Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.05.2007 wird zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "außergewöhnliche Gehbehinderung" ("aG"), "Befreiung von Rundfunkgebührenpflicht" ("RF") sowie "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" ("G") nach dem Schwerbehindertenrecht erfüllt.
1. Der Kläger ist 1940 geboren. Mit Bescheid vom 30.06.1981 stellte die Versorgungsverwaltung bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest, dies insbesondere aufgrund einer Funktionsbeeinträchtigung des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche".
Mehrere Änderungsanträge des Klägers blieben ohne Erfolg. In einem sozialgerichtlichen Streitverfahren verpflichtete sich die (damals zuständige) Versorgungsverwaltung, "den mit Schriftsatz von November 1999 im Klageverfahren vom Kläger gestellten Antrag auf Feststellung eines höheren GdB und auf Zuerkennung des Merkzeichens G zu bescheiden" (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW], L 6 SB 62/00, Protokoll der nicht-öffentlichen Sitzung vom 21.08.2000, Seite 2). Mit Bescheid vom 17.10.2000 lehnte die Versorgungsverwaltung diesen Antrag des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB und auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Versorgungsverwaltung mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2001 zurück. Hiergegen erhob der Kläger keine Klage.
2. Der Kläger stellte am 09.03.2005 einen erneuten Änderungsantrag. Zugleich beantragte er die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "aG" sowie "RF".
Nach Einholung von Befundberichten und ihrer versorgungsärztlichen Auswertung lehnte die Versorgungsverwaltung (Versorgungsamt E) diesen Antrag mit Bescheid vom 17.06.2005 ab. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und trug vor, dass er sich insbesondere aufgrund des Verschleißes in Hüft- und Kniegelenken nur noch unter Gebrauchnahme zweier Gehhilfen mit erheblicher Anstrengung fortbewegen könne. Zum Treppensteigen sei er nicht mehr in der Lage. Aufgrund der Bewegungseinschränkungen könne er an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen. Die Bezirksregierung Münster (Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2005 zurück. 3. Hiergegen hat der Kläger am 04.10.2005 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Begründung trägt er vor, insbesondere die Erkrankung des Bewegungsapparates rechtfertige sein Klagebegehren.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage durch den Orthopäden Dr. T eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 11.08.2006 angeregt, für die Funktionsstörung der Wirbelsäule sowie die Schwerhörigkeit des Klägers jeweils einen GdB von 30 in Ansatz zu bringen. Die weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers (Verschleiß der unteren Gliedmaßengelenke, koronare Mangeldurchblutung, chronische Bronchitis, chronische Gastritis, Stoffwechselstörungen sowie Sehminderung) seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Kläger sei nicht außerstande, an öffentlichen Veranstaltungen sowie in geschlossenen Räumen als auch im Freien teilzunehmen. Die Teilnahme sei möglich, auch ohne Begleitung von Hilfspersonen. Der Kläger könne nach Aktenlage ohne fremde Hilfe und ohne ungewöhnlich hohe Kraftanstrengung mit zumutbarer Willensanstrengung noch mehr als 1000 Meter ohne Gefährdung für sich oder andere mit einer Unteramgehstütze zurücklegen. Er benötige zur Fortbewegung keinen Rollstuhl. Er müsse zur Vermeidung einer sonst alsbald eintretenden Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes das Gehen auch nicht so weit wie möglich einstellen. Das Gegenteil sei der Fall. Denn Bewegung würde zu einer Verbesserung seines Gesundheitszustandes insgesamt führen.
Das SG hat mit Urteil vom 09.05.2007 die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten. Das SG hat sich den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen angeschlossen.
4. Gegen dieses ihm am 18.05.2007 zugestellte Urteil des SG Dortmund hat der Kläger am 06.06.2007 Berufung erhoben. Ergänzend trägt er vor, dass seine Bewegungsfähigkeit aufgrund der Wirbelsäulenschäden sowie beidseitigem Knie- und Hüftgelenksverschleiß eingeschränkt sei. Hinzu komme, dass er aufgrund der Erkrankung der linken Schulter die linke Gehhilfe nicht voll belasten könne. Seine Bewegungsfähigkeit sei zudem durch die chronische Bronchitis und die damit verbundenen Atembeschwerden beeinträchtigt. Der Kläger hat im Berufungsverfahren wiederholt mitgeteilt, dass er eine ärztliche Begutachtung (mit persönlicher Untersuchung) ablehnt. Denn nach seiner Auffassung lägen schon genügend Befundberichte vor.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. T1 aus Dezember 2007 eingeholt und Entlassungsberichte des N-hospitals E vom 04.05.2007, des C-Krankenhauses E vom 27.09.2007 sowie des St. K Hospital E vom 13.04.2007 beigezogen.
