Die Anhörungsrüge der Antragsteller wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 01.06.2010 – L 20 AY 4/10 B ER hat der Senat die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 15.12.2009 zurückgewiesen. Mit diesem Beschluss hatte es das Sozialgericht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle der bezogenen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Auf den Beschluss des Sozialgerichts und auf den Beschluss des Senats wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Gegen den am 10.06.2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.06.2010, der am 22.06.2010 bei dem Landessozialgericht eingegangen ist, Anhörungsrüge erhoben. Wegen der Begründung dieser Rüge wird auf den Schriftsatz vom 20.06.2010 Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin sieht keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsteller; wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20.07.2010 Bezug genommen.
II.
Nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn (Nr. 1.) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (Nr. 2.) das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Abs. 1 Satz 1). Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt (Abs. 1 Satz 2).
1. Die Anhörungsrüge ist zulässig. Insbesondere richtet sie sich gegen eine Endentscheidung i.S.v. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn Endentscheidungen sind grundsätzlich auch unanfechtbare Beschlüsse, die im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ergehen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn es noch zu einer Korrektur der vorläufigen Entscheidung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens kommen kann (§ 86b Abs. 1 Satz 4 SGG). Dies ist jedoch zu verneinen, falls die Entscheidung faktisch zu (bis zur Entscheidung in der Hauptsache) endgültigen Verhältnissen führt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178a Rn. 3a m.w.N). Da bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mit einer sozial- oder landessozialgerichtlichen Änderung der bisherigen Regelung der streitigen Leistungsansprüche der Antragsteller zu rechnen ist, handelt es sich bei dem mit der Anhörungsrüge angegriffenen Beschluss des Senats vom 01.06.2010 um eine Endentscheidung i.S.d. § 178a Abs. 1 Satz 2 SGG.
2. Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet; sie ist daher nach § 178a Abs. 4 Satz 2 SGG zurückzuweisen.
Denn eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsteller i.S.v. § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG liegt nicht vor:
a) Nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ebenso wie nach § 62 SGG haben die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in ihre Erwägungen einzubeziehen. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Dieses Gebot verpflichtet allerdings die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen; die Behauptung, eine richterliche Entscheidung sei – am einfachen Recht gemessen – objektiv fehlerhaft, vermag deshalb grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (so bereits BVerfGE 22, 267, 273). Darüber hinaus sind die Gerichte auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; es muss nur das Wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), z.B. Beschluss vom 20.02.2008 – 1 BvR 2722/06 m.w.N.). Die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge erforderliche Darlegung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss diesen Gehalt des Gebots berücksichtigen; es bedarf mithin einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Prozessgrundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliegt (zum Vorstehenden insgesamt Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 11.09.2009 – B 6 KA 1/09 C).
b) Das rechtliche Gehör der Antragsteller ist danach nicht verletzt worden.
aa) Soweit die Antragsteller rügen, der Senat habe im Beschluss vom 01.06.2010, gestützt auf das Urteil des BSG vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R, allein auf die von den Antragstellern vorbezogenen Leistungen abgestellt, ohne ihren bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes maßgeblichen Aufenthaltsstatus zu berücksichtigen, so wünschen sie in der Sache eine andere Lesart des § 2 Abs. 1 AsylbLG, als sie der Senat vorgenommen hat. Nach Ansicht des Senats (vgl. den gerügten Beschluss zu II.2.a) ist allein der tatsächliche Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG geeignet, die 48-monatige Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG aufzufüllen. Dies gilt auch für sich nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erlaubt in Deutschland aufhaltende Ausländer (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG). Denn das AsylbLG differenziert in seinen Leistungsvorschriften nicht zwischen den verschiedenen Personenkreisen, die von § 1 Abs. 1 AsylbLG erfasst werden; die Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ist insoweit auch auf die Antragsteller anwendbar, auch wenn im vom BSG entschiedenen Fall keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG vorlag. Grund für die alleinige Maßgeblichkeit des tatsächlichen Vorbezugs (allein) von Grundleistungen ist – mit dem BSG – der zwingende Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG. Schon wegen dieses nicht im Wege der Auslegung zu umgehenden Gesetzeswortlauts können die Antragsteller (nach der einfach-rechtlichen Regelung) keine Analogleistungen verlangen. Die Ausführungen der Antragsteller zu Art. 3 Grundgesetz (GG) können hieran nichts ändern; der Senat sieht insoweit, anders als die Antragsteller, insbesondere keine Regelungslücke. Vertrauensschutzgesichtspunkte scheiden schon deshalb aus, weil es kein geschütztes Vertrauen in den ungekürzten Fortbestand in jeweils nur für kurze Zeitabschnitte gewährte existenzsichernde Leistungen gibt. Wenn die Antragsteller meinen, entgegen der – dem BSG folgenden – Ansicht des Senats enthalte das Gesetz doch eine Integrationskomponente, so sind sie insoweit anderer Rechtsansicht als der Senat. Eine Anhörungsrüge kann sich jedoch nicht auf eine unterschiedliche Lesart des Gesetzes gründen. Der Senat hat den entsprechenden Vortrag auch nicht etwa unberücksichtigt gelassen; er ist ihm im Ergebnis – wie sich aus der Darlegung seiner eigenen Lesart des § 2 Abs. 1 AsylbLG ergibt – allerdings nicht gefolgt.
