Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.11.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der am 00.00.1962 geborene Kläger ist Volljurist und übt seit dem 01.01.1995 bei der Beigeladenen die Tätigkeit eines Schadenssachbearbeiters für Architektenhaftpflichtschäden aus. Nach der von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung der Beigeladenen gehören zu seinem Aufgabenbereich u.a. die Ermittlung und Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts unter Einschaltung interner oder externer Bausachverständiger, die Prüfung des Versicherungsschutzes, die juristische Wertung des ermittelten Sachverhalts sowie die Verhandlungen mit den Beteiligten. Die Tätigkeit setzt ein juristisches Studium und die Ablegung mindestens eines juristischen Staatsexamens oder den Abschluss der Fachhochschule für Versicherungswesen voraus.
Nach Erteilung einer Einwilligung durch die Beigeladene wurde der Kläger am 25.08.2003 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit der Zulassung wurde er Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen.
Am 18.09.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zur Stützung seines Begehrens legte er neben der oben genannten Arbeitsplatzbeschreibung eine Bescheinigung der Beigeladenen aus Mai 2003 vor, nach der er als Schadenssachbearbeiter für Archtektenhaftpflichtschäden schwerpunktmäßig rechtsberatend bzw. rechtsgestaltend tätig sei. Seine Aufgaben würden außerhalb des Unternehmens typischerweise von einem freien Rechtsanwalt vorgenommen.
Mit Bescheid vom 30.10.2003, abgesandt am gleichen Tag, lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter nicht erfüllt seien. Der Kläger sei aufgrund seiner Zulassung als Rechtsanwalt zwar Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks der Rechtsanwälte geworden. Er übe bei der Beigeladenen aber keine berufsspezifische – anwaltliche – Tätigkeit aus, die zu einer solchen Pflichtmitgliedschaft führe.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid am 01.12.2003 eingelegten Widerspruchs verwies der Kläger auf eine weitere Bescheinigung der Beigeladenen vom 24.11.2003, nach der er bei dieser als Syndikusanwalt iSd § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) beschäftigt sei. Als solcher – so der Kläger – prüfe und bewerte er die versicherungs- und haftungsrechtliche Sach- und Rechtslage. Ferner berate er die von ihm betreuten Versicherungsnehmer (außer-)gerichtlich und schließe auch etwaige Vergleiche ab. In Beweisverfahren und ordentlichen Gerichtsverfahren entscheide er über Streitbeitritte, Anerkenntnisse und Rechtsmittel. Die einzelnen rechtlichen Entscheidungen in den Haftpflichtfällen könne er dabei fachlich unabhängig und weisungsfrei treffen. Da zahlreiche Kollegen aus seiner Abteilung mit gleichem Tätigkeitsfeld als Syndikusanwälte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit worden seien, gebiete im Übrigen zumindest der Gleichheitsgrundsatz, auch ihn von der Versicherungspflicht zu befreien.
Nachdem die Beigeladene auf Anfrage der Beklagten bestätigt hatte, dass der Kläger bei ihr als Syndikusanwalt tätig sei, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2004, abgesandt per Einschreiben am gleichen Tag, zurückgewiesen.
Mit seiner am 28.04.2004 beim Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet und weiterhin die Auffassung vertreten, dass der Kläger bei der Beigeladenen nicht anwaltlich im Sinne von §§ 1 bis 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) tätig sei. Eine Anwaltszulassung sei weder in der Vergangenheit noch jetzt für die von ihm bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter nötig gewesen. Soweit sie (die Beklagte) in der Vergangenheit tatsächlich in gleichgelagerten Fällen die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen habe, sei diese zu Unrecht erfolgt. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe es im deutschen Recht nicht.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Urteil vom 11.11.2004 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger wegen der von ihm ausgeübten Beschäftigung als Schadenssachbearbeiter keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht habe, weil diese – von der Tätigkeit als freier Rechtsanwalt abzugrenzende – Tätigkeit keine anwaltliche sei. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 24.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.12.2004 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, er sei zumindest unter dem Gesichtspunkt des in Art. 3 Grundgesetz (GG) garantierten Gleichbehandlungsgrundsatzes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.11.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2004 zu verurteilen, ihn von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Zulässigkeit der Klage scheitert insbesondere nicht daran, dass das Versorgungswerk der Rechtsanwälte nicht zu dem Verfahren beigeladen wurde. Einer notwendigen Beiladung des Versorgungswerks nach § 75 Abs.2 S.1, 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedurfte es nicht; denn die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem Kläger.
