Auf die Rev. d.Kl. wird Urteil des LSG aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Neues AZ = L 20 SO 191/19 ZVW
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.10.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Sozialhilfe zur Deckung der Kosten für Integrationshelfer während der Nachmittagsbetreuung in einer "Offenen Ganztagsschule" (OGS) für den Monat April 2013.
Der am 00.00.2006 geborene Kläger ist aufgrund eines Gendefekts (Trisomie 21) schwerbehindert. Vom Versorgungsamt wurde ihm ein Grad der Behinderung von 100 einschließlich der Merkzeichen G und H zuerkannt. Infolge der Krankheit besteht eine allgemeine Entwicklungsstörung, die insbesondere in einem nicht immer altersentsprechenden Instruktionsverständnis zum Ausdruck kommt. Ferner besteht eine Muskelhypotonie und eine deutliche Retardierung der expressiven Sprache. Das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers liegt im stark unterdurchschnittlichen Bereich seiner Altersgruppe. Unter Anwendung des sog. SON-R (2½-7)-Tests wurde im Februar 2012 bei ihm ein möglicher Intelligenzquotient (IQ) zwischen 55 und 66 ermittelt. Vom Träger der Gesetzlichen Pflegeversicherung wurde er der Pflegestufe II zugeordnet.
Der Kläger lebt mit seinen Eltern und seiner im Juni 2007 geborenen Schwester in einer Mietwohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Die Kosten für diese Wohnung beliefen sich im streitigen Zeitraum auf 960 EUR monatlich (Grundmiete 720 EUR, Nebenkostenvorauszahlung 120 EUR, Heizkostenvorauszahlung 120 EUR). Der in Vollzeit erwerbstätige Vater und die in Teilzeit erwerbstätige Mutter erzielten im Mai und Juni 2013 jeweils Nettoeinkünfte i.H.v. 1.895,52 EUR (Vater) bzw. 1.740,46 EUR (Mutter). Die Eltern verfügten über eine Lebensversicherung, einen Bausparvertrag und ein Tagesgeldkonto im Wert von insgesamt etwa 3.200 EUR (Stand: Sommer 2012). Für den Kläger wurde Kindergeld i.H.v. monatlich 184 EUR gezahlt. Aufwendungen hatten seine Eltern für eine Haftpflichtversicherung (monatlich 6,10 EUR) sowie für Fahrtkosten i.H.v. monatlich 90,30 EUR (Vater 41,70 EUR, Mutter 48,60 EUR).
Ab August 2008 besuchte der Kläger eine integrative Kindertagesstätte. Dort erhielt er Frühförderung in einem Umfang von ein bis zwei Einheiten pro Woche. Daneben erfolgte ab 2008 eine sprachtherapeutische Förderung.
Im Sommer 2012 wurde der Kläger schulpflichtig. Wegen der anstehenden Einschulung erstatteten der – in der mündlichen Verhandlung vom Senat als Zeugen vernommenen – Schulleiter E der S-Schule (städtische Grundschule) und die Sonderschullehrerin U ein Gutachten vom 22.02.2012 über den sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers (AOSF-Gutachten). Für dieses Gutachten wurde der SON-R (2½-7)-Test durchgeführt. Die Gutachter sahen Förderbedarf vorrangig im Bereich geistige Entwicklung, daneben in den Bereichen Sprache und Kommunikation sowie soziale und emotionale Entwicklung. Diesem Förderbedarf komme eine Beschulung nach dem integrativen Fördermodell des Gemeinsamen Unterrichts (GU) an einer Grundschule entgegen. Um den Wechsel in eine Schule mit GU zu bewältigen und zu lernen, sich in der Schule zu orientieren, benötige der Kläger vor allem in der Anfangszeit umfassende individuelle Begleitung. Eine Integrationskraft sei dringend erforderlich, um grundlegende Lern- und Sozialstrukturen im Unterrichtsalltag anzubahnen und zu begleiten.
Zum Schuljahresbeginn 2012/2013 (23.08.2012) wurde der Kläger an der S-Schule eingeschult. Parallel zum Schulbesuch erlernte er privat das Schwimmen; den Schwimmkurs musste er für einen erfolgreichen Abschluss behinderungsbedingt mehrfach wiederholen. Die hierfür aufgewendeten Kosten beliefen sich nach Angaben der Eltern auf etwa 140 EUR pro Schwimmkurs. In der Freizeit besuchte der Kläger gemeinsam mit seiner Schwester das Kinderturnen in einem Turnverein.
Die S-Schule ist eine Regelgrundschule, an der im Schuljahr 2012/2013 in (nur) einer Klasse behinderte und nichtbehinderte Kinder nach dem Konzept des GU unterrichtet wurden. In dieser Klasse befanden sich neben dem Kläger fünf weitere Schülerinnen und Schüler mit sowie 19 Schülerinnen und Schüler ohne besonderen Förderbedarf.
Neben dem GU wurde an der S-Schule eine Nachmittagsbetreuung in Form der sog. OGS angeboten. Träger der OGS war im streitigen Zeitraum der "Ev. Jugend und Schule e.V." Die OGS war so strukturiert, dass die Kinder im Anschluss an die reguläre Unterrichtszeit – nach der vierten Schulstunde – in der fünften Unterrichtsstunde gemeinsam zu Mittag aßen und anschließend etwa von 13:00 Uhr bis 13:30 Uhr bzw. 13:45 Uhr gemeinsam die Hausaufgaben erledigten. Bei deren Anfertigung wurden alle Kinder von einer Lehrerin und einer pädagogischen Fachkraft betreut. Im Anschluss daran konnten die Kinder verschiedene Freizeitangebote wahrnehmen bzw. an Arbeitsgemeinschaften (z.B. in den Bereichen Tanz, Garten, Kunst u.ä.) teilnehmen oder frei spielen. Die OGS endete nach Wahl montags bis donnerstags üblicherweise entweder um 15:00 Uhr oder flexibel zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr, freitags um 14:00 Uhr. Die Kosten für die Teilnahme an der OGS beliefen sich im Schuljahr 2012/2013 (gestaffelt nach Einkommen) für alle Teilnehmer auf 40 EUR bis 150 EUR monatlich zzgl. einer Kostenpauschale von 44 EUR für das Mittagessen; in besonderen Fällen trug die Beklagte die Kosten.
Alle Schülerinnen und Schüler der GU-Klasse waren im Schuljahr 2012/2013 für die OGS angemeldet.
