Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02. Februar 1998 abgeändert. Der Entscheidungstenor wird wie folgt gefaßt: Der Bescheid des Beklagten vom 06. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 1995 wird s oweit aufgehoben, als der Beklagte einen geringeren GdB als 40 festgestellt hat. Soweit der Kläger einen höheren GdB als 40 begehrt, wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des sozialgerichtlichen Verfahrens zur Hälfte. Für das Berufungsverfahren sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, den Grad der Behinderung (GdB) herabzusetzen.
Der am xx.xx.19xx geborene Kläger, von Beruf Prüfer bei den F.- Werken in Köln, erlitt im Februar 1992 einen Herz-Hinterwand-Infarkt. Auf der Grundlage eines Berichtes des praktisches Arztes No. und einer gutachtlichen Stellungnahme der Ärztin Dr. N. stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.10.1992 bei dem Kläger einen GdB von 50 fest. Dabei berücksichtigte er als behindernde Gesundheitsstörungen
1. Herzhinterwand-Infarkt in Heilungsbewährung, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB 50)
2. Leberparenchymschaden (Einzel-GdB 10).
1993 trat der Beklagte in eine Nachprüfung von Amts wegen ein. Der behandelnde Arzt Dr. No. berichtete im Oktober 1993, bei dem Kläger bestünden wiederkehrende Herzschmerzen, Atemnot, Bluthochdruck, Krisen und Gleichgewichtsstörungen.
Der Beklagte ließ den Kläger durch Dr. K. am 13.01.1994 untersuchen. Im Rahmen der Ergometrie ergaben sich ab 110 Watt erhöhte Blutdruckwerte und bei 120 Watt Belastung zusätzlich Normabweichungen im EKG. Für die Gesundheitsstörungen Herzhinterwand-Infarkt, Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen schätzte der Gutachter den Einzel-GdB mit 20 ein. Den Leberschaden bewertete er weiterhin mit 10. Nach Anhörung des Klägers stellte der Beklagte dann durch Bescheid vom 06.06.1994 und Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 einen GdB von 20 fest.
Daraufhin hat der Kläger am 07.11.1995 bei dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und vorgebracht, sein GdB sei mindestens mit 50 zu bewerten. Er leide an Diabetes mellitus, Bluthochdruck, massiven Herzstörungen, Rhythmusstörungen sowie einer Verschlechterung der Sehkraft.
Dazu hat er sich auf ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. No. berufen, der u.a. ausgeführt hat, der Kläger bleibe immer ein Risikopatient; es sei keine Verbesserung im Gesundheitszustand eingetreten. Außerdem hat der Kläger ein augenärztliches Attest seiner behandelnden Ärzte vom 02.08.1996 vorgelegt, worin massive Veränderungen der Netzhaut beschrieben werden. Die Sehkraft betrage auf dem rechten Auge 0,9, auf dem linken Auge 1,0. In einem weiteren Attest seines behandelnden Arztes vom 05.06.1997 wird da von gesprochen, daß eine Verschlechterung eingetreten sei, außer dem seien Beschwerden von Seiten der Lenden- und Halswirbelsäule zu vermerken.
Schriftsätzlich hat der Kläger erstinstanzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 06.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm weiterhin einen Mindest-GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zunächst eine weitere internistische Begutachtung angeregt und nach deren Durchführung dem Kläger angeboten, den GdB lediglich auf 40 herabzusetzen. Die von dem behandelnden Arzt angeführte zukünftige Entwicklung (erhöhtes Infarktrisiko) finde derzeit keine Beachtung.
Das Sozialgericht hat über den Gesundheitszustand des Klägers und die Einschätzung des Behinderungsgrades Beweis erhoben: Zunächst hat es einen Bericht von dem behandelnden Arzt Dr. No. vom 08.05.1996 eingeholt. Dieser hat neben den bekannten Herzbeschwerden auch einen Diabetes beschrieben, der medikamentös behandelt werden könne. An Blutdruckwerten hat er Werte von 200/80 RR und 160/80 RR genannt und auf die augenärztlichen Befunde verwiesen.
Anschließend hat das Gericht von dem Kardiologen Dr. B. ein Gutachten eingeholt, das dieser am 30.01.1997 erstattet hat. Den Angaben ist zu entnehmen, daß der Kläger bei einer Körpergröße von 175 cm 98 kg wiegt. Gamma-GT-Werte und Colesterinwerte sind erhöht festgestellt worden. Oberhalb eines Ergometerwertes von 75 Watt wurde bei dem Kläger die Luft knapp. Bei 75 Watt ist ein Blutdruckwert von 220/125 RR festgestellt worden. Demgegenüber hat der Ausgangswert 150/100 RR betragen. Bei einer Belastung von 50 Watt stieg der Blutdruckwert auf 180/115 RR.
