Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 28.02.2007 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.02.2009 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") und ständige Begleitung ("B").
Die Versorgungsverwaltung stellte bei dem 1936 geborenen Kläger mit Bescheid vom 17.09.1999 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.11.1999). Im Rahmen des vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund geführten Klageverfahrens (S 18 SB 257/99) einigten sich die damaligen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2000 nach Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. N vom 16.05.2000 auf die Feststellung eines GdB von 60 sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Gehbehinderung). Der höchste Einzel-GdB von 60 bezog sich nach den Feststellungen des Sachverständigen auf eine Herzleistungsschwäche auf dem Boden einer dilatativen Cardiomyopathie bei Bluthochdruck. Zudem stellte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2000 einen Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "aG".
Nach Einholung eines Befundberichtes von dem Allgemeinmediziner T1 und versorgungsärztlicher Auswertung lehnte die Versorgungsverwaltung (Versorgungsamt E) den Antrag des Klägers auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" mit Bescheid vom 15.05.2001 ab.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, in dem dieser ausführte, dass ihm nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N aufgrund der Schwere der Herzerkrankung längere Strecken nicht möglich seien, wies die Bezirksregierung Münster (Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt) mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 14.08.2001 vor dem SG Dortmund Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass bei ihm die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich wesentlich verschlechtert. Nach den vorgelegten Bescheinigungen seiner behandelnden Ärzte könne er nur noch 50 bis 100 Meter zurücklegen. Beim Ergometertest habe er nur noch eine Wattzahl von 50 erreichen können.
Der Kläger hat u.a. ein Attest seines behandelnden Orthopäden, wonach er eine Gehstrecke von zehn Minuten zurücklegen kann, Ausschnitte aus einem 2003 erstellten amtsärztlichen Gutachtens sowie eine Bescheinigung seines Hausarztes aus 2000, wonach die körperliche Leistungsbreite wegen der schweren Herzschwäche stark eingeschränkt sei, vorgelegt.
Das SG hat Befundberichte von dem Allgemeinmediziner T1, von dem Orthopäden und Sportmediziner S1, dem Radiologen Dr. L sowie von dem Kardiologen und Internisten Dr. M eingeholt. Es hat des Weiteren den Sachverständigen Dr. S, Leiter der Abteilung für Kardiologie am Allgemeinen Krankenhaus I, mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 28.08.2002 ausgeführt, dem Kläger sei eine Wegstrecke von 200 bis 500 m möglich; er könne mindestens zehn Minuten gehen. Von schweren Dekompensationserscheinungen könne nicht gesprochen werden.
Zudem hat das SG von der Kardiologin X und dem Orthopäden und Sozialmediziner Dr. T Gutachten ebenfalls nach Aktenlage eingeholt. Die Sachverständige X hat in ihrem Gutachten vom 06.07.2006 den GdB wegen der dilatativen Cardiomyopathie mit Linksherzschwäche mit 60 eingeschätzt. Sie gelangte zu der Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung der Herzerkrankung der Kläger in der Lage sei, 200 bis 500 m am Stück ohne Hilfsmittel zurückzulegen. Eine unzumutbare Anstrengung oder Anstrengung von den ersten Schritten außerhalb eines Kraftfahrzeuges sei nicht gegeben.
Der Sachverständige Dr. T hat in seinem Gutachten vom 12.09.2006 auf orthopädischem Gebiet als Funktionsbeeinträchtigungen eine Lumboischialgie bei vorliegendem Bandscheibenvorfall und Foramenstenose L5/S1 ohne neurologische Ausfälle, ohne Bewegungseinschränkung festgestellt und diese mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Er hat unter Berücksichtigung des internistischen Zusatzgutachtens von der Sachverständigen X ausgeführt, orthopädischerseits sei eine Gehbehinderung nicht ersichtlich, jedoch auf internistischem Gebiet.
Sämtliche Gutachten wurden nach Aktenlage eingeholt, weil keine Einigung zwischen dem Kläger und dem SG bezüglich der Übernahme etwaiger Taxikosten anlässlich der Untersuchungen bei den Sachverständigen erzielt werden konnte.
