Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.07.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
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\nTatbestand:
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\nDer Kläger begehrt die Übernahme von Beschaffungskosten für einen ausländischen Pass durch den Beklagten.
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\nDer 1978 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist seit 1998 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. seit dem 01.01.2015 einer Niederlassungserlaubnis. Er leidet an einer drogeninduzierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Seit dem 12.10.2009 ist für ihn eine gesetzliche Betreuung eingerichtet.
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\nIm Herbst 1997 wurde der Kläger nach einem Krankenhausaufenthalt in das Übergangswohnheim des Reha-Zentrums O in F. aufgenommen und erhielt dort erstmals Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG durch den Beklagten. Im Juni 2000 bezog er eine eigene Wohnung in F. Im Dezember 2004 wurde er erneut in das Reha-Zentrum P aufgenommen und erhielt dort wiederum Leistungen der stationären Eingliederungshilfe. Am 09.06.2008 zog er von dort aus unmittelbar in eine Außenwohngruppe des Wohnheims des A Vereins zur Förderung psychisch Kranker und Behinderter e.V. in A. um und erhält seitdem dort weiterhin Eingliederungshilfeleistungen durch den Beklagten. Seit dem 01.06.2012 erhielt er monatlich einen Barbetrag in Höhe von (seinerzeit) 100,98 EUR (2020: 116,64 EUR).
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\nMit Schreiben vom 16.10.2012 beantragte der Kläger durch seinen Betreuer beim Beklagten die Übernahme von Passbeschaffungskosten. Die Gültigkeit seines türkischen Passes laufe im Januar 2013 ab. Eine Verlängerung sei nicht möglich, so dass ein neuer Pass beantragt werden müsse. Dieser koste 162,00 EUR bei einem Gültigkeitszeitraum von zehn Jahren. Aus seinem Taschengeld könne er den Betrag nicht ansparen.
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\nMit Bescheid vom 06.12.2012 bewilligte der Beklagte 162,00 EUR für die Beschaffung eines Reisepasses als Darlehen. Es werde erwartet, dass der Kläger ab Januar 2013 das Darlehen in monatlichen Raten von 10,00 EUR zurückzahle.
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\nHiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begehrte die Bewilligung einer Beihilfe statt eines Darlehens. Deutsche Staatsbürger hätten entsprechende Kosten nicht zu tragen, so dass eine Ungleichbehandlung bestehe. Von seinem Taschengeld bleibe nach einer zu leistenden Darlehensrückzahlung von 10,00 EUR monatlich nur wenig übrig.
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\nMit Schreiben vom 20.02.2013 teilte der Kläger mit, dass nach Auskunft des türkischen Konsulats die Kosten für die Passbeschaffung auf 208,00 EUR gestiegen seien. Hinzu kämen noch 5,00 EUR für ein Passfoto.
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\nMit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2013 (dem Betreuer des Klägers zugestellt am 05.04.2013) wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Die Kosten für die Beantragung eines Reisepasses seien im Regelbedarf berücksichtigt. Deshalb könne nur ein Darlehen gewährt werden. Der Beklagte sei jedoch bereit, ein solches in Höhe von 208,00 EUR zu gewähren, welches in monatlichen Raten von 5,00 EUR zurückzuzahlen sei.
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\nAm 06.05.2013 (Montag) hat der Kläger vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Im Regelsatz seien allenfalls die Passkosten für deutsche Leistungsempfänger berücksichtigt, die jedoch deutlich geringer seien. Er habe tatsächlich 211,00 EUR für die Beschaffung eines neuen Passes aufwenden müssen. Er könne die Passpflicht auch nicht durch Beschaffung von Ersatzausweispapieren umgehen. Die Kosten müssten daher gemäß § 73 SGB XII vom Beklagten übernommen werden.
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\nDer Kläger hat beantragt,
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\nden Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 06.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2013 zu verurteilen, ihm die Kosten für die Ausstellung eines Passes für türkische Staatsangehörige in Höhe von 211,00 EUR als Zuschuss zu zahlen.
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\nDer Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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\ndie Klage abzuweisen.
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\nEine Übernahme der Passbeschaffungskosten nach § 73 SGB XII komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese seit dem 01.01.2011 im Regelbedarf berücksichtigt seien.
