Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 16.07.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Durch Bescheid vom 18.12.2009 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 281,46 EUR monatlich für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010. Auf den Gesamtbedarf der Klägerin von 621,23 EUR (359,00 EUR Regelleistung + 43,00 EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung + 219,23 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) rechnete sie ein Einkommen der Klägerin in Höhe von 339,77 EUR (240,00 EUR Erwerbseinkommen + 99,77 EUR Kindergeld) an. Gegen die Höhe der bewilligten Leistung legte die Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 zurückwies. Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch die Prozessbevollmächtigen, am 12.04.2010 Klage, S 21 AS 714/10. Am 23.09.2010 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen Prozessvergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die Leistungsbescheide ab dem 01.07.2009 zu Gunsten der Klägerin zu überprüfen, ob die Kraftfahrzeugversicherung für den PKW der Klägerin einkommensmindernd anzurechnen ist.
Durch Bescheid vom 08.02.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Regelleistung in Höhe von 76,29 EUR. Sie führte aus, dass mit Hilfe der für Dezember 2009 erneut eingereichten Lohnabrechnung der Arbeitslosengeld II-Anspruch für die Klägerin und ihre Tochter im Januar 2010, im Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitsentgelts, neu berechnet werden konnte. Es habe sich hierbei ein Zahlbetrag von 127,52 EUR für Januar 2010 ergeben, der verringert um die Überzahlung von 51,23 EUR für Dezember 2009 einmalig überwiesen werde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe. Die Erstattungsforderung sei nicht nachvollziehbar. Die Berechnung sei nicht schlüssig dargelegt. Sie habe keine falschen Angaben gemacht. Sie habe alle erforderlichen Umstände vollständig und ordnungsgemäß angegeben. Durch Widerspruchsbescheid vom 20.04.2010 wies der Kreis N den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 330 Abs. 1 S. 3 SGB III sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse aufzuheben, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X vorlägen. Nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Wegen des Zuflusses des Arbeitsentgelts im Dezember 2009 sei eine Überzahlung entstanden, während sich im Monat Januar unter Berücksichtigung der Höhe des zugeflossenen Arbeitsentgelts ein weiterer Anspruch der Klägerin ergeben habe. Der Erstattungsanspruch aus § 50 SGB X für den Monat Dezember 2009 werde mit dem Nachzahlungsanspruch für den Monat Januar 2010 analog § 43 SGB II verrechnet.
Am 20.05.2010 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 08.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2010 erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Sie hat vorgetragen, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe. Die Erstattungsforderung sei nicht nachvollziehbar. Die Berechnung sei nicht schlüssig dargelegt. Sie habe keine falschen Angaben gemacht. Sie habe alle erforderlichen Umstände vollständig und ordnungsgemäß angegeben. Sie habe das Geld deshalb gutgläubig verbrauchen können.
Durch Beschluss vom 16.07.2010 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es sei nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg haben werde. Bei dem Vortrag der Klägerin handele es sich um Behauptungen ins Blaue hinein, die offenbar einem formularmäßig verwendeten Textbaustein für Fälle überzahlter Leistungen entstamme. Eine Konkretisierung der bislang umsubstanziierten Klage sei seitens der Klägerbevollmächtigten nicht geschehen. Für das Gericht sei nicht erkennbar, welche Lebenssachverhalte der Klage konkret zugrunde liegen. Offen bleibe etwa, mit wem die Klägerin in Bedarfsgemeinschaft lebe, wann sie im streitigen Bewilligungszeitraum welches Einkommen erzielt habe, welche Beträge die Beklagte nicht auf das Einkommen der Klägerin hätte anrechnen dürfen, warum eine Forderung der Beklagten zu Unrecht geltend gemacht werde.
Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, Beschwerde erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass der von der Beklagten ihr gegenüber geltend gemachte Erstattungsbetrag zu Unrecht gefordert werde. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt dürfe nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf dem Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und das Vertrauen schutzwürdig sei. Schutzwürdig sei das Vertrauen insbesondere, wenn die Leistung verbraucht worden sei. Etwas anderes würde zwar gelten, wenn der Verwaltungsakt auf arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder auf falsche Angaben zurückzuführen wäre oder die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder gerade grob fahrlässig nicht gekannt habe. Dieser Ausnahmetatbestand liege aber bei ihr nicht vor. Gleichzeitig sei die gewährte Leistung verbraucht worden. Darüber hinaus erfolge die Aufrechnung der Beklagten rechtswidrig. Rückforderungen nach § 48 SGB X fielen nur dann unter § 843 SGB II, wenn bei Mitteilung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse falsche oder unvollständige Angaben gemacht worden seien. Eine Aufrechnung setzt außerdem einen vollziehbare Aufhebungs- und Erstattungsbescheid voraus. In ihrem erstinstanzlichen Vorbringen handele es sich nicht um Behauptungen ins Blaue hinein, vielmehr sei der Sachverhalt anhand konkreter Daten einem Lebenssachverhalt zugeordnet worden. Der Widerspruchsbescheid sei der Klageschrift beigefügt worden, sodass das Gericht genügend Erkenntnisse gehabt habe, was das Begehren der Klägerin sei und worauf sich die Rechtsverfolgung stütze. Etwaige fehlende Erkenntnisse erschlössen sich aus der Leistungsakte.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Sozialgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Erfolgsaussicht für das Klageverfahren bestanden hat.