Widerspruch und Klage wurden innerhalb der in §§ 84 Abs.1, 87 Abs.1 SGG vorgesehenen Fristen erhoben. Der am 01.12.2003 eingelegte Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.10.2003 ging binnen eines Monats nach Bekanntgabe (vgl. § 84 Abs.1 SGG) bei der Beklagten ein. Der Lauf der Widerspruchsfrist begann nach § 64 Abs.1 SGG am 03.11.2003 (= Tag nach Bekanntgabe des Bescheides). Mangels eines Zugangsnachweises gilt der am 30.10.2003 abgesandte Bescheid gemäß § 37 Abs.2 S.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post (hier am 02.11.2003) als bekanntgegeben. Die Widerspruchsfrist endete daher am 02.12.2003 (vgl. § 64 Abs.2 SGG).
Die am 28.04.2004 beim Sozialgericht eingegangene Klage wurde binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben (vgl. § 87 Abs.1 SGG). Die Klagefrist begann am 29.03.2004, denn der am 25.03.2004 per Einschreiben abgesandte Widerspruchsbescheid galt gemäß § 63 Abs.2 SGG in Verbindung mit § 4 Abs.1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post, hier also am 28.03.2004, als zugestellt. Die Klagefrist lief daher gemäß § 64 Abs.2 SGG am 28.04.2004 ab.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs.2 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 6 Abs.1 S.1 Nr. 1 SGB VI werden unter den in Buchstaben a bis c der Vorschrift genannten Voraussetzungen Angestellte und selbständig Tätige auf Antrag für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht befreit.
Insoweit kann vorliegend dahin stehen, ob die Voraussetzungen der Buchstaben a bis c des § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI erfüllt sind. Denn der Kläger ist jedenfalls nicht wegen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen als Schadenssachbearbeiter Mitglied der Rechtsanwaltskammer und gleichzeitig einer berufsständischen Versorgungseinrichtung geworden.
Übt ein Versicherter – wie hier – mehrere Tätigkeiten aus, so sind die Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht getrennt nach den einzelnen sie begründenden Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten zu ermitteln, sofern es sich um zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten handelt, die voneinander unabhängig ausgeübt werden (BSG, Urteil vom 10.09.1975 – 3/12 RK 6/74 (= BSGE 40, 208); Klattenhoff, in Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VI,§ 5 Rn 71). Die Befreiung erfolgt dann nur wegen der jeweiligen Beschäftigung, aufgrund der eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (BSG, Urteil vom 22.10.1998 – B 5/4 80/97 R, SozR 3-2600 § 56 Nr.12; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 6 SGB VI Rdnr.3 m.w.N.; Klattenhoff in Hauck/Haines, a.a.O., § 6 Rn. 41).
Dass die Befreiungsregelung des § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI in diesem Sinne, also tätigkeits- und nicht personenbezogen, zu verstehen ist, lässt sich nicht nur ihrem Wortlaut (" …für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der …") entnehmen (ebenso LSG Hamburg, Urteil vom 20.01.2004 – L 3 RA 45/02 -), sondern ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1998 – B 5/4 RA 80/97 R – in BSGE 83, 74 ff; LSG Hamburg, a.a.O.). Mit der einem Mitglied der berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI eingeräumten Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht koordiniert das SGB VI die selbständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Koordinationsregel soll den Berufsangehörigen die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen zahlen zu müssen (Klattenhoff, in: Hauck/Haines, a.a.O., § 6 Rn. 9, 14, 35). Sie setzt daher einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Berufsangehörigen, für die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen wird, und dem Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung voraus (LSG NRW, Urteil vom 19.03.2004 – L 4 RA 12/03 -). Ein solcher innerer Zusammenhang besteht aber nur dann, wenn sich die Tätigkeit des Mitglieds der Versorgungseinrichtung, die von der Versicherungspflicht befreit werden soll, als berufsspezifisch darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1998, a.a.O.; Klattenhoff, in Hauck/Haines, a.a.O.,§ 6 Rn 41, § 5 Rn 70 f). Dies entspricht auch dem in der Massenverwaltung formalisierten Solidarprinzip, nach dem alle Personen, die nicht nur in einem geringfügigen, entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis stehen und damit typischerweise schutzbedürftig sind, in den Schutz der Solidargemeinschaft einbezogen werden und die Aufwendungen zugunsten ihrer nicht mehr aktiven Berufsgenossen mittragen sollen, ohne dass es – über die gesetzlich geregelten Ausnahmen der Versicherungspflicht hinaus – auf die individuelle Schutzbedürftigkeit ankäme (LSG NRW, Urteil vom 19.03.2004 -.a.a.O. -).
Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze sind die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI für die abhängige Beschäftigung des Klägers als Schadenssachbearbeiter bei der Beigeladenen nicht gegeben.
Die bei der Beigeladenen am 01.01.1995 aufgenommene Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter, die nach § 1 SGB VI zur Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten geführt hat, erfüllt allein nicht die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, denn die Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter begründet weder eine Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer noch beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Die Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte ist nach § 2 Abs.1 des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung vom 06.11.1984 (RAVG NW) nur für Mitglieder der Rechtsanwaltskammern vorgesehen. Für die Tätigkeit bei der Beigeladenen ist der Kläger jedoch nicht als Rechtsanwalt zugelassen und damit nicht Mitglied der Rechtsanwaltskammer, denn es handelt sich nicht um eine berufsspezifische, also anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht entscheidend darauf an, ob er für die Beigeladene schwerpunktmäßig Tätigkeiten im Sinne von § 3 BRAO (Rechtsberatung, -entscheidung, -anwendung und -vermittlung) ausübt. Seine Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter ist vielmehr schon deshalb nicht als anwaltliche zu qualifzieren, weil ihre Ausübung – anders als die Tätigkeit eines Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO – nicht die Befähigung zum Richteramt verlangt. Nach § 5 Abs.1 Deutsches Richtergesetz (DRiG) wird die Befähigung zum Richteramt durch die Ablegung der beiden Juristischen Staatsprüfungen erworben. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung der Beigeladenen setzt die dort ausgeübte Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter jedoch lediglich das Ablegen der ersten juristischen Staatsprüfung oder den Abschluss der Fachhochschule für Versicherungswesen voraus.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter bei der Beigeladenen auch nicht durch die Aufnahme der nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt entstanden. Zwar ist der Kläger durch die Zulassung als Rechtsanwalt mit Wirkung vom 25.08.2003 nach § 60 BRAO Mitglied der Rechtsanwaltskammer und damit nach § 2 Abs.1 RAVG NW iVm 10 Nr. 2 der Satzung Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte geworden. Auch begründet seine Tätigkeit als Rechtsanwalt keine Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten von Gesetzes wegen, da diese als selbständige Tätigkeit nicht im Katalog des § 2 SGB VI aufgeführt ist und der Kläger auch keinen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft nach § 4 Abs.2 SGB VI gestellt hat. Die hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen als Schadenssachbearbeiter verschmilzt durch die Aufnahme der nebenberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt aber nicht mit letzterer zu einem einheitlichen Anwaltsberuf, der insgesamt zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI führt.
Es handelt sich bei der nebenberuflichen Tätigkeit als freier Rechtsanwalt und der Tätigkeit als angestellter Schadenssachbearbeiter bei der Beigeladenen vielmehr um zwei zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbare Tätigkeiten, die voneinander unabhängig sind und eine getrennte Betrachtung erfordern. Als freier Rechtsanwalt ist der Kläger der berufene unabhängige Vertreter seiner Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten (vgl. § 3 Abs.1 BRAO). Als Schadenssachbearbeiter bei der Beigeladenen ist er innerhalb eines festen Beschäftigungsverhältnisses lediglich für einen Arbeitgeber in einem begrenzten Bereich tätig. Beide Tätigkeitsbereiche sind insbesondere durch das Berufsausübungsrecht, die BRAO auf der einen und arbeitsrechtliche Vorschriften auf der anderen Seite, mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet. Beide Tätigkeitsbereiche haben – wie bereits ausgeführt – unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen, denn nur die Tätigkeit als Rechtsanwalt setzt die Befähigung zum Richteramt voraus. Für die Ausübung der Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter bedarf es auch nicht der Zulassung als Rechtsanwalt (s.o.).