Der Sachverständige hat folgende Störungen beschrieben:
1. Coronare Herzerkrankung (sog. Zweigefäßerkrankung) mit Zustand nach Hinterwand-Infarkt, Zustand nach Aufdehnungsbehandlung, arterielle Hypertonie mit konzentrischer Muskelhypertrophie (Einzel-GdB 30)
2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20)
3. Diabetes mellitus mit größeren Toleranzschwankungen (Einzel-GdB 20).
Im einzelnen hat der Sachverständige geäußert, der höchste Einzel-Behinderungsgrad betrage aufgrund der coronaren Herzerkrankung 30. Insbesondere wegen der starken Rückwirkung des Bluthochdruckleidens mit Herzmuskelverdickung dürfte der bisher angesetzte Behinderungsgrad nicht ausreichend sein, zumal auch angiographisch eine Zweigefäßerkrankung dokumentiert sei. Bei zwei weiteren Einzel-Behinderungsgraden von je 20 sollte der Gesamt-GdB auf 40 an gehoben werden. Bei dem bisher guten Verlauf bei Zustand nach Hinterwand-Infarkt sei allerdings der früher angesetzte Behinderungsgrad von 50 dem jetzt vorliegenden klinischen Schweregrad nicht entsprechend. Der Gesamt-GdB von 40 bestehe seit Juni 1994.
Das SG hat den Beteiligten mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, den Inhalt der Entscheidung hat es indessen nicht angedeutet.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.1998 hat das SG den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger wegen
– coronare Herzerkrankung mit Zustand nach Hinterwand-Infarkt 2/91,
– Zustand nach Aufdehnungsbehandlung,
– arterielle Hypertonie mit konzentrischer Muskelhypertrophie,
– degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,
– Diabetes mellitus mit größeren Toleranzschwankungen
einen GdB von 50 ab Antragstellung festzustellen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Dabei hat es für die Einzelbewertung die von Dr. B. genannten Werte zugrundegelegt. Den Gesamt-GdB hat es abweichend von Dr. B. mit 50 festgestellt und dazu ausgeführt, daß Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 jeweils zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB um 10 Punkte führen müßten. Dies entspreche auch dem letzten Satz der Nr. 19 der Anhaltspunkte, wonach es bei leichteren Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt sei, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dieser Satz könne sich nur auf die in den Anhaltspunkten genannten Fälle der Überschneidung bzw. fehlenden Verstärkung beziehen.
Diese Entscheidung greift der Beklagte mit der Berufung an und trägt vor: Das SG habe den Grundsatz nicht beachtet, daß bei der Bildung des Gesamt-GdB abschließend ein Vergleich mit Störungen zu erfolgen habe, die in den Anhaltspunkten mit 50 bewertet würden. Im übrigen würden sich auch die einzelnen Beeinträchtigungen zum Teil identisch auswirken. Deshalb sei kein höherer GdB als 40 an gemessen. Auch neue augenärztliche Befunde rechtfertigten nicht einen Einzel-GdB von 10.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.02.1998 abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als er verurteilt worden ist, einen höheren GdB als 40 festzustellen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise zu der Frage, daß der Diabetes mellitus wegen einer Organkomplikation "Augenerkrankung" höher zu bewerten ist als 20, ein Gutachten eines augenärztlichen Sachverständigen einzuholen.
Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend. Bei Zustand nach Infarkt und Zweigefäßerkrankung sei der Einzel- GdB für diesen Bereich mit mindestens 30 festzustellen. Zusätzlich sei ein Bluthochdruckleiden zu bewerten. Darüber hinaus sei 1997 bei ihm ein kleiner Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt worden, der eine Fußheberlähmung links her vorgerufen habe. Deshalb sei insofern der Einzel-GdB eher mit 30 als mit 20 festzulegen. Ferner bestehe eine diabetische Angiopathie an beiden Augen, ebenso eine leichte Retinopathie. Dazu beruft er sich auf Arztberichte seines Radiologen aus Mai 1997, der ihm seit drei Monaten Schmerzen am linken Unterschenkel bescheinigt, auf einen Bericht des Angiologen Dr. K. aus März 1997, der ein atypisches LWS-Ausstrahlungssyndrom mit massiven Wadenmuskelspannungen rechts beschrieben hat. Außerdem liegt der Bericht des Augenarztes Dr. S. vom 06.11.1997 vor, wonach die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge 0,7 und dem linken Auge 0,9 beträgt. 1996 sei mit Erfolg eine Lasertherapie durchgeführt worden.