Nach ihrer versorgungsärztlichen Auswertung hat der damalige Beklagte (Land Nordrhein-Westfalen) dem Kläger angeboten, bei ihm den GdB ab dem 01.05.2007 mit 60 festzustellen, weil seine Blutzuckererkrankung seit Mai 2007 insulinpflichtig geworden und deshalb mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Der Kläger hat dieses mit Schriftsatz vom 19.11.2008 wiederholte Angebot angenommen und den Rechtsstreit hinsichtlich des GdB mit Schriftsatz vom 19.12.2008 für erledigt erklärt. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" seien jedoch erfüllt. Denn aufgrund der Blutzuckererkrankung, der Schwindelanfälle und seiner "Gefühlsstörungen im linken Arm und Bein" könne er seine Gehhilfen nicht mehr benutzen; der Kläger hat gleichzeitig wiederholt, dass er "nicht mehr bereit (ist), sich nochmals gutachterlich untersuchen zu lassen" (Schriftsatz vom 19.12.2008).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich zuletzt sinngemäß,
das Urteil des SG Dortmund vom 09.05.2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2005 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G", "aG" sowie "RF" festzustellen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen und die im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger die Voraussetzungen der begehrten Nachteilsausgleiche nicht erfülle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt, ferner auf die beigezogene Akte LSG NRW L 6 SB 62/00 (= SG Dortmund S 43 (37) SB 239/97) sowie auf die ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakten der Versorgungsverwaltung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig.
a) Richtiger Klagegegner im Berufungsverfahren ist die Stadt E. Denn das Land NRW ist im Bereich des Schwerbehindertenrechts nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) durch Artikel 1 Abschnitt I §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (GV NRW S. 482 – Straffungsgesetz) zum 01.01.2008 durch einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Stadt E ersetzt worden. Diese ist ab dem 01.01.2008 im Rahmen einer Funktionsnachfolge zuständige Behörde zur Wahrnehmung der vormals den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts geworden und nach materiellem Recht auch zur Gewährung oder Verweigerung der vom Kläger begehrten Leistungen berechtigt (und damit passivlegitimiert). Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit und damit ein Rechtsträgerwechsel in anhängigen Streitverfahren führt zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (im Einzelnen: LSG NRW, Urteil vom 12.12.2006, L 6 SB 101/06, Juris).
b) Die Landesgesetzgebung NRW war ermächtigt, den Wechsel in der Behördenzuständigkeit legislativ anzuordnen. Diese Ermächtigung (zur Abweichung von bundesrechtlichen Vorgaben) folgt aus § 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX als einfachem Bundesrecht. Von der dadurch eröffneten Regelungsbefugnis hat der Gesetzgeber des Landes NRW durch Erlass und Verkündung des Straffungsgesetzes Gebrauch gemacht.
c) Mit der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung hat der Landesgesetzgeber NRW auch nicht gegen § 71 Abs. 5 SGG verstoßen. Denn diese Regelung beschränkt sich darauf, die Prozessvertretung eines Bundeslandes festzulegen für den Fall, dass es Beklagter eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits ist. Ein weiterer, die Zuständigkeit bestimmender Regelungsinhalt kommt dieser Vorschrift nicht zu (ausführlich: LSG NRW, Urteil vom 10.20.2008, L 6 SB 101/06, Juris).
d) Im Übrigen kommt es im vorliegenden Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neustruktierung der Versorgungsverwaltung nicht an (vgl. jetzt auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.12.2008, B 9 V 3/07 R; vgl. Terminbericht Nr. 54/08 des BSG vom 11.12.2008, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de – das Urteil des BSG ist derzeit noch nicht abgesetzt). Denn die Berufung des Klägers war bereits aus materiellen (einfach-rechtlichen) Gründen zurückzuweisen (dazu sogleich), so dass die Frage, ob die gesetzliche Neustrukturierung der Versorgungsverwaltung Nordrhein-Westfalen verfassungsgemäß ist, nicht entscheidungserheblich (geworden) war. Die Passivlegitimation ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen (s.o.).