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\nMit Urteil vom 16.07.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Kosten für die Beschaffung von Ausweispapieren seien seit dem 01.01.2011 im Regelsatz berücksichtigt, so dass § 73 SGB XII hierfür nicht mehr zur Anwendung gelangen könne. Eine Erhöhung der Regelsatzleistungen gemäß § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII scheide ebenfalls aus, da es sich bei den geltend gemachten Kosten nicht um laufende, sondern um nur einmalige Kosten handele. Damit komme allenfalls ein Darlehen nach § 37 SGB XII in Betracht; ein solches habe der Beklagte bereits bewilligt und dabei nicht einmal berücksichtigt, dass 28,80 EUR als Gebühr zur Beschaffung eines deutschen Personalausweises bereits im Regelbedarf abgebildet sei. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
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\nHiergegen hat der Kläger am 12.08.2013 Berufung eingelegt. Die Ausstellung eines türkischen Reisepasses sei nicht mit der Situation vergleichbar, die bei der Bemessung des Regelbedarfs berücksichtigt worden sei. Die Höhe seiner Passkosten weiche maßgeblich ab. Es gehe bei ihm nicht um einen Personalausweis, sondern um einen Reisepass. Er habe seit dem 01.01.2011 erst maximal 6,00 EUR ansparen können; davon habe er die angefallenen Gebühren nicht tragen können.
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\nDer Kläger beantragt,
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\ndas Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.07.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2013 zu verurteilen, ihm Passbeschaffungskosten i.H.v. 211,00 EUR als Zuschuss zu gewähren.
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\nDer Beklagte beantragt,
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\ndie Berufung zurückzuweisen.
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\nEr hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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\nMit Beschluss vom 10.10.2017 hat der Senat im Hinblick auf das beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren B 8 SO 8/17 R das Ruhen des vorliegenden Verfahrens angeordnet. Nach Abschluss dieses Revisionsverfahrens (durch Urteil vom 29.05.2019) wurde das Verfahren des Klägers fortgesetzt.
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\nDer Kläger hält im Anschluss an die Entscheidung des Bundessozialgerichts an seiner Berufung fest. Er meint, seine Situation sei in keiner Weise mit derjenigen vergleichbar, über die das Bundessozialgericht entschiedenen habe. Er erhalte in der Einrichtung keine Regelsatzleistungen; vielmehr beziehe er als Geldleistung allein den Barbetrag, in dem denklogisch keine Passbeschaffungskosten berücksichtigt sein könnten. Er benötige den Pass allein zur- Erfüllung seiner Passpflicht; Reiseabsichten oder -notwendigkeiten in die Türkei hätten nicht bestanden und bestünden weiterhin nicht. Er hätte die Passkosten nicht etwa durch Beschaffung eines Ausweisersatzes gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG umgehen können. Denn das würde voraussetzen, dass er einen Pass oder Passersatz nicht in zumutbarer Weise erlangen könne. Ein Sachverhalt, der eine solche Unzumutbarkeit begründen würde, sei bei ihm jedoch nicht ersichtlich. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) sei die Tragung der vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren für die Passbeschaffung zumutbar.
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\nDer Kläger hat ausweislich der hierzu vorgelegten E-Mail-Korrespondenz eine Auskunft des zuständigen Ausländeramtes zur rechtlichen Wirkung eines Ausweisersatzes eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Einen Antrag auf Erteilung eines solchen Ausweisersatzes hat er bislang nicht gestellt.
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\nDer Beklagte hat ergänzend mitgeteilt, das dem Kläger für die Passbeschaffung gewährte Darlehen sei mittlerweile durch Einbehaltung vollständig zurückgezahlt.
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\nEntscheidungsgründe:
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\nDie Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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\nA. Die Berufung ist zulässig. Sie wurde – bei einem vom Kläger verfolgten Anspruch von 211,00 EUR – vom Sozialgericht im Urteil vom 16.07.2013 zugelassen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 HS 1 und HS 2 Nr. 2 SGG); der Senat ist an diese Zulassung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG). Die Berufung wurde im Übrigen auch fristgerecht erhoben.
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\nB. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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\nI. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2013, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für Passbeschaffungskosten als Zuschuss abgelehnt und lediglich ein Darlehen (208,00 EUR) bewilligt hat. Da der Kläger das erhaltene Darlehen bereits vollständig zurückgezahlt hat, ist seine Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) statthaft (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R Rn. 9).