Der erkennende Senat hat Beweis erhoben:
Der Allgemeinmediziner Dr. F. hat am 05.05.1998 berichtet, er habe den Kläger seit Oktober 1997 behandelt. Bei ihm habe sich ein Blutzuckerleiden bei mangelnder Krankheitseinsicht verschlechtert. Der Internist Dr. B. hat am 17.05.1998 geäußert, er behandele den Kläger seit März 1998. Beschrieben hat er Herzstörungen, ein metabolisches Syndrom mit Diabetesentgleisung, eine isolierte Hypercholesterinämie, Übergewicht und ein atypisches Lendenwirbelsäulensyndrom. Der Orthopäde K. hat mitgeteilt, er behandele den Kläger seit März 1997. Bei ihm bestehe ein Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Fibularisparese. Es habe sich nur eine leichte Besserung eingestellt.
Schließlich hat der Senat von dem Internisten und Kardiologen Dr. B. eine ergänzende Stellungnahme beigezogen, die dieser unter dem 30.09.1998 erstattet hat. Dabei ist er darauf hingewiesen worden, daß maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung im Rahmen der Anfechtungsklage der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides sei. Der Sachverständige hat im einzelnen ausgeführt, über den Bereich Herz/Kreislauf habe er angesichts der Schätzungsspielräume von 20 bis 40 für das Herz und das Bluthochdruckleiden insgesamt für diesen Bereich einen GdB von 30 für richtig gehalten, weil einerseits ein echter morphologischer Befund an den Koronararterien nachgewiesen worden sei, ein Infarktereignis abgelaufen sei und eine mäßige konzentrische Muskelhypertrophie vorliege. Andererseits fehlten aber schwere Pumpleistungsschädigungszeichen. Es fehlten auch bedeutsame EKG-Veränderungen und schwerwiegendere Veränderungen im Ultraschallbild. Deshalb sei von einem mittleren Wert von 30 aus zugehen.
Hinsichtlich der Wirbelsäule habe zum Untersuchungs- und Bewertungszeitpunkt im Jahre 1995 noch nicht ein so ausgeprägter Befund wie wohl seit 1997 vorgelegen. Deshalb habe er entsprechend degenerativen Veränderungen mit anhaltender Funktionsbehinderung und wiederkehrenden, stärker anhaltenden Nerven- und Muskelreizerscheinungen einen GdB im Bereich von 20 bis 30 angesetzt und zum damaligen Zeitpunkt den unteren Wert vermerkt, weil keine nachweisbaren Ausfallerscheinungen vorgelegen hätten. Hinsichtlich des Diabetes habe er sich an die Bewertung auf S. 90 der Anhaltspunkte 1983 gehalten. Ein Diabetes, der durch Diät weniger gut ausgleichbar sei und größere Toleranzschwankungen aufweise, sei danach mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Sachverständige hat sich dann im einzelnen mit den Auswirkungen der einzelnen Störungen auseinandergesetzt und abschließend geäußert, daß ein GdB von 50 dem Gesamtzustand noch nicht bzw. nicht mehr gerecht werde, weil der Zustand nicht so schwer sei wie bei einer schwerwiegenden Herzschädigung, die bereits bei leichter alltäglicher Belastung Behinderungen und Beeinträchtigungen verursache. Bei einer Gesamtbewertung sei der Kläger sicherlich auch nicht aufgrund der 1995 erhobenen Befunde und sich auch für 1997 andeutenden Befunde nicht einer Person gleichzustellen, die etwa so massive Wirbelsäulenschäden hätte, daß ein GdB von 50 isoliert gerechtfertigt wäre.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.02.1998 ist abzuändern. Das Sozialgericht hätte die Klage abweisen müssen, so weit der Kläger einen höheren GdB als 40 festgestellt wissen will. Eine wesentliche Änderung, die die Herabsetzung des GdB auf 40 rechtfertigt, ist erwiesen.
I.
Der angefochtene Gerichtsbescheid ist formell fehlerhaft.
