Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 06. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Vollstreckung von Beitragsrückständen streitig, die den Zeitraum vom 01.02.2007 bis zum 31.07.2007 betreffen.
Der am 00.00.1964 geborene Antragsteller (ASt.) trat zum 01.10.2003 wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Bereich "Hausmeisterservice" der freiwilligen Krankenversicherung der Antragsgegnerin (AG in) bei. Da der ASt. zunächst keine Angaben über die zu erwartenden Einnahmen machen konnte, erfolgte mit Bescheiden vom 20.10.2003, 13.12.2005, 20.12.2005 sowie 27.12.2006 eine vorläufige Beitragseinstufung auf der Basis des jeweiligen Mindesteinkommens. In der Folgezeit traten wiederholt Zahlungsrückstände auf. Einen endgültigen Beitragsbescheid erteilte die AG in unter dem 07.03.2007, nachdem ihr die tatsächlichen Einkünfte des ASt. aus selbständiger Tätigkeit bekannt geworden waren. Sie errechnete für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.01.2007 eine Nachforderung in Höhe von 4.261,73 EUR. Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 22.03.2007 machte der ASt. geltend, die Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2006 werde derzeit neu berechnet. Es ergäben sich geringere als die von der AG in zugrunde gelegten Einkünfte. Die geänderten Einkünfte berücksichtigte die AG in im Hinblick auf einen am 23.01.2007 vorgelegten vorläufigen Einkommensteuerbescheid ab Februar 2007 mit Bescheid vom 27.04.2007, der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war.
Wie bereits bei den zahlreich aufgetretenen Zahlungsrückständen in der Vergangenheit wies die AG in den ASt. mit einem weiteren Schreiben vom 27.04.2007 erneut darauf hin, dass die Beiträge jeweils bis zum 15. des Folgemonats zu zahlen seien. Außerdem nahm sie Bezug auf ein anliegendes Schreiben über den drohenden Leistungsausschluss, da am Zahltag für mehr als einen Beitragsmonat Rückstände vorlägen. Die Schreiben wurden dem ASt. ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Postzustellungsurkunde am 02.05.2007 zugestellt. Mit Schreiben vom 30.05.2007, eingegangen bei der AG in am 01.06.2007, kündigte der ASt. seine Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung. Er könne sich eine solche aufgrund der Höhe der nunmehr geltend gemachten Beiträge nicht mehr leisten. Die von der AG in mit Schreiben vom 01.06.2007 als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung angeforderte Mitgliedsbescheinigung einer gesetzlichen Krankenkasse oder Privatversicherung legte der ASt. zunächst nicht vor. Im Hinblick auf die Beitragsrückstände endete die Mitgliedschaft des ASt. bei der AG in zum 31.07.2007. Am 30.08.2007 legte der ASt. der AG in die Bescheinigung einer privaten Krankenversicherung über das Bestehen einer Krankheitskostenvollversicherung ab dem 01.08.2007 vor.
Da der ASt. Beiträge ab Februar 2007 nicht mehr entrichtet hatte, teilte die AG in dem ASt. mit Schreiben vom 21.09.2007 mit, dass für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.07.2007 eine Gesamtforderung in Höhe von 1.969,89 EUR bestehe, und bat um Mitteilung, ob der ASt. bereit sei, die Rückstände in Raten von 500,00 EUR monatlich zu tilgen. Dem Schreiben lag eine Auflistung der angefallenen Beiträge und Säumniszuschläge ab dem 30.09.2006 bei.
Die zunächst eingeleitete Zwangsvollstreckung bezüglich der rückständigen Beiträge für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.01.2007 stellte die AG in im Hinblick auf den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 12.09.2007 (Az.: S 21 KR 53/07 ER), mit dem das SG in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 07.03.2007 angeordnet hatte, wieder ein. Bezüglich der offenen Beiträge für die Zeit vom 01.02.007 bis zum 31.07.2007, die nicht Gegenstand des o. g. einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gewesen waren, nahm die AG in die Zwangsvollstreckung jedoch wieder auf. Unter dem 08.10.2007 machte sie die Ruhendstellung ihres Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber der Volksbank F eG in Höhe von 2.032,39 EUR (Hauptforderung und Nebenforderungen) rückgängig.
Dagegen richtet sich der am 11.10.2007 bei dem SG Aachen eingegangene weitere Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zu dessen Begründung hat der ASt. geltend gemacht, dass sich die AG in nicht an den o. g. Beschluss des SG Aachen vom 12.09.2007 halte. Der von dieser erlassene Leistungsbescheid vom 07.03.2007 entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Soweit sich die AG in bei der erneuten Vollstreckung nunmehr auf einen Bescheid vom 27.04.2007 beziehe, sei ihm ein solcher nicht zugegangen.
Der ASt. hat schriftsätzlich beantragt,
die AG in im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung aus einem vermeintlichen Anspruch auf rückständige Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 2.230,39 EUR vorläufig einzustellen.
Die AG in hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat darauf verwiesen, dass der aktuellen Vollstreckung der Bescheid vom 27.04.2007 zugrunde liege, mit dem die Beiträge ab dem 01.02.2007, ausgehend von der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbständig Tätige, festgesetzt worden seien. Widerspruch gegen diesen Beitragsbescheid habe der ASt. nicht eingelegt.