Das SG hat mit Urteil vom 28.02.2007 die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten. Das SG hat sich den Ausführungen der Sachverständigen angeschlossen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.
Gegen das ihm am 17.03.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.04.2007 Berufung eingelegt. Unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung von dem Arzt T1 vom 16.01.2007 begehrt er weiterhin die Feststellung des Nachteilsausgleiches "aG". Er ist der Auffassung, dass sein Diabetes und die ungenügende Sehkraft weiterer medizinischer Ermittlungen bedürfe. Zudem führte er mit Schreiben vom 10.11.2007 (Eingang: 12.11.2007) aus, dass ihm aufgrund seiner bescheinigten, zunehmenden lebensbedrohenden Krankheiten eine Begleitperson zuzubilligen sei.
Den Antrag des Klägers vom 10.11.2007 auf Feststellung des Merkzeichens "B" hat die Stadt E mit Bescheid vom 17.02.2009 abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 28.02.2007 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 sowie des Bescheides vom 17.02.2009 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "aG" und "B" festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 17.02.2009 als unzulässig abzuweisen.
Sie hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass das nunmehr im laufenden Verfahren begehrte Merkzeichen "B" mangels eines Vorverfahrens nicht Streitgegenstand sei. Diesbezüglich werde sie sich nicht zur Sache einlassen.
Der Senat hat einen weiteren Bericht von dem Arzt T1 (Bericht vom 24.06.2008) eingeholt, der auf eine schwere globale Herzinsuffizienz mit Atemnot hingewiesen hat.
Des Weiteren hat der Senat ein internistisches Gutachten von Dr. C (vom 29.11.2008) und ein orthopädisches Gutachten von Dr. N1 (vom 18.12.2008) angefordert. Der Sachverständige Dr. C hat das Herzleiden mit einem Einzel-GdB von 60 bewertet und ausgeführt, dass eine Leistungsbeeinträchtigung von Seiten des Herzens bereits bei alltäglicher leichter Belastung vorläge. Diese Einschränkung sei seit 1999 unverändert nachweisbar, insbesondere bestehe eine Befundkonstanz seit der Begutachtung durch Dr. N im Mai 2000. Vorübergehende schwere Dekompensationszeichen seien in den letzten acht Jahren nicht aufgetreten. Als weitere Behinderungen hat er eine arterielle Hypertonie (Einzel-GdB von 40), ein leichtgradiges peripher obstruktives Emphysem (Einzel-GdB von 20) sowie einen Diabetes mellitus (Einzel-GdB von 10) festgestellt. Der Kläger könne sich außerhalb des Kraftfahrzeuges nur noch mit großer Anstrengung fortbewegen, seine Gehstrecke sei glaubhaft eingeschränkt, allerdings nicht von den ersten Metern an. Im Übrigen beruhe die Einschränkung der Gehfähigkeit nicht nur auf dem kardialen bzw. Lungenleiden, sondern sei durch die unklare Schmerzsymptomatik im Bereich der Beine bedingt. Internistischerseits sei die Einschränkung der Gehfähigkeit nicht mit den in den Anhaltspunkten aufgezählten Personenkreises gleichzusetzen.
Der Sachverständige Dr. N1 hat als weitere Behinderungen ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom (Einzel-GdB von 20), Knorpelschäden beider Kniegelenke (Einzel-GdB von 10) sowie eine Funktionsstörung beider Schultergelenke (Einzel-GdB von 10) diagnostiziert. Zusammenfassend kommt der Sachverständige Dr. N1 zu dem Ergebnis, dass die Gehfähigkeit des Klägers durch die Herz- und Lungenerkrankung deutlich eingeschränkt ist. Die Funktion des Gehens sei jedoch hinsichtlich des Schweregrades nicht funktionell vergleichbar mit der Gehbehinderung der in der Beweisanordnung aufgeführten Personen. Durch die Funktionsstörung der Kniegelenke und der Lendenwirbelsäule sei die Funktion des Gehens nur geringgradig eingeschränkt. Hinsichtlich der vom Kläger angegebenen Schmerzausstrahlung in den Beinen, die schon aufgetreten sei, als er noch berufstätig gewesen sei, habe die jetzige klinische Untersuchung keinen Hinweis für eine Nervenwurzelreizung, ausgehend von der Lendenwirbelsäule ergeben. Neurologische Defizite seien nicht erkennbar. Das Gangbild beschrieb der Sachverständige als kleinschrittig, unsicher und Halt suchend ohne erkennbares Hinken.
