Die Beschwerde des Antragsgegners wird mit der Maßgabe, daß die Schreibkosten um 5 DM gekürzt werden, zurückgewiesen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 07.01.2000 eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors und Antragsgegners, der das SG nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluß vom 17.04.2000) ist zulässig; sie ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) nicht fristgebunden, und der Beschwerdewert nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ZSEG wird überschritten. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat Anspruch auf eine Entschädigung von 75 DM pro Stunde, weil das von ihr auf dem Gebiet der Pflegeversicherung erstattete Gutachten nicht leicht, sondern mittelschwierig ist.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG beträgt die Entschädigung des Sachverständigen für jede Stunde der erforderlichen Zeit 50 bis 100 DM. Nach Satz 2 der Bestimmung sind für die Bemessung des Stundensatzes der Grad der erforderlichen Fachkenntnisse, die Schwierigkeit der Leistung, ein nicht anderweitig abzugeltender Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen und besondere Umstände maßgebend, unter denen das Gutachten zu erarbeiten war; der Stundensatz ist einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit zu bemessen. Zur Ausfüllung dieses Rahmens nimmt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 24.02.1999, L 4 B 14/98, und vom 10.04.2000, L 4 B 14/99, Breithaupt 2000, 519 ff) bei Gutachten, die innerhalb der weiten Skala möglicher Sachverständigentätigkeit durchschnittliche Fachkenntnisse erfordern und durchschnittliche Schwierigkeiten bereiten, eine mittlere Entschädigung als gerechtfertigt an. Eine Sachverständigenleistung, die normale Fachkenntnisse voraussetzt und keine wesentlichen Schwierigkeiten enthält, auch keinen besonderen technischen Aufwand verlangt und nicht unter schwierigen Umständen erarbeitet werden muß, rechtfertigt eine Entschädigung nach dem Durchschnitt des Entschädigungsrahmens, so daß 75 DM als angemessen anzusehen sind (ebenso Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 20. Aufl. 1997, § 3 Rn. 34; Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl. 2000, § 3 ZSEG Rn. 41, 63 ff; Bleutge, ZSEG, 3. Aufl. 1995, § 3 Rn. 25).
Demgegenüber ist ein Stundensatz von 50 DM nur bei einfachsten Gutachten gerechtfertigt, die geringe Schwierigkeiten und nur geringe Fachkenntnisse erfordern (Meyer/Höver/Bach aaO Rn. 35). Bei ärztlichen Begutachtungen nimmt der erkennende Senat unter Bezugnahme auf den grundlegenden Beschluss des erkennenden Gerichts vom 31.03.1981, L 5 S 37/80, in ständiger Rechtsprechung an, daß als einfachere Gutachten solche zu bezeichnen sind, bei denen die Diagnose der zu beurteilenden Krankheiten leicht zu stellen ist und Fragen des ursächlichen Zusammenhanges entweder nicht zu erörtern oder mühelos zu beantworten sind. Mittelschwierig sind demgegenüber Gutachten, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens schon etwas eingehendere Überlegungen erfordern; dabei handelt es sich vor allem um sogenannte Zustandsgutachten, in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Arbeitslosenversicherung sowie Leidensverbesserungen oder -verschlimmerungen bei der Neufeststellung in der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kriegsopferversorgung unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind. Nur bei schwierigen (komplizierte widersprüchliche Befunde) und außergewöhnlich schwierigen Gutachten (schwierige Kausalfragen) wird ein höherer Stundensatz als 75 DM für angemessen gehalten.
Die Antragstellerin hat kein leichtes Gutachten in diesem Sinne erstattet, wie der Beschwerdeführer meint, der allerdings zu den 50 DM pro Stunde – Untergrenze von § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG – noch einen Zuschlag von 12,50 DM zuerkennen will, weil bei einem Pflegegutachten Zuschläge bei Begutachtung durch Hausbesuch und bei geistig Behinderten oder psychisch Kranken angemessen seien. Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Pflegewissenschaftlerin und Lehrerin für Pflegeberufe die ein sechssemstriges Studium "Science in Nursing" an der Universität Witten/Herdecke erfolgreich abgeschlossen hat. Sie hat unter dem 13.11.1999 für das SG ein Gutachten zu Fragen der §§ 14, 15 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) erstattet.