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\nII. Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Denn der Widerspruchsbescheid vom 25.03.2013 wurde dem Kläger erst am 05.04.2013 zugestellt, so dass die am 06.05.2013 (Montag) erhobene Klage rechtzeitig bei dem Sozialgericht Aachen einging.
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\nIII. Richtiger Beklagter ist der Beklagte als die den Bescheid erlassende Stelle.
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\nDer Beklagte war auch für die begehrten Leistungen der sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
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\nDie örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 2 S. 2 SGB XII. Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Ergänzend bestimmt Satz 2 der Vorschrift für den Fall des Übertritts von einer in eine andere Einrichtung, dass der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, weiterhin entscheidend ist. Der Kläger bewohnte seit Juni 2000 eine eigene Wohnung in Frankfurt a.M. Im Anschluss daran wurde er am 20.12.2004 in das Reha-Zentrum P aufgenommen, wo er Leistungen der stationären Eingliederungshilfe durch den Beklagten erhielt. Von dort aus zog er am 09.06.2008 direkt in eine Außenwohngruppe des Wohnheims des Aer Vereins zur Förderung psychisch Kranker und Behinderter e.V. in A um, wo er sich ohne Unterbrechung bis zum streitgegenständlichen Zeitraum aufhielt. Die Kosten für die stationären Leistungen trug ebenfalls der Beklagte. Da der Kläger somit vor erstmaligem Eintritt in eine Einrichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankfurt a.M. hatte, ist der Beklagte als dort örtlich zuständiger Sozialhilfeträger auch für die Leistungserbringung in A zuständig.
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\nDie sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 97 Abs. 2 bis 4 SGB XII i.V.m. § 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (HAG/SGB XII i.d.F. bis 31.12.2013). Der Beklagte ist nach § 3 Abs. 1 HAG/SGB XII (a.F.) überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Gemäß § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII war er auch im Zeitraum der Bedarfsentstehung und der Entscheidung über den Leistungsantrag (2012/2013) für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig, weil § 2 HAG/SGB XII insofern keine abweichende Regelung traf. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII wird von der sachlichen Zuständigkeit für die stationären Leistungen auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen nach anderen Kapiteln des SGB XII, die gleichzeitig zu erbringen sind, mit umfasst. Damit war der Beklagte auch für die hier streitigen Leistungen nach dem Dritten oder Neunten Kapitel des SGB XII sachlich zuständig.
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\nIV. Eine Beteiligung sozial erfahrener Dritter vor Erlass des Widerspruchsbescheides hatte gemäß § 8 Abs. 2 HAG/SGB XII (i.d.F. bis 31.12.2019) – als abweichende landesrechtliche Regelung i.S.v. § 116 Abs. 2 SGB XII – nicht stattzufinden.
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\nV. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der ihm entstandenen Passbeschaffungskosten als Zuschuss an Stelle des ihm gewährten Darlehens. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG scheidet für ihn als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis von vornherein aus (dazu unter 1). Ist er wegen dieser Erlaubnis zugleich zwar nicht grundsätzlich von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen oder beschränkt (dazu unter 2.), so scheidet gleichwohl ein Anspruch nach § 73 SGB XII ebenso aus (dazu unter 3.a) wie eine Übernahme der Passbeschaffungskosten als weiterer notwendiger Lebensunterhalt i.S.d. § 27b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII (i.d.F. bis 31.12.2019) oder durch Erhöhung des Barbetrages (dazu unter 3.b).
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\n1. Der Kläger (seit dem 29.04.1998 bereits im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis) war seit dem 01.01.2005 Inhaber einer Niederlassungserlaubnis (§ 101 Abs. 1 AufenthG). Als solcher gehört er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis i.S.d. § 1 AsylbLG. Ein Anspruch auf Übernahme von Passbeschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 S. 1 AsylbLG konnte – unbeschadet der Frage, ob der Beklagte dafür überhaupt hätte zuständig sein können – ihm deshalb von vornherein nicht zustehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 33/17 R Rn. 30).
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\n2. Mangels Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG war der Kläger nicht gemäß § 23 Abs. 2 SGB XII (i.d.F. bis 05.08.2016) von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen. Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis galten für ihn nach § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII zudem nicht die Beschränkungen bei Sozialhilfeleistungen gem. § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII.