Im Vorfeld der Einschulung beantragte der Kläger bei der Beklagten am 10.02.2012 die Übernahme der Kosten für eine "Schulintegrationsassistenz" nach den §§ 53, 54 ff. SGB XII "zur angemessenen Beschulung". Hierzu legte er u.a. einen Bericht der Lebenshilfe vom 20.02.2012 und eine Beurteilung des Ev. Krankenhauses C vom 20.03.2012 vor. Der Bericht der Lebenshilfe (über die die Leistungen der Frühförderung für den Kläger in der Kindertagesstätte erbracht wurden) führt aus, der Kläger benötige für seine Teilnahme am Unterricht Unterstützung beim Herrichten des Schultisches, bei der Versorgung und im Umgang mit Lern- und Arbeitsmaterialien, bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung, bei der Begleitung und Beaufsichtigung in der Pause, bei der Reduzierung von Gefahrensituationen, vor allem hinsichtlich des Verbleibens auf dem Schulgelände, bei der Unterstützung und der Gestaltung sozialer Kontakte, zur Schaffung und Verbesserung von Kommunikationsmöglichkeiten, bei der Sensibilisierung von Mitschülern und Einbindung in soziale Interaktion zur Weiterentwicklung sozialer Fähigkeiten, bei der Begleitung bei Arbeitsgemeinschaften, Projekten, Lerngruppen usw. sowie bei der Begleitung und individuellen Assistenz bei Ausflügen, Klassenfahrten, Schulveranstaltungen etc. Das Ev. Krankenhauses C (Diplom-Psychologin H) führte aus, für den Kläger sei eine Unterstützung durch einen Integrationshelfer dringend notwendig, damit er die schulischen Angebote hinreichend nutzen und am Unterricht teilhaben könne. So brauche er eine enge Führung in Bezug auf Konzentration und Aufmerksamkeit, Unterstützung bei der sprachlichen Verständigung, eine engmaschige Beaufsichtigung (insbesondere im Schulgebäude und auf dem Schulhof wegen Weglauftendenz sowie räumlicher und zeitlicher Orientierungsschwierigkeiten), Hilfe beim Toilettengang und Begleitung bei außerschulischen Aktivitäten wie Klassenfahrten usw.
Am 20.03.2012 informierte die Mutter des Klägers die Beklagte schriftlich über seine Anmeldung für die OGS; sie fragte an, ob Leistungen der Integrationshilfe für den OGS-Bereich separat beantragt werden müssten, oder ob insoweit der bereits vorgelegte Antrag ausreiche. Telefonisch wurde anschließend mit der Beklagten vereinbart, für die "OGS-Zeiten" einen Antrag auf (einkommens- und vermögensabhängige) Leistungen des familienunterstützenden Dienstes (FuD) nachzureichen.
Unter dem 11.05.2012 erweiterte der Kläger seinen Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer auf den Besuch der OGS am Nachmittag. Die OGS biete ihm eine zusätzliche Chance zur Inklusion. Ausführliche Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern wurden am 04.06.2012 der Beklagten vorgelegt.
Mit Bescheid vom 30.05.2012 sicherte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Integrationskraft während des Schulbesuchs im Umfang von maximal 21 Wochenstunden zu (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglhV). Die Festlegung dieser Stundenzahl orientierte sich (allein) an den Schulstunden des Klägers im GU-Vormittagsbereich (eine Berücksichtigung der OGS im ersten Schulhalbjahr 2012/2013 erfolgte nicht). Den Bescheid focht der Kläger nicht an.
Nach Auswertung der am 04.06.2012 vorgelegten Unterlagen bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23.07.2012 auf seinen Antrag vom 11.05.2012 für das gesamte Schuljahr 2012/2013 Leistungen des FuD im Umfang von maximal 24 Wochenstunden. Sie setzte hierfür einen monatlichen Kostenbeitrag aus Einkommen von 1.716,88 EUR (August und September 2012) bzw. 1.616,50 EUR (ab Oktober 2012) fest, der unmittelbar an den FuD zu zahlen sei. Ferner sei Vermögen aus der Lebensversicherung, dem Bausparguthaben und dem Tagesgeldkonto der Eltern i.H.v. 1.646,65 EUR einzusetzen. Der Einkommenseinsatz könne angepasst werden, sofern die Eltern Fahrtkosten zur Arbeitsstätte bzw. Aufwendungen zur Altersvorsorge belegten.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zu Unrecht seien Leistungen des FuD anstelle (weiterer) Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung nach dem SGB XII gewährt worden. Hilfe zur angemessenen Schulbildung schließe für ihn den Besuch der OGS ein, da auch alle seine Klassenkameraden hieran teilnähmen. Es stelle eine Diskriminierung und einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2, 14 Abs. 1 lit. a) sowie Art. 24 der UN-BRK dar, wenn es ihm mangels notwendiger Integrationshilfe nicht möglich sei, den Schultag im Klassenverband zu verbringen. Den geforderten Einkommens- bzw. Vermögenseinsatz könnten seine Eltern nicht leisten. Sie seien ohnehin stärker belastet als Eltern gesunder Kinder, um ihm auch auf privater Ebene Chancengleichheit zu bieten. So würden die Kosten für notwendige Therapien, z.B. therapeutisches Reiten, nicht von anderen Trägern bezahlt. Im Vergleich zu gesunden Kindern fielen teilweise höhere Kosten an, etwa durch Gebühren für notwendig mehrfach absolvierte Schwimmkurse. Schon in der Kindertagestätte sei er über die Mittagszeit hinaus betreut worden, was sich positiv auf seine sozialen Kontakte ausgewirkt habe; auch dies ginge ihm verloren, wenn er nur am Vormittagsunterricht teilnehmen könnte. Der Kläger verwies ergänzend auf ein Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.09.2011 – S 21 SO 448/10; er legte ferner Stellungnahmen des Zeugen E vom 28.06.2012 und seiner Klassenlehrerinnen (Zeugin S und Frau S1) vom 04.09.2012 vor. Der Schulleiter führte u.a. aus, ein Besuch der OGS durch den Kläger sei unabdingbar; hierfür benötige er dringend einen Integrationshelfer. Nach der Stellungnahme der Klassenlehrerinnen wird die Klasse des Klägers als Ganztagsklasse geführt; alle Kinder nähmen am Nachmittagsangebot teil und blieben daher bis 16:00 Uhr oder sogar 17:00 Uhr in der Schule. Das Mittagessen sei wichtiger Bestandteil des schulischen Lernens. Im Anschluss an die gemeinsame Anfertigung der Hausaufgaben fänden gemeinsame Spiele im Klassenverband oder in kleineren Gruppen statt. Das dem Kläger bislang bewilligte Stundenkontingent reiche nicht aus. Ohne Unterstützung durch einen Integrationshelfer müsste er als einziger vorzeitig von der Schule abgeholt werden; dies wäre im Hinblick auf seine Integration in den Klassenverband und für seinen Lernerfolg sehr bedauerlich, wenn nicht gar schädlich. Eine Erhöhung der Stundenzahl auf möglichst 35 Stunden sei nötig, damit der Kläger das Nachmittagsangebot zumindest bis 15:00 Uhr wahrnehmen könne.
Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 28.09.2012 (nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter) reduzierte die Beklagte den monatlichen Einkommenseinsatz ab September 2012 auf 1.439,58 EUR bzw. ab Oktober 2012 auf 1.339,19 EUR und verzichtete vollständig auf den Einsatz von Vermögen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Eine Kostenprivilegierung gemäß § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII komme nicht in Betracht; eine solche greife nur bei Hilfen zu einer angemessen Schulbildung, nicht aber bei Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Der Kläger gehöre aufgrund seiner Behinderung zwar zum eingliederungshilfeberechtigten Personenkreis nach §§ 53 ff. SGB XII. Die OGS sei jedoch keine Maßnahme zur angemessenen Schulbildung. Da sie erst im Anschluss an den regulären Unterricht stattfinde, diene sie nicht der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht. Einrichtung und Besuch der OGS seien eine freiwillige Entscheidung von Schule bzw. Eltern. Der GU an der S-Schule für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf müsse, anders als z.B. der Unterricht an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (§ 9 Abs. 1 S. 2 SchulG NRW), nicht als Ganztagsschule organisiert werden. Demgegenüber könne der Schulträger nach § 9 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW mit Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe sowie anderen Einrichtungen, die Bildung und Erziehung fördern, eine weitergehende Zusammenarbeit vereinbaren, um "außerschulische" Angebote vorzuhalten. Bereits dieser Wortlaut zeige, dass die OGS nicht der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht diene, sondern dass es sich um ein außerschulisches Angebot handele. Der – grundsätzlich freiwillige – Besuch der OGS sei i.S.v. § 55 SGB IX eine Eingliederungsmaßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Denn die Teilnahme des Klägers an der OGS diene überwiegend der Förderung seines Umgangs mit nichtbehinderten Kindern und seiner Integration in den Klassenverband, nicht aber der reinen Schulbildung. Das (nicht rechtskräftig gewordene) vom Kläger herangezogene Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.09.2011 – S 21 SO 448/10 binde als Einzelfallentscheidung die Beklagte nicht.
