Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.12.2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Abgeltung von Pflegeleistungen in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe nach § 43a SGB XI.
Die am 00.00.1981 geborene K. (im Folgenden: die Versicherte) ist bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Vor dem Hintergrund einer frühkindlichen Hirnschädigung ist sie geistig behindert. Außerdem leidet sie unter Neurodermitis. Nach den Vorgaben des SGB IX wurden ihr ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen "B", "G" und "H" zuerkannt.
Wegen ihrer Einschränkungen lebt sie seit Jahren in einer stationären Einrichtung (M. Werkstätten gGmbH, Wohnbereich T., M1.). Daneben arbeitet sie in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die Kosten für die Unterbringung, Betreuung und Beschäftigung werden von dem Kläger als überörtlichem Träger der Sozialhilfe u.a. als Leistungen der Eingliederungshilfe getragen.
Nachdem die Versicherte selbst einer entsprechenden schriftlichen Aufforderung des Klägers vom 17.10.2016 nicht gefolgt war, beantragte dieser bei der Beklagten mit Schreiben vom 12.12.2016 unter Hinweis auf § 95 SGB XII "im berechtigten Interesse" die Gewährung von Leistungen nach § 43a SGB XI und die damit einhergehende (Neu)Begutachtung unter Einbeziehung von Leistungen wegen eingeschränkter Alltagskompetenz.
Der von der Beklagten (noch im Dezember 2016) hinzugezogene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam nach Befunderhebung in der Einrichtung in seinem Gutachten "zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI" vom 07.02.2017 zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Grundpflege (dort allein im Teilbereich der Köperpflege) lediglich ein Unterstützungsbedarf von 1 Minute täglich und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ein solcher von 24 Minuten täglich bestehe; auch die Alltagskompetenz sei nicht im Sinne von § 45a SGB XI erheblich eingeschränkt.
Mit zwei gesonderten an die Versicherte adressierten Bescheiden vom 08.02.2017 lehnte die Beklagte die Zuerkennung von Pflegeleistungen einschließlich zusätzlicher Leistungen nach § 45a SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung unter Bezugnahme auf das Begutachtungsergebnis ab.
Gegen beide Bescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 17.02.2017 (erneut unter Berufung auf ein berechtigtes Interesse – § 95 SGB XII) Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Ablehnung der Pflegebedürftigkeit wie der erheblichen Ein-schränkung der Alltagskompetenz sei zu Unrecht erfolgt. Die Versicherte werde aufgrund ihrer psychischen Behinderung seit mehreren Jahren stationär betreut. Es bestehe ein erheblicher Bedarf an Beaufsichtigung und Betreuung. Dies folge aus dem beigefügten Sozial- und Verlaufsbericht der Einrichtung vom 02.11.2016 (für die Zeit von Oktober 2013 bis September 2016). Es dürfe nicht verkannt werden, dass ein großer Teil der behinderungsbedingten Schädigungen und Fähigkeitsstörungen durch das Betreuungssetting in der stationären Wohneinrichtung aufgefangen werde. Der Vorlage einer Vollmacht der Versicherten bedürfe es nicht, da es sich bei § 95 SGB XII um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft handele. Dies bedeute, dass der Kläger "vorliegend zwar ein fremdes Recht, allerdings im eigenen Namen geltend mache".
In einem zweiten von der Beklagten veranlassten Gutachten (diesmal nach Aktenlage) vom 31.07.2017 bestätigte der MDK seine Beurteilung aus dem Vorgutachten.
Durch gesonderte an die Versicherte adressierte Widerspruchsbescheide vom 08.11.2017 wies die Beklagte beide Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück, wobei die Beklagte in ihren Ausführungen (fälschlicherweise) davon ausging, dass die Ausgangsbescheide am 05. (und nicht am 08.) 02.2017 ergangen seien. Nach dem Ergebnis der Begutachtung durch den MDK bestehe bei der Versicherten weder Pflegebedürftigkeit noch eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz.
Mit seiner dagegen am 28.11.2017 beim Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren "wegen Anerkennung und Gewährung von Pflegeleistungen (§ 43a SGB XI)" weiterverfolgt.
Seine Berechtigung, die Leistungsberechtigung der Versicherten – die Inhaberin des Anspruchs bleibe – festzustellen zu lassen und Leistungen an sich selbst zu verlangen, ergebe sich aus § 95 SGB XII. Ihm stehe als Sozialhilfeträger ein Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X i.V.m. § 13 Abs. 4 SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung zu. Eine Vereinbarung im Sinne dieser Vorschrift zur Durchführung des § 43a SGB XI habe er am 29.07.2002 mit der AOK Westfalen-Lippe, dem BKK Landesverband NRW, der Landwirtschaftlichen Pflegekasse NRW, der Bundesknappschaft als Rechtsvorgänger der Beklagten und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. (AEV) sowie dem früheren Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) geschlossen (im Folgenden: DFV); aufgrund der in 2015 geänderten Höchstbeiträge sei am 10.04.2015 eine Ergänzungsvereinbarung getroffen worden (im Folgenden: ErgV). Diese Vereinbarung habe trotz der mittlerweile erfolgten Änderung des § 13 Abs. 4 SGB XI weiterhin Gültigkeit: Danach müsse in Fällen, in denen am 31.12.2016 der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung mit Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung nach dem SGB XII zusammentreffe, eine Vereinbarung nach § 13 Abs. 4 SGB XI nur dann abgeschlossen werden, wenn einer der beteiligten Träger oder der Leistungsbezieher dies verlange (§ 144 Abs. 5 SGB XI), was nicht der Fall sei. Sämtliche Klageverfahren beträfen überdies "Bestandsfälle", in denen stationäre Eingliederungshilfe bereits vor dem 01.01.2017 geleistet worden sei. Nach der Überleitungsnorm des § 140 Abs. 2 S. 1 SGB XI seien indes nur versicherte Personen zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 2 überzuleiten, die über eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung verfügten und bei denen spätestens am 31.12.2016 alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen für mindestens eine regelmäßig wiederkehrende Leistung der Pflegeversicherung vorgelegen hätten.