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\n3. Das SGB XII sieht jedoch den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf zuschussweise Übernahme von Beschaffungskosten für einen türkischen Pass nicht vor.
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\na) Der Kläger kann einen Anspruch auf Übernahme der Passbeschaffungskosten als Zuschuss nicht auf § 73 SGB XII stützen. Nach dieser Vorschrift können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die für einen Anspruch vorausgesetzte „sonstige Lebenslage“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom (übrigen) Sozialleistungssystem nicht erfasst ist und damit einen „Sonderbedarf“ (im Sinne einer atypische Bedarfslage) darstellt (BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 14/17 R Rn. 11 m.w.N.). Dies trifft auf notwendige (Mehr-)Kosten für einen ausländischen Pass nicht zu.
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\naa) Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass Passbeschaffungskosten (und auch die in diesem Zusammenhang entstehenden Fahrkosten) vom Regelbedarf gemäß § 27a Abs. 2 S. 1 SGB XII erfasst sind und die Notwendigkeit der Passbeschaffung daher bereits keine atypische Bedarfslage darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 33/17 R, ferner Urteile vom 29.05.2019 – B 8 SO 14/17 R und B 8 SO 8/17 R; ebenso bereits das Urteil des Senats vom 18.05.2015 – L 20 SO 355/13 Rn. 36 ff.). Handelt es sich aber um eine vom Regelbedarf erfasste Bedarfslage und ist allein der Umfang des Bedarfs im Einzelfall atypisch, so ist dieser Bedarf ggf. nach Maßgabe des § 27a Abs. 4 SGB XII durch eine abweichende Bemessung des Regelbedarfs zu decken; eine atypische Bedarfslage i.S.d. § 73 SGB XII ist hingegen ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 14/17 R Rn. 11. Zu Passbeschaffungskosten von 217,00 EUR siehe allerdings BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 33/17 R, das schon das Bestehen einer Unterdeckung verneint). Mangels Regelungslücke ist zugleich auch eine erweiterte oder analoge Anwendung des § 73 SGB XII ausgeschlossen; für vom Regelbedarf umfasste Bedarfe kommen vielmehr allenfalls darlehensweise Leistungen (§ 37 SGB XII) in Betracht (BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 14/17 R Rn. 16).
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\nbb) Etwas anderes gilt nicht etwa deshalb, weil der Kläger vorliegend keine monatlichen Regelsatzleistungen, sondern als Geldleistung lediglich einen Barbetrag nach § 27b Abs. 2 SGB XII bzw. ggf. Leistungen des weiteren notwendigen Lebensunterhalts gemäß § 27b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII (jeweils in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung) erhalten konnte.
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\nZwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Bemessung des Barbetrages – anders als diejenige der Regelbedarfe – nicht auf einer statistisch exakten Ermittlung beruht, sondern grundsätzlich als prozentualer Anteil des Regelbedarfs berechnet wird (vgl. § 27b Abs. 2 S. 2 SGB XII: mindestens 27 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1). Dabei steht keineswegs fest, dass Bewohnern von Einrichtungen Einzelbedarfe stets in vergleichbarer Weise, aber lediglich in geringerem Umfang entstehen wie Sozialhilfeberechtigten außerhalb von Einrichtungen. Aus der Bildung des Barbetrages als einem prozentualen Anteil der Regelbedarfsstufe 1 kann insofern nicht geschlossen werden, dass im Barbetrag ebenfalls (wie im Regelbedarf) ein Bedarfsanteil für Passbeschaffungskosten berücksichtigt ist. Das Bundessozialgericht hat vielmehr (zumindest zur bis zum 31.12.2019 geltenden Rechtslage) darauf hingewiesen, dass der Barbetrag als „Taschengeld“ für den persönlichen Freiraum nur der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse (neben den in der Einrichtung selbst erbrachten Leistungen) diene, also insbesondere der Deckung soziokultureller Bedarfe (BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 17/12 R Rn. 37). Er solle – als „nicht weiter zu verifizierender Basisbetrag“ (so BSG, a.a.O.) – nur die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, Aufwendungen für Körperpflege und Reinigung, für die Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche in kleinerem Umfang sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert abgelten (BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 25/11 R Rn. 14).