1. Der Entscheidung ist eine nur unvollständige Anhörung vorausgegangen. Formal sind die Beteiligten zwar ordnungsgemäß angehört worden; dennoch ist die Entscheidung überraschend ergangen und wird nicht von den Grundsätzen des fairen Verfahrens getragen. Denn der Beklagte konnte nicht damit rechnen, daß das Gericht vom Ergebnis der Beweisaufnahme abweichen und nunmehr einen darüber hinausgehenden GdB von 50 als zutreffend ansehen würde. Zwar ist es Aufgabe des Gerichts, über den Beweiswert und einzelner Umstände und Beweismittel zu entscheiden und den maßgeblichen Gesamt-GdB, der sich aus einer Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen ergibt, nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richerlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten sowie der Anhaltspunkte (AHP) in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG vom 11.03.1998 – B 9 SB 9/97 R -). Wenn das Gericht allerdings beabsichtigt, von dem bisherigen Beweisergebnis abzuweichen, und im Rahmen der ihm obliegenden abschließenden Einschätzung (hierzu zB BSG vom 09.03.1988 – 9/9a RVs 14/86 -) den GdB höher feststellen will, als es der Sachverständige vorgeschlagen hat, dann entspricht es den Regeln des fairen Verfahrens zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung, den davon Betroffenen – hier den Beklagten – vorab in Kenntnis zu setzen und ihm die Möglichkeit zu gezielten Einwendungen oder zum Antrag auf mündliche Verhandlung zu geben (vgl. hierzu BSG vom 26. 09. 1991 – 4 RK 4/91 – zu § 24 SGB X; BSG vom 05.07.1994 – 2 RU 24/93 -; BSG vom 12.12.1990 – 11 RAr 137/89-; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, § 62 RdNr 8 mwN).
2. Soweit das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, bestimmte Erkrankungen als "Behinderungen" festzustellen, widerspricht dies der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97; vgl. auch schon Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RVs 2/92 -).
3. Schließlich hat das Sozialgericht nicht beachtet, daß der Kläger nur eine isolierte Anfechtungsklage erhoben hat. Er hat nicht beantragt, in jedem Fall einen höheren GdB als 50 festgestellt haben zu wollen; sein Begehren ist vielmehr darauf gerichtet, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide den ursprünglichen Zustand (Gesamt-GdB von 50) wiederherzustellen. Daher hätte das Sozialge richt lediglich – aus seiner Sicht – den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufzuheben brauchen, um zu dem gewünschten Ergebnis – Beibehaltung eines GdB von 50 – zu kommen.
4. Der Senat kann zwar nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG eine angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Der Senat macht von dieser Möglichkeit indes keinen Gebrauch, um eine Entscheidung in der Sache nicht zu verzögern. Die Mängel zu I 2 und I 3 sind zudem nicht von einem solchen Gewicht, daß es deswegen geboten ist, das erstinstanzliche Verfahren zu wiederholen.
II.
1. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine rechtlich erhebliche Änderung liegt nur dann vor, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem verbindlich festgestellten Zustand eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt (vgl. Urteil des 7. Senats vom 18.03.1993 – L 7 Vs 142/92 -). Maßgebend ist damit der Leidenszustand, der zum Zeit punkt der letzten bindenden Entscheidung objektiv bestanden hat. Dieser ist im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage zu vergleichen mit dem Leidenszustand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin dem der Widerspruchsentscheidung vom 16.10.1995 (dazu unten).
Durch Bescheid vom 01.10.1992 hatte der Beklagte als Behinderung zu 1. "Herzhinterwandinfarkt II/1992 in Heilungsbewährung, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen" festgestellt und hierfür einen Einzel-GdB von 50 angenommen. Die Behinderung zu 2, nämlich "Leberparenchymschaden" mit einem Einzel-GdB von 10 hat der Beklagte nicht erhöhend berücksichtigt. Nach Ziffer 18 Abs. 7 AHP 1983 kann während des Abwarten einer Heilungsbewährung eine höhere MdE, als sie sich aus dem festgestellten Schaden ergibt, gerechtfertigt sein. In Ziffer 24 Abs. 3 sehen die AHP vor, daß nach der Behandlung von Krankheiten, bei denen die Belastbarkeit abgewartet werden muß (zB Herzinfarkt) bei der Herabsetzung der MdE Zurückhaltung zu üben ist; auch bei gleichbleibenden Symptomen ist eine Neubewertung allerdings später zulässig, weil die Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt.