Jedenfalls stehe ihm ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zu, denn er sei nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Eine rein auf den Wortlaut des § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI – nach dem die Leistungen der Eingliederungshilfe im Verhältnis zur Pflegeversicherung gerade nicht nachrangig sei – begrenzte Auslegung lasse sowohl den Zweck dieser Norm als auch den Zweck des § 43a SGB XI außer Acht. In denjenigen Fällen, in denen Leistungen der Eingliederungshilfe vollstationär in einer Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne des § 43a SGB XI erbracht würden, stelle § 13 Abs. 3 S. 3 HS 2 SGB XI klar, dass die Pflegeleistungen Bestandteil der Eingliederungshilfe seien, so dass der Sozialhilfeträger den Hilfebedürftigen nicht auf die sonst vorrangigen SGB XI-Leistungen verweisen dürfe. Die vom Gesetzgeber mit der Einführung von § 43a SGB XI beabsichtigte effektive Entlastung des Sozialhilfeträgers für die Pflegekosten um den Pauschalbetrag – und die damit einhergehende teilweise Wiederherstellung des Nachranges der Sozialhilfe – laufe leer, wenn der Kläger sie nicht selbst herbeiführen könne, sondern auf die von ihm nicht zu beeinflussende Durchführung durch den Leistungsempfänger angewiesen sei. § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI sei daher in Abweichung von seinem Wortlaut teleologisch dahingehend zu reduzieren (zur grundsätzlichen Möglichkeit: BSG, Urteil vom 25.01.2017 – B 3 P 2/15 R), dass Leistungen der stationären Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII als nachrangig gegenüber der pauschalen Leistung der Pflegekassen nach § 43a SGB XI zu sehen seien (Schweigler, SGb 2014, 307 ff.). Für dieses Ergebnis sprächen auch zwei ältere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Urteile vom 13.03.2001 – B 3 P 17/00 R; vom 28.06.2001 – B 3 P 7/00 R), in denen der zuständige 3. Senat für einschlägige Fallgestaltungen ohne weiteres von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 104 SGB X und von einem Antragsrecht des Sozialhilfeträgers nach der Vorgängerregelung zu § 95 SGB XII – § 91a BSHG – ausgegangen sei.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Versicherte zum Zeitpunkt der Antragstellung auch in erheblichem Maße in ihrer Alltagskompetenz gemäß § 45a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XI (a.F.) mit einem grundpflegerischen Bedarf unterhalb der Pflegestufe I eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei sie nach der Überleitungsnorm des § 140 Abs. 2 (S. 1 Nr. 1 und 2, S. 3 Nr. 2a) SGB XI ab dem 01.01.2017 dem Pflegegrad 2 zuzuordnen, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 43a SGB XI bestanden habe. Der Sozial- und Verlaufsbericht vom 02.11.2016 belege entgegen der Einschätzung des MDK einen erheblichen Betreuungsbedarf der Versicherten. Ihr Verhalten sei gekennzeichnet von einer sehr unsicheren Persönlichkeitsstruktur und einer gestörten Kommunikationsfähigkeit. Die zeitliche Einordnung von Wahrnehmungen und deren emotionale Verarbeitung seien nicht möglich. Es fehle die Orientierungsfähigkeit in fremder Umgebung. Neben dem Item 8 seien daher auch die Items 2, 6 und 10 zu bejahen
Der Kläger hat in der Fassung seines Begehrens durch das Sozialgericht beantragt,
unter Aufhebung der Bescheide vom 05.02.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.11.2017 die Zugehörigkeit der Frau K zum Personenkreis mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz sowie die Anerkennung einer Pflegestufe festzustellen und Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit gemäß § 43a SGB XI zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für zutreffend gehalten. Die Beurteilung des MDK beruhe auf einem persönlichen Besuch der Gutachterin in der Wohneinrichtung und den Angaben der die Versicherte dort betreuenden Mitarbeiter. Dem Sozial- und Verlaufsbericht der Einrichtung ließen sich kaum Informationen zur Schwere und Häufigkeit des beschriebenen Verhaltens der Versicherten entnehmen.
Im Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht am 12.12.2018 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage abgewiesen.
