausscheiden des Klägers aus dem Dienstverhältnis keine Nachversicherung vorgenommen worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. April 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2004 zu verurteilen, die Zeit vom 01.06.1970 bis 31.07.1970 als nachversicherte Zeit des Klägers vorzumerken.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich weiterhin auf § 281 Abs. 2 SGB VI. Diese stehe der Anrechnung von Beitragszeiten entgegen, solange der Beigeladene sich auf die Einrede der Verjährung berufe und die Nachversicherungsbeiträge nicht zahle. Auch die Rechtsprechung des BSG zum dreiseitigen Nachversicherungsverhältnis stehe dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe sich zur Durchsetzung des von ihm gewollten Äquivalenzprinzips gehalten gesehen, die Gesetzesauslegung durch die Einführung des § 281 Abs. 2 SGB VI klarzustellen.
Auch der Beigeladene hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte und der Beigeladene sind zudem der Ansicht, aus dem Inhalt der beigezogenen Personalakten des Klägers ergebe sich, dass dieser bereits zeitnah, nämlich im Jahr 1974, mit dem Thema Nachversicherung befasst gewesen sei, so dass ihn zumindest ein Mitverschulden daran treffe, dass die Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der den Kläger betreffenden Personalakten des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist die Verpflichtung der Beklagten, zugunsten des Klägers eine Pflichtbeitragszeit aus einer Nachversicherung vorzumerken (§ 149 Abs. 5 SGB VI), nicht hingegen die "Durchführung" der Nachversicherung (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.11.2005, L 10 R 418/05).
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten, mit bindender Wirkung für den Beigeladenen und den Kläger festzustellen, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Nachversicherung im streitigen Zeitraum vorliegen. Die "Durchführung" der Nachversicherung betrifft demgegenüber allein das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen. Diese ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. insbesondere Urteil vom 29.07.1997, 4 RA 107/95 in SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 mwN.) vom hier streitigen Nachversicherungsverhältnis zu unterscheiden. Dieses entsteht als dreiseitiges Rechtsverhältnis zwischen dem Beschäftigten, dem Rentenversicherungsträger und dem vormaligen Arbeitgeber bzw. Dienstherrn im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens des Beschäftigten. Der unversorgt Ausgeschiedene ist in diesem Rechtsverhältnis berechtigt, auf Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung der Nachversicherung (sog. "Zulassung" zur Nachversicherung) sowie auf Vormerkung dieser Zeit zu klagen. Der Sache nach handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu insbesondere das Urteil vom 23.03.1999, B 4 RA 50/98 R in SozR 3-2600 § 8 Nr. 5) um zwei kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Es ist zulässig, die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung der Nachversicherung mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Vormerkung der nachversicherten Zeit zu verbinden (vgl. Urteil des BSG vom 23.03.1999 aa0.).
Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger für die Zeit vom 01.06.1970 bis 31.07.1972 nach § 233 Abs. 1 S. 1 SGB VI zur Nachversicherung zuzulassen. Danach werden Personen, die vor dem 01.01.1992 aus einer Beschäftigung ausgeschieden sind, in der sie nach dem jeweils maßgeblichen Recht nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren, weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind. Damit beurteilt sich die Frage, ob zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Dienst bei dem Beigeladenen, dem 31.07.1972, der sog. Nachversicherungsfall eingetreten ist, nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Tätigkeit galt.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 AVG. Für die Zeit bis zum 31.01.1972 war er als Referendar und Beamter des beigeladenen Landes, der für seinen Beruf ausgebildet wurde, versicherungsfrei im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 AVG. Für die Zeit seit dem 01.02.1972 war er versicherungsfrei nach § Abs. 1 Nr 3 AVG als Beamter des beigeladenen Landes, dem Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet war.