2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "aG" sowie "RF".
Nach § 69 SGB IX wird auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und das GdB festgestellt. Wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzungen für Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden auch die insoweit erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
a) Die Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit er mit ihr die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" begehrt. Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.
aa) Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO (neu bekanntgemacht am 26.01.2001, BAnz 2001, Nr. 21, S. 1419). Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Artikel 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) wirksam erlassen worden (BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, Juris). Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkel-Amputierte, Doppelunterschenkel-Amputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkel-Amputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.
bb) Der Kläger gehört nicht zu den dort ausdrücklich genannten schwerbehinderten Menschen. Er ist diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die genannte Gruppen von schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (zuletzt BSG a.a.O.). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterung zu schaffen, sind dabei hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senates ist die Gehfähigkeit des Klägers nicht in einem derart ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO im Einzelnen aufgeführten Vergleichsgruppen. Denn nach den Ausführungen des im Verfahren vor dem SG gehörten sachverständigen Orthopäden Dr. T in seinem Gutachten vom 11.08.2006 kann der Kläger ohne fremde Hilfe und ohne ungewöhnlich hohe Kraftanstrengung mit zumutbarer Willensanstrengung noch mehr als 1000 Meter ohne Gefährdung für sich oder andere mit einer Unterarmgehstütze zurücklegen. Der Kläger gehört danach nicht zu dem Personenkreis, der sich außerhalb des Kraftfahrzeuges von den ersten Schritten an nur mit fremder Hilfe oder mit ungewöhnlich hoher Kraftanstrengung bewegen kann. Der Sachverständige Dr. T hat ferner ausgeführt, dass der Kläger zur Fortbewegung keinen Rollstuhl benötigt. Bewegung – im möglichen und zumutbaren Rahmen – würde vielmehr zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes insgesamt führen. Der Senat hält diese Ausführungen des Sachverständigen für nachvollziehbar und schlüssig. Weitergehende Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung bestanden zudem nicht. Denn der Kläger hat wiederholt mitgeteilt, zu einer persönlichen Untersuchung (nach wie vor) nicht bereit zu sein. Zudem lassen die von dem Sachverständigen Dr. T diagnostizierten Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule (mit einem GdB von 30) sowie der unteren Gliedmaßengelenke (mit einem GdB von 10) für den Bereich des Bewegungsapparates keine Funktionsstörungen erkennen, die die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" rechtfertigen könnten.
Aus den im Berufungsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts anderes, weil dort erkennbar keine Aussagen getroffen werden, die hinsichtlich des Nachteilsausgleichs "aG" von Bedeutung sein könnten; der Senat sah sich deshalb insoweit zu keiner weitergehenden Sachverhaltsaufklärung gedrängt.
b) Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF". Auch insoweit hat das SG seine darauf gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.07.1991, BGBl. I S. 1739, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 02.12.2006, BGBl. I S. 2742, 2745) ist im Schwerbehindertenausweis auf der Rückseite das Merkzeichen "RF" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgestellten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 20.11.1991 (GV. NRW. 1991 S. 408, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 24.06.2008, GV. NRW. S. 514) werden von der Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag behinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
bb) Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Er hat sich im Laufe des Berufungsverfahrens mit der Beklagten dahingehend verglichen, dass sein GdB 60 beträgt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T in dessen Gutachten vom 11.08.2006 ist der Kläger wegen seiner Leiden zudem nicht außerstande, an öffentlichen Veranstaltungen sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien teilzunehmen. Die Teilnahme sei möglich, auch ohne Begleitung von Hilfspersonen. Diese Ausführungen des Sachverständigen überzeugen. Denn die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG eng auszulegen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 12.02.1997, 9 RVs 2/96, SozR 3-3870 § 4 Nr. 17). Im Ergebnis ist erforderlich, dass der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden ist und allenfalls an einer nicht nennenswerten Zahl von Veranstaltungen teilnehmen kann (BSG, a.a.O.). Schwerbehinderte Menschen sind dann vom öffentlichen Geschehen nicht ausgeschlossen, solange sie mit technischen Hilfsmitteln, z.B. ihrem Rollstuhl, oder der Hilfe einer Begleitperson jedenfalls eine Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen aufsuchen können (BSG, a.a.O.).