Der Kläger berühme sich keines eigenen Rechtes, sondern mache Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, für die originär der/die Pflegebedürftige leistungsberechtigt sei, für diese(n) geltend. Das so zu verstehende Begehren sei bereits unzulässig, da der Kläger nicht prozessführungsbefugt sei. Eine gewillkürte Prozessstandschaft liege nicht vor. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die hier betroffene Versicherte den Kläger überhaupt zur Prozessführung ermächtigt habe. Auch eine gesetzliche Prozessstandschaft scheide aus: Die Voraussetzungen des insoweit allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 95 SGB XII seien nicht erfüllt. Danach könne der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. An einer Erstattungsberechtigung fehle es jedoch. Sie sei nach § 95 SGB XII immer dann ausgeschlossen, wenn ein Erstattungsanspruch nicht dazu diene, den Nachrang der Sozialhilfe herzustellen, sondern eine andere vom Gesetzgeber als unbillig angesehene Belastung einzelner Sozialhilfeträger auszugleichen. Auch nach § 104 SGB X sei nur der nachrangig verpflichtete Leistungsträger erstattungsberechtigt. Ein Nachrangverhältnis der Leistungen nach § 43a SGB XI zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII liege indes nach ganz herrschender Meinung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25.01.2017 – B 3 P 2/15 R und BSG, Urteil vom 20.04.2016 – B 3 P 1/15 R sowie Udsching in Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 13 Rn. 20; Luik in jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 13 Rn. 108) nicht vor. Dies folge aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung. Soweit der Kläger sich auf die Vereinbarung mit dem VdAK auf Grundlage von § 13 Abs. 4 SGB XI berufe, eröffne diese nicht die Möglichkeit, einen fremden materiell-rechtlichen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Ein solcher lediglich vertraglicher Anspruch sei auch kein Erstattungsanspruch im Sinne von § 95 SGB XII, da er nicht dazu diene, den Nachrang der Sozialhilfe herzustellen.
Der Kläger hat gegen das Urteil am 10.01.2019 Berufung eingelegt. Die Prozessführungsbefugnis ergebe sich entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts aus § 95 SGB XII. Diese Norm definiere nicht, wann ein Erstattungsanspruch vorliege und verlange nicht per se ein Nachrangverhältnis bzw. ein solches schließe die Anwendung von § 95 SGB XII nicht von vornherein aus. Vielmehr reiche es, dass Leistungen des Sozialhilfeträgers aus institutionellen Gründen aufgrund von § 2 SGB XII grundsätzlich nachrangig gegenüber anderen Leistungsträgern und damit auch im Verhältnis zur Pflegeversicherung seien. Dass im konkreten Fall der Eingliederungshilfe etwas anderes gelte, ändere nichts an dieser grundsätzlichen Systemsubsidiarität. Gerade weil die Sozialhilfe an sich gegenüber der Pflegeversicherung institutionell nachrangig sei, sei § 43a SGB XI geschaffen worden. Ein Erstattungsanspruch, der diese Norm umsetze, sichere damit zugleich auch den Nachrang. Lediglich § 104 SGB X verlange kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für den Erstattungsanspruch neben der Systemsubsidiarität auch die Einzelfallsubsidiarität. Wenn jedoch auch die übrigen Regelungen der §§ 102 ff. SGB X eine Erstattungsberechtigung ohne Nachrangverhältnis im Einzelfall begründen könnten, sei nicht einzusehen, warum dies im zu erkennenden Fall nicht möglich sein solle. Der Erstattungsanspruch folge aus § 13 Abs. 4 SGB XI i.V.m. der hierauf fußenden Vereinbarung mit den Verbänden der Pflegekassen. Nach § 2 Abs. 2 der Vereinbarung habe die Pflegeversicherung die Beträge nach § 43a SGB XI mit befreiender Wirkung unmittelbar an den Kläger zu leisten, dem insoweit ein Erstattungsanspruch zustehe. Der Erstattungsanspruch lasse sich auch über § 104 Abs. 1 SGB X begründen. § 13 Abs. 3 SGB XI bestimme nur, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nicht nachrangig gegenüber Leistungen der Pflegeversicherung seien. Bei den Leistungen, die mit § 43a SGB XI abgegolten werden sollten, handele es sich jedoch um Pflegeleistungen, die sich aufgrund der Verflechtung von Eingliederungshilfe und Pflege in vollstationären Einrichtungen schwer trennen ließen.
Hilfsweise stütze er sich auf eine gewillkürte Prozessstandschaft, die sich aus dem schlüssigen Verhalten der Versicherten ohne weiteres herleiten lasse und keiner Offenlegung bedürfe.
Ferner berufe er sich (ebenfalls hilfsweise) auf einen Anspruch aus § 43a SGB X aus eigenem Recht gegen die Beklagte, den das Sozialgericht versäumt habe zu prüfen. Der Klageantrag stehe dem nicht entgegen, er habe sich nur im Rahmen der Begründung auf das fremde Recht berufen. Die Amtsermittlung verlange eine erweiterte Prüfung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 12.12.2018 abzuändern sowie die Bescheide vom 08.02.2017 und Widerspruchsbescheide vom 08.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Leistungen nach § 43a SGB XI zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Streitgegenständlich sind im vorliegenden Rechtsstreit die (beiden) Bescheide vom 08.02.2017 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.11.2017 (§ 95 SGG) betreffend die Ablehnung von Leistungen der vollstationären Pflege in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI ab dem Eingang des Schreibens des Klägers vom 12.12.2016 bei der Beklagten.
Da der Antrag (ausweislich der Hinzuziehung des MDK durch die Beklagte noch im Dezember 2016) vor dem 01.01.2017 gestellt wurde, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 08.06.2017 – L 5 P 53/15 Rn. 52) für die Entscheidung des vorliegenden Falles (allein) das bis zum 31.12.2016 geltende Recht maßgeblich. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Überleitungsnorm des § 140 Abs. 1 SGB XI i.d.F. vom 21.12.2015. Danach erfolgt die Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31.12.2016 geltenden Fassung jeweils auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden – vorliegend also des bis zum 31.12.2016 geltenden – Rechts, und zwar auch dann, wenn der zu beurteilende Zeitraum über den 31.12.2016 hinausgeht (LSG NRW, Urteil vom 08.06.2017 a.a.O.; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2019 – L 30 P 59/17).
B) Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht erkannt, dass schon die Klage unzulässig ist.
I. Sein Begehren kann der Kläger hinsichtlich der mit der Berufung allein noch beantragten Übernahme von Pflegeaufwendungen statthafterweise als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, S. 1, Abs. 4 SGG geltend machen (vgl. BSG, Urteile vom 28.06.2001 – B 3 P 7/00 R Rn. 13 und vom 25.09.2014 – B 8 SO 7/13 Rn. 13 und 16).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die erstinstanzlich neben dem Leistungsbegehren noch zusätzlich geltend gemachte Klage auf Feststellung, dass die Versicherte zum Personenkreis mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz gehört bzw. bei ihr eine Pflegestufe anzuerkennen war, trotz der damit letztlich begehrten Feststellung von Teilelementen (hierzu BSG, Urteil vom 26.02.2019 – B 12 R 8/18 R Rn. 17 ff. m.w.N.) des An-spruchs aus § 43a SGB XI und des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.2006 – B 10 LW 4/05 Rn. 12 m.w.N.) statthaft gewesen wäre.
Der so vollzogene Wechsel des Klagebegehrens stellt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG auch keine Klageänderung dar (zum Übergang von der Leistungs- und Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage zur Feststellungsklage und umgekehrt vgl. BSG, Urteil vom 12.08.2010 – B 3 KR 9/09 R; Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 4 m.w.N.).
II. Das Sozialgericht hat jedoch zutreffend entschieden, dass die Klage schon deswegen unzulässig ist, weil dem Kläger die Prozessführungsbefugnis fehlt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden Beur-teilung Falles:
1. Eine – argumentativ im Berufungsverfahren quasi erst "nachgeschobene" – gewillkürte Prozessstandschaft vermag der Senat nicht zu erkennen.
Eine gewillkürte Prozessstandschaft liegt vor, wenn fremde Rechte im eigenen Namen auf Grund einer Ermächtigung durch den Rechtsinhaber geltend gemacht werden (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vorbem. zu §§ 50-59 Rn. 38). Für eine solche Ermächtigung finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr hat sich der Kläger vom Verwaltungsverfahren bis zur Berufungsinstanz, in der er sich erstmalig hilfsweise auf eine gewillkürte Prozessstandschaft berufen hat, stets allein auf eine gesetzliche Prozessstandschaft nach § 95 SGB XII gestützt; ein Rückgriff auf diese Rechtsgrundlage wäre überflüssig gewesen, wenn eine (ausdrückliche) Ermächtigung der Versicherten vorläge. Es ist auch nicht erkennbar, woraus geschlossen werden könnte, dass die Versicherte den Kläger ggf. stillschweigend ermächtigt hat, ihren Anspruch aus § 43a SGB XI für sie geltend zu machen. Der Kläger hat dazu nichts vorgetragen. Allein der Umstand, dass die Versicherte – nach Aufforderung des Klägers mit Schreiben vom 17.10.2016 – den Antrag nicht selber stellte, reicht zur Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft nach Auffassung des Senats nicht aus.
2. Auch auf eine gesetzliche Prozessstandschaft kann sich der Kläger zur Überzeugung des Senates nicht berufen. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 95 SGB XII nicht erfüllt sind.
Die Vorschrift (in der maßgeblichen Fassung vom 27.12.2003 (BGBl. I, S. 3022)) bestimmt, dass der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann. Dabei ist der Begriff der "Feststellung" nicht im prozessualen Sinne zu verstehen. Die Norm ermöglicht es vielmehr dem Sozialhilfeträger, ein fremdes Recht prozessual und materiell in eigenem Namen aus eigenem Antragsrecht geltend zu machen, ohne dass es einer Mitwirkung oder gar Zustimmung des sozialleistungsberechtigten Anspruchsinhabers bedarf; er tritt in dieselbe Rechtsstellung ein, ohne diesen zu verdrängen (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.1998 – B 9 VG 6/96 R).
Der Senat folgt dem Sozialgericht insbesondere insofern, als es bereits das Tatbestandsmerkmal der Erstattungsberechtigung des Klägers verneint hat. Zuzugeben ist zwar, dass nach dem Wortlaut der Regelung dem Leistungsberechtigten ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung und dem Sozialhilfeträger genau wegen dieses Anspruchs ein Erstattungsanspruch gegen einen anderen Leistungsträger zustehen muss (vgl. Zitzen in Jahn, SGB XII, Stand: 29.03.2018, § 95 Rn. 3). Aus dem Sinn der Vorschrift, die möglichst schnelle Realisierung vorrangiger Ansprüche zu ermöglichen, wird indes allgemein gefolgert, dass § 95 SGB XII (neben den §§ 93, 94 SGB XII) ein Instrument zur Herstellung des Nachranges der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) darstellt und andererseits im Dienste der Vorschriften über die Erstattung von Sozialleistungen nach §§ 102 ff. SGB XI steht, die selbst nicht die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen im Verhältnis der Leistungsträger vorgeben (BVerwG, Urteil vom 23.01.2014 – 5 C 8/13 Rn. 17; Armbruster in jurisPK-SGB XII, Stand: 18.01.2017, § 95 Rn. 15, jeweils m.w.N.). Daraus ergibt sich, dass keine Erstattungsberechtigung im Sinne der Norm vorliegt, wenn – wie hier – feststeht, dass die gewährte bzw. zu gewährende Leistung nicht nachrangig ist (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 95 Rn. 4).
