Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 14.08.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um den Grad der Behinderung des Klägers und die Zuerkennung des Merkzeichens G.
Mit Schriftsatz vom 31.05.2012 hat der Kläger den vom Sozialgericht ernannten orthopädischen Sachverständigen Dr. U nach der körperlichen Untersuchung durch den Sachverständigen wegen Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige habe ihm bei der Anamneseerhebung an mehreren Stellen unmissverständlich zu erkennen gegeben, er halte sein Beschwerdebild für nicht nachvollziehbar. So habe er in abfälligem Ton geäußert: "So, so und Sie sehen da also einen Zusammenhang zwischen Ihrer Lendenwirbelsäule und ihren Beinschmerzen!?", um diese "Frage" sogleich mit einem heftigen Kopfschütteln zu begleiten. Er habe keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Therapie des Klägers für untauglich und nicht ausreichend halte. Auf die Frage nach einer neurologischen Behandlung habe er wörtlich geäußert: "Na, wenn Sie mein Patient wären, würde ich Sie da schon hintreiben". Das Verhalten des Sachverständigen sei von Unsachlichkeit und einer negativen Einstellung geprägt gewesen und habe sich in der äußerst schmerzhaften körperlichen Untersuchung fortgesetzt. Der Sachverständige habe auf seine Beschwerdeschilderungen mit spöttischen und abwertenden Bemerkungen reagiert etwa in der Art: "Ach, und jetzt tut es Ihnen plötzlich hier auch noch weh" oder "das ist Unsinn, hier können Sie jetzt gar keine Schmerzen haben". Die Untersuchungssituation sei durchgängig davon geprägt gewesen, dass ihm der Sachverständige nicht objektiv-forschend, sondern von vorneherein voreingenommen gegenübergetreten sei.
Der Sachverständige hat die vom Kläger wiedergegebenen wörtlichen Zitate mit Schreiben vom 14.06.2012 bestritten. So habe er etwa dem Kläger lediglich in normalem Tonfall empfohlen, seine Beschwerden nochmals neurologisch abklären zu lassen. Das Wort "Unsinn" habe er nicht benutzt. Eine ausführliche körperliche Untersuchung und Anamnese sei erforderlich gewesen, um den medizinischen Sachverhalt korrekt zu beurteilen und insbesondere zwischen somatischen und somatoformen Schädigungen zu unterscheiden. Mit Voreingenommenheit habe dies nichts zu tun.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 27.06.2012 seine Vorwürfe gegen den Sachverständigen bekräftigt. Dieser missverstehe die Kernfrage einer Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht, wenn er auf die Unterscheidung zwischen somatischen und somatoformen Schäden abstelle.
Unter dem 24. 8. 2012 hat der Sachverständige sein schriftliches Gutachten erstellt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.08.2012, auf dessen Gründe im Einzelnen verwiesen wird, hat das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch abgelehnt. Weder in der Person des Sachverständigen noch im Ablauf der Untersuchung lägen Gründe für die Besorgnis einer Befangenheit.
Gegen den am 16.08.2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 20.08.2012 Beschwerde erhoben, die er mit Schreiben vom 04.10.2012 erneut damit begründet hat, der Sachverständige habe in der Begutachtungssituation mehrfach abfällige und spöttische Bemerkungen gemacht. Der Sachverständige habe durch die von ihm geschaffene Atmosphäre keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die vom Kläger beschriebenen Beschwerden nicht für glaubhaft halte. Die nachvollziehbar glaubhaft gemachte Besorgnis der Befangenheit müsse daher ausreichen. Zudem habe das Sozialgericht im Nachgang zu seinem Befangenheitsgesuch den psychiatrischen Sachverständigen mit der Gesamtwürdigung der bei ihm vorliegenden Beschwerden betraut. Damit habe es der Sache nach zu erkennen gegeben, dass es ebenfalls Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen Dr. U habe.
Die Beschwerde ist entgegen der vom Sozialgericht erteilten Rechtsmittelbelehrung statthaft. § 172 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nimmt lediglich Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen, also von Berufsrichtern, ehrenamtlichen Richtern und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, von der Anfechtbarkeit mit der Beschwerde aus. Dagegen findet nach §§ 172 Abs. 1, 118 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegen den Beschluss, der ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen für unbegründet erklärt hat, die Beschwerde statt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 118 Rn 12o mwN).
