Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02. November 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf höheres Pflegegeld.
Der 1940 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung (GdB) vom 100 v.H. sowie die Merkzeichen G, RF, B, H und BL anerkannt sind, leidet an einer hochgradigen an Blindheit grenzenden Sehschwäche beidseits, degenerativem Wirbelsäulensyndrom, Arthrose der Knie- und Hüftgelenke, Periarthropathie beider Schultergelenke, insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ IIb mit Polyneuropathie, Schwerhörigkeit links, Harnstressinkontinenz sowie einem organischen Psychosyndrom. Nachdem er im Januar 1999 mehrere Hirninfarkte erlitten hatte, beantragte er im Februar 1999 die Gewährung von Pflegegeld. Gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein – Gutachter S … und Dr. H … – vom 29.04.1999, die einen täglichen Grundpflegebedarf von 68 Minuten (28 Minuten bei der Körperpflege, 10 Minuten bei der Ernährung und 30 Minuten bei der Mobilität) ermittelt hatten, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.1999 Pflegegeld nach der Pflegestufe I und lehnte nach Einholung einer ergänzenden Stellung nahme des MDK – Dr. K … – vom 01.09.1999, der lediglich eine geringfügige Erhöhung des Pflegebedarfs bei der Nahrungsaufnahme und der Mobilität für angemessen erachtete, mit Bescheid vom 14.09.1999 die Einstufung in die Pflegestufe II ab. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er benötige Pflege rund um die Uhr, so dass die Pflegestufe III erreicht werde. Er legte eine Bescheinigung des Internisten Dr. H … vom 10.08.1999 vor, der auf die hochgradige Sehbeeinträchtigung verwies und eine höhere Pflegeeinstufung für angemessen erachtete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 09.02.2000 vor dem Sozialgericht – SG – Köln Klage erhoben. Er hat weiterhin geltend gemacht, er benötige eine Pflege rund um die Uhr, so dass ihm auch unter Berücksichtigung der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld nach Pflegestufe III zu bewilligen sei. Er hat einen Pflegeplan sowie Bescheinigungen des Urologen Dr. G … über das Erfordernis spezieller Inkontinenz-Vorlagen und des Augenarztes Dr. K … über einen erneuten Visusverlust infolge zunehmenden grauen Stars vorgelegt.
Das SG hat einen Bericht des Dr. H … und ein Gutachten von dem Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin Dr. D … eingeholt. Letzterer ist in seinem Gutachten vom 21.12.2000 zu dem Ergebnis gelangt, der Grundpflegebedarf des Klägers, der trotz seiner hochgradigen Sehschwäche in seiner Wohnung selbständig mobil sei, betrage insgesamt 84 Minuten.
Der Kläger ist diesem Gutachten mit einer Anlage zu einem Gutachten des Dr. S … vom 14.12.2000 entgegengetreten, in dem letzterer einen Grundpflegebedarf von 385 Minuten bescheinigt hat. Auf Anfrage des SG hat Dr. S … in einer Stellungnahme vom 02.05.2001 erklärt, dass das Pflegegutachten auf Bitte sowie nach den vom Kläger gemachten Angaben erstellt worden sei und kein Anlass bestehe, an dem ihm übersandten Gutachten des Dr. D … zu zweifeln.
Mit Urteil vom 02.11.2001 hat das SG die Klage abgewiesen, weil nach dem Gutachten des Sachverständigen feststehe, dass bei dem Kläger nicht einmal die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorlägen. Das Gutachten decke sich auch mit den weiteren medizinischen Befundberichten. Dr. S … sei in seiner ergänzenden Stellungnahme von seiner ursprünglich anders lautenden Beurteilung abgerückt. Ein höherer Hilfebedarf als vom Sachverständigen festgestellt lasse sich allenfalls bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers über die Häufigkeit der Besuche von Ärzten und therapeutischen Einrichtungen annehmen, ohne dass insoweit ein Hilfebedarf von wenigstens 120 Minuten erreicht werde, wie er für die Pflegestufe II erforderlich sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.12.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.12.2001 Berufung eingelegt. Er macht geltend, der vom SG gehörte Sachverständige habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass infolge der Blindheit sowie der Harninkontinenz eine Pflege rund um die Uhr bei ständiger Bereitschaft der Pflegeperson erforderlich sei. Allein für Arztbesuche benötige er einen zeitlichen Hilfebedarf von 4 Stunden und 57 Minuten in der Woche, eigentlich sogar 5 Stunden und 32 Minuten bei Teilung des wöchentlichen Zeitaufwandes durch 5 Arbeitstage. Bei der Mundhygiene sei ein zusätzlicher Hilfebedarf von 4 x 3 Minuten in Ansatz zu bringen, weil seine Prothese entsprechend oft gereinigt werden müsse. Des weiteren suche er zwecks Bartpflege zweimal wöchentlich den Friseur auf. Schließlich habe das SG durch dieselbe Kammervorsitzende in einer anderen Angelegenheit festgestellt, dass zweimal täglich eine Dusche erfolge, was im vorliegenden Verfahren aber nicht berücksichtigt worden sei.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Köln vom 02.11.2001, Az.: S 20 P 4/00 zu verurteilen, ihm ab dem 01.02.1999 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Auskünfte der Dres. H …, L …, K …, Z …, P …, G … und L … über die Häufigkeit der Arztbesuche des Klägers seit Februar 1999 eingeholt. Auf die entsprechenden Angaben der Ärzte wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
Der Senat hat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch gemacht, weil die Berufsrichter des Senats übereinstimmend eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachten.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der schriftsätzliche, nur auf die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung höherer Pflegegeldleistungen gerichtete Antrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger auch die Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 05.08. und 14.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2000 begehrt. Diese Bescheide sind jedoch rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG, weil ihm kein Anspruch auf höheres Pflegegeld zusteht. Dies hat das SG mit zutreffenden Gründen dargelegt, auf die der Senat auch zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die von ihm geltend gemachten Bereitschaftszeiten der Pflegepersonen sind unabhängig von ihrer arbeitsrechtlichen Beurteilung in der sozialen Pflegeversicherung nicht berücksichtigungsfähig, weil nur der konkret auf die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen bezogene Aufsichts- und Betreuungsbedarf nach dem Willen des Gesetzgebers Anrechnung finden kann (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8). Diesen Betreuungsbedarf hat der Sachverständige aber in hinreichender Weise berücksichtigt.
