Die Rev. d.Kl. wird mit Urteil des BSG zurückgewiesen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Trägerin des Seniorenhauses N-heim in Bad N. Sie begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 SGB X) die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme (höherer) ungedeckter Heimpflege- und Unterkunftskosten für die Bewohnerin I X (im Folgenden: Leistungsberechtigte) als Hilfe zur stationären Heimpflege nach dem SGB XII. Streitig sind im Anschluss an einen Teilunterwerfungsvergleich im Berufungsverfahren noch Leistungen für den Monat Oktober 2007.
Die Leistungsberechtigte (geb. 00.00.1912, gest. 20.01.2010) war zweimal verheiratet. Ihre erste Ehe mit dem am 00.09.1982 verstorbenen F N wurde geschieden. Aus ihr ging der am 00.00.1965 geborene Enkel N N hervor. Auch der zweite Ehemann war vorverstorben.
Die Leistungsberechtigte verfügte 2007 über Netto-Einkünfte aus Altersrente (DRV Bund, monatlich 665,52 EUR inklusive einer Kindererziehungsleistung gemäß §§ 294 ff. SGB VI für ein Kind i.H.v. 26,27 EUR), einer Zusatzversorgung (VBL, monatlich 15,90 EUR) sowie aus Versorgungsbezügen (Wehrbereichsverwaltung West; monatlich 261,15 EUR). Diese Bezüge (jeweils Stand ab Juli 2007) wurden auf ihr Girokonto (Nr. 000) bei der E Bank (später: D-bank) überwiesen.
Das Girokonto bei der E Bank wies Ende September 2007 einen Negativ-Saldo von 3.101,71 EUR, Ende Oktober 2007 von 3.533,55 EUR auf. Ein Sparguthaben bei der E Bank (Nr. 000) betrug Ende September 2007 104,50 EUR, Ende Oktober 2007 181,19 EUR. Die Leistungsberechtigte hielt einen Wohnungsgenossenschaftsanteil von 1.998 EUR (weitere Einzelheiten s.u.). Abbuchungen vom Girokonto für eine Lebens- und eine Krankenversicherung (H Versicherung) sowie für eine Unfallversicherung der (W-Versicherung) betrafen Versicherungsverträge ihres Enkels; auch nach Heimaufnahme der Leistungsberechtigten erfolgten vom Girokonto noch Barabhebungen (1.000,00 EUR am 10.04.2008, 800,00 EUR am 23.06.2008, jeweils in L).
Die Leistungsberechtigte litt (ausweislich eines im Betreuungsverfahren vom Amtsgericht F – 7 XVII 00/08 eingeholten Gutachtens des Nervenarztes und Psychiaters Dr. P vom 12.04.2008, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird) bereits 2007 unter einer Demenz. 2007 waren ein Grad der Behinderung von 80 sowie die Merkzeichen "G" und "aG" festgestellt. In der Gesetzlichen Pflegeversicherung war sie zum 06.08.2007 der Pflegestufe I, zum 01.11.2007 der Pflegestufe II und zum 01.03.2008 der Pflegestufe III zugeordnet worden.
Der Enkel verfügte seit dem 01.08.2006 über eine General- und Vorsorgevollmacht der Leistungsberechtigten. Im Mai 2008 wurde er zu ihrem Betreuer bestellt (Aufgabenkreis: Vermögenssorge, Vertretung bei Behörden, Gerichten und Leistungsträgern sowie Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen). Mit Beschluss des Amtsgerichts F von 03.12.2008 wurde an seiner Stelle der Berufsbetreuer I bestellt (Aufgabenkreis wie zuvor; zusätzlich Gesundheitssorge). In einem Beschluss des Landgerichts C vom 06.01.2009 – 4 T 00/08 (ergangen auf sofortige Beschwerde des Enkels gegen den Beschluss des Amtsgerichts) ist ausgeführt, der bisherige Betreuer (Enkel) sei nicht willens oder nicht in der Lage, die Interessen der Leistungsberechtigten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Er habe ersichtlich das Entstehen von Rückständen beim Heimentgelt hingenommen, welche in einer Kündigung des Heimplatzes gemündet hätten. Es sei davon auszugehen, dass der Enkel auf Kosten der Leistungsberechtigten deren ehemalige Wohnung weiter genutzt sowie Gelder der Leistungsberechtigen zu seinen Gunsten verwandt habe. Er sei deshalb zur Führung des Betreueramtes persönlich ungeeignet.
Die Leistungsberechtigte lebte seit dem 01.02.2004 gemeinsam mit ihrem Enkel in einer Genossenschaftswohnung in L; beide waren als Genossenschaftsmitglieder in den Dauernutzungsvertrag aufgenommen. Die Kosten für die Wohnung beliefen sich monatlich auf 469,94 EUR. Mit Schreiben vom 02.10.2008 kündigte der Enkel das Nutzungsverhältnis für sich und die Leistungsberechtigte zum nächstmöglichen Zeitpunkt (31.01.2009). Er wohnte bis Januar 2009 in der Wohnung. Die Leistungsberechtigte und ihr Enkel hielten (sechs bzw. fünf) Genossenschaftsanteile im Wert von 1.998 EUR bzw. 1.665 EUR; diese verrechnete die Genossenschaft bei Beendigung des Nutzungsvertrages mit offenen eigenen Forderungen (für ab Dezember 2008 ausgebliebene Mietzahlungen sowie Renovierungsarbeiten). Bei Abgabe der Schlüssel weigerte sich der Enkel, der Genossenschaft seine neue Anschrift bekannt zu geben.