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\nFür die Frage der Anwendbarkeit des § 73 SGB XII bei Beschaffungskosten für einen ausländischen Pass ist es gleichwohl unerheblich, ob diese Kosten unter den Begriff der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (für deren Deckung der Barbetrag des § 27b Abs. 2 SGB XII gedacht ist; s.o.) gefasst werden können. Denn jedenfalls besteht für Leistungsempfänger in Einrichtungen gemäß § 27b Abs. 2 S. 1 SGB XII ein Anspruch auf Deckung ihres weiteren notwendigen Lebensunterhalts. Dieser umfasst – neben Barbetrag und Kleidung (§ 27b Abs. 2 S. 1 SGB XII) – grundsätzlich alles, was nicht bereits als Teil des notwendigen Lebensunterhalts i.S.v. § 27b Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung selbst (und auch nicht aus dem Barbetrag) zu decken ist; „weiterer notwendiger Lebensunterhalt“ sind mithin alle aktuellen, nicht schon von der Einrichtung gedeckten Bedarfe, die ohne die stationäre Unterbringung als Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten wären (BSG, a.a.O.). Damit aber enthält § 27b Abs. 2 SGB XII eine Öffnungsklausel, die – vergleichbar mit § 27a Abs. 4 SGB XII – eine abweichende Bedarfsbemessung erlaubt. Vor diesem Hintergrund besteht auch für Leistungsberechtigte in Einrichtungen kein Anlass, § 73 SGB XII auf Passbeschaffungskosten (ggf. entsprechend) anzuwenden; denn für eine solche Bedarfslage existiert bereits eine Regelung.
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\nb) Auch nach dieser Öffnungsklausel des § 27b Abs. 2 SGB XII (i.d.F. bis 31.12.2019) hat der Kläger indes keinen Anspruch auf Übernahme seiner Passbeschaffungskosten als weiteren notwendigen Lebensunterhalt (dazu unter aa). Ebenfalls besteht kein Anspruch auf einen erhöhten Barbetrag (also einen solchen oberhalb von 27 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1; dazu unter bb).
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\nWelche Bedarfe dem Barbetrag und welche dem (sonstigen) weiteren notwendigen Lebensunterhalt unterfallen, ist aus Gründen der Transparenz notwendig abzugrenzen; denn ansonsten würde der Barbetrag als Auffangbecken für alle weiteren Bedarfe des Lebensunterhaltes herangezogen, und er bliebe wegen der fehlenden exakten Bedarfsermittlung völlig konturlos (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 17/12 R Rn. 36). Ausgangspunkt für diese Abgrenzung ist, dass der Barbetrag als „Taschengeld“ einen persönlichen Freiraum zur Deckung zusätzlicher Aufwendungen unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsempfängers (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII) schaffen soll (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 37. Nach der zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Fassung des § 27b Abs. 2 SGB XII soll der Barbetrag allerdings nicht mehr nur für persönliche Bedürfnisse, sondern auch für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile einzusetzen sein; vgl. dazu Busse in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, § 27b Rn. 46, Stand: 10.02.2020). Abgrenzungskriterium ist danach (jedenfalls für die bei Bedarfsentstehung und Verwaltungsentscheidung im vorliegenden Fall und noch bis zum 31.12.2019 geltende und deshalb hier anzuwendende Rechtslage), ob der geltend gemachte Bedarf den persönlichen, individuellen Wünschen des Leistungsberechtigten entspringt (dann Barbetrag), oder ob er rechtlich bzw. sonst existentiell erforderlich ist (dann sonstiger weiterer notwendiger Lebensunterhalt, vgl. dazu BSG, a.a.O. Rn. 39).
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\nFür die streitbefangenen Passbeschaffungskosten folgt daraus: Begehrt der Kläger die Übernahme der Kosten lediglich, um seiner Passpflicht aus § 3 Abs. 1 S. 1 AufenthG nachzukommen, so ist dieses Ansinnen einer rechtlichen Verpflichtung und nicht seinen individuellen Wünschen geschuldet; der Bedarf wäre daher dem (sonstigen) weiteren notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnen. Wäre es hingegen Ziel des Klägers, mit dem Pass auch die Möglichkeit zu einer Auslandsreise zu haben, so würde dies seinen individuellen Wünschen unterfallen und wäre daher grundsätzlich dem Barbetrag zuzuordnen. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, den Pass allein zur Erfüllung seiner Passpflicht zu benötigen, nicht hingegen für Auslandsreisen.