Die rechtzeitig erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat weiterhin keine Gründe glaubhaft gemacht, die seinem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. U zum Erfolg verhelfen könnten.
Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgesuch ist danach u.a. begründet, wenn ein Beteiligter einen Grund im Sinne von § 406 Abs. 3 ZPO glaubhaft macht, der von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen geeignet ist, im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Es begründet regelmäßig Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen, wenn er sich während einer Begutachtung in unsachlicher, herabsetzender oder sogar beleidigender Weise äußert (Keller a.a.O., § 118 Rn 12i). Bloße zweifelnde und selbst pointierte Bemerkungen reichen dagegen nicht aus. Vielmehr gehört es gerade zu den Aufgaben des Sachverständigen, die Angaben des Untersuchten über die Symptome und Auswirkungen seiner Krankheit kritisch zu überprüfen und eventuelle Zweifel schon in der Untersuchungssituation deutlich anzusprechen. Dies eröffnet seinerseits dem Untersuchten die Chance, seinen Standpunkt zu verdeutlichen oder zu überdenken (vgl Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – LSG NRW -, Beschl. v. 05.11.2012 – L 2 SB 320/12 B = juris Rn. 6).
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keine Gründe für eine Befangenheit des Sachverständigen Dr. U im Sinne von § 406 Abs. 3 ZPO glaubhaft gemacht. Anders als der Kläger meint, genügt zur Glaubhaftmachung von unsachlichen oder herabsetzenden Äußerungen des Sachverständigen oder einer ansonsten unsachlichen Behandlung nicht, diese nur zu behaupten. Ebenso wenig reicht für die Glaubhaftmachung eines Befangenheitsgrundes die wertende, ohnehin objektiv kaum nachprüfbare Beschreibung des – von ihm so empfundenen – angeblich spöttischen und abwertenden Tonfalls des Sachverständigen aus. Denn der dem Senat als erfahrener und ausgewogener Gutachter bekannte Sachverständige Dr. U hat die vom Kläger wiedergegebenen angeblichen Bemerkungen teils überzeugend bestritten, teils in einen anderen, gegenüber der Interpretation des Klägers erheblich plausibleren Zusammenhang gestellt. Seine schriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen des Klägers ist dementsprechend in ruhiger und sachlicher Diktion gehalten, während der Kläger die Kompetenz des Sachverständigen in Anspielung auf dessen Alter in einer Weise infrage gestellt hat, die an eine unsachliche Altersdiskriminierung denken und an vernünftigen Erwägungen des Klägers über die Objektivität des Sachverständigen zweifeln lässt. Irgendwelche Anhaltspunkte für eine Einseitigkeit oder Voreingenommenheit des Sachverständigen vermag der Senat auch dem inzwischen erstellten Gutachten in keiner Weise zu entnehmen. Es bekräftigt vielmehr seine Einschätzung, der zufolge kritische Nachfragen zu den vom Kläger geäußerten körperlichen Beschwerden aus gutachterlicher Sicht unabdingbar waren. Denn der Schwerpunkt seines erheblichen Leidens liegt offensichtlich nicht auf körperlichem, sondern auf psychischem Gebiet, wie auch das nunmehr vorliegende psychiatrische Gutachten über den Kläger bestätigt. Zudem ist die vom Sachverständigen vorgenommene Abgrenzung zwischen somatischen und psychosomatischen Beschwerden auch, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, für die Bewertung des GdB keineswegs irrelevant, sondern vielmehr wesentlich. Denn je nach Einstufung der Beschwerden greifen unterschiedliche Tatbestände der versorgungsmedizinischen Grundsätze, aus denen sich unterschiedliche Bewertungen der entsprechenden Behinderungen ergeben können. Dass das Sozialgericht im Nachhinein dem psychiatrischen Sachverständigen aufgegeben hat, einen Gesamtgrad der Behinderung für den Kläger vorzuschlagen, erklärt sich zwanglos aus dem Schwerpunkt seiner Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet. Mit einer Befangenheit des orthopädischen Sachverständigen hat diese Entscheidung des Gerichts nichts zu tun.
