Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 02.10.2006 geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Aachen Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I X, M Straße 00, L, zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstatt der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Sie hat von Oktober 1998 bis November 2000 (26 Monate) Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen; seit dem 01.03.2006 bezieht sie wiederum diese Leistungen. In der Zwischenzeit (Dezember 2000 bis Februar 2006) stellte die Klägerin ihren Lebensunterhalt selbst sicher, seit dem 01.09.2005 durch Leistungen nach dem SGB II.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 02.10.2006 die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) verspreche. Denn die Klägerin habe nicht im Sinne von § 2 AsylbLG "über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3" erhalten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verschaffe allein der tatsächliche Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG für mindestens 36 Monate einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG. Das Gesetz weise insoweit keine Lücke auf und sei auch nicht unklar formuliert, so dass eine (entgegenstehende) Auslegung nicht in Betracht komme. Zeiten, in denen der Lebensunterhalt durch eigenes Einkommen oder durch Sozialleistungen nach dem SGB II bestritten worden sei, könnten zur Erfüllung der 36-Monats-Frist nicht herangezogen werden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte Sigmaringen und Düsseldorf. Dadurch, dass die Klägerin zeitweise eigene Einkünfte und Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, werde sie nicht schlechter gestellt als Personen, die lediglich Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hätten; sie sei vielmehr in der Zeit von Dezember 2000 bis Februar 2006 gegenüber solchen Personen wirtschaftlich privilegiert gewesen. Allein der Ablauf eines Zeitraums von 36 Monaten eröffne jedoch nicht den Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG. Bei weiterem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG erfülle die Klägerin die 36-Monats-Frist erst nach Ablauf des 31.12.2006.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 01.12.2006 nicht abgeholfen.
Die Klägerin verweist mit der Beschwerde darauf, es bestehe zwar keine offene gesetzliche Regelungslücke, jedoch eine verdeckte. Hätte der Gesetzgeber Fälle wie den ihren gesehen, hätte er einen Anspruch auf erhöhte Leistungen in diesen Fällen geschaffen. Im Übrigen hätte ihr auch, nach einem siebenjährigen Aufenthalt in Deutschland, am 02.08.2005 eine unbefristete Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz erteilt werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.01.2007 Bezug genommen.
Die Beklagte ist dem gegenüber der Auffassung, für einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG sei ein tatsächlicher Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG für die Dauer von insgesamt 36 Monaten notwendig. Welcher Gruppe von Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG der betreffende Ausländer jeweils zuzuordnen sei, sei unerheblich.
II.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht von vornherein zu verneinen. Denn die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob auch Zeiten einer anderweitigen Sicherstellung des Lebensunterhalts in der Bundesrepublik als durch Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu einer Berechtigung nach § 2 AsylbLG führen können, ist zumindest eine ungeklärte, aber klärungsbedürftige Rechtsfrage. In solchen Fällen ist bereits Prozesskostenhilfe zu gewähren (BVerfGE 81, 347; Meyer-Ladewig/Keller-Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73a Rn. 7b m.w.N.). Denn es ist keinesfalls eindeutig, dass nur der tatsächliche Bezug von nach § 3 AsylbLG gewährten Leistungen ausreicht, die 36-Monats-Frist des § 2 AsylbLG auszufüllen. So hat etwa der Senat mit Beschluss vom 27.04.2006 – L 20 B 10/06 AY ER – im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass auch ein Leistungsbezug nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geeignet ist, bei der Berechnung dieser Frist angerechnet zu werden (zum Meinungsstand vgl. Wahrendorf, Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 2 AsylbLG RdNr. 2; Deibel, DVBL 2001, 868; Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz, § 2 RdNr. 22f). Nicht anders ist es, wenn Leistungen nach dem SGB II bezogen werden, die in ihrer Höhe regelmäßig nicht wesentlich von den nach dem SGB XII (als Nachfolgegesetz zum BSHG) gewährten Leistungen abweichen. Entsprechendes kommt jedoch auch infrage, wenn der Lebensunterhalt selbst in einer Weise sichergestellt wird, dass für die Gewährung von Sozialleistungen von vornherein kein Raum ist. Von einem solchen Fall geht das Sozialgericht auch für den Zeitraum aus, in dem die Klägerin nach ihrem Vortrag ihren Lebensunterhalt selbst sichergestellt hat.
Das Sozialgericht wird bei seiner Entscheidung zu bedenken haben, ob der Sinn und Zweck des § 2 AsylbLG (die Intergration bereits länger als 36 Monate in Deutschland lebender Leistungsempfänger durch höhere Leistungen zu fördern) auch die Anrechnung von Zeiten des Leistungsbezugs nach dem SGB II oder von Zeiten, in denen der Lebensunterhalt selbst sichergestellt wurde, zulässt. Eine solche Auslegung des § 2 AsylbLG erscheint jedenfalls nicht vorn vornherein ausgeschlossen, da die Verweildauer in Deutschland – wie der Fall der Klägerin zeigt – einen entsprechenden Integrationsbedarf nahelegen kann; hierüber wird – ggf. im sozialgerichtlichen Instanzenzug – grundsätzlich zu entscheiden sein.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 18.04.2007
Zuletzt verändert am: 18.04.2007