Am 26.10.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Der Stellungnahme des Zeugen E vom 28.06.2012 sei zu entnehmen, dass er am GU nur teilnehmen könne, wenn er auch die OGS besuche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.06.2008 – B 11b AS 19/07 R Rn. 27) sei Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII i.V.m. § 12 EinglhV nicht auf den eigentlichen Schulbesuch beschränkt. Sie komme vielmehr auch in Betracht, wenn sie im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sei, die Folgen einer Behinderung zu beseitigen oder zu mildern. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 20.11.2009 – L 12 AS 4180/08) habe etwa die gemeinsame Einnahme eines Schulessens als erforderlich und geeignet angesehen, um einem behinderten Kind den Schulbesuch zu erleichtern. Die Ansicht der Beklagten, dass der Besuch der OGS im Wesentlichen der Förderung seines Umgangs mit nichtbehinderten Kindern und seiner Integration in den Klassenverband diene und daher keine Eingliederung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sei, verkenne die Bedeutung der Integration eines jeden und insbesondere eines behinderten Menschen in die Klassengemeinschaft für die allgemeine Schulbildung. Eine bestmögliche Integration in den Klassenverband erleichtere den Schulbesuch. In vergleichbaren Fällen seien Sozialhilfeträger (vorläufig) zur Finanzierung von Integrationshelfern im Wege der Eingliederungshilfe verpflichtet worden (SG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2012 – S 17 SO 220/11; SG Detmold; Beschluss vom 22.10.2013 – S 2 SO 309/13 ER, nachgehend Beschluss des Senats vom 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER).
Im gesamten Schuljahr 2012/2013 wurde der Kläger sowohl während der "regulären" Zeit des GU am Vormittag als auch während der anschließenden OGS-Zeit durchgehend von Integrationskräften betreut, die bei dem Beigeladenen beschäftigt waren. In der Regel verblieb der Kläger bis 14:00 oder 15:00 Uhr in der OGS. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stundennachweise (Anlage zu Blatt 127 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten bestanden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Nach der Vergütungsvereinbarung war die Beigeladene berechtigt, für Integrationshelferleistungen 23,75 EUR pro Stunde gegenüber der Beklagten abzurechnen. Der Betreuung des Klägers durch die Integrationskräfte des Beigeladenen in der OGS lag eine "Vereinbarung" zwischen der Mutter des Klägers und der Beigeladenen vom 08.11.2012 zu Grunde mit im Wesentlichen folgenden Wortlaut: "Frau T wünscht eine Begleitung ihres Sohnes durch die Integrationshelferin auch für die OGS. Die GfS wird diese Stunden nach Wunsch erbringen und separat an Frau T berechnen. Frau T wird versuchen, die Übernahme durch den Kostenträger zu erreichen. Gelingt dieses nicht, wird Frau T diese Rechnungen selbst bezahlen." Auf dieser Grundlage stellte die Beigeladene den Eltern des Klägers für dessen Betreuung in der OGS folgende Beträge in Rechnung: am 15.01.2013 (für November 2012) 676,88 EUR (28,5 Stunden), am 07.02.2013 (für Dezember 2012) 451,25 EUR (19 Stunden), am 10.04.2013 (für Januar 2013) 558,13 EUR (23,5 Stunden) und (für Februar 2013) 878,75 EUR (37 Stunden), am 22.04.2013 (für März 2013) 659,06 EUR (27,75 Stunden), am 29.05.2013 (für April 2013) 694,69 EUR (29,25 Stunden), am 27.06.2013 (für Mai 2013) 623,44 EUR (26,25 Stunden) sowie am 19.07.2013 (für Juni 2013) 415,63 EUR (17,5 Stunden). Auf die sich ergebende Gesamtforderung der Beigeladenen von 4.957,83 EUR zahlten die Eltern des Klägers (einer weiteren mündlichen Vereinbarung mit der Beigeladenen folgend) von Oktober 2013 bis Oktober 2016 bislang 3.500 EUR in monatlichen Raten à 100 EUR. Die Rechnungen der Beigeladenen enthielten den Zusatz: "Zahlungsbedingungen: Sofort nach Erhalt der Rechnung".
In der Fassung seines Begehrens durch das Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2012 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Leistungen der Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für eine Begleitperson (Integrationshelfer) auch für die Offene Ganztagsschule am Nachmittag zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat (unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER) vorgetragen, "regulärer" Unterricht und OGS-Betreuung seien getrennt zu betrachten; es handele sich nicht um eine "Gesamtveranstaltung Grundschule". Dies gelte jedenfalls, solange für die Schule die Einrichtung einer OGS und für die Schüler die Teilnahme daran freiwillig sei. Ohnehin besuchten in C nur 50 % der Schüler eine OGS. Auch für den Kläger sei die Teilnahme an der OGS nicht verpflichtend. Es reiche nicht aus, wenn die begehrte Maßnahme (hier: der Besuch der OGS) für die Erlangung einer angemessenen Schulbildung lediglich förderlich sei oder sein könne (Beschluss des Senats vom 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER). Entscheidend sei nach § 12 Nr. 1 EinglhV vielmehr, ob die Maßnahme erforderlich sei, um den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hier gehe es jedoch (nach § 9 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW) um eine freiwilliges außerschulisches Angebot.
Durch Urteil vom 28.10.2014 (mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung) hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zur angemessenen Schulbildung durch Übernahme auch der Kosten des Integrationshelfers für die Stunden, die der Kläger an der Ganztagsschule teilnehme, zu gewähren. Die Voraussetzungen der §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m § 12 EinglhV seien erfüllt. Bei Auslegung dieser Vorschriften im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R sei die Teilnahme des Klägers an der OGS zumindest aus sozial- und schulpolitischen Erwägungen als förderungswürdige Eingliederungshilfe nach dem SGB XII anzusehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Gegen das (ihr am 19.11.2014 zugestellte) Urteil hat die Beklagte am 08.12.2014 Berufung eingelegt. Im Schuljahr 2012/2013 hätten nur 52,33 % der C Grundschüler die OGS besucht; die Teilnahme an der OGS sei deshalb keine typische Alltagssituation des Schulbesuches, und schulische Bildung sei kein elementarer Bestandteil des Konzepts der OGS. Auch an der S-Schule besuchten lediglich 159 von 300 Schülern die OGS (Stand: Oktober 2014). Wollte man die OGS zum normalen Pflichtunterricht zählen, hieße dies, dass etwa 50 % der Schüler nicht in vollem Umfang am Schulunterricht teilnähmen. Schulen mit verpflichtendem Ganztag oder Laborschulen könnten nicht in den Vergleich einbezogen werden, weil dort auch nachmittags "regulärer" Unterricht stattfinde. Dass in der Klasse des Klägers alle Schüler auch die OGS besuchten, habe allein schulorganisatorische Gründe. Auch medizinisch-pädagogisch könne der Besuch der OGS nicht als im Sinne von § 12 Nr. 1 EinglhV für die Erreichung des vom Kläger angestrebten Bildungsziels erforderlich angesehen werden. So sei im Gesamtplan der Schule vom 24.04.2012 angegeben, dass der Kläger während der OGS-Zeit Assistenz lediglich zur Unterstützung bei den Hausaufgaben bzw. im Spiel- und Sozialverhalten benötige; eine Erforderlichkeit hinsichtlich des angestrebten Bildungsziels folge daraus nicht.
