Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Beitragsforderung.
Der Kläger ist als Zahnarzt niedergelassen. Er beschäftigte in seiner Praxis ab 01.01.1996 den 1957 geborenen Beigeladenen zu 1). Dieser studiert seit dem Wintersemester 1977/78 an der Universität C Politologie, Soziologie und Geographie (später auch wohl noch Rechtswissenschaften); den letzten Leistungsnachweis hat er in diesen Fächern im Sommersemester 1983 erworben. Nach dem Arbeitsvertrag vom 28.05.1995 sollte der Beigeladene zu 1) alle Personalangelegenheiten einschließlich der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, die EDV-gestützte Abrechnung und Versicherungsangelegenheiten erledigen. Die Arbeitszeit betrug maximal 20 Stunden pro Woche, als Stundenlohn waren 120,00 DM, später 130,00 DM vereinbart. Der Beigeladene zu 1) hat in den Jahren 1997 bis 2000 beim Kläger jährliche Entgelte zwischen rund 78.000 DM und 98.000 DM erzielt.
Nach einer Betriebsprüfung für die Zeit vom Januar 1997 bis Januar 2001 wurde der Kläger bei der Schlussbesprechung am 21.02.2001 darauf hingewiesen, dass noch Unterlagen über das Studium des Beigeladenen zu 1) vorzulegen seien. Mit Schreiben vom 12.03.2001 übersandte er ein Schreiben des Beigeladenen zu 1) vom 09.03.2001, in dem dieser ausführt, er habe sein Studium durch Immatrikulationsbescheinigung nachgewiesen. Er arbeite seit längerer Zeit an einer besonders umfangreichen Arbeit, die er als Examensarbeit vorlegen wolle. Seine Studientätigkeit beinhalte neben dem Aufenthalt in den Universitäts- und Institutsbibliotheken den Besuch von Vorlesungen und die schriftliche Ausarbeitung zu Hause. Mit Bescheid vom 07.05.2001 forderte die Beklagte Beiträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 91.923,96 DM. Aufgrund der fehlenden Leistungsnachweise für die Zeit ab Beginn des Sommersemesters 1983 sowie der langen Studiendauer und des fortgeschrittenen Lebensalters könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Beigeladenen zu 1) um einen ordentlichen Studenten handele, dessen Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch ein auf einen Abschluss gerichtetes Studium in Anspruch genommen werde.
Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend, trotz der langen Studiendauer habe der Beigeladene zu 1) noch studiert. Die wöchentlichen Arbeitszeiten seien von den Terminvorgaben des Studiums abhängig gemacht worden. Er habe den Beigeladenen vor der Einstellung gekannt, es sei ihm bekannt gewesen, dass er sich 1995/96 bereits im 38. Semester befunden habe. Nach seiner Wahrnehmung habe er jedoch sein Studium mit Ernst und vollem Einsatz betrieben. Ferner wies er darauf hin, dass am 18.09.1997 anlässlich einer Betriebsprüfung durch die Beklagte er die Prüfer auf das Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen zu 1) angesprochen habe. Er habe gefragt, ob dieser auch weiterhin rentenversicherungsfrei bleibe. Dies sei bejaht worden, da das Beschäftigungsverhältnis vor der Gesetzesänderung begründet worden sei. Da auch der Prüfungsbescheid keine anders lautende Feststellung enthalten habe, habe er darauf vertraut, dass der Beigeladene zu 1) versicherungsfrei bleibe. Der Beigeladene zu 1) habe in der Regel an fünf Tagen in der Woche für zwei bis zweieinhalb Stunden in der Praxis gearbeitet, in der vorlesungsfreien Zeit bis zu 3 Stunden an fünf Tagen. Der Beigeladene zu 1) erklärte, aufgrund von Erkrankungen und psychischen Störungen habe er sich lange Zeit nicht dazu in die Lage versetzt, die Abschlussprüfung abzulegen. Seit seiner Schulzeit bestünden starke Prüfungs- und Versagungsängste. Er habe sich intensiv mit dem Stoff beschäftigt, ohne das Gefühl zu entwickeln, ihn zu beherrschen. Seit dem Wintersemester 1994/95 habe er intensiv den studienrelevanten Stoff wiederholt und sich auf die Abschlussprüfungen vorbereitet. Demgegenüber sei er für den Kläger nur zwei bis drei Stunden täglich tätig geworden. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der am 27.08.2001 erhobenen Klage hat der Kläger zum einen geltend gemacht, bei dem Beigeladenen zu 1) habe auch im fraglichen Zeitraum das Studium im Vordergrund gestanden, zum anderen hat er sich auf Vertrauensschutz berufen, da bei der vorangegangen Betriebsprüfung ihm ausdrücklich die Versicherungsfreiheit bestätigt worden sei. Die Betriebsprüfer hätten ihm im September 1997 auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass der Beigeladene zu 1), der bisher als Student versicherungsfrei gewesen sei, auch nach dem zum 01.10.1996 angetretenen Gesetzesänderung weiter versicherungsfrei bleibe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.01.2003 abgewiesen. Es hat gemeint, angesichts des Lebensalters des Beigeladenen zu 1) und der Höhe seiner Semesterzahl könne er objektiv nicht mehr als Student angesehen werden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, da die Nichtbeanstandung von Beiträgen anlässlich einer Betriebsprüfung keinen Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Beitragsschuldners begründen könne. Eine konkrete Prüfung des Versicherungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) sei anlässlich der Betriebsprüfung im Jahr 1997 nicht erfolgt.