a) Nachrangigkeit richtet sich dabei im Erstattungsverhältnis zweier Leistungsträger nach § 104 SGB X. Gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X ist für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23.01.2014, a.a.O. Rn. 7 m.w.N.). Richtet sich demgegenüber das Erstattungsverhältnis mangels Nachrangigkeit nach § 103 SGB X, ist der leistende Sozialhilfeträger nicht befugt, die Feststellung der anderen Sozialleistung selbst zu betreiben, denn die Erstattungsberechtigung aus dem Leistungsrecht ist Voraussetzung für das Antragsrecht und kann nicht erst über § 95 SGB XII herbeigeführt werden (Grube a.a.O.).
Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
Zwar kommen grundsätzlich zwei Leistungsverpflichtungen in Betracht. Zum einen sind Leistungen der vollstationären Pflege in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen beantragt (zum Charakter des Antrages als materielle Anspruchsvoraussetzung vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004 – B 3 P 7/03 R Rn. 19). Zum anderen wären die beantragten Leistungen – ihre an dieser Stelle nicht zu prüfende materielle Berechtigung unterstellt -auch dem Grunde nach vom Kläger zu erbringen. Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung werden in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI und § 55 SGB XII von der Einrichtung geschuldet (BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 11/14 R Rn. 23). Solche Einrichtungen sind zwar keine Pflegeeinrichtungen im engeren Sinne des § 71 SGB XI (vgl. § 71 Abs. 4 SGB XI), gleichwohl erbringen sie Pflegeleistungen (vgl. § 55 SGB XII; ab 01.01.2020: § 103 SGB XII).
Die Pflegekasse übernimmt nach § 43a S. 1 SGB XI 10 v.H. des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI). Dabei dürfen die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 266 EUR nicht übersteigen (§ 43a S. 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Mit dieser Regelung korrespondiert § 55 S. 1 SGB XII, der im Verhältnis zum Hilfebedürftigen ebenfalls eine pauschale Abgeltung der erforderlichen Pflegeleistung vorsieht (vgl. Wehrhan in juris-PK-SGB XII, Stand: 06.02.2017, § 55 Rn. 4).
Es liegt jedoch entgegen der Auffassung des Klägers bereits keine Nachrangigkeit im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB X zwischen der stationären Eingliederungshilfe und der Leistung nach § 43a SGB XI vor.
Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen bereits im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen (vgl. Reimer, SGb 2018, 299 m.w.N. aus der Gesetzesbegründung). Eingliederungshilfe hat zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken (vgl. §§ 53 ff. SGB XII). Mit der Hilfe zur Pflege wird dagegen nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustandes, sondern vielmehr auf die Erleichterung der Beschwerden zur Ermöglichung der erforderlichen Alltagsverrichtungen abgestellt. In denjenigen Fällen, in denen Leistungen der Eingliederungshilfe vollstationär in einer Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne des von § 43a SGB XI i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht werden, sind von den Eingliederungsleistungen aber auch die in der Einrichtung gewährten Pflegeleistungen gleichsam als integraler Bestandteil umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 26.04.2001 – B 3 P 11/00 R Rn. 19; Luik in jurisPK-SGB XI, Stand: 13.12.2018, § 43a Rn. 20 f.). Dies wurde auch im Gesetzgebungsverfahren mehrfach deutlich gemacht (vgl. nur BT-Drs. 13/3696 Seite 15). Konsequenz daraus ist jedoch gerade, dass der Sozialhilfeträger in einem solchen Fall nicht auf die sonst vorrangigen SGB XI-Leistungen verweisen kann. An den Schnittstellen verschiedener Sozialleistungen geht es darum, staatliche Doppelleistungen auszuschließen, d.h. der Staat soll für ein und denselben sozialrechtlich definierten Bedarf nicht mehrfach Leistungen erbringen (BVerwG, Urteile vom 16.07.1985 – 5 C 27/84 und vom 14.03.1991 – 5 C 3489). Zu diesem Zweck wird in Gesetzen, die Ansprüche auf Sozialleistungen vorsehen, auch das Verhältnis dieser Leistungen zu anderen Leistungen geregelt. Für das Verhältnis der beiden hier betroffenen Leistungsformen bestimmt jedoch § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI in der maßgeblichen Fassung vom 21.12.2015, nach seinem eindeutigen Wortlaut, dass in Abweichung zu den von § 13 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB XII erfassten Leistungen die Eingliederungshilfe im Verhältnis zur sozialen Pflegeversicherung gerade nicht nachrangig ist (grundlegend BSG, Urteil vom 20.04.2016 – B 3 P 1/15 R Rn. 23). Gegen den Nachrang der stationären Eingliederungshilfe sprechen daher, wie das Sozialgericht zutreffend und ausführlich dargelegt hat, Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3 SGB XI, die zugleich auch einer teleologischen Reduktion im Hinblick auf die Leistungen nach § 43a SGB XI entgegenstehen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird mit Ausnahme des Argumentes der Kostenfreiheit der Gerichtsverfahren (vgl. hierzu unter C)) nochmals Bezug genommen.