In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2016 haben die Beteiligten einen Teil-Unterwerfungsvergleich geschlossen. Die Beklagte hat sich verpflichtet, dem Kläger für die im April 2013 vom Beigeladenen abgerechneten Monate Januar, Februar und März 2013 einen Betrag von 756,76 EUR als Leistung des FuD zu zahlen; der Kläger hat mit dieser Vereinbarung seinen Anspruch auf zuzahlungsfreie Eingliederungshilfe für diese Monate nicht aufgegeben. Die Beteiligten haben darüber hinaus den im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraum einvernehmlich auf den Monat April 2013 beschränkt; für die bisher im Übrigen streitigen Monate (November und Dezember 2012, Januar, Februar, März, Mai, Juni 2013) werden sie nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens dessen Ergebnis entsprechend anwenden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.10.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend verweist er auf einen Beschluss der Bildungskonferenz, wonach der Ausbau des Ganztages als Anliegen aller gesellschaftlichen Gruppen gesehen werde. Der Hinweis der Beklagten auf die Gesamtquote der C Grundschüler, die für eine OGS angemeldet seien, sei nicht nachvollziehbar. Die Auswertung dürfte sich nur auf städtische Schulen beziehen; andere Schulen in Nordrhein-Westfalen, insbesondere solche mit Ganztagsunterricht (etwa Gesamtschulen), seien zu Unrecht nicht berücksichtigt. Die Zahlen seien daher nicht repräsentativ. Ohnehin könne bei einer Quote von gut 50 % bereits von einer typischen Alltagssituation gesprochen werden. Maßgebend sei überdies, dass der Besuch der OGS für den Kläger zwingend vorgeschrieben und damit zumindest in seinem konkreten Einzelfall als für die Erreichung des angestrebten Bildungsziels erforderlich anzusehen sei. Die OGS an der S-Schule sei für die Schüler der GU-Klasse letztlich Teil eines gebundenen Ganztagsunterrichts. Die Rechtsauffassung der Beklagten führe zu einer Einschränkung seines Rechts auf freie Schulwahl. Denn danach könnten sich nur noch vermögende Eltern, die sich jede Schule leisten könnten, und solche, die aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unterhalb der Einkommens- und Vermögensfreigrenzen blieben, frei für eine öffentliche Schule entscheiden. Zu berücksichtigen sei auch, dass Schüler mit Behinderungen bislang an Förderschulen unterrichtet worden seien, welche nach dem Konzept von Ganztagsschulen arbeiteten. Wenn jetzt im Zuge der Inklusion der Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern gewünscht sei, würden behinderte Schüler im Vergleich zum vorherigen Zustand schlechter gestellt, wenn sie nicht mehr an schulischen Nachmittagsangeboten teilnehmen könnten. Soziale Integration und damit Inklusion könnten so nicht funktionieren.
Die mit Beschluss des Senats vom 21.12.2015 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene äußert sich zur Sache nicht.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2016 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E, der Zeugin S sowie der Zeugin A (Integrationskraft, die den Kläger u.a. während der OGS-Zeit im ersten Schuljahr an der S-Schule betreut). Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.11.2016 Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Denn die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2012 (§ 95 SGG). Nach einvernehmlicher Beschränkung des Streitgegenstandes durch die Beteiligten (vgl. zu dieser Möglichkeit etwa BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 1/12 R Rn. 12) unterliegen allein die im Monat April 2013 durch den Kläger in Anspruch genommenen Integrationshelferstunden der gerichtlichen Beurteilung.
Die Klage richtet sich bei Auslegung des Begehrens unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 25.09.2014 – B 8 SO 8/13 R Rn. 10 m.w.N.) im Hinblick auf die von den Eltern des Klägers bereits an den Beigeladenen gezahlten 3.500 EUR (§ 366 Abs. 2 BGB) teilweise auf Erstattung der bereits geleisteten Zahlungen, teilweise auf Beitritt zu der für den Leistungsmonat April 2013 noch offenen Schuld (ursprünglich 694,69 EUR). Dass der Kläger (entgegen der Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 30.06.2016 – B 8 SO 7/15 R Rn. 16 m.w.N.) erstinstanzlich eine Verpflichtung der Beklagten dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 S. 1 SGG) beantragt hat (der das Sozialgericht durch Grundurteil entsprochen hat), hindert die Zulässigkeit der Klage nicht (arg. ex § 99 SGG).
II. Die danach statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage bzw. Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 56 SGG; vgl. dazu Urteil des Senats vom 22.12.2014 – L 20 SO 236/13 Rn. 45 m.w.N.) ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind, bezogen auf die im April 2013 in Anspruch genommenen Integrationshelferstunden, weder formell noch materiell rechtswidrig. Der Kläger ist durch die Ablehnung eines Leistungsanspruches durch die Beklagte nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
1. Eine umfassende sachliche und örtliche Zuständigkeit der Beklagten für die vom Kläger begehrten Rehabilitationsleistungen (vgl. § 53 Abs. 4 SGB XII und § 7 SGB IX) ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB IX (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 5/12 R m.w.N.). Die Beklagte ist nach den §§ 6 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 5 Nr. 4 SGB IX Rehabilitationsträgerin; als solche hat sie den Antrag des Klägers vom 10.02.2012 bzw. vom 11.05.2012 nicht an einen anderen von ihr für zuständig gehaltenen Rehabilitationsträger weitergeleitet.
Unabhängig davon war die Beklagte ohnehin nach dem SGB XII sachlich und örtlich für die getroffene Entscheidung zuständig. Ihre örtliche Zuständigkeit beruht auf § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII, da sich der Kläger durchgehend in C aufgehalten hat. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW.
Demgegenüber ist eine sachliche Zuständigkeit des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) nicht begründet. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 2 AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AV-SGB XII NRW (in der bis zum 30.06.2016 geltenden Fassung). Im streitigen Zeitraum handelte es sich bei der OGS an der S-Schule nicht um eine (teil-)stationäre Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII. Ging es an der OGS allein um eine Betreuung (erst) nach dem regulären Schulunterricht auf dem Schulgelände für das Mittagessen, die Hausaufgaben und anschließende Freizeitaktivitäten (nur) bis in den Nachmittag hinein, so wurde keine Gesamtverantwortung für die Lebensführung des Klägers übernommen (vgl. zum Einrichtungsbegriff bei schulischer Betreuung ausführlich Urteil des Senats vom 15.03.2016 – L 20 SO 545/11 Rn. 70 sowie BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 11 f.). Einer Beiladung des Landschaftsverbandes bedurfte es deshalb nicht.