Gegen das ihm am 22.01.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.02.2003 (Eingang beim Sozialgericht) Berufung eingelegt. Er hält an seiner Auffassung fest, dass der Beigeladene zu 1) als Werkstudent versicherungsfrei gewesen sei. Er habe zwar dessen Studium persönlich nicht mehr für sinnvoll gehalten, aber den Eindruck gehabt, dass dieser sich tatsächlich ernsthaft bemüht habe. Es sei nicht seine Aufgabe als Arbeitgeber, ein Urteil über die Sinnhaftigkeit eines Studiums zu fällen. Er habe daher die Immatrikulationsnachweise für ausreichend gehalten. Ferner beruft sich der Kläger erneut auf Vertrauensschutz. Er habe darauf vertraut, dass nach einer Betriebsprüfung der geprüfte Sachverhalt unanfechtbar werde. Er halte die bisher ergangenen Entscheidungen zum Vertrauensschutz aufgrund von Betriebsprüfungen nicht für gerecht.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2003 zu ändern und den Bescheid vom 07.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
II.
Der Senat konnte über die zulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten haben (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört worden.
Die Beklagte hat zu Recht in dem angefochtenen Bescheid Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit für den Beigeladenen zu 1) gefordert. Dieser übte in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.01.2001 eine mehr als geringfügige Beschäftigung gegen Entgelt aus und war daher grundsätzlich versicherungspflichtig in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) sowie beitragspflichtig zur Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) für Arbeit (§ 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz in der hier noch anzuwendenden Fassung bis 31.12.1997 (AFG), § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Er war in dieser Zeit nicht versicherungs- und beitragsfrei nach §§ 5 Abs. 3 a. F. i. V. m. 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, 169 b Nr. 2 AFG, 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III, weil er nicht als ordentlich Studierender einer Hochschule im Sinne dieser Vorschriften anzusehen war.
Die Versicherungsfreiheit setzt zwar die Immatrikulation voraus, kann aber nicht allein daraus hergeleitet werden (vgl. BSG SozR 2200 § 172 Nr. 20). Hinzukommen muss vielmehr, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer ist (vgl. BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19, 20). Die Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit meinen nämlich in erster Linie "Werkstudenten", d. h. Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten des Lebensunterhaltes erforderlichen Mittel zu verdienen (BSGE 18, 254, 256; 44, 164, 165). Entscheidend ist insoweit das "Erscheinungsbild". Versicherungsfreiheit besteht nur für solche Personen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch ihr Studium beansprucht wird, das Studium also die Haupt-, die Beschäftigung aber die Nebensache ist. Die Beschäftigung muss neben dem Studium, d. h. ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ausgeübt werden. Zeit und Arbeitskraft müssen durch das Studium überwiegend in Anspruch genommen werden, ein langes Studieren mit geringem Zeit- und Arbeitsaufwand reicht nicht. Dabei muss der Besuch der Hochschule im Rahmen eines geregelten Studienganges auf einen Abschluss ausgerichtet sein, unerheblich ist ein Besuch zur allgemeinen Fort- und Weiterbildung (BSG SozR 3-2200 § 172 Nr. 2).