Wenn der Kläger in seinem Berufungsvorbringen ergänzend darauf abstellt, dass im Rahmen von § 95 SGB XII keine "Einzelfallsubsidiarität" erforderlich sei, sondern der in § 2 SGB XII geregelte institutionelle Nachrang der Sozialhilfe im Sinne einer "Systemsubsidiarität" ausreiche, vermag dies nicht zu überzeugen. Auf diese Weise wird die ihrem Wortlaut nach ausdrücklich das Gegenteil bestimmende Sonderregelung des § 13 Abs. 3 SGB XI übergangen und letztlich in ihrem Anwendungsbereich völlig ausgehöhlt.
Soweit in der Literatur (vgl. Schweigler, SGb 2014, 307, 311) als Hilfsargument vorgeschlagen wird, die Abgeltungsnorm des § 43a SGB XI zum Teil selbst als Vorrang-/Nachrangregelung im Sinne einer Ausnahme von der Ausnahme auszulegen, überzeugt dies ebenfalls nicht. § 43a SGB XI positioniert sich zum Verhältnis der Leistungen in keiner Weise, so dass eine Abweichung von der Anordnung der Gleichrangigkeit in § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI keine Grundlage findet.
Unabhängig davon entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die institutionelle Subsidiarität der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII allein nicht ausreichen soll, um einen nachrangigen Erstattungsanspruch im Sinne von § 104 SGB X zu begründen. Vielmehr müsse die Vorleistung selbst bei institutioneller Gleichrangigkeit kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung als subsidiär festgelegt worden sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1992 – 7 RAr 26/91 Rn. 36 ff.). An einer solchen Anordnung fehlt es hier nicht nur, sondern es ergibt sich aus § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI vielmehr sogar eine explizite Negation der Subsidiarität, welche die Anordnung der Gleichrangigkeit bedeutet.
Der Senat verkennt nicht, dass der 3. Senat des BSG in einer Entscheidung zu der wortgleichen Vorgängernorm zu § 95 SGB XII (§ 91a BSHG) – allerdings ohne nähere Begründung bzw. weitere Ausführungen zu den Anforderungen an die Erstattungsberechtigung – eine gesetzliche Prozessstandschaft bezogen auf Leistungen nach § 43a SGB XI bejaht hat (vgl. Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 7/00 R Rn. 14) und in einer weiteren Entscheidung (vgl. Urteil vom 13.03.2001 – B 3 P 17/00 R Rn. 12) ebenfalls ohne nähere Begründung von einer Nachrangigkeit der stationären Eingliederungshilfeleistungen gegenüber der pauschalen Leistung nach § 43a SGB XI ausgegangen ist. Der Senat sieht hierin jedoch nicht nur einen Widerspruch zu § 13 Abs. 3 S. 3 SGB XI, sondern auch zu der jüngeren Entscheidung (desselben Senats) vom 20.04.2016 (B 3 P 1/15 R Rn. 23), in der ausdrücklich bestätigt wurde, dass auch im konkreten Fall des Abgeltungsanspruchs nach § 43a SGB XI die Eingliederungshilfe gegenüber den Pflegeleistungen nicht nachrangig ist. In seiner jüngsten Entscheidung vom 25.01.2017 (B 3 P 2 /15 R Rn. 23) zur Erstattung der Aufwendungen für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen zugunsten eines ambulant gepflegten Versicherten lässt das BSG es – unter Hinweis darauf, dass die herrschende Meinung in der Literatur dies bejaht (vgl. Wagner in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand: 07/2016, K § 13 Rn. 47; Udsching in Udsching, SGB XI, 4. Aufl. 2015, § 13 Rn. 21, § 40 Rn. 33; Koch in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 06/2016, § 13 SGB XI Rn. 10) – zudem ausdrücklich offen, ob der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe für die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Pflegeleistungen durchbrochen wird.
b) Die Erstattungsberechtigung folgt auch nicht aus § 13 Abs. 4 SGB XI i.V.m. der DFV vom 29.07.2002 und der ErgV vom 10.04.2015. Treffen Pflegeleistungen mit Leistungen der Eingliederungshilfe oder mit weitergehenden Pflegeleistungen nach dem SGB XII zusammen, sollen die Pflegekassen und der Träger der Sozialhilfe nach § 13 Abs. 3 SGB XI in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2016 geltenden als Handlungsempfehlung formulierten Fassung vereinbaren, dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen nur eine Stelle die Leistungen übernimmt und die andere Stelle die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen erstattet.
Durch diese Vorschrift wird letztlich allein die Zuständigkeit der Leistungsgewährung verlagert, die Grundlagen des Anspruchs auf Pflegeleistungen nach den SGB XI sind dennoch zuvor von der Pflegekasse festzustellen. Daher wird sie überwiegend als reine Abwicklungsregelung – ohne materielle Bedeutung für das Leistungsrecht – interpretiert (vgl. Lachwitz, Das Verhältnis der Pflegeversicherung zu den Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, in DAI, Brennpunkte des Sozialrechts 1996, 35, 55; Philipp in Kreikebohm, SGB XI, 3. Aufl. 2018, § 13 Rn. 17; Schweigler a.a.O., 310). Diese Einordnung wird auch durch die vorliegende konkrete Ausgestaltung bestätigt. So heißt es in § 2 Abs. 2 der DFV vom 29.07.2002, der unter der Überschrift "Grundsätze der Leistungserbringung", erfasst ist: "Die Pflegekasse zahlt auf Grund dieser Vereinbarung die Leistungsbeträge nach § 43a, Sätze 1 und 2 SGB XI mit befreiender Wirkung unmittelbar an den LWL. Hierzu macht der LWL einen Erstattungsanspruch bei der Pflegekasse geltend". Auf diese Weise wird also kein Erstattungsanspruch begründet, sondern vielmehr vorausgesetzt.