2. Ein Leistungsanspruch des Klägers auf (kostenfreie) Gewährung von Eingliederungshilfe bestand für die im April 2013 in Anspruch genommenen Integrationshelferstunden nicht.
a) Allerdings ist ein solcher Anspruch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte mit dem Bescheid vom 30.05.2012 (auch) hierüber bereits eine bestandskräftige Ablehnungsentscheidung getroffen hätte. Denn dieser Bescheid regelte – ausgehend von dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R Rn. 10 m.w.N.) – allein die Kostenübernahme für Integrationshelferstunden während des GU im Umfang von 21 Stunden pro Woche im ersten Schulhalbjahr 2012/2013. Eine Entscheidung über eine gleichzeitige Ablehnung weitergehender Ansprüche des Klägers betreffend die OGS-Zeit ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Bescheides nicht. Zudem durfte der Kläger nach dem Telefonat seiner Mutter mit der Beklagten vom 31.03.2012 davon ausgehen, dass die Beklagte noch eine gesonderte Entscheidung hinsichtlich der OGS-Zeit treffen werde (vgl. für einen ähnlichen Zusammenhang VG Aachen, Urteil vom 03.06.2014 – 2 K 2045/12 Rn. 31 f.).
b) Der Kläger erfüllt hinsichtlich der Integrationshelferstunden für die OGS-Zeit im April 2013 jedoch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII.
aa) Zwar gehört er zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII erfassten Personenkreis der (geistig) wesentlich behinderten Personen im Sinne von § 2 EinglhV. Denn bei einem – für die AOSF-Begutachtung vom 22.02.2012 ermittelten – IQ von 55 bis 66 gehört er nach allgemein anerkannten Beurteilungsgrundsätzen (vgl. ICD-10 F. 70-73; OVG NRW, Urteil vom 20.02.2002 – 12 A 5322/00; Dillmann/Dannat, ZfF 2009, 25 ff., 27 f.), die auch der Senat zugrundelegt (vgl. Urteil vom 28.01.2013 – L 20 SO 170/11 Rn. 5, 53), zum Personenkreis der geistig behinderten Menschen. Der Senat hält diese – zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitigen – Daten zum IQ des Klägers für aussagekräftig und legt sie seiner Beurteilung zugrunde. Denn die AOSF-Begutachtung kurz vor der Einschulung erfolgte zeitnah vor dem hier streitigen Zeitraum; sie legte zudem ein Testverfahren zugrunde, das für die Ermittlung des intellektuellen Leistungsniveaus von Kindern im damaligen Alter des Klägers und mit seinen Einschränkungen besonders geeignet erscheint (vgl. hierzu etwa https://www.testzentrale.de/shop/non-verbaler-intelligenztest.html).
Ob zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII neben einer wesentlichen (hier: geistigen) Behinderung zudem eine wesentliche Teilhabeeinschränkung vorliegen muss (vgl. zum Streitstand Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2014, § 1 EinglhV Rn. 4 f.; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 42. EL IX/15, K § 53 Rn. 26 ff.; U. Mayer in Oestreicher SGB II/SGB XII, Stand 51. EL November 2006, § 53 Rn. 14; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 53 Rn. 18; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 53 Rn. 25; Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 53 Rn. 21 ff.; Dannat/Dillmann, SGb 2015 S. 193 ff. (194 f.); BSG, Urteile vom 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R Rn. 19 und vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 28.09.1995 – 5 C 21/93), kann offen bleiben. Denn beim Kläger besteht eine wesentliche Teilhabeeinschränkung schon deshalb, weil er (ebenfalls unstreitig) behinderungsbedingt nicht wie gesunde Kinder ohne weiteres am Regelschulbetrieb teilnehmen kann.
Ist der Kläger wesentlich geistig behindert, steht im Übrigen zugleich fest, dass eine Leistungspflicht des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII von vornherein ausscheidet. Denn nach § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für Kinder und Jugendliche den Leistungen (gemäß § 35a SGB VIII) nach dem SGB VIII vor, wenn zumindest auch eine wesentliche geistige Behinderung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 30/10 R Rn. 15 m.w.N.; Urteil des Senats vom 28.01.2013 – L 20 SO 170/11 Rn. 59 ff.; Beschluss des Senats vom 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER Rn. 37 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2013 – L 9 SO 429/13 B ER). Einer Beiladung des Jugendhilfeträgers bedurfte es deshalb ebenfalls nicht.
bb) Gleichwohl besteht kein Anspruch des Klägers auf (zuzahlungsfreie) Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.
(1) Bei der Betreuung durch Integrationshelfer während der OGS-Zeiten im April 2013 handelt es sich nicht um Leistungen für den Lebensunterhalt (mit einer Kostenbeteiligung nach Maßgabe von § 98 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XII). Eine für den Kläger (bzw. seine Eltern) von vornherein gemäß § 98 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII vollständig kostenfreie Inanspruchnahme käme nur in Betracht, wenn es sich um Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung oder der hierzu erforderlichen Vorbereitung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglhV handelte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum individuellen und personenzentrierten Förderbegriff der Eingliederungshilfe (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R Rn. 16 m.w.N.), der der Senat folgt (vgl. hierzu ausführlich Urteile vom 22.12.2014 – L 20 SO 236/13 Rn. 67 ff. und vom 19.10.2015 – L 20 SO 255/12 Rn. 82 ff.) kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob (a) mit der in Rede stehenden Maßnahme ein legitimes Eingliederungsziel verfolgt wird sowie, ob (b) die begehrte Eingliederungsmaßnahme für die Verfolgung dieses Ziels geeignet und (c) erforderlich ist.
(a) Ziel der Unterstützung des Klägers durch Integrationshelfer war es, ihm einen möglichst reibungslosen und einfachen Besuch der Grundschule im Rahmen des GU zu ermöglichen und so das im Bildungsgang geistige Entwicklung zu verfolgende Bildungsziel (Erlernen der Kulturtechniken – Lesen, Schreiben Rechnen – und der Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten) möglichst weitreichend zu verwirklichen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem AOSF-Gutachten vom 22.02.2012, den Angaben der beiden Klassenlehrerinnen in ihrer Stellungnahme vom 04.09.2012 sowie den Bekundungen der Zeugin S. Dieses Eingliederungsziel erscheint legitim, da der Kläger ausweislich des AOSF-Gutachtens besonderen Förderbedarf insbesondere im Bereich der geistigen Entwicklung aufwies und angesichts der Art und Ausprägung seiner Einschränkungen sowie seiner Eigenressourcen für den Besuch des GU an einer Regelgrundschule geeignet erschien.
Dem Begehren des Klägers kann auch nicht bereits entgegen gehalten werden, die Integrationshelferleistungen seien dem Kernbereich der pädagogisch Arbeit zuzurechnen und unterfielen deshalb von vornherein nicht der Eingliederungshilfe (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 10/11 R Rn. 15 f.). Denn die Integrationshelfer wurden – unabhängig davon, ob die OGS als "Schule im engeren Sinne" anzusehen ist – während der OGS-Zeit jedenfalls nicht tätig, um dem Kläger schulisch-pädagogische Inhalte zu vermitteln. Vielmehr sollte laut dem AOSF-Gutachten vom 22.02.2012 und der Stellungnahme der Klassenlehrerinnen vom 04.09.2012 der Kläger insoweit nur bei der Arbeitsorganisation und im sozialen Bereich unterstützt werden; dementsprechend hat die (als Integrationshelferin tätig gewordene) Zeugin A gegenüber dem Senat nachvollziehbar und glaubhaft als Tätigkeiten während der OGS-Zeit angegeben, etwa den Kläger dabei unterstützt zu haben, sich zu entspannen, den Tisch nach dem Mittagessen ordnungsgemäß zu verlassen und sich hinsichtlich der Hausaufgabenzeit zu organisieren.