Über die Kosten der erfolglosen Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG zu entscheiden, denn nur soweit die Beschwerde Erfolg hat, gehören deren Kosten zu denen der Hauptsache (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 04.06.2007 – L 1 B 7/07 AL = juris Rn 9; BfH, Beschl. v. 08.05.1989 – IX B 238/88 = juris Rn 34; BGH, Beschl. v. 06.04.2005 – V ZB 25/04 = NJW 2005, 2033; Stollenwerk, NJW 2005, 3751; a.A. ohne nähere Begründung LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.07.2012 – L 10 R 2296/12 B = juris Rn 22, wonach grundsätzlich die Kosten des Beschwerdeverfahrens bzgl. einer Ablehnung der Hauptsache folgen sollen). Zwar enthält das SGG im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen (vgl. § 97 Abs. 1 ZPO, § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, § 135 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO) keine ausdrückliche Regelung zur Kostenverteilung bei erfolglosem Rechtsmittel. Der § 193 Abs. 1 SGG zugrundeliegende Rechtsgedanke erfordert jedoch eine entsprechende Entscheidung, wonach die Kosten einer erfolglosen Beschwerde in einem Ablehnungsverfahren dem gemäß § 183 SGG kostenprivilegierten Beschwerdeführer nicht zu erstatten sind.
Auch nach § 193 Abs. 1 S. 1 SGG ist die Kostenlast in der Regel danach zu verteilen, in welchem Umfang die Beteiligten obsiegen oder unterliegen (vgl. statt Aller Straßfeld in Jansen, SGG, 4. Aufl., § 193 Rn 10 mwN). Eine Ausnahme hiervon ist in der Regel nur dann geboten, wenn nach dem Gedanken des Veranlassungsprinzips dem obsiegenden Beteiligten die Durchführung des Verfahrens anzulasten ist (Leitherer a.a.O., § 193 Rn 12b/c mwN). Unabhängig von der Frage, ob das Verfahren über die Ablehnung des Sachverständigen zum kontradiktorischen Verfahren gehört (zur Richterablehnung vgl. BGH a.a.O., 2234; Stollenwerk a.a.O., 3752), kann das Beschwerdeverfahren nur von demjenigen, der die Ablehnungsgründe geltend macht, veranlasst sein, da der stattgebende Beschluss nicht beschwerdefähig ist (§ 406 Abs. 5 ZPO) und der andere Beteiligte keinen Einfluss auf den Gang des Verfahrens nehmen kann (vgl. Stollenwerk a.a.O.). Erfolgte daher in diesen Fällen keine eigenständige Kostenentscheidung hinsichtlich des erfolglosen Rechtsmittels, müsste der insoweit Obsiegende gleichwohl auch die Kosten der Beschwerde tragen, wenn der das Ablehnungsgesuch anbringende Beteiligte in der Hauptsache obsiegte, weil dies regelmäßig eine für Letzteren günstige Kostenentscheidung begründet und die Kosten des unselbständigen Nebenverfahrens dann dieser Entscheidung folgten. Dies widerspricht aber dem o.g. Kostenverteilungsgrundsatz. Bei der erfolgreichen Beschwerde rechtfertigt dagegen der Gedanke, dass die Kosten eines unselbständigen Nebenverfahrens regelmäßig den Kosten der Hauptsache folgen, von einer getrennten Kostenentscheidung abzusehen und die Kosten demjenigen aufzuerlegen, der letztlich im Hauptsacheverfahren unterliegt (vgl. Stollenwerk a.a.O., 3753). Denn unterliegt der im Beschwerdeverfahren erfolgreiche Beteiligte in der Hauptsache, hat sich sein Obsiegen für ihn letztlich nicht positiv ausgewirkt, so dass es nicht angemessen erscheint, den anderen Beteiligten mit diesen Kosten, zu deren Entstehung er nicht beigetragen hat, zu belasten. Unterliegt letzterer ist es jedoch gerechtfertigt, ihm auch die entsprechenden Beschwerdekosten aufzuerlegen, weil die Entstehung dieser Kosten zum allgemeinen Prozessrisiko zählt.
Nach diesen Grundsätzen sind vorliegend Kosten nicht zu erstatten, weil das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.04.2013
Zuletzt verändert am: 04.04.2013