2. So liegt es hier. Der Beklagte hat den Herzhinterwandinfarkt ausdrücklich "in Heilungsbewährung" festgestellt. Er hat sodann eine Überprüfung von Amts wegen durchgeführt und ist auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. K. vom 13.01.1994 zum Ergebnis gelangt, daß die Auswirkungen dieser Behinderungen nur noch einen Einzel-GdB von 20 bedingen. Ausgehend von den Feststellungen dieses Gutachters ist diese Einschätzung nicht zu beanstanden. Dr. K. hatte erst Beeinträchtigungen bei einer Herzleistung von 110 Watt festgestellt; der Blutdruck war dabei auf 230/130 RR an gestiegen, nachdem er in Ruhe 175/100 RR betragen hatte. Den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender sind zur Überzeugung des Senats allerdings die Feststellungen des vom Sozialgericht gehör ten Sachverständigen Dr. B. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.01.1997 im einzelnen begründet, warum der GdB für die Herzerkrankung seit Juni 1994 nach dem Mittelwert von 30 aus der von den AHP 1983 vorgegebenen Spannbreite von 20 bis 40 zu bemessen ist. Der Senat folgt dem. Die vom Sachverständigen erhobenen Befunde sowie die von ihm geschilderten Auswirkungen des Bluthochdruckleidens lassen eine eingehendere und differenziertere Beurteilung zu als dies allein aufgrund des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens möglich gewesen wäre. Ein Einzel-GdB von 30 für das Bluthochdruckleiden mit Herzmuskelverdickung und einer angiographisch dokumentierten Zweigefäßerkrankung ist angemessen. Ferner hat der Sachverständige aufgrund der röntgenologischen Befunde degenerative Wirbelsäulenveränderungen festgestellt und mit einem Einzel-GdB von 20 eingeschätzt. Das ist nicht zu beanstanden. Denn die vom Sachverständigen beschriebenen deutlichen Spangenbildungen bzw. Verklammerungen und endgradiger Bewegungseinschränkung rechtfertigen nach Ziffer 26.18 (S. 105 f.) einen Einzel-GdB von 20. Soweit aus dem Bericht des den Kläger behandelnden Orthopäden K. vom 28.05.1998 eine Verschlechterung des WS-Leidens herzuleiten ist, verweist der Sachverständige darauf, daß dies und insbesondere nachweisbare Ausfallerscheinungen 1995 noch nicht vorgelegen haben. Dem ist zuzustimmen, denn der Orthopäde K. datiert die Veränderung im Gesundheitszustand des Klägers ausdrücklich auf den 03.03.1997. Daß der Sachverständige Dr. B. Arzt für Innere Medizin und Kardiologie ist, steht dem nicht entgegen. Eine röntgenologische Beurteilung kann er gleichwohl abgeben; die zur Einschätzung des GdB nötigen Allgemeinkenntnisse sind vorhanden, denn der (erfahrene) Sachverständige wird oft mit der Erstattung von Gutachten beauftragt.
Sodann hat der Sachverständige einen Diabetes mellitus mit größeren Toleranzschwankungen diagnostiziert. Er hat hierfür auf der Grundlage der AHP Ziffer 26.15 (S. 90) zutreffend einen GdB von 20 vorgeschlagen und dargelegt, daß eine GdB-Erhöhung nicht in Betracht kommt. Dies entspricht den AHP S. 91. Danach sind Organkomplikationen zusätzlich zu bewerten. Solche sind indes nicht erwiesen. Der Bericht der Augenärzte Dres. S./M. vom 02.08.1996 belegt infolge der "massiven diabetischen Veränderung an der Retina" einen Visus mit Korrektur von 0.90 rechts und von 1.00 links. Dies entspricht einem GdB von 0 (AHP 1983 Ziffer 26.4, S. 51).
3. Ausgehend von diesen Einzel-GdB (30,20,20) hat der Sachverständige den Gesamt-GdB auf 40 eingeschätzt. Er hat hierzu ausgeführt, die Herz- Kreislauferkankung bedinge eine Funktionsbeeinträchtigung für schwere körperliche Arbeiten sowie für Tätigkeiten unter Streß und Zeitdruck. Ein erhöhter Blutdruckanstieg führe in soweit zu Gefährdungen und müsse vermieden werden. Das Wirbelsäulenleiden beeinträchtige die Bewegungsfähigkeit und die Bewegungsabläufe. Verstärkte körperliche Belastungen seien nicht vertretbar, weil einerseits eine vermehrte Verspannung und Anstrengung wegen des WS-Leidens vorliege, andererseits der Blutdruck zu höheren Blutdruckwerten neige. Der Diabetes verlange, daß der Kläger Diät einhalte und sich hierauf einstelle.
Diese Leistungsbeeinträchtigungen lassen es im Einklang mit der Auffassung des Sachverständigen gerechtfertigt erscheinen, den führenden Einzel-GdB für die Herzkreislauferkrankung auf einen Gesamt-GdB von 40 zu erhöhen. Ein Gesamt-GdB von 50 ist überzogen.