Mit Ablauf des 31.07.1972 entfiel die Versicherungsfreiheit des Klägers nach § 9 Abs. 1 AVG. Schieden hiernach Personen aus der Beschäftigung, während der sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder nach § 8 Abs. 1 versicherungsfrei waren, aus, ohne dass ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung oder ihren Hinterbliebenen eine diesen Vorschriften, Grundsätzen oder Regelungen entsprechende Versorgung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt wurde, waren sie für die Zeit, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern. Der Kläger ist unversorgt in diesem Sinne aus dem Beamtenverhältnis zum beigeladenen Land ausgeschieden. Mit Ablauf des 31.07.1972 entstand mithin das Nachversicherungsverhältnis. Die Beklagte ist damit verpflichtet, den Kläger zur Nachversicherung zuzulassen. Für die Entstehung dieser Verpflichtung ist es auch nicht von Bedeutung, ob die Beklagte vom Beigeladenen Beiträge eingezogen hat, denn im Nachversicherungsverhältnis ist es allein ihr Recht und ihre Befugnis, die Beiträge einzuziehen. Für das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger als unversorgt Ausgeschiedenem hat die Beitragszahlung keine Bedeutung (ständige. Rspr. des BSG, vgl. die genannten Urteile aa0, mwN.).
Dem steht § 281 Abs. 2 SGB VI nicht entgegen. Zwar gelten hiernach Beiträge, die nach dem vor dem 01.01.1992 geltenden Recht im Rahmen der Nachversicherung nachzuentrichten waren und noch nicht nachentrichtet sind, erst mit der Zahlung im Sinne des § 181 Abs. 1 S. 2 als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge. Diese Vorschrift hat allerdings für die Entstehung des Nachversicherungsverhältnisses und die Zulassung der Nachversicherung keine Bedeutung; denn entsprechend den vorherigen Ausführungen kommt es für die Entstehung dieses Rechtsverhältnisses gerade auf eine Beitragszahlung, gleich welche Bedeutung dieser vom Gesetzgeber beigemessen wird, nicht an.
Der Kläger begehrt jedoch nicht allein die Zulassung zur Nachversicherung, sondern auch die letztendlich für die Gestaltung seines Rechtsverhältnisses zur Beklagten entscheidende Vormerkung des streitigen Zeitraums als nachversicherte Beitragszeit. Vordergründig scheint diesem Anspruch § 281 Abs. 2 SGB VI nach seinem reinen Wortlaut entgegen zu stehen. Danach gelten Beiträge, soweit sie nach dem vor dem 01. Januar 1992 geltenden Recht im Rahmen der Nachversicherung zu entrichten waren, erst mit der Zahlung im Sinne des § 181 Abs. 1 SGB VI als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge. Hintergrund dieser durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I 2004, S. 1791) eingeführten Bestimmung war die Absicht des Gesetzgebers, die Voraussetzungen einer Nachversicherung "klarzustellen". Der bis Ende 1991 geltende Gesetzestext sei insoweit nicht eindeutig gewesen (vgl. BT-Drucks. 15/2149, S. 29).
Die Vorschrift stellt der Sache nach eine Änderung des § 124 Abs. 4 AVG in dessen bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung dar. Hiernach galten die nachzuentrichtenden Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge. Diese Norm ist jedenfalls in der höchstrichterlichen Rechtsprechung immer dahingehend ausgelegt worden, dass sie die Vormerkung der nachversicherten Zeit ermögliche, ohne dass es auf die tatsächliche Beitragszahlung durch den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn ankam (vgl. insbesondere Urteil des BSG vom 23.03.1999, aa0., mwN.). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung fest. Der demgegenüber in der Literatur vertretenen Ansicht, die Vorschrift enthalte, soweit sie von nachzuentrichtenden Beiträgen spreche, einen gesetzestechnischen Fehlgriff und Beiträge der Nachversicherung entfalteten wie alle anderen Beiträge ihre Wirkung nur, wenn und soweit sie entrichtet wurden (vgl. u.a. Koch/Hartmann, Kommentar zum AVG, Teil V, C, 1) ist nicht zu folgen.
Der Gesetzgeber wollte gerade der durch § 124 Abs. 4 S. 1 AVG begründeten Durchbrechung des grundsätzlich geltenden Äquivalenzprinzips im Beitragsrecht mit der Einführung des § 281 Abs. 2 SGB VI entgegenwirken (BT-Drucksache aaO.).