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass § 13 Abs. 4 SGB XI zum Teil auch als ein den §§ 102 ff. SGB X vorgehender eigenständigen Erstattungsanspruch verstanden wird (vgl. nur Luik in jurisPK-SGB XII, Stand: 13.12.2018, § 13 Rn. 126 ohne nähere Begründung). Jedoch handelte es sich durch die Delegation der Ausgestaltung auf die Vereinbarung der Pflegekassen und Träger der Sozialhilfe unter dieser Prämisse letztlich um einen gesetzlich erlaubten vertraglichen Anspruch (zur Rechtsnatur als Auftragsvertrag vgl. Kruse in: LPK-SGB XI, 4. Aufl. 2014, § 13 Rn. 36). Ein solcher Anspruch genügt den Anforderungen des § 95 SGB XII aber in keinem Fall. Es ist bereits umstritten, ob die gesetzliche Prozessstandschaft des § 95 SGB XII aufgrund der Entstehungsgeschichte auf Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X beschränkt ist (so etwa Grube in: Grube/Wahrendorf a.a.O. § 95 Rn. 4; Ehmann in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar, SGB, 2. Aufl. 2018, § 95 SGB XII Rn. 1; Adams in BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.09.2019, § 95 SGB XII Rn. 2) oder aber auch Erstattungsansprüche aus anderen Gesetzen bzw. Sondergesetzen außerhalb des Sozialgesetzbuch (z.B. Lastenausgleichsgesetz) erfasst (vgl. Zeitler in Mergler/Zink, SGB XII, Stand: 01/2005, § 95 Rn. 10; Armbruster in jurisPK-SGBXII, Stand: 18.01.2017, § 95 Rn. 32 – alle m.w.N.). Insoweit muss sich der Senat nicht festlegen, da es sich jedenfalls nach beiden hierzu vertretenen Ansichten um einen ausschließlich gesetzlichen Anspruch mit klaren, allgemeingültigen und im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes vorhersehbaren Tatbestandsmerkmalen handeln muss (vgl. nur Zeitler a.a.O. § 95 Rn. 10). Bei einem über § 13 Abs. 4 SGB XI a.F. hergeleiteten vertraglichen Anspruch bestünden unabhängig davon auch Zweifel, ob es sich nicht um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter handelt, da die Leistungsträger hier u.a. "über den Kopf" der Pflegebedürftigen hinweg entscheiden, mit welchem von ihnen sie es hinsichtlich beider Ansprüche in Zukunft zu tun haben (vgl. hierzu: Schulin, Die soziale Pflegeversicherung des SGB XI – Grundstrukturen und Probleme, NZS 1994, 433, 435). Nicht umsonst hat der Gesetzgeber durch die Einführung von § 13 Abs. 4 S. 4a SGB XI seit dem 01.01.2017 (vgl. Art. 1 Nr. 6 lit. d G. v. 23.12.2016, BGBl. I, 3191) nunmehr die Einbeziehung des Leistungsberechtigten in die gemeinsame Vereinbarung vorgeschrieben.
Im Übrigen hat schon das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass § 13 Abs. 4 SGB XI ebenfalls nicht dazu dient, den Nachrang der Sozialhilfe herzustellen und damit auch bereits aus diesem Grunde nicht die Voraussetzungen des § 95 SGB XII erfüllt. Eine Aussage über das Rangverhältnis der Leistungen ist § 13 Abs. 4 SGB XI gerade nicht zu entnehmen (Schweigler, a.a.O., S. 310). Vielmehr hat der Gesetzgeber auch bei der Neufassung von § 13 Abs. 4 bzw. der Einführung von § 13 Abs. 4a SGB XI noch einmal den Gleichrang betont und klargestellt: "Die Leistungen der Pflegeversicherung und die Leistungen der Eingliederungshilfe werden also wie bisher nebeneinander gewährt" (BT-Drs. 18/10510).
3. Schließlich lässt sich die Prozessführungsbefugnis auch nicht auf einen eigenen Anspruch des Klägers stützen. Dem steht bereits der eigene nachhaltig vertretene und ausdrücklich entgegenstehende Wille entgegen (zu den Grenzen der Amtsermittlung vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 7a). So hat der Kläger bspw. in der Begründung seines Widerspruchs (mit Schreiben vom 21.03.2017) ausgeführt: "Das bedeutet, dass ich vorliegend zwar ein fremdes Recht, allerdings in eigenem – meinem – Namen geltend mache". Auch bei der Klageerhebung hat sich der Kläger ausdrücklich und ausschließlich auf § 95 SGB XII berufen.
a) Selbst wenn man jedoch zu Gunsten des Klägers einen eigenen Anspruch in Betracht zieht, findet sich hierfür entgegen seiner Auffassung in § 43a SGB XII keine Anspruchsgrundlage.