(b) Davon ausgehend mögen die im April 2013 während der OGS-Zeit durch den Kläger in Anspruch genommenen Integrationshelferstunden zwar geeignet erscheinen, den Kläger beim Erreichen des beschriebenen Eingliederungszieles zu unterstützen, indem sie ihm die Integration in die Klassengemeinschaft erleichterten.
(c) Die Integrationshilfe war für das Erreichen des Eingliederungszieles jedoch nicht erforderlich, auch wenn – worauf der Kläger zu Recht hinweist – nach § 12 Nr. 1 EinglhV grundsätzlich auch solche Maßnahmen als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII) zählen, die den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht lediglich erleichtern.
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn das angestrebte Eingliederungsziel nicht auch durch andere (gleich geeignete und zumutbare) Maßnahmen erreicht werden kann (vgl. Urteil des Senats vom 19.10.2015 – L 20 SO 255/12 Rn. 90 m.w.N.).
(aa) Im Anschluss an die Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass die Teilnahme des Klägers an der OGS weder rechtlich noch tatsächlich erforderlich war, um am GU der S-Schule teilzunehmen.
Schulrechtlich war die OGS keine Schulpflichtveranstaltung, ohne die der Kläger seine Schulpflicht (§§ 34 ff. SchulG NRW) nicht erfüllt hätte. Denn gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW ist eine OGS lediglich ein außerunterrichtliches Angebot, das der Schulträger in Zusammenarbeit mit Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie anderen Einrichtungen, die Bildung und Erziehung fördern, vorhalten kann. Der vom Senat als Zeuge gehörte Schulleiter E hat dies eigens mit Bezug auf die entsprechende Handhabung an der S-Schule bestätigt; zwischen den Beteiligten besteht insoweit auch kein Streit.
Ohnehin hat die Beweisaufnahme gezeigt, dass der Kläger – entgegen seinem Vortrag – am GU der S-Schule nicht nur dann hätte teilnehmen können, wenn er wie alle anderen Kinder seiner Klasse zugleich die OGS besuchte. Nach den Angaben des Zeugen E gab es weder von Seiten der Schulaufsichtsbehörde noch des Schulträgers irgendwelche Vorgaben dahingehend, dass sämtliche Schüler einer GU-Klasse auch an der OGS teilnehmen müssten. Die Schüler der GU-Klasse auch am Nachmittag (an der OGS) als Gruppe zusammenzuhalten, war vielmehr allein im pädagogischen Konzept der S-Schule für sinnvoll gehalten worden. Der Zeuge hat insoweit weiter bekundet, dass eine verpflichtende Teilnahme aller Kinder der GU-Klasse an der OGS weder gewollt noch rechtlich möglich war. Dies deckt sich mit den Angaben der Zeugin S, die das an der S-Schule verfolgte Konzept ausdrücklich abgegrenzt hat von dem Konzept des sog. "rhythmisierten Ganztages", bei dem regulärer Schulunterricht sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag stattfindet. Mit diesen Angaben hat die Zeugin ihre vorherigen Ausführungen in der Stellungnahme vom 04.09.2012 (in der noch von Ganztagsunterricht an der S-Schule die Rede war) nachvollziehbar präzisiert bzw. richtig gestellt.
Gehörte aber die Teilnahme des Klägers an der OGS nicht zum zwingend-pflichtgemäßen Umfang seines Schulbesuchs, konnte das für den Schulbesuch maßgebliche Bildungsziel grundsätzlich auch ohne Besuch der – sonach freiwilligen – OGS erreicht werden (vgl. zu einem ähnlichen Fall Beschluss des Senats vom 15.01.2014 – L 20 SO 477/13 B ER Rn. 44). Dies gilt umso mehr, als eine vom Kläger in den Vordergrund gerückte Integration in die Klassengemeinschaft bereits explizit Gegenstand des Konzepts des GU im Allgemeinen ist (vgl. http://www.schuministerium.nrw.de/BP/Schulsystem/GemUnterricht.html, Stand: 06.09.2012) und es an der S-Schule auch konkret war (http://www.russheideschule.de/190-Gemeinsamer Unterricht, Stand: 06.09.2012).
(bb) Auch der Vortrag des Klägers, die Teilnahme an der OGS habe seine Integration in die Klassengemeinschaft (weiter) gefördert und dadurch zugleich seine Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht weiter erleichtert, vermag eine Erforderlichkeit und damit einen Leistungsanspruch nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglhV nicht zu begründen.
Der Senat hat bereits entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn eine begehrte Maßnahme für eine angemessene Schulbildung lediglich förderlich ist oder sein kann (vgl. Beschlüsse vom 16.12.2013 – L 20 SO 487/13 B ER und vom 20.12.2013 – L 20 SO 428/13 B ER). Hieran hält er fest. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 20.09.2012 – B 8 SO 15/11 R Rn. 18 ff. m.w.N.) müssen alle vermögens- und einkommensprivilegierten Leistungen nach § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII (und damit insbesondere die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung) einen qualifizierten objektiv finalen Bezug dergestalt aufweisen, dass der Schwerpunkt der Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, sondern zumindest gleichwertig bei den mit ihr verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt (so auch LSG NRW, Urteil vom 17.03.2016 – L 9 SO 91/13 Rn. 40 m.w.N. sowie Beschluss vom 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER Rn. 23; ferner Dillman/Wildanger, br 2014, Seite 113 ff. (124)). Maßnahmen, die sich hingegen nur mittelbar auf die Erreichung des verfolgten Zieles auswirken, werden von der Privilegierung nicht erfasst (BSG a.a.O. Rn. 19).
Ein solcher objektiv finaler Bezug zwischen OGS-Teilnahme und regulärem Besuch des GU an der S-Schule ist jedoch nicht erkennbar. Schon die aktenkundige Beschreibung des GU (http://www.russheideschule.de/190-Gemeinsamer Unterricht, Stand: 06.09.2012) zeigt keinerlei Beziehung zwischen GU und einer Teilnahme an der OGS; sie stellt allein auf die Möglichkeiten einer integrativen Förderung von Kindern mit besonderem Förderbedarf an der Regelschule durch sonderpädagogische Unterstützung im GU selbst ab.
Auch im Anschluss an die Beweisaufnahme des Senats ist eine konzeptionelle Ausrichtung der OGS auf die Förderung der Vermittlung schulischer Bildungsinhalte im Rahmen des GU oder die Verbesserung der Schulfähigkeit des Klägers nicht feststellbar. Zwar haben sowohl die Zeugin S als auch die Zeugin A die positiven Auswirkungen der Teilnahme des Klägers an der OGS auf seine Integration in die Klassengemeinschaft (etwa durch das gemeinsame Mittagessen) herausgestellt. Dadurch wurden jedoch nach Auffassung des Senats allein allgemeine lebenspraktische Fertigkeiten bzw. soziale Kontakte und damit die gesellschaftliche Teilhabe im Allgemeinen gefördert. Dass gleichsam nebenbei auch der Schulbesuch erleichtert worden sein dürfte, ist lediglich mittelbare Folge des Besuchs der OGS. Konkrete, innerhalb der OGS auf eine Verbesserung der Schulfähigkeit des Klägers im GU gerichteten Übungen, Therapiemaßnahmen oder dergleichen ließen sich schließlich auch aus den Angaben der Zeuginnen S und A nicht belegen.