Zu den Gutachten hat sich der Kläger zusammenfassend dahingehend geäußert, dass aufgrund seiner Beeinträchtigungen, die sich seit dem Gutachten von Dr. N verschlechtert hätten, durchaus die Feststellung des Merkzeichens "aG" mit einer Begleitperson gerechtfertigt sei.
Wegen des weiteres Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Streitakten des SG Dortmund S 18 SB 257/99, S 43 SB 66/01 ER, S 20 SB 167/04 ER sowie S 15 RJ 306/98 (L 7 B 4/01) und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für den Kläger im Termin niemand erschienen ist, weil er auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen wurde (§§ 153 Abs. 1, 110 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Richtige Klagegegnerin im Berufungsverfahren ist die Stadt E. Denn das Land Nordrhein-Westfalen ist im Bereich des Schwerbehindertenrechts nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) durch Artikel 1 Abschnitt I, §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (GV NRW S. 482 – Straffungsgesetz) zum 01.01.2008 durch einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Stadt E ersetzt worden. Diese ist ab 01.01.2008 im Rahmen einer Funktionsnachfolge zuständige Behörde zur Wahrnehmung der vormals den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts geworden und nach materiellem Recht auch zur Gewährung oder Verweigerung der vom Kläger begehrten Leistung berechtigt (und damit passivlegitimiert).
Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit und damit ein Rechtsträgerwechsel führt in anhängigen Streitverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 2/07 R, Juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.02.2008, L 6 SB 101/06, Juris).
Die Landesgesetzgebung NRW war ermächtigt, den Wechsel in der Behördenzuständigkeit legislativ anzuordnen. Diese Ermächtigung (zur Abweichung von bundesrechtlichen Vorgaben) folgt aus § 69 Abs. 1 S. 7 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) als einfachem Bundesrecht. Von der dadurch eröffneten Regelungsbefugnis hat der Gesetzgeber des Landes NRW durch Erlass und Verkündung des Straffungsgesetzes Gebrauch gemacht.
Mit der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung hat der Landesgesetzgeber NRW auch nicht gegen § 71 Abs. 5 SGG verstoßen. Denn diese Regelung beschränkt sich darauf, die Prozessvertretung eines Bundeslandes festzulegen für den Fall, dass es Beklagter eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits ist. Ein weiterer, die Zuständigkeit bestimmender Regelungsinhalt kommt dieser Vorschrift nicht zu (ausführlich: LSG NRW, Urteil vom 12.02.2008, a.a.O.).
Im Übrigen kommt es im vorliegenden Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neustrukturierung der Versorgungsverwaltung nicht an (vgl. jetzt auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.12.2008, B 9 V 3/07 R; Terminbericht Nr. 54/08 des BSG vom 11.12.2008, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de – das Urteil des BSG ist derzeit noch nicht abgesetzt). Denn die Berufung des Klägers war bereits aus materiellen (einfach-rechtlichen) Gründen zurückzuweisen (dazu sogleich), so dass die Frage, ob die gesetzliche Neustrukturierung der Versorgungsverwaltung Nordrhein-Westfalen verfassungsgemäß ist, nicht entscheidungserheblich (geworden) war. Die Passivlegitimation ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen (s.o.).
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit er mit ihr die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" begehrt. Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 15.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "B" begehrt, ist seine im Berufungsverfahren erhobene Klage unzulässig. Der Beurteilung des Senats steht nicht entgegen, dass sein mit Schreiben vom 10.11.2007 gestellter Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "B" inzwischen abschlägig beschieden worden ist (Bescheid vom 17.02.2009). Ob die Stadt E den Antrag des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "B" zu Recht abgelehnt hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Bezüglich der Feststellung des Merkzeichens "B" fehlt es an einer erstinstanzlichen Entscheidung. Der Bescheid vom 17.02.2009 ist auch nicht auf Grund einer Klageänderung gemäß § 99 SGG einer materiellen Prüfung zugänglich. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sich nicht in der Sache zur Feststellung des Merkzeichens "B" einzulassen. Eine Sachdienlichkeit der Klageänderung hält der Senat unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht für gegeben. Bezüglich der Feststellung des Merkzeichens "B" hätte es einer weiteren Beweiserhebung bedurft. Zudem fehlt es an der Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 SGG).