Ebensowenig reicht die Verteilung des Pflegebedarfs über den gesamten Tag und die Nacht für die Erfüllung der Voraussetzungen der Pflegestufe III (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI) aus, weil § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI insoweit zusätzlich verlangt, dass der Grundpflegebedarf 4 Stunden täglich beträgt. Dies ist nach den Feststellungen des Sachverständigen und der von der Beklagten gehörten Gutachter jedoch nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob der vom Kläger geltend gemachte weitere Hilfebedarf von 4 x 3 Minuten täglich für die Mundhygiene (Prothesenreinigung) besteht, denn auch unter seiner Berücksichtigung würden die für die Pflegestufe II erforderlichen 2 Stunden Grundpflegebedarf (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI) nach den Feststellungen des Sachverständigen sowie des SG nicht erreicht.
Es besteht auch kein Anlass, einen höheren Hilfebedarf infolge eines zweimal täglichen Duschens anzunehmen, da der Kläger in seinem Pflegeplan selbst das Duschen nur einmal morgens aufgeführt hat.
Der Sachverständige hat weder die Blindheit noch die Inkontinenz des Klägers unberücksichtigt gelassen. Er hat aber schlüssig darauf verwiesen, dass der Kläger infolge seiner Gewöhnung an seine häusliche Umgebung erstere Behinderung teilweise selbst ausgleichen kann. Auch die Inkontinenz hat der Sachverständige beim Pflegebedarf in Form der Hilfe beim Wechseln der Vorlagen ausreichend berücksichtigt. Dass darüber hinaus zur Vermeidung eines Dekubitus zusätzliche Hilfe erforderlich wäre, ist weder ärztlich bescheinigt noch ist glaubhaft, dass der Kläger insoweit die erforderlichen Verrichtungen nicht selbst durchführen könnte.
Ebensowenig sind höhere Zeiten für die Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu berücksichtigen. Soweit der Kläger geltend macht, er müsse zweimal in der Woche den Friseur zwecks Bartpflege aufsuchen, ist nicht ersichtlich, dass diese Pflege nicht zu Hause erfolgen könnte. Selbst wenn man aber zuzüglich zu den vom Sachverständigen veranschlagten 3 Minuten täglich für die Hilfe beim Rasieren weitere 10 Minuten (entsprechend 35 Minuten pro Friseurbesuch) in Ansatz brächte, wäre die 2 Stunden-Grenze nicht erreicht.
Auch aufgrund erforderlicher Arzt- und Therapiebesuche sind keine weiteren Zeiten berücksichtigungsfähig. Nach den Bescheinigungen der sieben vom Senat gehörten Ärzte, die der Kläger entgegen seiner jetzigen Behauptung mit seiner schriftlichen Erklärung vom 24.08.2000 von der Schweigepflicht entbunden hat, hat der Kläger diese im Jahr 1999 lediglich insgesamt 59 mal, im Jahr 2000 18 mal sowie im Jahr 2001 21 mal und auch im laufenden Jahr deutlich weniger als 1 mal pro Woche aufgesucht. Darüber hinaus kann es nach den Bescheinigungen dieser Ärzte als widerlegt angesehen werden, dass während des Arztbesuchs die Anwesenheit der Pflegeperson erforderlich ist. Auch wenn insoweit nicht alle vom Kläger benannten 10 Ärzte gehört worden sind, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Arztbesuche allenfalls ein- bis zweimal in der Woche stattgefunden haben und seit dem Jahr 2000 eher weniger als einmal in der Woche erforderlich waren. Die gegenteiligen Zeitangaben des Klägers, die dieser auf Nachfrage des Senats auch von zunächst fast 5 Stunden auf knapp 2 Stunden revidiert hat, sind offensichtlich wahrheitswidrig und auf die Erschleichung höherer Leistungen zu Lasten der Solidargemeinschaft gerichtet.
Bei dieser Sachlage bestand für den Senat kein Anlass, ein weiteres Gutachten einzuholen oder den Sachverständigen oder sonstige Ärzte ergänzend zu hören. Dr. S … hat seine für den Kläger günstigere Beurteilung mit Hinweis darauf korrigiert, dass er ausschließlich dessen Angaben gefolgt sei. Dass diese aber gerade nicht der Wahrheit entsprechen, belegen die Ermittlungen des Senats. Soweit der Kläger rügt, das SG habe Dr. S … unzulässigerweise unter Druck gesetzt, fehlt hierfür jeglicher objektiver Anhalt.
Die Berufung des Klägers war daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003