Dies ist bei dem Kläger nicht zu erkennen. Selbst wenn sein Vortrag zutreffen sollte, dass er mittlerweile seine Unterarmgehstützen nicht bzw. nicht mehr uneingeschränkt benutzen kann, wäre ihm die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ggfs. mittels eines Rollstuhls (und ggfs. einer Begleitperson) möglich. Er erfüllt damit nicht die – wie aufgezeigt – engen Voraussetzungen für die Zuerkennung von "RF".
Aus den im Berufungsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen ergibt sich – wieder – nichts anderes, weil dort erkennbar keine Aussagen getroffen werden, die hinsichtlich des Nachteilsausgleichs "RF" von Bedeutung sein könnten; der Senat sah sich deshalb auch insoweit zu keiner weitergehenden Sachverhaltsaufklärung gedrängt.
c) Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "aG" sowie "RF" wurden bislang auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinderten-recht (Teil 2 SGB IX) 2008" zusammengefasst. Mit dem 01.01.2009 sind diese "Anhaltspunkte" nahezu vollständig abgelöst worden. Die Materie ist vornehmlich in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" des § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (Verordnung zu Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes vom 10.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2412) und Anlageband zur Ausgabe Nr. 57 vom 15.12.2008 – VersMedV) geregelt. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür hatte der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) geschaffen (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007, BGBl. I S. 2007, 2904). Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" sind dort in Teil 3 unter Ziffer 3. geregelt. Es kann dahinstehen, ob dem Verordnungsgeber insoweit die Normsetzungskompetenz fehlte (so Dau in jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4), weil die Rechtsgrundlage für die Feststellung von Nachteilsausgleichen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) allein auf § 69 Abs. 1 SGB IX und damit ausschließlich auf das schwerbehindertenrechtliche Feststellungsverfahren und die Maßstäbe des BVG zur Beurteilung der Hilflosigkeit verweist. Denn im vorliegenden Fall hat die Berufung des Klägers – wie aufgezeigt – bereits deshalb keinen Erfolg, weil er die tatbestandlichen Voraussetzungen für "aG" und "RF" nicht erfüllt.
3. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" begehrt hat, ist seine im Berufungsverfahren erhobene Klage unzulässig.
Denn eine derartige Klage setzt voraus, dass sich die Verwaltung mit dem Begehren des Klägers zuvor befasst war und dieses beschieden hat. Beides ist nicht der Fall. Der Kläger hat vor Erhebung seiner Klage keinen Antrag auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" an die damals zuständige Versorgungsverwaltung bzw. an die jetzige Beklagte gerichtet; er hat demzufolge auch kein entsprechendes Vorverfahren erfolglos durchlaufen (§ 78 SGG).
Soweit sich der Kläger auf einen früheren Antrag auf "G" beruft, ist dieser Antrag mittlerweile verbraucht. Die damals zuständige Versorgungsverwaltung hatte sich im nicht-öffentlichen Termin vor dem 6. Senat des LSG NRW am 21.08.2000 ausweislich des dortigen Sitzungsprotokolls verpflichtet, den mit Schriftsatz von November 1999 gestellten Antrag des Klägers auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" neu zu bescheiden. Diesen Antrag hat die Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 17.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 abgelehnt. Der Kläger hat hiergegen keine Klage erhoben. Die Ablehnung seines früheren Antrages auf "G" aus November 1999 ist damit bestandskräftig und bindend geworden (§ 77 SGG).
4. Der Senat weist den Kläger abschließend darauf hin, dass es ohne seine persönliche Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen voraussichtlich schwierig sein dürfte, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "G", "aG" und "RF" zukünftig festzustellen, sofern der Kläger dies erneut bei der Versorgungsverwaltung beantragen sollte. Denn diese Nachteilsausgleiche haben die (Rest-)Mobilität des schwerbehinderten Menschen zum Maßstab, die sich oftmals erst aufgrund einer persönlichen Begutachtung sachgerecht wird erfassen und beurteilen lassen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Erstellt am: 16.06.2009
Zuletzt verändert am: 16.06.2009