In der Literatur sowie teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Bestimmungen des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes und damit auch bei § 281 Abs. 2 SGB VI um eine gesetzliche Klarstellung (sogenannte "authentische Interpretation") dessen handele, was auch bereits vor Erlass des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes Praxis der Rentenversicherungsträger bis 1995 gewesen sei (vgl. z.B. Reinhardt, in: Ders. (Hrsg.), LPK-SGB VI, 2006, § 281 Rdnr. 3; Kramer, DAngVers 2004, 404, 405; Göhde/Schmitz/Rüttgard, LVA-Mitt. Rheinprovinz 2004, 289, 289; Liebich, RVaktuell 2006, 108, 111 sowie LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 23.11.2005, Az.: L 10 R 418/05). Mit dieser Auslegung des § 281 Abs. 2 SGB VI käme es für die Vormerkung und Anerkennung von Zeiten der Nachversicherung entgegen der bis zum 31.07.2004 geltenden Rechtslage nunmehr nur noch auf die tatsächliche Beitragszahlung durch den Beitragsschuldner, vorliegend den Beigeladenen, an.
Der Senat legt die Vorschrift jedoch verfassungskonform dahingehend aus, dass von ihrem Anwendungsbereich die Personen ausgenommen sind, bei denen – wie im Falle des Klägers – bei Inkrafttreten der Norm bereits die dreißigjährige Verjährungsfrist verstrichen war. Würde man § 281 Abs. 2 SGB VI anders, in der von der Beklagten gewünschten Weise, auslegen, so verstieße die Vorschrift zur Überzeugung des Senats gegen das verfassungsrechtlich normierte Verbot einer belastenden echten Rückwirkung. Eine solche belastende echte Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) grundsätzlich mit dem in Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) normierten Rechtsstaatsprinzip i.V.m. den jeweils einschlägigen Grundrechten unvereinbar. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm zum Nachteil der von ihr Betroffenen auf einen Zeitpunkt festgelegt wurde, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu welchem die Norm verkündet wurde (vgl. hierzu Beschluss des BSG vom 29.08.2006, B 13 RJ 8/05 R mwN.).
§ 281 Abs. 2 SGB VI ist in der Auslegung, die ihr durch die Beklagte gegeben wird, mit einer echten Rückwirkung in diesem Sinn verbunden. Entgegen der Gesetzesbegründung (Bt-Drs. aaO.) handelt es sich bei der Einführung dieser Norm nicht lediglich um eine Klarstellung, welche die bis Ende 1991 gültige Praxis sanktionierte. Eine unklare und unheitliche Rechtslage, welche der Gesetzgeber klarstellen könnte, liegt nicht bereits dann vor, wenn eine Rechtsfrage zwischen dem Schrifttum und den Rentenversicherungsträgern auf der einen und der Rechtsprechung auf der anderen Seite umstritten ist.
Unklar und uneinheitlich kann eine Rechtslage nur sein, wenn sie in der Rechtsprechung umstritten ist. Die Interpretation eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes ist nicht Aufgabe der rechtswissenschaftlichen Literatur und auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers sondern vielmehr allein der Rechtsprechung vorbehalten, wobei die höchstrichterliche Rechtsprechung deren Einheit bewirken soll. Dementsprechend kann eine von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend erkannte Rechtslage vom Gesetzgeber nur in den durch die Verfassung gezogenen Grenzen rückwirkend geändert und nicht etwa "klar gestellt" werden. Eine "authentische Interpretation", wie sie dem Gesetzgeber des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes augenscheinlich vorschwebte, ist dem geltenden deutschen Recht fremd. Dem Gesetzgeber kommt es nicht zu, ein Gesetz authentisch zu interpretieren (vgl. für das Vorstehende Urteil des BSG vom 05.10.2005, B 5 RJ 39/04 R sowie Beschluss des BSG vom 29.08.2006, B 13 RJ 8/05 R, jeweils mwN.).