Bei getrennter Betrachtung beider Tätigkeitsbereiche wird die Tätigkeit des Klägers als Schadenssachbearbeiter, die vor der Zulassung unstreitig keine anwaltliche war (s.o.), durch die Zulassung als Rechtsanwalt aber nicht zu einer anwaltlichen. Umfang und Inhalt seines Aufgabengebietes als Schadenssachbearbeiter haben sich nach der Zulassung nicht geändert. Auch änderte sich der Charakter der abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen in keiner Weise. Die sich aus dem Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen ergebenden Rechte und Pflichten waren vielmehr nach wie vor die gleichen.
Die vorgelegte Bescheinigung der Beigeladenen, nach der der Kläger dort (seit der Zulassung als Rechtsanwalt) als Syndikusanwalt im Sinne des § 46 BRAO tätig ist, vermag den Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ebenfalls nicht zu begründen. Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit eines Syndikusanwalts, der zugleich Angestellter eines Unternehmens und selbständig tätiger Rechtsanwalt ist, als einheitlicher – anwaltlicher – Beruf anzusehen ist (vgl. Prof. Dr. Prütting, AnwBl. 2001, 313 m.w.N.; Kilger, AnwBl. 1999, 571) – mit der Folge, dass sich die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 SGB VI auf dessen Beschäftigung als Angestellter erstreckt. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Syndikusanwalt im Rahmen seiner Tätigkeit als Angestellter zumindest überwiegend rechtsberatende Tätigkeiten im Sinne von § 3 BRAO wahrnimmt (vgl. Kilger, AnwBl. 1992, 438; AnwBl. 1999, 571). Der Kläger erfüllt jedoch schon nicht die Voraussetzungen eines "echten" Syndikusanwalts im Sinne des § 46 Abs.1 BRAO. Nach dieser Vorschrift darf ein Rechtsanwalt für einen Auftraggeber, dem er aufgrund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, vor Gerichten oder Schiedsgerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Von der Regelung des § 46 BRAO und auch der BRAO insgesamt erfasst werden also lediglich Personen, die als Rechtsanwälte tätig sind. Der Kläger ist bei der Beigeladenen aber schon deshalb nicht als Rechtsanwalt tätig, weil die dort ausgeübte Tätigkeit – wie bereits ausgeführt – nicht die Befähigung zum Richteramt voraussetzt.
Der Kläger wäre wegen seiner Tätigkeit als Schadenssachbearbeiter aber auch dann nicht von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs.1 SGB VI zu befreien, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, er wäre als Syndikusanwalt anzusehen bzw. einem solchen zumindest vergleichbar und entsprechend zu behandeln; denn auch die Tätigkeit eines Syndikusanwalts ist entgegen der oben genannten Literaturmeinung nicht als einheitlicher – anwaltlicher – Beruf zu werten. Die Eigenschaft als "Syndikusanwalt" ist ebensowenig wie der Umfang der von diesem als Angestellter ausgeübten rechtsberatenden Tätigkeiten ein sachgerechtes Kriterium zur Unterscheidung anwaltlicher von sonstiger juristischer Tätigkeit. Zum einen können auch andere privatrechtliche Beschäftigte, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses rechtsbesorgende Tätigkeiten erbringen, ohne dass dies anwaltliche Tätigkeiten sein müssen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.05.1997 – 12 RK 34/96 -; LSG NRW, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O.;ferner Kramer, DAngVers 1996, 154). Zum anderen liefen die genannten Abgrenzungskriterien dem Sinn und Zweck des § 6 Abs.1 SGB VI als – abschließende und einer erweiternden Auslegung nicht zugängliche – Ausnahmevorschrift (vgl. LSG NRW, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O.)zuwider. Denn die Zulassung als Syndikusanwalt erfordert nicht, dass die Tätigkeit als freier Rechtsanwalt auch tatsächlich in gewissem Umfang ausgeübt wird. Es muss lediglich durch Zustimmung des Arbeitgebers gesichert sein, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit neben der Angestelltentätigkeit möglich ist (Feuerich/Weyland, a.a.O., § 7 Rdnr. 132). Dann aber würde einem Syndikusanwalt, der lediglich eine zeitlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt, die Möglichkeit eröffnet, die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aufgrund dieser Nebentätigkeit zu verlassen und sich stattdessen in einer eigenen Gruppe mit günstigerer Risikostruktur abzusichern. § 6 Abs.1 SGB VI will aber gerade eine fortschreitende Auszehrung des beitragspflichtigen Personenkreises durch eine Ausweitung berufsständischer Versorgungswerke und damit eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der Rentenversicherung verhindern (BT-Drucks. 13/2590, 18).