Nach § 69 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen "aG". Nach § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Nr. 11 der zu § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) erlassenen Verwaltungsvorschrift (VV) sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlichen Feststellungen, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.
Der Kläger zählt nicht zu einer der in der Verwaltungsvorschrift explizit aufgeführten Personengruppe, da bei ihm weder eine Gliedmaßenamputation noch eine Querschnittslähmung besteht. Er ist auch nicht dem in Nr. 11 VV zu § 46 StVO benannten Personenkreis gleichzustellen.
Eine Gleichstellung erfordert, dass die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sich der Behinderte nur unter ebenso großen Anstrengungen wie der oben genannte Personenkreis oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke im Sinne eines Anspruch ausschließenden Restgehvermögens kommt als Abgrenzungskriterium nicht in Betracht. Es kommt vielmehr darauf an, unter welchen Bedingungen dem Betroffenen dies nur noch möglich ist, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen – praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges an – erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R; BSG, Urteil vom 10.12.2002, 9 SB 7/01 R).
Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme noch nicht gegeben. Der Kläger ist beim Gehen weder ständig auf fremde Hilfe angewiesen noch bewegt er sich nur noch unter großer Anstrengung vom ersten Schritt an fort. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 28.02.2007 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. C und Dr. N1 bedingen die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers keine außergewöhnliche Gehbehinderung. Der Sachverständige Dr. C hat ein Herzleiden (Einzel-GdB von 60), eine arterielle Hypertonie (Einzel-GdB von 40), ein leichtgradig peripher obstruktives Emphysem (Einzel-GdB von 20) sowie einen Diabetes mellitus (Einzel-GdB von 10) diagnostiziert. Dr. C hat ausgeführt, dass sich der Kläger außerhalb des Kraftfahrzeuges nur noch mit großer Anstrengung fortbewegen kann, diese Einschränkung jedoch nicht von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges besteht. Zusammenfassend ist er zu der Überzeugung gelangt, dass internistischerseits die Einschränkung der Gehfähigkeit nicht mit den in den Anhaltspunkten aufgezählten Personenkreisen gleichzusetzen ist. Der Senat hält seine Ausführungen für nachvollziehbar und schlüssig, insbesondere, weil nach seinen Feststellungen die Leistungsbeeinträchtigung von Seiten des Herzens, die bereits bei alltäglicher leichter Belastung gegeben ist, seit 1999 unverändert vorliegt. Insbesondere besteht eine Befundkonstanz seit der Begutachtung durch Dr. N im Mai 2000.
Nach Nr. 31 Abs. 4 Seite 139 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008 sind Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunkion schweren Grades anzusehen. Eine solche Beeinträchtigung lässt sich den Feststellungen der gehörten Sachverständigen nicht entnehmen. Vielmehr hat Dr. C ausgeführt, dass vorübergehende schwere Dekompensationszeichen in den letzten acht Jahren nicht aufgetreten sind. Bereits der Sachverständige Dr. S äußerte die Auffassung, dass von schweren Dekompensationserscheinungen nicht gesprochen werden könne.
Schließlich rechtfertigen auch die auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen in Zusammenschau mit dem auf internistischem Gebiet liegenden Funktionsbeeinträchtigungen noch keine Gleichstellung. So liegen nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N1 als weitere Funktionsbeeinträchtigungen ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom (Einzel-GdB 20), Knorpelschäden beider Kniegelenke (Einzel-GdB 10) sowie eine Funktionsstörung beider Schultergelenke (Einzel-GdB 10) vor. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Funktionsstörung der Kniegelenke und der Lendenwirbelsäule die Funktion des Gehens nur geringgradig eingeschränkt. Er kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Funktion des Gehens hinsichtlich des Schweregrades nicht funktionell vergleichbar mit der Gehbehinderung der in der Beweisanordnung aufgeführten Personen ist. Seine Schlussfolgerung hält der Senat unter Berücksichtigung der nur leichten Beeinträchtigungen auf dem orthopädischem Gebiet für zutreffend.
