Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.12.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin vom 16.12.2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 14.12.2009 ist unbegründet.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Antragstellerin,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine Betreuungsperson für die Teilnahme an der offenen Ganztagsschule im Nachmittagsbereich ohne Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern/Unterhaltsverpflichteten bis zur Entscheidung über die Rechtskraft des Bescheides vom 07.05.2009 zu bewilligen,
zu Recht abgelehnt.
1. Dabei ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren der Antragstellerin auf den Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abzielt. Zwar begründet die Antragsgegnerin die Leistungsversagung bisher unter Verweis auf § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) mit fehlender Mitwirkung der Antragstellerin. Zulässiger Rechtsbehelf wäre im Hauptsacheverfahren mithin die Anfechtungsklage. Dem Begehren der Antragstellerin wird jedoch ein Antrag gemäß § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gerecht, da eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur (vorläufigen) Gewährung von Leistungen (allein) mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht verbunden wäre.
2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen jedoch nicht vor. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ein Anordnungsanspruch (das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs) und ein Anordnungsgrund (Umstände, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache wegen damit ggf. verbundener, nicht wieder umkehrbarer, schwerer Nachteile als unzumutbar erscheinen lassen) im Sinne der §§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 29 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht werden.
3. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund – auch nach entsprechender Aufforderung durch den Senat – nicht glaubhaft gemacht.
Die im Jahre 2000 geborene Antragstellerin, bei der ein Grad der Behinderung von 80 wegen geistiger Behinderung (Down-Syndrom) festgestellt ist, besucht als so genanntes "integratives Kind" das dritte Schuljahr der I-schule in P im gemeinsamen Unterricht. (Amts-) Ärztlicherseits wird der Einsatz eines Integrationshelfers sowohl für den Unterricht selbst als auch für die Teilnahme am "offenen Ganztag" als erforderlich angesehen. Die Kosten der Schulbegleitung durch einen sog. Integrationshelfer werden durch die Beklagte derzeit in vollem Umfang übernommen. Der Schulbesuch selbst ist damit nicht gefährdet.
Es fehlen zudem auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Teilnahme am "offenen Ganztag" bei einem Verweis der Antragstellerin auf das Hauptsacheverfahren nicht (weiterhin) sichergestellt wäre. Die Antragstellerin nimmt auch seit Versagung der Leistungen (erstmals durch Bescheid vom 07.05.2009) am "offenen Ganztag" teil. Wie die hierdurch entstehenden Kosten aufgebracht werden, ist nicht bekannt. Bisher ist nicht einmal hinreichend substantiiert dargelegt worden, welche Kosten von der Antragstellerin bzw. deren Eltern (einstweilen) zu tragen sind. Die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Antragstellerin vom 01.02.2010 verhält sich lediglich zu den von der Antragsgegnerin ggf. gegenüber der Lebenshilfe P e.V. zu tragenden Kosten, nicht aber dazu, welche Kosten aktuell von der Antragstellerin zu tragen sind. Bis einschließlich Juli 2009 stellte die Lebenshilfe P e.V. je Stunde einen Betrag von 18 EUR für die Schulbegleitung in Rechnung. Der Betrag erhöhte sich nachfolgend ohne weitere Begründung auf 26 EUR je Stunde, nachdem die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22.07.2009 die Übernahme von Aufwendungen "bis zunächst 26 EUR je Stunde" zugesagt hatte.
Des weiteren ist nicht konkret dargelegt worden, dass der Antragstellerin bzw. ihren Eltern die (weitere) Sicherstellung der Begleitung nach Ende der eigentlichen Unterrichtszeit nicht möglich wäre. Soweit in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, eine monatliche Kostenbelastung von über 1.000 EUR sei ganz offensichtlich unzumutbar, vermag der Senat dem ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern der Antragstellerin ungeachtet der Frage, welche Kosten aktuell tatsächlich entstehen, nicht zu folgen. Im Übrigen ergäben sich bei Berücksichtigung eines Stundensatzes von 26 EUR monatliche Kosten von 1.040 EUR lediglich in neun Monaten. Die von der Antragsgegnerin auf dieser Grundlage an die Lebenshilfe P e.V. zu erstattenden Kosten werden demgemäß in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung mit 9.360 EUR beziffert.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach Angaben der Pflegekasse seit geraumer Zeit Leistungen gemäß § 45b Sozialgesetzbuch 11. Buch – gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) an die Antragstellerin erbracht werden. Diese zusätzlichen Betreuungsleistungen in Höhe von derzeit 200 EUR monatlich werden nach den Angaben der Pflegekasse von der Antragstellerin zur Sicherstellung der Teilnahme am "Offenen Ganztag" abgerufen. Dabei konnten für den Zeitraum Januar bis Juli 2008 angesparte Beträge noch bis zum 31.12.2009 verbraucht werden (vgl. § 45b Abs. 2 S. 2 SGB XI).
4. Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann letztlich dahinstehen, ob auch ein Anordnungsanspruch – wovon das SG ausgegangen ist – nicht glaubhaft gemacht worden ist. Jedenfalls ist ein solcher Anspruch nicht derart offensichtlich, als dass auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ggf. verzichtet werden könnte.
Dem Hauptsacheverfahren kann und muss vorbehalten bleiben zu klären, ob es sich bei den Kosten für einen Integrationshelfer im Rahmen der Teilnahme am "Offenen Ganztag" im Fall der Antragstellerin um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII handelt, mithin den Eltern als den gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII in Betracht kommenden Verpflichteten lediglich die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten wäre.
Unter anderem bedarf es in rechtlicher Hinsicht der Klärung, ob auch außerunterrichtliche Angebote, die die Offene Ganztagsschule vorhält (vgl. § 9 Abs. 3 S. 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) vom 15. Februar 2005 [GV. NRW. S. 102], zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2009 [GV. NRW. S. 863]) zur angemessenen Schulbildung im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII (i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfeverordnung )) zählen. Neben den Regelungen des Schulgesetzes werden insoweit auch die mit der Schaffung von offenen Ganztagsschulen verbundenen Ziele (vgl. etwa Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 26.01.2006 [ABl. NRW S. 29] zu berücksichtigen sein.
In tatsächlicher Hinsicht wird insbesondere der Frage nachzugehen sein, ob die individuellen (gesundheitlichen) Verhältnisse die Teilnahme am "offenen Ganztag" als Maßnahme im Sinne des § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung erscheinen lassen, die erforderlich und geeignet ist, der Antragstellerin (etwa durch die gewährleistete Hausaufgabenbetreuung, so sie etwa behinderungsbedingt erforderlich ist) den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 17.03.2010
Zuletzt verändert am: 17.03.2010