Vorliegend war die Rechtslage der Nachversicherung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume vor dem 01.01.1992 durch die Rechtsprechung insbesondere des BSG dahingehend geklärt, dass es für den Anspruch des unversorgt Ausgeschiedenen auf Nachversicherung eben nicht darauf ankam, ob der vormalige Dienstherr entsprechende Beiträge zum Rentenversicherungsträger entrichtet hatte oder sich beispielsweise erfolgreich auf Verjährung berufen kann. Das BSG hat insbesondere in seiner Entscheidung vom 29.07.1997 (aa0.) seine entsprechende Rechtsprechung als ständig bezeichnet.
Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob die Vorschrift des § 281 Abs. 2 SGB VI in der Auslegung, die sie durch die Beklagte sowie die anderen Rentenversicherungsträger und das SG gefunden hat, gegen das GG verstoßen würde oder ob die hierin liegende echte belastende Rückwirkung ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. zu den Voraussetzungen für eine solche ausnahmsweise Zulässigkeit Urteil des BSG vom 05.10.2005, B 5 RJ 39/04 R mwN.). Eine verfassungskonforme Auslegung einer einfachgesetzlichen Bestimmung ist dann geboten, wenn der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesetzeszusammenhang der einschlägigen Regelung sowie deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zulassen, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt (BVerfG, Beschl. v. 30.03.1993, Az.: 1 BvR 1045/89, 1381/90 und 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 166; Beschl. v. 15.10.1996, Az.: 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 93; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdnr. 34; Lüdemann, JuS 2004, 27, 29). Nur wenn keine der möglichen Interpretationen mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, erweist sich die auszulegende Norm als verfassungswidrig. Unerheblich ist dabei, ob eine weitergehende als die nach dem Grundgesetz zulässige Auslegung dem Willen des Gesetzgerbers eher entsprochen hätte (vgl. z.B. BVerfG, Urt. v. 24.04.1985, Az.: 2 BvF 2, 3, 4/83 und 2/84, BVerfGE 69, 1, 55). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. u.a. Urteil vom 30.03.2004, BVerfGE 110, 226 ff.) sind die Gerichte gehalten, sich um eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzesrechts zu bemühen. Ein Fachgericht hat dann, wenn eine Vorschrift, über deren Auslegung Streit besteht, nur bei einer bestimmten Auslegung mit der Verfassung vereinbar ist, seiner Entscheidung diese Auslegung zugrunde zu legen (vgl. u.a. Beschluss des BVerfG vom 12.01.2006, 1 BvL 12/05).
Die vom Senat gefundene verfassungskonforme Auslegung ist deshalb geboten, weil sich bei einer streng am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot ergäbe. Für den Kläger lag bereits ein im Sinne der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung abgeschlossener Sachverhalt vor. Eine Entrichtung der Pflichtbeiträge hätte vor Ablauf wenigstens der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 25 des Sozialgesetzbuches 4. Buch – SGB IV – erfolgen müssen. Dies ist indes nicht geschehen. Dem Kläger ist dadurch ein Versicherungsschutz genommen worden, der ihm nach der zuvor bestehenden Rechtslage, wie sie durch die ständige Rechtsprechung des BSG festgestellt wurde, zustand. Auf den vor Inkrafttreten des § 281 Abs. 2 SGB VI bestehenden Rechtszustand durfte der Kläger auch vertrauen. Die vom Gesetzgeber (BT-Drucks. 15/2149, S. 29) angeführte Rechtspraxis der Versicherungsträger hat, wie sich aus den bereits zitierten Urteilen ergibt, in der Rechtsprechung zuletzt keinen Niederschlag gefunden. Um das hierauf gestützte Vertrauen nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zu zerstören, darf die Regelung wenigstens auf die Fälle keine Anwendung finden, in denen die dreißigjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist.
