Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.6.2013 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) der Beklagten die Kosten des Gutachtens der gerichtlichen Sachverständigen Nervenärztin Dr. M aus E (jedenfalls) in Höhe von EUR 813,07 (= auf der Grundlage der Liquidation der Sachverständigen vom 28.2.2013 am 13.3.2013 von der Landeskasse angewiesener Betrag) auferlegt.
Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden, § 192 Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Erkennbar sind solche Ermittlungen nur dann, wenn sich der Behörde deren Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. von einem vertretbaren Rechtsstandpunkt aus erschließen musste (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. Kommentar zum SGG. 10. Aufl. 2012, Rdnr. 18e zu § 192; Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 18.1.2011, Aktenzeichen (Az) L 2 U 166/10 B; Landessozialgericht Niedersachsen, Beschluss vom 14. April 2011, Az L 7 AS 426/10 B; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2011, Az L 4 R 396/11 B). Die seit dem 1.4.2008 geltende Regelung soll im gerichtlichen Verfahren entstandene Kosten "zurückverlagern", die den Justizhaushalten durch unterlassene Ermittlungen des Leistungsträgers im Verwaltungsverfahren entstehen (Bundestags-Drucksache 16/7716 Seite 23). Zu Recht geht das SG davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Kostenregelung vorliegen.
Die Beklagte hat im Verwaltungsverfahren erkennbare und notwendige Ermittlungen unterlassen, als sie den Antrag des Klägers auf Gewährung einer vorzeitigen Maßnahme der stationären medizinischen Rehabilitation ablehnte, ohne den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers näher zu ermitteln und den Sachverhalt unter Hinzuziehung sozialmedizinischen Sachverstands zu bewerten. Es liegt bei einer ärztlich befürworteten vorzeitigen Gewährung einer solchen Maßnahme in der Natur der Sache, dass nicht auf Grund von fast ein Jahr zurückliegenden Befunden abschließend entschieden werden kann, ob der aktuelle Gesundheitszustand die vorzeitige Gewährung eine stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erfordert. Die Gestaltung des Vordrucks der Beklagten, auf dem sich die Beurteilung des Internisten und Sozialmediziners Dr. T vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in C vom 19.8.2011 befindet, lässt zu Recht erkennen, dass die Beurteilung "nach Aktenlage" die Ausnahme sein soll, weil dazu am unteren Ende des Vordrucks eine besondere Rechtfertigung erfragt wird. Die Angabe des Dr. T ("Verwaltungsseitig erwünscht") lässt vermuten, dass diesem Arzt das Regel-Ausnahme-Verhältnis bewusst war und er ausschließlich wegen einer Vorgabe durch den zuständigen Sachbearbeiter (und gerade nicht, weil aus medizinischer Sicht bereits nach Aktenlage eine abschließende Beurteilung möglich ist) ausnahmsweise von einer körperlichen Untersuchung abgesehen hat. Offenbar war ihm der (aus den Akten nicht erkennbare, also wohl im persönlichen Gespräch formulierte) verwaltungsseitige Wunsch so sehr Befehl, dass es daneben einer sachlichen Begründung nicht bedurfte.
Die Notwendigkeit medizinischer Ermittlungen ergab sich aber auch aus den älteren aktenkundigen medizinischen Unterlagen im Zusammenhang mit der stationären Heilbehandlungsmaßnahme in der I Klinik I vom 1.9. bis zum 13.10.2010. Zwar ist im Entlassungsbericht dieser Klinik vom 29.10.2010 ausgeführt, dass im Verlauf der rehabilitativen Behandlung eine wesentliche Verbesserung der unteren Extremitäten sowie des Gangbildes nicht möglich war. Indes hatten die Klinikärzte noch im Verlängerungsantrag vom 15.9.2010 ausgeführt, sie sehen in diesem Bereich ein deutliches Verbesserungspotential; die Schwere der Erkrankung erfordere die Fortführung der stationär-rehabilitativen Behandlung. Bei dieser Konstellation war erkennbar notwendig, medizinisch abklären zu lassen, ob gerade die Schwere der Erkrankung dafür verantwortlich war, dass bei der ersten Maßnahme 2010 das Verbesserungspotential noch nicht ausgeschöpft werden konnte und deshalb eine vorzeitige Wiederholung der Maßnahme angezeigt war. Die später vom SG im Klageverfahren durchgeführte medizinische Sachaufklärung spricht genau für diese Sichtweise.
Ohne Belang für die Entscheidung ist, dass die Sachverständige Dr. M die erneute stationäre medizinische Rehabilitation erst nach Ablauf von 2 Jahren, "also spätestens 2013" für notwendig gehalten hat. Denn auch dieses Ergebnis hätte eine sachgerechte sozialmedizinische Begutachtung bereits im Sommer 2011 erbringen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Das Verfahren nach § 192 Abs 4 SGG ist ein gesondert geregeltes Nebenverfahren über Kosten eines Hauptsacheverfahrens. Das vorliegende Hauptsacheverfahren ist die Klage des Versicherten gegen die Beschwerdeführerin als Beklagte. In dieser Verfahrensstellung als Beklagte hat die Beschwerdeführerin gegen die Kostenentscheidung des SG im angefochtenen Beschluss Beschwerde eingelegt; an diesem Verfahren ist der Kläger/Versicherte nicht (mehr) beteiligt. Die Kostenregelung § 197a Abs 1 SGG stellt auf das jeweilige Verfahren bzw. den jeweiligen Rechtszug ab (vgl Leitherer. AaO. § 197a Rdnr 3). Die Beschwerdeführerin ist als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung in einem solchen Verfahren nicht kostenprivilegiert, weil am Verfahren keine nach § 183 SGG privilegierte Person (mehr) beteiligt ist. Die im Beschwerderechtszug anfallenden Gerichtskosten (Nr 7504 des Kostenverzeichnisses (KV) zum Gerichtskostengesetz (GKG)) sind folglich von der Beschwerdeführerin zu tragen, nachdem ihr Rechtsmittel ohne Erfolg war (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 16.9.2013, Az L 8 U 3192/13 B und vom 11.03.2011, Az L 9 U 1083/10 B; so auch: Straßfeld in: Jansen. SGG. Kommentar. 4. Aufl. 2012, § 192 Rndr 19; aA Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.08.2009 L 4 KR 108/09 B; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 16.03.2009, L 1 B 201/08 U).
Der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es nicht, weil sich die Kosten nicht nach dem Wert des Streitgegenstands richten, § 3 Abs 1 GKG iVm Nr 7405 KV zum GKG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 09.12.2013
Zuletzt verändert am: 09.12.2013