Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.06.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die statthafte (s. dazu u.v.a. Beschluss des Senats vom 24.09.2012 – L 11 U 416/12 B -) Beschwerde ist nicht begründet, denn das Sozialgericht (SG) Dortmund hat das gegen Richterin am Sozialgericht N gerichtete Befangenheitsgesuch zu Recht zurückgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 13.06.2012 (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und führt ergänzend aus:
Soweit die Antragstellerin (AS) mit ihrer Beschwerde geltend macht,
1. der angefochtene Beschluss beruhe auf einer entscheidungserheblichen Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör,
2. die abgelehnte Richterin fördere das Hauptsacheverfahren S 43 SB 13/09 seit längerer Zeit nicht,
3. sie unterlasse eine objektive Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten,
4. der abgelehnten Richterin seien diverse Verfahrensfehler entstanden (wie etwa die mangelnde Versendung der gerichtlichen Schreiben mit einem "qualifizierten" Zugangsnachweis, unnötige Anforderung von Befundberichten, unzulässige Hinweisschreiben, Verstoß gegen die Wartepflicht durch eine Wiedervorlageverfügung nach Eingang des Ablehnungsgesuchs),
5. die abgelehnte Richterin habe gegen die Wartepflicht verstoßen und lediglich
6. eine inhaltsleere dienstliche Stellungnahme abgegeben
vermag dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Zu 1.
Der angefochtene Beschluss, gegen den keine Anhörungsrüge erhoben wurde, beruht – wie die nachfolgenden Ausführungen belegen – nicht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Unabhängig davon besteht Anlass darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Verpflichtung, den Vortrag von Beteiligten zu erwägen, das Gericht nicht gehalten ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen zu befassen; es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen (Beschluss des Senats vom 21.02.2011 – L 11 SF 272/10 AB SG – unter Hinwies auf BVerfGE 69, 141; 79, 51 und 96, 205). Je umfangreicher das Vorbringen ausfällt (hier wurde das Ablehnungsgesuch auf 46 eng beschriebenen Seiten begründet), desto stärker besteht die Notwendigkeit im Rahmen der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu verzichten (Beschluss des Senats vom 21.02.2011 – L 11 SF 272/10 AB SG – unter Hinwies auf Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Art. 103 Rdn. 61 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Zu 2.
Eine lange Verfahrensdauer begründet grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit. Zwar darf der besonnene Rechtssuchende an der Unparteilichkeit und objektiven Einstellung des Richters dann die Befangenheit begründete Zweifel haben, wenn sich der Verfahrensablauf über lange Zeit eindeutig als eine Kette von Verzögerungen bis hin zur Untätigkeit darstellt und keine Gründe ersichtlich sind, die diesen Ablauf als vertretbar erscheinen lassen könnten (u.v.a. Beschlüsse des Senats vom 20.11.2008 – L 11 AR 70/08 AB – und vom 13.04.2010 – L 11 SF 49/10 AB – mit jeweils weiteren Nachweisen). Eine solche Fallgestaltung liegt hier allerdings nicht vor.