Wer Anspruchsberechtigter ist, kann dem Wortlaut der Norm zwar nicht unmittelbar entnommen werden. Aus der systematischen Stellung im Dritten Abschnitt ("Leistungen" für Pflegebedürftige) ergibt sich aber nach allgemeiner Auffassung, dass nur der Pflegebedürftige anspruchsberechtigt ist (vgl. nur Luik i: jurisPK-SGB XI a.a.O., § 43 Rn. 41). Es handelt sich gerade nicht um einen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers oder der Einrichtung der Behindertenhilfe gegen die Pflegekasse (BSG, Urteil vom 28.06.2001 a.a.O. Rn. 27; Reimer in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand: 02/18, K § 43a Rn. 3).
b) Eine sonstige Anspruchsgrundlage ist nicht erkennbar, insbesondere ergibt sich kein Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X (s.o.). Auch hat der Kläger weder aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufige Sozialleistungen erbracht (§ 102 Abs. 1 SGB X), noch ist ein Anspruch der Versicherten nachträglich entfallen (§ 103 Abs. 1 SGB X), noch hat er als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen aufgeboten (§ 105 SGB X).
III. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen unter II. ist auch die allgemeine Klagebefugnis zu verneinen. Dies ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass der Kläger zusätzlich zum Anspruch aus § 43a SGB XI auch einen Erstattungsanspruch geltend macht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.06.2011 a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Jedoch ist die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte nach dem Sachvortrag des Klägers nicht schlüssig dargetan.
Gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 SGG sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (auch in ihrer Kombination) nur dann zulässig, wenn der Kläger schlüssig behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch Ablehnung bzw. Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein (BSG, Urteil vom 17.06.2009 – B 6 KA 18/08 R). Für die Leistungsklage ist § 54 Abs. 1 S. 2 SGG entsprechend anzuwenden, denn das Interesse, Popularklagen auszuschließen, gilt hier in gleicher Weise, weil mit dieser Klageart ebenfalls subjektive Rechte des Klägers geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 20.12.2001 – B 4 RA 6/01 R; BSG, Urteil vom 22.04.2015 – B 3 KR 2/14 R Rn. 10).
Im Rahmen seiner Klagebegründung (Schriftsatz vom 24.04.2018 unter II, Seite 2) hat der Kläger ausdrücklich geltend gemacht, dass es sich bei der Versicherten um eine Person zwar mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, jedoch mit einem grundpflegerischen Bedarf "unterhalb der Pflegestufe I" handele, da er den Anspruch aus § 43a SGB XI (ausschließlich) auf die Überleitung aufgrund erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz gem. § 140 Abs. 2 Nr. 2a) SGB XI (in Pflegegrad 2) stützen will.
Dabei verkennt der Kläger, dass diese Überleitung nur zur Ausfüllung von § 43a Abs. 1 SGB XI in der ab dem 01.01.2017 gültigen Fassung ausreicht, nach der anspruchsberechtigt Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 sind. Ausgehend von einer Antragstellung im Dezember 2016, um die es hier geht, ist nach § 140 Abs. 1 SGB XI jedoch allein das bis zum 31.12.2016 geltende Recht maßgeblich (s.o. A)). Nach § 43a Abs. 1 SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung waren indes anspruchsberechtigt nur "Pflegebedürftige" im Sinne des alten Rechts (§§ 14, 15), was damit zwingend mindestens das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2001 a.a.O. Rn. 17; Udsching in Udsching, SGB XI, 4. Aufl. 2015, § 43a Rn. 3).
IV. Bereits aufgrund der Unzulässigkeit der Klage war eine Beiladung der Versicherten nicht in Betracht zu ziehen, weil ihre Interesse nicht tangiert werden (vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 SGG); da ein Erstattungsanspruch des Klägers nicht erkennbar ist und § 43a SGB SGB XI allein die Versicherte berechtigt (s.o. II., 3), a)), war überdies auch keine einheitliche Entscheidung (vgl. § 75 Abs. 2 SGG) zwischen allen Beteiligten sicherzustellen (vgl. darüber hinaus zur Beiladungsnotwendigkeit in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 12/14 R Rn. 9. m.w.N.).
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Hierzu ist – entgegen der (ursprünglichen) Rechtsauffassung des Sozialgerichts – im Hinblick auf § 95 SGB XII zu beachten, dass es sich bei einem solchen Feststellungsanspruch um keine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 188 S. 2, 2. HS. VwGO handelt und daher die dort normierte Gerichtskostenfreiheit nicht greift, da der die Feststellung betreibende selbst nicht kostenprivilegierte Sozialleistungsträger (vgl. § 183 SGG) gerade keinen eigenen Anspruch, sondern ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.02.2006 – S 2426/05 Rn. 4 ff.; Schoch/Münder in Bieritz-Harder u.a., LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 95 Rn. 6).
Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch das Sozialgericht (vgl. etwa Beschluss vom 29.10.2019 – S 18 P 184/16) mittlerweile an dem Argument, auch die Kostenfreiheit der Verfahren spreche gegen eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 3 SGB XI, nicht mehr festhält.
D) Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 (Nr. 1 und Nr. 2) SGG.
Die vorliegende Entscheidung weicht mit der Annahme der fehlenden Nachrangigkeit von Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber den Pflegeleistungen von zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 7/00 R Rn. 14 und Urteil vom 13.03.2001 – B 3 P 17/00 R Rn. 12) im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG ab.
Ferner hat das Bundessozialgericht die Frage, ob der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe für die in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe erbrachten Pflegeleistungen tatsächlich durchbrochen wird, in seiner Entscheidung vom 25.01.2017 (B 3 P 2 /15 R Rn. 23) selbst ausdrücklich offen gelassen und damit nahegelegt, dass insoweit weiterhin Klärungsbedarf besteht, was die Annahme grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) rechtfertigt.
Erstellt am: 03.06.2020
Zuletzt verändert am: 03.06.2020