Die fehlende Erforderlichkeit gilt insbesondere auch für die in der OGS erfolgte Hausaufgabenbetreuung. Zwar mag insoweit ein objektiv finaler Bezug zur erfolgreichen Beschulung im GU bestehen; nicht erkennbar ist jedoch, dass eine Hausaufgabenbetreuung nicht auch im häuslichen Bereich möglich gewesen wäre. Es hätte deshalb jedenfalls eine zumutbare Alternative zur Verfügung gestanden. Die schulische Hausaufgabenbetreuung dient denn auch in erster Linie dazu, Kindern einen Raum zur zeitnahen Erledigung der Hausaufgaben zu verschaffen; dies ändert nichts daran, dass Hausaufgaben grundsätzlich dazu gedacht sind, den Lernstoff außerschulisch und möglichst selbständig zu wiederholen bzw. zu vertiefen (ähnlich LSG NRW, Beschluss vom 01.06.2015 – L 9 SO 89/15 B ER Rn. 34). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Hausaufgaben nicht im häuslichen Bereich hätte bewältigen können, bestehen nicht. Die Zeugin A hat vielmehr gerade ausgeführt, dass der Kläger natürlich auch zu Hause bei den Hausaufgaben hätte unterstützt werden können; es sei lediglich vorteilhaft gewesen, bei den Hausaufgaben in der OGS eine Lehrkraft unmittelbar um Rat oder Materialien angehen zu können.
Nach allem kann der Senat die von den Klassenlehrerinnen in der Stellungnahme vom 24.09.2012 geäußerte Einschätzung, ohne die Teilnahme an der OGS wäre der Lernerfolg des Klägers an der S-Schule fraglich gewesen, nicht teilen. Diese Behauptung hat die Zeugin S denn auch bei ihrer Vernehmung durch den Senat nicht wiederholt.
(d) Die vom Kläger gegen die Ablehnung eingliederungshilfeweiser Integrationshilfe erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken (insbesondere Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 S. 2 GG) teilt der Senat nicht. Das Erfordernis eines objektiv finalen Bezuges der begehrten Maßnahmen – auch bei Leistungen zu einer angemessenen Schulbildung – hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 20.09.2012 – B 8 SO 15/11 R Rn. 20) gerade darauf gestützt, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine solche Lesart bei § 92 Abs. 2 SGB XII gebiete. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 92 Abs. 2 SGB XII auf spezifische Fördermaßnahmen entziehe die denkbaren Leistungen als solche nicht grundsätzlich dem Anwendungsbereich der §§ 53, 54 SGB XII, sondern definiere lediglich, bei welchen spezifischen Fördermaßnahmen ein erhöhtes gesellschaftliches Allgemeininteresse und damit eine Gesamtverantwortung der Gesellschaft anzunehmen sei und bei welchen nicht (a.a.O. Rn. 22). Damit ist der objektiv finale Bezug ein sachliches Abgrenzungskriterium, das im Rahmen von Art. 3 GG eine Differenzierung gerade rechtfertigt.
(e) Auch vom Kläger benannte Vorschriften der UN-BRK ermöglichen keine andere Entscheidung; Gleiches gilt für vom Sozialgericht herangezogene sonstige Gesichtspunkte.
(aa) Zwar besitzt die UN-BRK für Deutschland ab dem 26.03.2009 völkerrechtliche Verbindlichkeit gemäß Art. 45 Abs. 2 UN-BRK (vgl. auch Art. 2 Abs. 2 Vertragsgesetz zur UN-BRK i.V.m. der Bekanntmachung über das Inkrafttreten der UN-BRK vom 05.06.2009, BGBl. II, 812; ferner Beschluss des Senats vom 06.02.2014 – L 20 SO 436/13 B ER Rn. 56 ff.). Völkerrechtliche Verträge wie die UN-BRK, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, stehen im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 111, 307, 317; 82, 106, 114; 74, 358, 370). Diese Rangzuweisung führt in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dazu, dass deutsche Gerichte das anwendbare Völkervertragsrecht wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (vgl. BVerfGE 111, 307, 317). Die UN-BRK vermittelt subjektive Ansprüche für behinderte Menschen indes nur, soweit sie unmittelbar anwendbar ist. Eine unmittelbare Anwendbarkeit völkervertragsrechtlicher Bestimmungen setzt allerdings voraus, dass die jeweilige Bestimmung alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um Einzelne berechtigen oder verpflichten zu können (vgl. BVerfGE 29, 348, 360); dafür muss ihre Auslegung ergeben, dass sie geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, ohne dass es einer weiteren gesetzlichen Ausfüllung bedarf (vgl. BVerfGE 29, 348, 360; BSG, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 KR 10/11 R). Ist eine Regelung – objektiv-rechtlich – unmittelbar anwendbar, muss sie zusätzlich auch ein subjektives Recht des Einzelnen vermitteln (Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl. 2010, S. 141 (159); Grzeszick, AVR 43, 2005, 312 (318)). Gemäß Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (BGBl. II 1985, 926 und BGBl. II 1987, 757) erfolgt die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 KR 10/11 R).
Art. 7 Abs. 2, 14 Abs. 1 lit. a) und Art. 24 UN-BRK, auf die sich der Kläger insoweit beruft, gewähren ihm jedoch keinen unmittelbaren Anspruch auf die von ihm begehrte Leistung.
Art. 7 Abs. 2 UN-BRK ist lediglich eine spezielle Ausprägung des Diskriminierungsverbots aus Art. 5 UN-BRK (vgl. Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 54 Rn. 72). Im Übrigen verweist Art. 7 Abs. 1 UN-BRK auf Maßnahmen, die erst noch von dem jeweiligen Staat zu treffen sind. Art. 14 Abs. 1 lit. a) enthält einen Gleichheitssatz, der schon nach nationalem Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 S. 2 GG) für den Kläger verbürgt und hier – wie ausgeführt; oben (d) – nicht verletzt ist (vgl. zu weiteren Einzelheiten Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 54 Rn. 70 ff. m.w.N. sowie LSG Bayern, Beschluss vom 02.11.2011 – L 8 SO 164/11 B ER).
Schließlich gewährt Art. 24 UN-BRK lediglich einen diskriminierungsfreien – nicht aber zwangsläufig unbeschränkten – Zugang zu einem integrativen Bildungssystem (vgl. etwa Wehrhahn, a.a.O. Rn. 72 und Bernhard, RdJB 2015 S. 79 ff. (85)). Ein solcher Zugang ist aber für den Kläger gewährleistet; denn er kann – siehe oben (c), (aa) – auch ohne Teilnahme an der OGS die GU-Klasse an der S-Schule besuchen. Ein unmittelbarer Leistungsanspruch auf Ermöglichung der OGS-Teilnahme lässt sich aus Art. 24 UN-BRK angesichts dessen allgemeiner Formulierung nicht ableiten.
(bb) Die im Wesentlichen allein rechtspolitische Argumentation des Sozialgerichts rechtfertigt bereits im Ansatz keine andere rechtliche Beurteilung.