Der Senat stützt die von ihm gefundene Lösung zudem auf folgende Erwägungen:
Dem Rentenversicherungsträger muss es dann verwehrt sein, sich gegenüber dem unversorgt ausgeschiedenen Nachzuversichernden auf die Vorschrift des § 281 Abs. 2 SGB VI zu berufen, wenn er die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge vom vormaligen Arbeitgeber bzw. Dienstherrn noch fordern und diese Forderung auch noch durchsetzten kann, er also zu Unrecht von einer Durchsetzung der Beitragsforderung absieht. In diesem Fall muss er sich gegenüber dem Nachzuversichernden so behandeln lassen, als wären die Beiträge vom Beitragsschuldner, dem vormaligen Dienstherrn, bereits gezahlt worden. Da der unversorgt Ausgeschiedene im Nachversicherungsverhältnis nach der Rechtsprechung des BSG (aa0.) keine Möglichkeit hat, die Durchführung der Nachversicherung zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem vormaligen Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zu erzwingen, es vielmehr dem Rentenversicherungsträger obliegt, die Beitragsschuld durchzusetzen, muss er bei grundsätzlich berechtigten Beitragsforderungen jedenfalls dann, wenn diese noch durchsetzbar sind, so gestellt werden, als wären die Beiträge tatsächlich bereits gezahlt, weil er andernfalls rechtlos gestellt würde.
Entgegen der von der Beklagten und dem SG vertretenen Meinung ist der Beigeladene auch verpflichtet, für die streitige Zeit Nachversicherungsbeiträge zugunsten des Klägers zu entrichten; die Beklagte ist im Rechtsverhältnis zum Beigeladenen berechtigt, diese Beitragsforderung durch Verwaltungsakt festzusetzen.
Zwar waren die Nachversicherungsbeiträge zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch die Beklagte, dem Februar 2004, bereits verjährt. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren nach S. 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die Nachversicherungsbeiträge sind vorliegend am 01.08.1972 fällig geworden, denn Nachversicherungsbeiträge werden, wenn ein Aufschubgrund nicht vorliegt, sofort mit dem unversorgten Ausscheiden des Versicherten aus dem Beamtenverhältnis fällig (vgl. u.a. Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen – NRW – vom 16.01.2006, L 3 R 3/05 mwN.). Aufschubgründe bestanden nach § 125 AVG, wenn der Beschäftigte in eine andere in der Rentenversicherung der Angestellten oder der Arbeiter versicherungsfreie Beschäftigung übertrat, solange die versicherungsfreie Beschäftigung vorübergehend unterbrochen war, wenn der aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheidenden Person oder ihren Hinterbliebenen bestimmte Leistungen gewährt wurden oder wenn die aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausscheidende Person nicht unmittelbar, aber spätestens ein Jahr nach dem Ausscheiden, in eine andere versicherungsfreie Beschäftigung übertrat oder zu einer probeweisen Beschäftigung übertrat, die spätestens zwei Jahre nach dem Ausscheiden in eine versicherungsfreie Beschäftigung überging oder eine nach soldatenrechtlichen Vorschriften oder dem Bundespolizeibeamtengesetz zu gewährende Berufsförderung in Anspruch genommen wurden. Solche Aufschubgründe lagen bei dem Kläger, der nach Ausscheiden aus dem Dienst zum Beigeladenen zunächst ein Studium aufnahm und später versicherungspflichtig beschäftigt war, nicht vor.
Die Verjährung des Nachversicherungsanspruchs der Beklagten steht indes der Geltendmachung der streitigen Nachversicherungsbeiträge zur Überzeugung des Senats nicht entgegen, denn dem Beigeladenen ist eine Berufung auf die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -) verwehrt.