Zutreffend hat der Sachverständige hierzu einen Gesamtvergleich mit typischen, einen GdB von 50 bedingenden Leidensbildern diskutiert. Er hat hierzu darauf hingewiesen, daß typische Erscheinungen zB vorlägen bei einem Herzkranken, der bereits bei leichter alltäglicher Belastung körperliche Behinderungen und Beeinträchtigungen zu erdulden habe. Das sei im allgemeinen der Fall, wenn tatsächlich eine bedeutsame Herzmuskelschädigung vorliege, etwa mit Vergrößerung des Herzens oder eine unzureichende Pumpfunktion. Daran fehle es. Selbst wenn die diabetische Stoffwechsellage und der WS-Schaden berücksichtigt würden, sei der Gesamtzustand des Klägers nicht so beeinträchtigt wie im Fall eines ausgeprägt Herzkranken. Vergleichbares gelte bei einem Vergleich mit den Auswirkungen einer schweren WS-Schädigung mit weitgehender Versteifung großer Teile der WS; in dieser Weise eingeschränkt sei der Kläger nicht.
Diese Ausführungen vermag der Senat nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den Vorgaben, die die AHP 1983 zu Ziffer 19 zur Bildung des Gesamt-GdB aufgestellt haben. Demgemäß ist ab dem maßgeblichen Zeitpunkt (Ende Oktober 1995) der Gesamt-GdB mit 40 zu bemessen.
4. Soweit das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen, sind hierfür die rechtlichen Grundlagen nicht gegeben. Wenn das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die AHP 1996, die im übrigen nicht anwendbar sind, ausgeführt hat, bei Funktionsstörungen in Bereichen, die voneinander unabhängig sind, führe ein Einzel-GdB von 20 zwingend zu einer Erhöhung des führenden Einzel-GdB, so entspricht dies weder den Vorgaben der AHP 1983 noch der AHP 1996. Diese Rechtsauffassung steht zudem im Widerspruch zu der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Wie der Senat in den Entscheidungen vom 11.02.1998 – L 10 Vs 124/97 – und vom 25.02.1998 – L 10 Vs 107/97 – betont hat, ist im Rahmen der GdB-Bildung jede Schematisierung zu vermeiden. Entscheidend ist, wie sich die Funktionsstörungen in den einzelnen Funktionsbereichen auswirken, ob sie sich verstärken, ob sie sich über schneiden und zu welchem Gesamtbild sie führen (vgl. auch BSG vom 11.03.1998 – B 9 SB 9/97 SB -). Diesen Anforderungen ist der Sachverständige in seinen differenzierenden Ausführungen zum Gesamt- GdB in vollem Umfang gerecht geworden.
5. Soweit der Kläger eine Verschlimmerung geltend gemacht hat, führt dies nicht weiter. Zum einen ist trotz der behaupteten Verschlimmerung keine Erhöhung des Gesamt-GdB auf 50 vertretbar; zum anderen ist die Verschlimmerung aus Rechtsgründen unberücksichtigt zu lassen.
a) Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich eine Verschlimmerung behauptet, indessen liegt dem Berufungsverfahren die Auffassung zugrunde, daß eine Verschlimmerung eingetreten sei, die einen Ge samt-GdB von 50 rechtfertige. Ausweislich des Berichts des Radio logen Dr. C. (ohne Datum) besteht im Bereich LWK 5/SWK 1 ein überwiegend weicher, teilweise harter kleiner flacher Prolaps. Der Orthopäde K. hat dies im Bericht vom 28.05.1998 bestätigt und eine diagnostizierte Fibularisparese mitgeteilt. Als Zeitpunkt der Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers hat er den 03.03.1997 bestimmt. Der Sachverständige Dr. B. hat sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.1998 auch mit den geltend gemachten Verschlimmerungen auseinandergesetzt; er ist zum Ergebnis gelangt, daß der Kläger auch angesichts der 1997 erhobenen Befunde nicht einer Person gleichzustellen ist, deren Funktionsausfälle einen Gesamt-GdB von 50 ausmachen (zB massive WS- Schäden). Der Senat tritt dem bei.