Ein derartiges Gutachten ist aus folgenden Gründen entschädigungsrechtlich nicht als leicht, sondern als mittelschwierig einzustufen – weshalb das SG zu Recht einen Stundensatz von 75 DM bewilligt hat. Festgestellt werden sollen mit einem solchen Gutachten der Hilfebedarf bei den im Gesetz aufgeführten Verrichtungen, die Zuordnung dieser Verrichtungen im Tagesablauf, die Häufigkeit der hierzu erforderlichen Hilfeleistungen im Tagesdurchschnitt, der jeweilige Zeitaufwand für diese Hilfeleistung im Tages-/Wochendurchschnitt, die zeitliche Gewichtung der /Maßnahmen der Grundpflege einschließlich der pflegeunterstützenden Maßnahmen sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung und die Dauer des voraussichtlichen Hilfebedarfs über mindestens sechs Monate. Dafür ist die genaue Kenntnis der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 21.03.1997 erforderlich, zu denen das Bundessozialgericht (BSG) erklärt hat, daß sie, soweit sie sich innerhalb des durch Gesetz und Verfassung vorgesehenen Rahmens halten, als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten seien (SozR 3-3300 § 15 Nr. 1; s.a. § 14 Nrn. 2, 3, 6, 7; punktuelle Abweichungen dagegen im Urteil vom 29.04.1999, B 3 P 7/98 R, USK 9944). Nicht zuletzt wegen dieser Korrekturen der Richtlinien müssen aber auch zumindest in Grundzügen die – meist sehr umfangreichen – einschlägigen Urteile des BSG (vgl. weiter etwa SozR 3-3300 § 14 Nrn. 4, 8, 9) bekannt sein.
Besondere Anforderungen sind im Rahmen der Gutachtenerstellung zu erfüllen bei der Feststellung der in den versicherten Bereich fallenden Verichtungen, der Abgrenzung der einzelnen Verrichtungen im Sinne von § 14 Abs. 4 SGB XI voneinander, der Bestimmung der geforderten Zeitwerte und beim Umgang mit dem nachvollziehbarerweise oftmals besonders schwierigen Personenkreis der betroffenen Kläger wie auch der sie pflegenden Personen.
Nach alledem sind zur Erstattung eines verwertbaren Pflegegutachtens besondere Fachkenntnisse erforderlich, die die hiesige Antragstellerin auch hat. In bestimmten Fällen kann ein Pflegegutachten der erforderlichen Qualität sogar nur durch einen besonders qualifizierten pflegewissenschaftlich ausgewiesenen Gutachter erstellt werden, während Ärzte – jedenfalls ohne besondere Zusatzkenntnisse im Pflegewesen – dazu nicht in der Lage sind.
Dabei kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, ob die Pflegegutachterin oder der Pflegegutachter – wie hier die Antragstellerin – akademisch ausgewiesen ist (vgl. dazu auch Meyer/Höver/Bach aaO Rn. 33). Benötigt werden aber durchweg besondere Fachkenntnisse (vgl. dazu, daß schon die Qualität der Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen – die ggf. durch Gerichtsgutachten zu überprüfen sind – ein hohes Niveau erreicht haben, Bundestags-Drucksache 14/3592 S. 7). Auch dieses Erfordernis spricht gegen die Einstufung des zu erstellenden Gutachtens als leicht. Im übrigen stellt auch das ZSEG nicht auf die akademische Ausbildung ab, wie § 17 Absätze 1 und 2 zeigen, die Dolmetscher, die in der Regel keine Akademiker sind, und im wesentlichen auch Übersetzer den Sachverständigen gleichstellen. Auch der erkennnende Senat (vgl. Beschluss vom 10.09.1999, L 4 B 8/99, Breithaupt 2000, 516 ff) billigt den Dolmetschern in ständiger Rechtsprechung regelmäßig einen Stundensatz von 75 DM zu. Nichts anderes wird, soweit ersichtlich, bei berufskundlichen Gutachten praktiziert, die ebenfalls überwiegend von Nichtakademikern erstellt werden. Unter diesen Umständen ist es letztlich auch ein Gebot der Gleichbehandlung, Pflegegutachter nicht schlechter als Dolmetscher und berufskundliche Sachverständige zu behandeln. Aber auch die Gleichstellung mit der durchschnittlichen ärztlichen Gutachtertätigkeit ist aus sachlichen Gründen (Komplexität der Materie) gerechtfertigt.
Für Schreibkosten waren, da das Gutachten tatsächlich nur auf 11 Seiten niedergelegt worden ist, 55 DM statt 60 DM anzusetzen; Übersendungsschreiben gehören nicht zum Gutachten und sind nicht entschädigungsfähig (Meyer/Höver/Bach aaO § 11 Rn. 5.8 und § 3 Rn. 43.7). Da die übrigen Beträge und die Stundenzahl unstreitig sind und eine Mehrwertsteuer-Abgeltung von der Antragstellerin nicht begehrt wird, ist ihre Entschädigung wie folgt festzusetzen:
15 Stunden a 75 DM = 1.125,– DM
Schreibgebühren = 55,– DM
Porto = 11,40 DM
Reisekosten = 31,20 DM
zusammen = 1.222,60 DM
Das Verfahren über die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 5 ZSEG gebührenfrei, und Kosten werden nicht erstattet. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 ZSEG nicht zulässig.
Erstellt am: 17.05.2006
Zuletzt verändert am: 17.05.2006