Die Grundsätze über Treu und Glauben im Rechtsverkehr und die daraus folgenden Verhaltensmaßstäbe, u.a. das Verbot unzulässiger Rechtsausübung, sind nicht nur im Privatrecht, sondern in analoger Anwendung der Vorschrift auch im Öffentlichen Recht anwendbar (ganz h.M., vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1981, Az.: 1 BvR 898/79 u.a., BVerfGE 59, 128, 167; grundlegend RGZ 152, 403, 404; für das Sozialrecht BSG, Urt. v. 20.05.1958, Az.: 2 RU 285/56, BSGE 7, 199, 200; Urt. v. 26.09.1986, Az.: 2 RU 45/85, NJW 1987, 2038 m.w.N.; vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 242 Rdnr. 17; Mansel, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, 11. Aufl. 2004, § 242 Rdnr. 10 f.). Sie gehören zu den Fundamentalnormen des Rechtsstaatsprinzips (Roth, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), MünchKomm-BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, § 242 Rdnr. 95). Aus den Eigenarten des Sozialrechts können sich indes Abweichungen zu den im Privatrecht anerkannten Ausgestaltungen der Grundsätze von Treu und Glauben ergeben. So kann der Vorrang öffentlicher Interessen und das Gebot der Rechtssicherheit dazu führen, dass der Rechtsgedanke des § 242 BGB zurückzutreten hat (vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 242 Rdnr. 17; Mansel, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, 11. Aufl. 2004, § 242 Rdnr. 11). Umgekehrt kann die analoge Anwendung des § 242 BGB im Öffentlichen Recht zu einer Begründung von Nebenpflichten und insbesondere von Pflichten zur Fürsorge und Rücksichtnahme auf die Interessen der Gegenseite führen (Roth, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), MünchKomm-BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, § 242 Rdnr. 95). Die Grundsätze über die unzulässige Rechtsausübung gewinnen vor allem Bedeutung bei hoheitlichen Handlungen, die sich in Widerspruch zu früher begründetem Vertrauen der Bürger führen (Roth, in: Rebmann/Säcker/Rixecker (Hrsg.), MünchKomm-BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, § 242 Rdnr. 98; vgl. BSG, Urt. v. 18.11.1980, Az.: 12 RK 59/79, MDR 1981, 699).
Ein Recht darf nicht dergestalt ausgenutzt werden, dass seine Ausübung als missbräuchlich erscheint. Dem Grundsatz von Treu und Glauben untersteht nicht nur die Geltendmachung von Ansprüchen, sondern auch die Erhebung aller Einwendungen und Einreden (Hohloch, in: Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 242 Rdnr. 116), zu denen auch die Verjährung eines Rechts zu zählen ist. Zu berücksichtigen sind bei der Beurteilung der Unzulässigkeit der Geltendmachung der Verjährungseinrede alle Umstände des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 12.06.2002, Az.: VIII ZR 187/01, NJW 2002, 3110, 3111). Zwar ist die Erhebung der Verjährungseinrede für sich genommen nicht zu missbilligen, denn der Schuldner macht damit eine Einrede geltend, die ihm das Gesetz ausdrücklich zubilligt. Jedoch können zusätzlich hinzutretende Umstände die Missbräuchlichkeit der Erhebung begründen (Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 242 Rdnr. 544). So ist anerkannt, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung der Verjährungseinrede dann entgegensteht, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung eines Rechts abgehalten und dadurch bei ihm den Glauben hervorgerufen hat, dass er sich nicht auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen werde. Ein schuldhaftes Verhalten des Gläubigers ist hierfür nicht erforderlich. Ausreichend ist bereits ein (unabsichtliches) Verhalten des Schuldners, welches nach objektiven Maßstäben ausreichend Anlass gegeben hat, von einer Geltendmachung des Anspruchs abzusehen, und somit als ursächlich für die Nichtgeltendmachung anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2002, Az.: VIII ZR 187/01, NJW 2002, 3110, 3111; Hohloch, in: Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 242 Rdnr. 202; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 242 Rdnr. 551). Dies kann auch die pflichtwidrige Unterlassung der Belehrung über den Lauf einer Verjährungsfrist sein (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.1990, Az.: V ZR 58/89, NJW 1990, 2465). Zurechnungsgrund ist die Veranlassung des Verjährungseintritts durch Untätigkeit. Eine bloße Untätigkeit ist indes nur dann als ursächlich zu betrachten, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Diese Pflicht kann sich aus der vormaligen Fürsorgepflicht als Ausfluss des Beamtenverhältnisses ergeben. Gemäß § 85 S. 1 des Landesbeamtengesetzes – LBG NRW – hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses zu sorgen. Kann der Erhebung der Verjährungseinrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden, so besteht das an sich verjährte Recht fort (Mansel, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, 11. Aufl. 2004, § 242 Rdnr. 51). Die Einrede der Verjährung ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung insbesondere dann unzulässig, wenn der Schuldner den Gläubiger von verjährungsunterbrechenden- oder hemmenden Handlungen abgehalten hat (vgl. Urteil des LSG NRW vom 16.01.2006, L 3 R 3/05 mwN.).