b) Soweit der Kläger hilfsweise beantragt hat, ein Gutachten eines augenärztlichen Sachverständigen einzuholen, folgt der Senat dem nicht. Dieser Beweisantrag ist nicht entscheidungserheblich. Aus weislich des Berichts der behandelnden Augenärzte vom 02.08.1996 beläuft sich der Visus nach Korrektur auf 0.90 rechts und 1.00 links. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, daß hier durch kein GdB von 10 bedingt wird (vgl. oben). Weitere Organkomplikationen folgen aus diesem Bericht nicht und sind vom Sachverständigen Dr. B. auch ausdrücklich verneint worden. Der Bericht der behandelnden Augenärzte vom 06.11.1997 dokumentiert zwar eine Verschlimmerung (Visus rechts 0.70; links 0.90) sowie Blutungen im Augenhintergrund entsprechend einer leichten diabetischen Retinopathie. Nach den AHP 1983 bedingt dies indes einen GdB von weniger als 10. Ausgehend von einem Einzel-GdB von 20 für den Diabetes mellitus ergibt sich somit trotz der zusätzlichen Organkomplikation "Augenerkrankung" kein Einzel-GdB von 30. Demgemäß hat der Sachverständige Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.09.1998 keinen Anlaß gesehen, einen Gesamt-GdB von nunmehr 50 vorzuschlagen.
c) Zudem ist dem Kläger die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B. mit Verfügung vom 05.10.1998 zugeleitet wor den. Er hat bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Anlaß gesehen, den Senat um Beiziehung eines weiteren Befundberichts der behandelnden Augenärzte zu bitten. Eine ordnungsgemäße Prozeßführung der Bevollmächtigten unterstellt, folgert der Senat hieraus, daß eine weitere Verschlimmerung als im Bericht der Augenärzte vom 06.11.1997 dokumentiert, nicht eingetreten ist.
d) Im übrigen könnte eine Verschlimmerung, wenn sie sich auf den Gesamt-GdB auswirken würde, auch aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden. Der Senat ist daran gehindert, eine weitere Beweiserhebung zugunsten des Klägers durchzuführen. Der Kläger hat eine isolierte Anfechtungsklage erhoben. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageform grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BSG vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/92 – zu einem Korrekturbescheid nach § 45 SGB X; hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 5. Auflage, § 54 Rdn. 32 mwN). Der Widerspruchsbescheid ist unter dem 26.10.1995 erteilt worden. Spätere Verschlimmerungen sind hiernach nicht rechtserheblich und hierauf gerichtete Beweisanträge nicht entscheidungserheblich. Soweit von diesem Grundsatz Ausnahmen diskutiert werden, ergibt sich nichts anderes. Die Auffassung, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei auch bei Anfechtungsklagen abzustellen, sofern die Behörde infolge neuer Umstände zur Aufhebung verpflichtet sei (vgl. BVerwGE 28, 202; Redeker-von Oertzen, VwGO, 10. Auflage, § 108 Rdn. 16 ff.; Eyermann-Fröhler, VwGO, 10. Auflage, § 113 Rdn. 45 ff.), führt hier nicht weiter. Zum einen steht dem der Klageantrag entgegen. Er ist ausdrücklich gerichtet auf Aufhebung des Herabsetzungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. Diese eindeutige prozessuale Erklärung ist weder auslegungsbedürftig noch aus legungsfähig, insbesondere wenn der Kläger – wie hier – sach- und rechtskundig vertreten wird. Die Rechtsansicht, man könne einen Klageantrag dahin verstehen, daß der Kläger Aufhebung des Bescheides beantragt, weil er ursprünglich rechtswidrig war, hilfsweise weil er nicht mehr aufrechterhalten werden dürfe, beruht jeden falls bei einem rechtskundig vertretenen Kläger auf einer Unterstellung. Will der Kläger dies, mag er einen entsprechenden Antrag stellen; unterbleibt ein solchermaßen erweiterter Antrag, ist es nach der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze unzulässig, den ausdrücklich formulierten Antrag mittels Unterstellungen zu erweitern. Denn hat eine Erklärung nach Wortlaut und Zweck – wie hier – einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Aus legung kein Raum (vgl. Palandt, BGB, 58. Auflage, 1999, § 133 Rdn. 6 mwN; BVerfGE 87, 48, 69 zur Normauslegung).