Unter Berücksichtigung insbesondere des Charakters des § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI als Ausnahmevorschrift übt vielmehr auch der Syndikusanwalt zwei verschiedene Berufe – einen dienstvertraglich gebundenen als angestellter Rechtsberater eines Unternehmens und einen als freier Rechtsanwalt – aus. Beide Tätigkeitsbereiche sind – ebenso wie bei dem Kläger – durch die BRAO bzw. den Arbeitsvertrag mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestattet und insoweit im Rahmen des § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI formell eindeutig voneinander abgrenzbar. Anwaltlich tätig und damit von der Versicherungspflicht zu befreien ist der Syndikusanwalt nur im Rahmen seiner Tätigkeit als freier Rechtsanwalt, nicht hingegen für seine Tätigkeit als Angestellter eines Unternehmens; denn das anwaltliche Berufsbild, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht, ist maßgeblich durch den unabhängigen freiberuflich tätigen und im Verhältnis zum Mandanten eigenverantwortlich handelnden Rechtsanwalt geprägt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10.11.1975, AnwZ (B 9/75), und vom 21.01.1975, AnwZ (B 6/74)). Als Angestellter ist der Syndikusanwalt aber nicht frei und unabhängig tätig. Aufgrund seiner dienstvertraglichen Pflichten unterliegt er im Rahmen des festen Beschäftigungsverhältnisses vielmehr – ebenso wie der Kläger als angestellter Schadenssachbearbeiter bei der Beigeladenen – im Gegensatz zu einem Rechtsanwalt dem Prinzip der Über- und Unterordnung und innerhalb dessen auch den Weisungen seines Arbeitgebers (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 04.11.1992 -1 BvR 79/85 -, NJW 1993, 317; BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 384/97 – (BGHZ 141, 69) mit Darstellung des Meinungsstandes; LSG NRW, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O.).Der Gesetzgeber selbst hat in diesem Sinne bei Neuregelung des Berufsausübungsrechts für Rechtsanwälte betont, dass ein Rechtsanwalt, der im Hauptberuf als Angestellter seinen Arbeitgeber in rechtlichen Angelegenheiten berät, in dieser Eigenschaft nicht Rechtsanwalt mit allen Rechten und Pflichten sei. Bei der Tätigkeit, die der Syndikus für seinen Dienstherrn leiste, seien die durch das Recht der freien Advokatur gekennzeichneten typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmten, aufgrund des Über- und Unterordnungsverhältnisses nicht gegeben (vgl. BT-Drucks. 12/7656).
Der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ergibt sich schließlich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus Art.3 Abs.1 GG, der u.a. gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Dabei mag zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Beklagte in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen eine Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht ausgesprochen hat. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung ließe sich aus diesen rechtswidrigen Entscheidungen jedoch nicht herleiten, denn Art.3 Abs.1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Anderenfalls hätte die Verwaltung die Möglichkeit, durch eine ständig geübte rechtswidrige Praxis Gesetzesrecht zu umgehen oder zu ersetzen. Dies liefe aber der Bindung der Verwaltung an die Gesetze entgegen (vgl. u.a. BVerwGE 34, 278 ff (283); 58, 45 ff (59); OVG NW NVwZ 1982, 381).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 06.04.2006
Zuletzt verändert am: 06.04.2006