Ein solches Handeln ist hier dem Beigeladenen vorzuwerfen. Dieser war mit Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst zum 31.07.1972 grundsätzlich verpflichtet, die Nachversicherung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist es im dreiseitigen Nachversicherungsverhältnis Hauptpflicht des vormaligen Arbeitgebers gegenüber dem Rentenversicherungsträger, die Nachversicherung durchzuführen, mithin im Regelfall die Nachversicherungsbeiträge zu tragen (vgl. Urteil des BSG vom 29.07.1997, aa0.). Nur für den Fall des Aufschubs der Nachversicherung nach § 125 Abs. 1 AVG bestand keine sofortige Verpflichtung des vormaligen Arbeitgebers bzw. Dienstherrn zur Beitragsentrichtung. In diesem Fall war er jedoch nach § 125 Abs. 4 AVG verpflichtet, sowohl dem unversorgt Ausgeschiedenen als auch dem zuständigen Rentenversicherungsträger eine Bescheinigung über die Nachversicherungszeiten und das gewährte Entgelt, gegenüber dem Versicherungsträger unter Angabe des neuen Arbeitgebers, zu erteilen. Diese Verpflichtung war Bestandteil der allgemeinen Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung der Nachversicherung. Zu dieser gehört auch die Pflicht, den Rentenversicherungsträger durch Erteilung einer Aufschubbescheinigung über den konkreten Nachversicherungsfall zu informieren (so auch: Urteil des LSG NRW vom 16.01.2006, L 3 R 3/05). Dieser Verpflichtung ist der Beigeladene unzweifelhaft nicht nachgekommen. Weder hat er zugunsten des Klägers Beiträge entrichtet, noch hat er eine Aufschubbescheinigung im Sinne des § 125 Abs. 4 AVG erteilt. Damit hat er pflichtwidrig verhindert, dass die Beklagte Kenntnis vom Eintritt des Nachversicherungsfalles erlangen und verjährungshemmende- oder unterbrechende Schritte unternehmen konnte.
Eine Berufung des Beigeladenen auf den Eintritt der Verjährung und die daraus folgende Weigerung der Beklagten, die Nachversicherungsbeiträge gegenüber dem Beigeladenen festzusetzen, ist auch unter folgenden Gesichtspunkten zur Überzeugung des Senats rechtsmissbräuchlich:
Der Kläger war zunächst ab dem 01. Juni 1970 in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt der Realschule aufgenommen worden und später ab dem 01. Februar 1972 als Beamter auf Probe in den Dienst der Beigeladenen eingetreten. Als er am 31. Juli 1972 auf eigenen Wunsch aus dem Dienst entlassen wurde, entstand sein Anspruch auf Durchführung der Nachversicherung bzw. die Vormerkung des hier fraglichen Zeitraums als nachversicherte Zeit. Wie bereits dargelegt, ist die Verjährungsfrist von 30 Jahren seit der Entstehung des Anspruchs abgelaufen. Das Kontenklärungsverfahren bei der Beklagten im Dezember 2003 und die dort offenbar werdende fehlende Nachversicherung haben nicht zu einer Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist geführt, weil die fehlende Nachversicherung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht worden war. Nachdem sich der Kläger seinerseits an das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Beigeladenen – dort eingegangen am 24. Mai 1974 – gewandt hatte, in dem er seine verspätete Antwort entschuldigte und darauf hinwies, dass sich das ihm unter dem 02. August 1973 zugestellte Schreiben des Landesamtes mit Angaben zur Nachversicherung in der Anlage befinde, erfolgte keine weitere Reaktion des Beigeladenen. Es wurde lediglich intern vermerkt, dass das Schreiben des Klägers keine Anlage enthalten habe. Insbesondere hatte der Beigeladene dem Kläger keinen Hinweis des Inhalts gegeben, dass das Schreiben mit den Angaben zur Nachversicherung seinem Schreiben nicht angelegen habe. Eine solche Hinweispflicht, insbesondere auch im Hinblick auf die laufende Verjährungsfrist, folgt jedoch aus dem beendeten Beamtenverhältnis, in dem sich der Kläger zuvor bei dem