Mit Beschluss vom 06.11.2007 hat das SG den Antrag des ASt. abgelehnt; denn dieser sei nicht zulässig. Ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei vorrangig. Das SG sei nach § 7 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) zuständig für Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines den Anspruch vollziehenden Leistungsbescheides. Diese Einwendungen seien nach § 7 Abs. 1 VwVG NRW mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Da es sich bei dem Leistungsbescheid um einen Verwaltungsakt handele, seien zulässige Rechtsbehelfe Widerspruch und Anfechtungsklage. Davon habe der ASt. jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Aber auch wenn der gestellte Antrag in einen solchen nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG umdeutet werden könnte, sei dieser Antrag nicht begründet. Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG stehe im Ermessen des Gerichts und erfolge auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen seien das private Interesse des ASt., dass der Verwaltungsakt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht vollstreckt werde, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides. Im Rahmen dieser Interessenabwägung komme den Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Voraussetzung sei jedoch in jedem Fall, dass ein Widerspruch eingelegt bzw. eine Anfechtungsklage erhoben worden sei, deren aufschiebenden Wirkung angeordnet werden solle. Bezüglich des Bescheides vom 27.04.2007 sei jedoch kein Vorverfahren anhängig. Dass der ASt. diesen Bescheid nicht erhalten habe, sei aufgrund der gesamten Umstände nicht glaubhaft. Selbst wenn er den Bescheid nicht erhalten haben sollte, so sei dieser seinen Prozessbevollmächtigten spätestens aufgrund der Übersendung durch das Gericht bekannt geworden. Widerspruch habe der ASt. dennoch nicht eingelegt. Ein solcher hätte im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg, da die AG in – im Gegensatz zu dem vorangegangenen Zeitraum – nunmehr den für den ASt. geringsten Beitragssatz festgesetzt habe.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 09.11.2007 zugestellten Beschluss hat der ASt. am 07.12.2007 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Zugleich hat er am 25.10.2007 gegen den Bescheid vom 27.04.2007 Widerspruch eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er trägt ergänzend vor, sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zumindest in einen Antrag nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG umzudeuten. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da er, der ASt., bereits mit Schreiben vom 30.05.2007 seine Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung der AG in gekündigt habe. Er sei völlig mittellos und verfüge nicht über Einkünfte oder Vermögen.
Der ASt. beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des SG Aachen vom 06.11.2007 zu ändern und die AG in im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung aus einem vermeintlichen Anspruch auf rückständige Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 1.969,89 EUR zuzüglich Nebenforderungen vorläufig einzustellen.
Die AG in beantragt schriftsätzlich,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Beschluss. Eine Umdeutung des Antrages nach § 86b Abs. 2 SGG in einen solchen nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG komme allein deshalb nicht in Betracht, weil der ASt. seinen – verspätet eingelegten – Widerspruch bislang nicht einmal begründet habe. Im Übrigen sei der Bescheid vom 27.04.2007 nicht offensichtlich rechtswidrig.
Mit Bescheid vom 26.10.2007 hat die AG in die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der ASt. habe nicht glaubhaft gemacht, den Bescheid vom 27.04.2007 nicht erhalten zu haben. Über den – bislang nicht begründeten – Widerspruch hat die AG in noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte und der beigezogenen Akten (S 21 KR 53/07 ER, SG Aachen, und S 13 KR 103/07, SG Aachen) Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des ASt. ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Beschluss vom 06.11.2007 den Antrag des ASt. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Diesem steht ein Anspruch auf Verpflichtung der AG in im Wege der einstweiligen Anordnung, die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 1.969,89 EUR zuzüglich Nebenforderungen vorläufig einzustellen, nicht zu.
Ein Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Vollstreckung besteht nicht.
Zwar hat der ASt. inzwischen Widerspruch eingelegt, über den noch nicht abschließend entschieden worden ist, so dass § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Deren Voraussetzungen liegen allerdings nicht vor. Nach der o. g. Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten, um die es vorliegend geht. Maßstab für eine Entscheidung im Eilverfahren, ob dennoch die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, ist gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG eine umfassende Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Vor allem dann, wenn der Verwaltungsakt bereits nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist, kann schlechterdings ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehbarkeit nicht bestehen, so dass das Aufschubinteresse Vorrang hat. In den anderen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Anordnung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage.
Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides vom 27.04.2007, mit dem die Beiträge ab dem 01.02.2007, ausgehend von der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbständig Tätige, festgesetzt worden sind, bestehen nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Anhaltspunkte. Der Widerspruch dürfte bereits wegen Versäumung der Widerspruchsfrist – die AG in hat eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Sozialgericht zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides abgelehnt – keinen Erfolg haben. Im Übrigen ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, welche Gründe gegen die inhaltliche Richtigkeit des Bescheides sprechen sollten. Insbesondere ist die Kündigung der Mitgliedschaft durch den ASt. vor dem 31.07.2007 nicht wirksam geworden, da es an der für den Eintritt des Endes der Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 191 Nr. 3 i. V. m. § 175 Abs. 4 S. 4 SGB V zwingend erforderlich ist, dass der Versicherte die Mitgliedschaftsbescheinigung einer anderen Krankenkasse vorlegt. Dies ist jedoch erst am 30.08.2007 erfolgt. Im Gegensatz zu dem früheren Zeitraum bis zum 31.01.2007 hat die AG in der Beitragsforderung auch nur Mindestbeiträge zugrunde gelegt.
Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt es bereits nicht mehr an, abgesehen davon, dass der ASt. seine finanziellen Verhältnisse in keiner Weise dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 18.03.2008
Zuletzt verändert am: 18.03.2008