Soweit die Auffassung vertreten wird, daß Verwaltungsakte, die den GdB feststellen, Dauerwirkung haben, ergibt sich nicht anderes. Ausgehend hiervon müßte zwar, nach allerdings umstritttener Auffassung, bei zunächst unbegründeter Anfechtungsklage die inzwischen möglicherweise geänderte Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung für die Bewertung des GdB zugrundegelegt werden (hierzu BSG vom 05.05.1993 -9/9a RVs 2/92-;). Der Senat läßt offen, ob und inwieweit er diese Ansicht für zu treffend hält. Legt der Senat diese Auffassung zugunsten des Klägers zugrunde, folgt hieraus gleichwohl kein Gesamt-GdB von 50. Denn der Gesamt-GdB von 40 ändert sich auch unter Einbeziehung der vom Kläger geltend gemachten Verschlimmerung nicht. Dies hat der Sachverständige auf der Grundlage der AHP 1983 – wie oben dargestellt – zutreffend ausgeführt.
e) Der Beweisantrag ist aus einem weiteren Grund nicht entscheidungserheblich. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, im Fall einer Verschlimmerung während des gerichtlichen Anfechtungsverfahrens von Amts wegen einen neuen Bescheid zu erteilen. Das Feststellungsverfahren nach dem Schwerbehindertengesetz wird auf Antrag eingeleitet (§ 4 SchwbG iVm § 18 Satz 2 SGB X). Dies schließt es zwar nicht aus, daß der Beklagte in Einzelfällen und bei besonderen Umständen (zB Heilungsbewährung) von Amts wegen das Verfahren durchführt (§ 18 Satz 1 SGB X). Im übrigen aber kann eine neue Entscheidung nur aufgrund eines an den Beklagten zu richtenden Antrags ergehen. Hätte der Senat bei dieser Sachlage den Rechts streit vertagt, um ein weiteres Gutachten zur behaupteten Verschlimmerung einzuholen, würden die durch das Grundgesetz vor gegebenen Kompetenzen rechtswidrig vermischt. Der Senat würde zwar die Sachaufklärung betreiben, einen positiven Bescheid könnte in dessen nur der Beklagte erteilen.
Ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 26.09.1989 – L 3 Ar 535/89 – (Breithaupt 1990, 349 f zur Untätigkeitsklage) wäre auch eine Umstellung auf eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unzulässig, weil eine Verwaltungsentscheidung über eine erstmals im gerichtlichen Anfechtungsverfahren geltend gemachte Verschlimmerung fehlt. Aufgabe der Gerichte ist es, Verwaltungsentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen; gerichtliche Entscheidungen dürfen aber nicht anstelle noch nicht ergangener Verwaltungsentscheidungen getroffen wer den. Dies folgt aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (LSG Baden-Württemberg aaO; weitergehend Girardi in SGb 1986, 448 ff und Hasenpusch in SGb 1994, 319 ff).
Allerdings hat das BSG im Urteil vom 27.08.1998 – B 9 SB 13/97 – entschieden, daß eine mangels Verwaltungsentscheidung zunächst unzulässige Klage im Verlauf des sozialgerichtlichen Verfahrens zu lässig wird, wenn von der Verwaltungsentscheidung nichts anders zu erwarten ist, als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens, und die Verwaltung durch rügelose Einlassung auf die klägerischen Anträge auf ihren Vorrang zur Gesetzesausführung verzichtet hat; in diesem Fall würde die förmliche Nachholung des Verwaltungsverfahrens lediglich dazu führen, die Entscheidung des Rechtsstreits zu verzögern. Ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, kann der Senat offen lassen. Die vom BSG aaO aufgestellten Voraussetzungen liegen nicht vor. Der erkennende Senat entnimmt den vorgenannten BSG-Entscheidungen, daß die Verschlimmerung schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte geltend gemacht werden müssen. Der Senat stellt fest, daß der Kläger jedenfalls vor dem Sozialgericht mit keinem Schriftsatz auf eine Verschlimmerung hingewiesen hat. Im Berufungsverfahren hat der Kläger zwar eine Verschlimmerung vor getragen, der Beklagte hat sich hierauf auch eingelassen (Schrift satz vom 15.07.1998). Indessen hat der Kläger seinen Antrag nicht umgestellt; auf einen geänderten Antrag hat sich der Beklagte so nach nicht eingelassen. Der Senat hat auf eine Antragsänderung oder Anschlußberufung nicht hingewirkt. Ungeachtet der Frage, ob die Umstellung der Anfechtungsklage auf eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eine Klageänderung im Sinn des § 99 SGG darstellt, wäre zur Überzeugung des Senats eine nunmehr erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ohnehin unzulässig. Eine gerichtliche Entscheidung würde gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen, über den der Beklagte auch mittels Einlassung nicht disponieren kann. Zudem würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, da weitere Ermittlungen durchzuführen wären. Letztlich ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, das Verwaltungsverfahren zu ersetzen und namentlich in einer isolierten Anfechtungsklage jeder geltend gemachten Leidensverschlimmerung nachzugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003