Insgesamt ist der Senat der Überzeugung, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen eine erhebliche Gehbehinderung, wie bereits festgestellt, aber derzeit noch nicht die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung rechtfertigen.
Eine weitere Begutachtung war nicht geboten. Zwar hat der Kläger über eine wiederkehrende Schmerzausstrahlung in den Beinen geklagt, die nach seinen Angaben schon während der Berufstätigkeit aufgetreten sind. Die jetzige klinische Untersuchung bei Dr. N1 hat jedoch keinen Hinweis für eine Nervenwurzelreizung, ausgehend von der Lendenwirbelsäule ergeben. Neurologische Defizite waren ebenfalls nicht erkennbar. Die Ausführungen des Sachverständigen stehen im Einklang mit dem Befundbericht des Allgemeinmediziners T1 von Juli 2002. Dort hatte der Kläger über ziehende Schmerzen im Bereich beider Unterschenkel geklagt. Eine arterielle Verschlusskrankheit konnte jedoch mit Doppler-Untersuchung ausgeschlossen worden. Auch gegenüber dem damals behandelnden Orthopäden S1 hatte der Kläger Beschwerden in beiden Beinen angegeben. Auch der Arzt S1 konnte bei seinen Untersuchungen keine neurologischen Ausfälle feststellen. Er beschrieb die Sensibilität, Motorik und Durchblutung als regelrecht. Zudem hat der Sachverständige Dr. C im Rahmen des Diabetes mellitus keinen Anhalt für eine pAVK gefunden. Eine Nephropathie hat er verneint.
Soweit der Kläger vorträgt, wegen des Diabetes mellitus sowie wegen der schlechten Sehkraft sei die Untersuchung durch weitere Fachärzte angezeigt, sah sich der Senat nicht gedrängt, noch weitere Sachverständige zu hören. Der Sachverständige Dr. C ist als Internist durchaus in der Lage, den Diabetes mellitus des Klägers zu beurteilen, zumal dieser nur diätetisch behandelt werden muss. Hinsichtlich der verminderten Sehkraft ist der Kläger nach seinen eigenen Angaben nicht bei einem Augenarzt in Behandlung. Im Übrigen hat der Sachverständige Dr. C die Augen als unauffällig (Brille zum Lesen) angegeben. Keiner der gehörten Sachverständigen hat hinsichtlich der Ursachen der Gehbeeinträchtigung ein Sehleiden aufgeführt noch die Einholung weiterer Gutachten aus anderen Fachbereichen angeregt. Ob das Sehleiden sowie der Diabetes mellitus einen höheren Grad der Behinderung bedingt, war vorliegend nicht zu entscheiden. Die Höhe des GdB ist nicht Streitgegenstand gewesen.
Mit dem 01.01.2009 sind die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht nahezu vollständig abgelöst worden. Die Materie ist vornehmlich in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" des § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (Verordnung zu Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes vom 10.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2412) und Anlageband zur Ausgabe Nr. 57 vom 15.12.2008 – VersMedV) geregelt. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür hatte der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) geschaffen (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007, BGBl. I S. 2007, 2904). Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" sind dort in Teil 3 unter Ziffer 3. geregelt.
Es kann dahinstehen, ob dem Verordnungsgeber insoweit die Normsetzungskompetenz fehlte (so Dau in jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4), weil die Rechtsgrundlage für die Feststellung von Nachteilsausgleichen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) allein auf § 69 Abs. 1 SGB IX und damit ausschließlich auf das schwerbehindertenrechtliche Feststellungsverfahren und die Maßstäbe des BVG zur Beurteilung der Hilflosigkeit verweist. Denn im vorliegenden Fall hat die Berufung des Klägers – wie aufgezeigt – bereits deshalb keinen Erfolg, weil er die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 16.04.2009
Zuletzt verändert am: 16.04.2009