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\naa) Die Passbeschaffungskosten sind deshalb grundsätzlich dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt i.S.d. § 27b Abs. 2 SGB XII zuzuordnen. Denn die Einrichtung, in der der Kläger lebt, deckt diesen Bedarf nicht bzw. kann ihn schon rein tatsächlich nicht decken. Bedarfe aber, die der Sache nach bei der Ermittlung der Regelbedarfe zumindest seit dem 01.01.2011 Berücksichtigung finden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 14/17 R Rn. 13 ff.), sind dann grundsätzlich durch Leistungen des (sonstigen) weiteren notwendigen Lebensunterhaltes zu decken (vgl. dazu Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 27b Rn. 45, anschließend an einen Terminsbericht des BSG vom 16.11.2012 zum Revisionsverfahren B 8 SO 5/11 R). Dies gilt allerdings nur, wenn der Bedarf tatsächlich „notwendig“ anfällt.
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\n(1) Der Notwendigkeit eines weiteren Lebensunterhalts steht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei Passkosten die Möglichkeit entgegen, dass Ausländer für den Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 AufenthG ihre Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2 AufenthG) erfüllen und sie diesen Ausweiseratz beantragen können, ohne dass für seine Erteilung Gebühren anfallen (§ 48 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AufenthV). Voraussetzung hierfür sei nach § 48 Abs. 2 AufenthG, dass der Ausländer einen Pass seines Heimatlandes nicht auf zumutbare Weise erlangen könne. Sofern die erhaltenen Sozialleistungen bezogen auf die Erfüllung der Passpflicht keinen Spielraum böten, liege es nahe, die Aufbringung der Passbeschaffungskosten als unzumutbar i.S.d. § 48 Abs. 2 AufenthG anzusehen (so BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 8/17 R Rn. 19 ff., unter Verweis auf Möller in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 48 AufenthG Rn. 18). Nach dieser Rechtsprechung kann ein Bedürftiger auf die Beantragung eines Ausweisersatzes jedenfalls dann verwiesen werden, wenn diese nicht offensichtlich aussichtlos erscheint.
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\n(a) Eine solche offensichtliche Aussichtslosigkeit lässt sich für den Kläger nicht feststellen: Nach eigenem Vortrag hat er einen Ausweisersatz nicht einmal beantragt. Der von ihm vorgelegte E-Mail-Verkehr mit dem zuständigen Ausländeramt besagt nichts Gegenteiliges. Denn darin erkundigte sich sein Betreuer allein nach den rechtlichen Wirkungen eines Ausweisersatzes, ohne jedoch zum Ausdruck zu bringen, dass er einen solchen konkret für den Kläger beantrage. Wenn das Ausländeramt daraufhin mit allgemeinen rechtlichen Ausführungen zur Passpflicht geantwortet hat, ergibt sich daraus nicht bereits, dass ein Antrag des Klägers aussichtslos wäre. Denn der Kläger könnte – was er gegenüber dem Ausländeramt bisher nicht getan hat – bei einer Antragstellung gerade auch auf seinen Sozialhilfebezug sowie auf die betreffende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 8/17 R) hinweisen.
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\n(b) Eine die Erteilung eines Ausweisersatzes hindernde Zumutbarkeit der Passbeschaffung i.S.v. § 48 Abs. 2 AufenthG bzw. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV kann im Übrigen auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil grundsätzlich ein Darlehen gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII möglich erscheint (und dem Kläger auch tatsächlich gewährt wurde). Denn zum einen wäre es ein Zirkelschluss, wegen Möglichkeit eines Darlehens die Zumutbarkeit der Gebührentragung nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 AufenthV zu bejahen und so zu einem Anspruch auf zuschussweise Leistungsbewilligung zu gelangen, welcher wiederum eine Darlehensgewährung ausschließen würde. Zum anderen hat das Bundessozialgericht die Gewährung (sogar lediglich) eines Darlehens nur als ultima ratio für möglich erachtet, wenn der Leistungsberechtigte einen Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG beantragt hatte und dieser Antrag abgelehnt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 8/17 R Rn. 22).