Nach Eingang der Klage am 07.01.2009 hat die seinerzeit zuständige Richterin am 08.01.2009 eine Klageerwiderung angefordert und nach deren Eingang am 10.02.2009 unter dem 03.04.2009 einen ersten rechtlichen Hinweis erteilt, auf den die AS nach Erinnerung durch das SG mit am 13.05.2009 und 25.06.2009 beim SG eingegangenen Schreiben reagiert hat, welches an die Beklagte zur Kenntnis und Stellungnahme unter dem 26.06.2009 weitergeleitet wurde. Die Beklagte hat nach mehrfacher Erinnerung des SG vom 13.08.2009, 15.09.2009 und 27.10.2009 am 14.12.2009 mit Schreiben vom 08.12.2009 Stellung genommen. Unter dem 15.12.2009 hat das SG der Klägerin einen zweiten rechtlichen Hinweis erteilt. An die erbetene Stellungnahme wurde die Klägerin mehrfach erinnert (gerichtliche Schreiben vom 21.01.2010 und 25.02.2010). Das daraufhin am 22.03.2010 beim SG eingegangene Schreiben der Klägerin wurde mit Verfügung vom 25.03.2010 der Beklagten zur Kenntnis und Stellungnahme zugeleitet, welche am 10.05.2010 und ergänzend am 09.08.2010 beim SG einging. Unter dem 11.05.2010 fragte die zuständige Richterin sodann an, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde, was die AS mit am 16.07.2010 eingegangenen Schreiben ablehnte. Auch weitere Versuche, das Verfahren gütlich zu beenden, blieben ohne Erfolg (Schreiben der AS vom 13.09.2010 und des Beklagten vom 23.09.2010). Unter dem 04.01.2011 hat das SG einen weiteren rechtlichen Hinweis erteilt und um Stellung eines (sachgerechten neuen) Antrags gebeten. Dem ist die AS unter dem 03.02.2011 nachgekommen. Auf Anfrage der AS hat die zuständige Richterin unter dem 10.08.2011 mitgeteilt, dass "wegen der Parallelsache der AS (S 43 SB 253/08), der Bedeutung des hiesigen Verfahrens und der Belastung der Kammer eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid derzeit nicht beabsichtigt" sei. Mit Schreiben vom 24.04.2012 hat die AS das Ablehnungsgesuch gestellt. Dieser Verfahrensablauf begründet keine Besorgnis der Befangenheit, denn die von der abgelehnten Richterin dargestellten Gründe sind nach Auffassung des Senats geeignet, diesen (zumindest) als vertretbar erscheinen zu lassen.
Zu 3. und 4.
Mit seinen diesbezüglichen Rügen verkennt die AS weiterhin, dass das Ablehnungsverfahren nicht der Überprüfung richterlicher Vorgehensweisen auf etwaige Rechts- bzw. Verfahrensfehler dient. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sind grundsätzlich mit dem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen. Die Rüge von Rechts- bzw. Verfahrensverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne Weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt hat oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen wurde, dass sich bei dem Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen konnte (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.09.1994 – VIII B 64-76/94 pp – m.w.N.; Beschlüsse des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.04.2006 – L 10 AR 42/06 und L 10 AR 43/06 – und des Senats vom 25.11.2009 – L 11 AR 117/09 AB -, vom 20.01.2010 – L 11 AR 129/09 AB und L 11 AR 130/09 AB-, vom 17.05.2010 – L 11 SF 102/10 AB -, vom 19.07.2010 – L 11 SF 108/10 AB – und vom 30.03.2011 – L 11 SF 44/11 AB -). Dafür liegen, wie auch das SG festgestellt hat, keine Anhaltspunkte vor.
Zu 5.
Einer weitergehenden dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin bedurfte es entgegen der Auffassung des AS vorliegend nicht. Soweit sie meint, die dienstliche Stellungnahme der von ihr abgelehnten Richterin sei unzureichend, geht auch dies fehl. § 44 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich äußert. Der Umfang der dienstlichen Äußerung steht grundsätzlich im Ermessen des Richters. Er kann zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen, soweit ihm das notwendig und zweckmäßig erscheint. Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerung sollen sich nach dem jeweils geltend gemachten Ablehnungsgrund richten. Steht – wie hier – der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erhebliche Sachverhalt unstreitig fest, bedarf es jedenfalls keiner im Einzelnen begründeten dienstlichen, Äußerung (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 26.09.2001 – L 4B 202/01 KR – m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.11.2006 – L 10 AR 79/06 AB -; ständige Rechtsprechung des Senats, u.v.a. Beschlüsse vom 11.01.2010 – L 11 AR 98/09 AB – und vom 19.07.2010 – L 11 SF 198/10 AB -).
Nach alledem bleibt die Beschwerde der AS ohne Erfolg. Die von ihr im Beschwerdeverfahren beantragte Rubrumsberichtigung bleibt dem SG vorbehalten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.01.2013
Zuletzt verändert am: 29.01.2013