Beigeladenen befunden hatte. Der Kläger musste zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass sein Schreiben bei dem Beigeladenen nicht eingegangen war bzw. dass bestimmte Angaben nicht vollständig gemacht worden waren. Der Beigeladene hat vielmehr für den Zeitraum ab dem 08. September 1981 die Dienste des Klägers als bei ihm angestellter Realschullehrer in Anspruch genommen. Es hätte dem Beigeladenen in Erfüllung seiner auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses fortbestehenden Fürsorgepflicht (§ 85 S. 1 LBG NRW) oblegen, den Kläger auf die noch nicht durchgeführte Nachversicherung hinzuweisen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Stattdessen hat der Beigeladene erst auf die Aufforderung der Beklagten, die Beiträge für den Zeitraum der Nachversicherung zu entrichten, die Einrede der Verjährung erhoben, obgleich die bisher nicht durchgeführte Nachversicherung bei ihm aktenkundig war und ihm deshalb bewusst sein musste, das dem Kläger das Fehlen seiner Angaben nicht bekannt war.
Angesichts der genannten ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konnte der Kläger davon ausgehen, dass er für die Zeit vom 01. Juni 1970 bis zum 31. Juli 1972 nachversichert war, ohne dass der Beigeladene die Nachversicherung zu seinen Gunsten tatsächlich durchgeführt hatte. Gegenüber dem hoheitlichen Handeln des Staates in Form der Gesetzgebung genießt ein Bürger Vertrauen, wenn die vorige Rechtslage verbindlich höchstrichterlich geklärt worden ist. In dieser Situation konnte der Kläger darauf vertrauen, dass er gegenüber dem Beigeladenen alle notwendigen Schritte für seine Nachversicherung vollzogen habe und weitere Angaben gegenüber dem Beigeladenen nicht notwendig seien. Dieses Vertrauen kommt dem Kläger umso mehr zu Gute, als er in den auf sein Schreiben folgenden 30 Jahren keine diesbezügliche Nachricht mehr von dem Beigeladenen erhielt und die Frage der Nachversicherung erst dann wieder aufkam, als er sich zum Zwecke einer Kontenklärung im Dezember 2003 bei der Beklagten meldete. Daher kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie die Beiträge für den nachzuversichernden Zeitraum nicht mehr von dem Beigeladenen einfordern könne, da dieser sich auf die Verjährung der Ansprüche der Beklagten berufe, denn diese Verjährungseinrede steht dem Beigeladenen nicht zu. Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung des Anspruchs gegenüber der Klägerin stellt gleichsam eine Rechtsverweigerung entgegen den Geboten des § 17 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches 1 Buch – SGB I – dar.
Dass der Kläger sich nicht von sich aus an die Beklagte oder den Beigeladene gewandt hat, nachdem er keine Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung erhalten hatte, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, denn es treffen den unversorgt Ausgeschiedenen gegenüber seinem (früheren) Arbeitgeber oder dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung keine Hauptpflichten in Angelegenheiten seiner Nachversicherung, weil er – wie auch die zitierte ständige Rechtsprechung des BSG hervorhebt – kraft Gesetzes nachversichert ist, ohne dass es hierfür rechtlich von Bedeutung ist, ob der (frühere) Arbeitgeber die Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger abgeführt hat (LSG Saarland, Urt. v. 11.11.2004, Az.: L 1 RA 65/02). So liegt der Fall auch hier.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Auslegung des § 281 Abs. 2 SGB VI in der ab dem 01.08.2004 geltenden neuen Fassung und die Auswirkung der Rechtsfolgen dieser Vorschrift auf das Nachversicherungsverhältnis eines vor dem 01.01.1992 unversorgt aus dem Dienst Ausgeschiedenen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Erstellt am: 17.03.2008
Zuletzt verändert am: 17.03.2008