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\n(c) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf § 5 Abs. 2 Nr. 4 AufenthV verweist (der als Regelung für den Reiseausweis für Ausländer gemäß § 55 Abs. 1 S. 3 AufenthV auch für die Ausstellung eines Ausweisersatzes gilt), wonach es für die Erlangung eines ausländischen Passes als zumutbar gelte, für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen, steht dies den genannten Erwägungen des Bundessozialgerichts nicht entgegen. Denn zur Begründung der Zumutbarkeit der Gebührentragung verweist die ausländerrechtliche Kommentarliteratur (vgl. Möller, a.a.O.; Winkelmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 48 AufenthG Rn. 9) auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Übernahme der Kosten durch den betroffenen Leistungsträger. Dabei wird jedoch verkannt, dass ein Leistungsanspruch für Passbeschaffungskosten lediglich im Rahmen von sog. Grundleistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG besteht; ein in älterer sozialgerichtlicher Rechtsprechung noch angenommener Anspruch aus § 73 SGB XII scheidet hingegen seit der Neufassung der Regelbedarfe aus (s.o.). Das SGB XII sieht vielmehr (wie auch das SGB II) für Anspruchsberechtigte, die nicht in einer Einrichtung leben, keine zuschussweisen Leistungen mehr vor (BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 8/17 R Rn. 20).
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\n(2) Nach Auffassung des Senats kann auch für Leistungsempfänger nach dem SGB XII, die in Einrichtungen leben, nichts anderes gelten. Denn als (sonstiger) weiterer notwendiger Lebensunterhalt ist allenfalls dasjenige zu leisten, was außerhalb stationärer Leistungen als Teil des Regelsatzes gewährt würde (s.o.). Dazu aber zählt der Bedarf für die Beschaffung eines türkischen Passes gerade nicht, auch wenn er die in Deutschland erhobenen, im Regelsatz berücksichtigten Gebühren (hier: mit 211,00 EUR) um ein Vielfaches übersteigt. Eine Erhöhung des Regelsatzes gemäß § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII käme außerhalb stationärer Einrichtungen jedoch nicht in Betracht, weil eine solche nur zur Deckung laufender, nicht aber einmaliger Bedarfe vorgesehen ist (vgl. dazu bereits Urteil des Senats vom 18.05.2015 – L 20 SO 355/13 Rn. 44). Damit kommt auch für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen eine Übernahme höherer Kosten (als sonstiger weiterer notwendiger Lebensunterhalt) nicht in Betracht. Denn anderenfalls würden sie in Einrichtungen bessergestellt als Leistungsberechtigte außerhalb von Einrichtungen. Eine derartige Besserstellung bei Einrichtungsaufenthalt sollte aber durch die Einführung des § 35 SGB XII a.F. bzw. 27b SGB XII n.F. gerade vermieden werden (vgl. BT-Drs. 15/1514, S. 61, dort zu § 35; vgl. ferner Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 27b Rn. 25). Eine zuschussweise Übernahme der Gebühren für den türkischen Pass des Klägers kommt damit auch im Rahmen des notwendigen weiteren Lebensunterhalts nicht in Betracht.
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\nbb) Nichts anderes könnte im Übrigen gelten, wenn der Kläger einen Pass (auch) zur Durchführung von Auslandsreisen begehrt hätte. Der Bedarf wäre dann grundsätzlich dem Barbetrag zuzuordnen. Eine individuelle Erhöhung dieses Barbetrages nach § 27b Abs. 2 S. 1, 2 SGB XII käme jedoch nicht in Betracht. Denn ein Bedürfnis des Klägers, ins Ausland zu verreisen – welches mit einem Ausweisersatz gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG nicht erfüllt werden könnte – fällt grundsätzlich nicht unter die existenzsicherungsrechtlich geschützten Bedarfslagen. Allein die bloße Möglichkeit beispielsweise eines familiären Notfalls im Ausland begründet jedenfalls noch keine Unabweisbarkeit eines Bedarfs für einen Reisepass (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.2019 – B 8 SO 8/17 R Rn. 21).
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\nC. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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\nD. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Rechtsfrage, ob ein Anspruch auf Übernahme von Passbeschaffungskosten bei Bewohnern von stationären Einrichtungen besteht, die als Geldleistung lediglich einen Barbetrag erhalten, ist höchstrichterlich nicht geklärt.
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Erstellt am: 23.06.2020
Zuletzt verändert am: 23.06.2020