bb) Wenn die Antragsteller darüber hinaus meinen, der Senat sei rechtsirrig der Ansicht, es komme auf die Staatsangehörigkeit der Antragstellerin zu 2 an, so mögen sie diese Frage im Hauptsacheverfahren weiter verfolgen. Eine bloße Rechtsirrigkeit begründete, sofern sie denn vorläge, die Anhörungsrüge nicht. Im Übrigen ist ein (mit welchen leistungsrechtlichen Rechtsfolgen auch immer) abgeleitetes Freizügigkeitsrecht der Antragstellerin zu 2 aus den im gerügten Beschluss (zu II.1.) genannten Gründen gerade nicht hinreichend wahrscheinlich. Wenn die Antragsteller insoweit (anders als der Senat) eine mangelnde Aufklärung des Sachverhalts sehen, so rügen sei einen Verfahrensfehler außerhalb fehlender Gewährung rechtlichen Gehörs; ein solcher kann mit der Anhörungsrüge jedoch nicht geltend gemacht werden (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 5a).
cc) Eine mangelnde Existenzsicherung der Grundleistungen berechtigt den Senat aus den im gerügten Beschluss (zu II.2.c) genannten Gründen nicht, in Widerspruch zur einfach-gesetzlichen Rechtslage höhere Leistungen zuzusprechen. Auch insoweit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsteller von vornherein nicht zu besorgen.
Allerdings hält auch der Senat die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für evident unzureichend, das Grundrecht der Leistungsempfänger auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 2/09 und 4/09) zu wahren (vgl. hierzu ausführlich den Vorlagebeschluss des Senats nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG vom 26.07.2010, dort für Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG). Aufgrund der nach Art. 100 Abs. 1 GG allein dem BVerfG zukommenden Kompetenz, eine gesetzliche Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit für ungültig zu befinden, muss der Senat jedoch einstweilen die leistungsrechtlichen Regelungen des AsylbLG weiter anwenden. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG kommt, wie schon im gerügten Beschluss ausgeführt, im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nicht in Betracht (siehe zu Ausnahmen hiervon Dollinger, in: Umbach, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 31; dort auch zum Streitstand Fn. 82). Eine zügige Klärung der Verfassungsmäßigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden einfach-gesetzlichen Normen in einem Zeithorizont, welcher der Dauer eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entspräche, könnte dadurch nicht erreicht werden. Denkbar ist insoweit allein (worauf der gerügte Beschluss in seiner Rechtsmittelbelehrung auch verweist) eine einstweilige Regelung durch das BVerfG nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Dem Senat selbst wäre es im Rahmen einer Vorlage zur Normenkontrolle verwehrt, beim BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen. Denn Antragsbefugnis nach § 32 BverfGG besitzt nur, wer in einem Verfassungsrechtsstreit Beteiligter sein kann, bzw. bei bereits anhängigem Hauptsacheverfahren nur ein Verfahrensbeteiligter. Ein vorlegendes Gericht ist hingegen nicht antragsbefugt (Berkemann, in: Umbach/Clemens/Dollinger, a.a.O., § 32 Rn. 87 m.w.N.).
dd) Ein Verweis auf eine Verfassungsbeschwerde und den dort möglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des BVerfG gewährleistet auch den von den Antragstellern mit der Anhörungsrüge ebenfalls eingeforderten effektiven Rechtsschutz i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG. Der Senat selbst, der nur auf der Grundlage des einfach-gesetzlichen Rechts entscheiden kann, ist jedoch an die Vorgaben der leistungsrechtlichen Regelungen des AsylbLG in der von ihm einzig für richtig gehaltenen Lesart gebunden.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).
Erstellt am: 26.08.2010
Zuletzt verändert am: 26.08.2010