Nach diesen Kriterien lässt sich Versicherungsfreiheit nicht feststellen. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, das Alter und Studiendauer objektiv dagegen sprechen, dass der Beigeladene zu 1) tatsächlich noch einen Abschluss angestrebt hat. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner Erklärung, dass er in der Vergangenheit wegen Versagens- und Prüfungsängsten trotz Erwerbs der für eine Prüfungsmeldung erforderlichen Leistungsnachweise sein Studium noch nicht abgeschlossen gehabt habe. Gerade wenn er schon im Sommersemester 1983 alle für die Prüfung erforderlichen Leistungsnachweise erworben, sich aber wegen der Prüfungsängste nicht gemeldet hatte, ist es desto fernliegender, dass er nach einer Pause von mehr als 10 Jahren sich ab Wintersemester 1994/95 wieder gezielt auf das Examen vorbereitet haben will, da nicht ersichtlich ist, weshalb er sich jetzt hinsichtlich der Prüfungsmaterie sicherer fühlen soll. Es mag sein, dass der Beigeladene zu 1) seinerzeit sich auch häufig in den Universitätsbibliotheken aufgehalten hat, es widerspricht aber der Lebenserfahrung, dass er sich seinerzeit noch gezielt um den Abschluss seines Studiums bemüht hat. Der Kläger hat auch selbst eingeräumt, dass er Zweifel an dem Sinn des Studiums gehabt habe, wenn er es auch als ernsthaft wahrgenommen haben will. Nach den Gesamtumständen, auch unter Berücksichtigung der Höhe des Verdienstes, stand jedoch im fraglichen Zeitraum nicht das Studium, sondern die Erwerbstätigkeit im Vordergrund, auch wenn die Arbeitszeit des Beigeladenen zu 1) unter der Grenze von 20 Wochenstunden lag.
Die Beitragsforderung ist nicht verwirkt. Der Umstand, dass bei einer Betriebsprüfung im September 1997 die Versicherungsfreiheit nicht beanstandet worden ist und – was zu Gunsten des Klägers unterstellt werden kann – die Betriebsprüfer ihm die Auskunft gegeben haben, der Beigeladene zu 1) bleibe weiter versicherungsfrei, soweit er nicht mehr als 20 Stunden arbeite, vermag keinen Vertrauensschutz zu Gunsten des Klägers zu begründen, dass für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) keine Beiträge mehr erhoben würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dem Kläger erteilte Auskunft auf die Frage erteilt wurde, wie die zum 01.10.1996 für den Bereich der Rentenversicherung eingetretene Gesetzesänderung sich auswirke, es also um die Anwendung des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ging. Aus der Auskunft folgt aber nicht, dass die Betriebsprüfer das Versicherungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) geprüft und positiv über die Versicherungsfreiheit entschieden hätten.
Erst recht ist im Rahmen der Betriebsprüfung kein personenbezogener Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Versicherungsfreiheit ergangen. Vielmehr haben die Prüfer lediglich ihre Auffassung zur Rechtslage bekannt gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG führt eine Nichtbeanstandung im Rahmen der Arbeitgeberprüfung bei einer späteren Prüfung nicht zu einer Verwirkung, selbst wenn die Betriebsprüfer anlässlich der Prüfung eine bestimmte Rechtsauffassung geäußert haben. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt Betriebsprüfungen nicht zu, sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750; zuletzt BSG, Urteil vom 29.07.2003 – B 11 AL 1/02 R). Diese Annahme verbietet sich schon deshalb, weil die Betriebsprüfungen sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf (vgl. BSGE 50, 25, 28). Diese Grundsätze gelten auch für Betriebe mit einer geringen Zahl von Beschäftigten, denn eine Differenzierung zwischen "großen" und "kleinen" Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen lässt sich nicht begründen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 29.07.2003, a. a. O.).
Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Kläger die Auskünfte der Betriebsprüfer so verstanden hat, er dürfe von der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) ausgehen. Auch sein Irrtum über die rechtliche Wirkung einer Betriebsprüfung ist verständlich, vermag aber ebenso wenig Vertrauensschutz zu begründen. In Zweifelsfällen können Arbeitgeber (nur) eine Entscheidung der zuständigen Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht in Form eines Verwaltungsakts herbeiführen (§ 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV). An diese Entscheidung sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X gebunden. Ob hier den Betriebsprüfern eine Verletzung ihrer Amtspflicht, Auskünfte klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen, vorzuwerfen ist, hat nicht der Senat zu entscheiden, da insoweit allenfalls Amtshaftungsansprüche (§ 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) in Betracht kommen, für die allein die Zivilgerichte zuständig sind (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz).
Die Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Beiträge ergibt sich aus § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Über die Höhe der gezahlten Entgelte und der daraus folgenden Beitragsforderung besteht kein Streit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 21.12.2004
Zuletzt verändert am: 21.12.2004