Dabei kann dahinstehen, ob bei der Prüfung der Erfolgsaussicht auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife oder den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – den 16.07.2010 – (vgl. Zusammenfassung des Meinungstandes: LSG Bayern, Beschluss vom 19.03.2009 – L 7 AS 64/09 B PKH) abzustellen ist. Auch wenn unterstellt wird, dass der Prozesskostenhilfeantrag mit Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin am 09.06.2010 bei Gericht entscheidungsreif gewesen ist (vgl. zum Begriff der Entscheidungsreife BVerfG, Beschluss vom 14.04.2010 – 1 BvR 362/10 -), ist eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben gewesen. Für den Senat spricht vieles dafür, dass die Klagebegründung im vorliegenden Fall eine ausreichende Substantiierung des Streitverhältnisses im Hinblick auf die fehlenden Begründung der Aufhebungsentscheidung für Dezember 2009 nach § 35 SGB X, insbesondere hinsichtlich der fehlenden Berechnung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrages, in den angefochtenen Bescheiden und der von dem Beklagten vorgenommenen Aufrechnung analog § 43 SGB II enthalten hat.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist jedoch deshalb nicht gegeben gewesen, da die am 20.05.2010 erhobene Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit sowohl am 09.06.2010 als auch am16.07.2010 unzulässig gewesen ist (vgl. zu den prozessualen Folgen einer anderweitigen Rechtshängigkeit: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 94 Rn 4 m.w.N.). Der Bescheid vom 08.02.2010 ist nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 18.12.2009 geworden, da er die im Bescheid vom 18.12.2009 getroffenen Verfügungen hinsichtlich der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an die Klägerin für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 abgeändert hat. Durch diesen Bescheid hat die Beklagte die im Bescheid vom 18.12.2009 getroffene Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an die Klägerin für Dezember 2009 von 339,77 EUR teilweise in Höhe von 51,23 EUR konkludent aufgehoben und damit zu Ungunsten der Klägerin abgeändert. Des weiteren hat sie die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an die Klägerin für Januar 2010 von 339,77 EUR zu Gunsten der Klägerin im Bescheid vom 08.02.2010 um einen Betrag von 127,52 EUR erhöht, also auch abgeändert. Als abändernder Bescheid ist der Bescheid vom 08.02.2010 automatisch nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 18.12.2009 geworden (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 86 Rn 4), so dass der Bescheid vom 08.02.2010 Gegenstand der am 12.04.2010 erhobenen Klage, S 21 AS 714/10, gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 gewesen ist, mit dem der Beklagte das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 18.12.2009 abgeschlossen hat. Damit ist eine Klage gegen den Bescheid vom 08.02.2010 vor der Erhebung der Klage am 20.05.2010 rechtshängig gewesen. Dies gilt auch für den Widerspruchsbescheid vom 20.04.2010, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand der Klage S 21 AS 714/10 geworden ist. Der Fortfall der anderweitigen Rechtshängigkeit durch den Abschluss eines Prozessvergleichs am 23.09.2010 im Verfahren S 21 AS 714/10 im Laufe des Beschwerdeverfahren ist unerheblich, da ein Rechtschutzbedürfnis der Klägerin an der Fortführung des Verfahrens im Hinblick auf die im Prozessvergleich vom 23.09.2010 getroffenen Regelungen nicht ersichtlich ist. Die in Ziffer 1 des Prozessvergleichs geregelte Verpflichtung der Beklagten auf Überprüfung der Leistungsbescheide ab dem 01.07.2009 erfasst auch den Bescheid vom 08.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2010.
Inwieweit der Beklagten wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrungen in dem Bescheid vom 08.02.2010 und dem Widerspruchsbescheid vom 20.04.2010 unter Berücksichtigung des Veranlassungsgrundsatzes Kosten des Widerspruchsverfahrens oder des Klageverfahrens ganz oder teilweise aufzuerlegen sind, bliebt der Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG im Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 20.10.2010 – B 13 R 15/10 R, Rn 37f.).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 16.08.2011
Zuletzt verändert am: 16.08.2011