Soweit das Gericht ausführt, Schule sei in der heutigen sozialen Wirklichkeit generell als Ganztagsschule zu denken, leugnet es für den Fall des Klägers bereits die gesetzlichen Vorgaben (insb. des § 9 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW). Soweit es sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.02.2012 – B 8 SO 30/10 R bezieht, widerspricht die Lesart des Senats insbesondere mit dem Erfordernis eines objektiv finalen Bezuges der Maßnahme zum Schulbesuch dieser Entscheidung nicht; vielmehr hat das Bundessozialgericht selbst im dort zu beurteilenden Fall (a.a.O. Rn. 22 f. zur schulbegleitenden "Montessori-Therapie") weitere Ermittlungen zur Art und Weise der Betreuung und zu deren Auswirkungen auf die individuelle Lernfähigkeit für notwendig erachtet.
(cc) Schließlich folgt auch aus dem vom Kläger herangezogenen Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.11.2009 – L 12 AS 4180/08 (Rn. 30) von vornherein nichts im Sinne des Klägers anderes; denn dort ging es um eine Schule für Sehbehinderte, an der – anders als beim GU an der S-Schule – verpflichtender Ganztagsunterricht erteilt wurde.
(2) Kommt nach allem eine von vornherein kostenfreie Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 12 Nr.1 EinglhV nicht in Betracht, so kann der Kläger sein Begehren auch nicht auf §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX (einkommens- bzw. vermögensabhängige Leistungen der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) stützen.
(a) Mit dem Bescheid vom 13.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2012 fordert die Beklagte nicht etwa (in Anwendung des sog. Bruttoprinzips, welches allein im Rahmen von § 92 Abs. 1 S. 1 SGB XII zur Anwendung gelangt; vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 17/12 R) vom Kläger (bzw. seinen Eltern) einen konkreten Kostenbeitrag; vielmehr ergibt sich aus der Zusammenschau von Verfügungssatz und Begründung des Bescheides, dass die Beklagte (unter Berücksichtigung des in § 19 Abs. 3 SGB XII verorteten sog. Nettoprinzips) den Antrag des Klägers ablehnt, soweit die Kosten für Integrationshelferleistungen die im Widerspruchsbescheid vom 28.09.2012 (zuletzt) genannten Beträge vom einsatzpflichtigen Elterneinkommen nicht übersteigen.
Die angefochtenen Bescheide sind danach für den noch streitigen Zeitraum April 2013 (auch) hinsichtlich einer Ablehnung von Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft rechtmäßig.
(b) Offen bleiben mag, ob für das Ziel der Eingliederung des Klägers in die Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach dem individuellen, personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe (s.o.) erfüllt sind. Dagegen könnte sprechen, dass der Kläger im außerschulischen Bereich (etwa durch Teilnahme am Vereinsturnen, Spielen mit Kindern aus der Nachbarschaft, etc.) hinreichend eingegliedert war. Offen bleiben kann zudem, ob bzw. in welcher Höhe etwaiges Vermögen (der Eltern) einem Leistungsanspruch entgegensteht.
(c) Denn für die im April 2013 für die OGS-Zeit geleisteten Integrationshelferstunden – in Rechnung gestellt am 29.05.2013 mit 694,69 EUR – überstieg das nach Maßgabe des § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 82 ff. SGB XII einsatzpflichtige Einkommen den (mit dem Zugang der Rechnung vom 29.05.2013 entstandenen) Bedarf des Klägers deutlich (vgl. zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Fälligkeit einer Rechnung für die Entstehung des Bedarfs Urteil des Senats vom 11.01.2016 – L 20 SO 132/13 Rn. 60 m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 28.05.2015 – L 9 SO 231/12 Rn. 69; BSG, Urteil vom 20.09.2012 – B 8 SO 20/11 R).
Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte – ausgehend von Nettoeinkünften der Eltern des Klägers von insgesamt 3.635,98 EUR und Kindergeld für den Kläger von 184 EUR (zu Letzterem § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII) – bei § 82 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB XII neben der Arbeitsmittelpauschale (2 x 5,20 EUR; vgl. § 3 Abs. 5 der Verordnung zu § 82 SGB XII) die Fahrtkosten für die Fahrten zur Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Mutter 48,60 EUR, Vater 41,70 EUR) sowie Kosten für die Haftpflichtversicherung (6,10 EUR) in Abzug gebracht hat (vgl. Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2014, § 82 Rn. 45, 49). Mangels Anhaltspunkten für das Vorhandensein weiterer abzusetzender Kosten belief sich das bereinigte Einkommen im Sinne von § 82 SGB XII damit auf 3.713,18 EUR.
Die Einkommensgrenze (für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII) hat die Beklagte (im gesetzlichen Ansatzpunkt zutreffend) nach § 85 Abs. 2 SGB XII ermittelt, da der Kläger minderjährig ist. Hieraus ergibt sich der Grenzbetrag gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 SGB XII mit dem zweifachen Betrag der im April 2013 geltenden Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII (2 x 382 EUR), den Kosten der Unterkunft einschließlich der Nebenkosten ohne Heizkosten (vgl. dazu Hohm a.a.O. § 85 Rn. 21.3; hier: 840 EUR) und dem Familienzuschlag i.H.v. jeweils 70% des Betrages der im April 2013 geltenden Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII für einen Elternteil, den Kläger sowie seine Schwester (3 x 268 EUR). Allerdings ist der Beklagten insoweit ein Fehler unterlaufen, als sie nicht den 2013 (382 EUR), sondern den zuvor 2012 geltenden Betrag der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII (374 EUR) ihrer Berechnung zu Grunde gelegt hat. Bei zutreffender Berechnung beläuft sich die Einkommensgrenze sonach auf 2.408 EUR (und nicht auf 2.374 EUR); in jedem Falle ergibt sich damit ein mit 1.305,18 EUR oberhalb der Einkommensgrenze liegender Einkommensanteil. Dieser einsatzpflichtige Betrag übersteigt die Kosten für die im April 2013 in Anspruch genommenen Integrationshelferleistungen (694,69 EUR) deutlich.
Gründe dafür, dass der Einsatz des die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommensbetrages nicht zumutbar sein könnte (§ 87 Abs. 1 S. 2 SGB XII), sind nicht ersichtlich. Selbst wenn insoweit Mehrfachaufwendungen für Schwimmkurse des Klägers berücksichtigungsfähig sein sollten, beliefen sich die Kosten für jeweils einen Kurs nach den Angaben seiner Eltern lediglich auf 140 EUR; auch dann verbliebe vom einsatzpflichtigen Einkommen noch immer ein Betrag deutlich oberhalb von 694,69 EUR, der für Integrationshelferleistungen hätte eingesetzt werden müssen.
Der Senat geht bei allem davon aus, dass die Rechnung für April vom 29.05.2013 dem Kläger noch im Mai 2013 zuging, die nachfolgende Rechnung für Mai vom 27.06.2013 im Juni. Sollte jedoch die Rechnung vom 29.05.2013 erst im Juni 2013 zugegangen sein, so wäre – in der Annahme einer für beide Monate entsprechenden Versendungspraxis der Beigeladenen – wegen des auf einen Sonntag fallenden letzten Junitages von einem Zugang der nachfolgenden Rechnung vom 27.06.2013 erst im Juli 2013 auszugehen.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
C) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 03.06.2019
Zuletzt verändert am: 03.06.2019