Am 06.08.2007 wurde die Leistungsberechtigte in das Seniorenhaus der Klägerin in Bad N aufgenommen. Die Heimpflegekosten beliefen sich zunächst (bei Ansatz der Pflegestufe I) auf 90,36 EUR täglich.
Am 03.08.2007 informierte der Enkel die Beklagte telefonisch über die Heimaufnahme sowie eine Erforderlichkeit von Sozialhilfe. Er sei einziger Verwandter und beabsichtige, in die Eifel umzuziehen. Ein schriftlicher Antrag auf Sozialhilfe ging mit verschiedenen Unterlagen am 22.11.2007 bei der Beklagten ein. Der Enkel wurde auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 66 SGB I hingewiesen. Am 10.08.2007 beantragte das Heim für die Leistungsberechtigte Pflegewohngeld.
Nach Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Leistungsberechtigten lehnte die Beklagte die Anträge auf Pflegewohngeld und auf Leistungen nach dem SGB XII, gestützt auf "Zweifel an der Bedürftigkeit", jeweils ab (Bescheide vom 07.10.2008). Dabei wies sie jeweils auch auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht (§§ 60 bis 62, 65 SGB I) hin.
Im Klageverfahren gegen die Ablehnung der Gewährung von Pflegewohngeld (Verwaltungsgericht L – 22 K 00/00) gab die Beklagte am 18.12.2008 nach nochmaliger Prüfung ein Anerkenntnis ab; das Verfahren wurde daraufhin am 01.04.2009 eingestellt.
Der Bescheid vom 07.10.2008 über die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB XII wurde bestandskräftig. Der neue Betreuer der Klägerin beantragte am 05.02.2009 bei der Beklagten eine Überprüfung nach § 44 SGB X mit dem Ziel der Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 07.10.2008 und der Übernahme der ungedeckten Heimkosten ab Heimaufnahme.
Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 07.10.2008 auf (Schreiben vom 25.02.2009). Mit Bescheid vom 26.02.2009 bewilligte sie Pflegewohngeld in unterschiedlicher Höhe (für Oktober 2007 496,15 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 26.02.2009 bewilligte sie der Leistungsberechtigten Hilfe zur Pflege in Einrichtungen (§§ 35, 61 ff. SGB XII) für die Zeit von August 2008 bis April 2009 ebenfalls in unterschiedlicher Höhe (für Oktober 2007 463,35 EUR). Die Bescheide vom 26.02.2009 wurden wiederum bestandskräftig. Ein weiterer Bescheid vom 25.03.2009 über Pflegewohngeld enthielt keine inhaltliche Änderung.
Auch im Anschluss an die mit den Bescheiden vom 26.02.2009 rückwirkend bewilligten Leistungen verblieben für die Zeit von August 2007 bis Oktober 2008 Rückstände bei den Heimkosten. Diese resultierten daraus, dass die für die Leistungsberechnung berücksichtigten Renten- bzw. Versorgungseinkünfte von der Leistungsberechtigten bzw. ihrem Enkel nicht bzw. nur unvollständig an die Klägerin abgeführt worden waren (die Rente der DRV Bund wurde im genannten Zeitraum vollständig nicht für Verpflichtungen der Leistungsberechtigten aus dem Heimvertrag eingesetzt, die VBL-Rente erst ab der Zahlung für Mai 2008 und die Leistungen der Wehrbereichsverwaltung erst ab der Zahlung für Juni 2008). Gleichwohl liefen die Kosten für die Wohnung, u.a. eine monatliche Spende für UNICEF (5,11 EUR) sowie zeitweise auch Versicherungsbeiträge des Enkels weiter über das Girokonto der Leistungsberechtigten.
Nachdem die Klägerin den neuen Betreuer zur Begleichung der rückständigen Heimkosten aufgefordert hatte, beantragte dieser am 11.05.2009 für die Leistungsberechtigte bei der Beklagten abermals eine Überprüfung nach § 44 SGB X mit dem Ziel einer Übernahme der ungedeckten Heimkosten als Sozialhilfe.
Mit (vorliegend angefochtenem) Bescheid vom 19.06.2009 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 26.02.2009 und die Übernahme rückständiger Heimkosten ab. Es sei nicht erkennbar, dass das Recht unrichtig angewandt worden sei. Die Berücksichtigung der Renten- bzw. Versorgungseinkünfte der Leistungsberechtigten sei nach Grund und Höhe zutreffend erfolgt.
Die Leistungsberechtigte legte hiergegen (vertreten durch die Bevollmächtigte der Klägerin) Widerspruch ein. Nach ihrem Tod führte die Klägerin das Widerspruchsverfahren unter Hinweis auf § 19 Abs. 6 SGB XII weiter. Die nicht zur Finanzierung des Heimaufenthaltes abgeführten Renten- und Versorgungsbezüge seien kein nach dem SGB XII einsatzpflichtiges Einkommen gewesen. Denn diese Gelder seien von ihrem Enkel unter Verstoß gegen seine Betreuerpflichten anderweitig verwandt worden. Zum einsetzbaren Einkommen gehörten jedoch nur Einkünfte, die dem Leistungsberechtigten selbst zur Verfügung stünden. Dies sei nicht der Fall, wenn der Verwendung tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstünden; es fehle dann an "bereiten Mitteln", die zur Selbsthilfe verwendet werden könnten. Die Leistungsberechtigte könne auch nicht auf Schadensersatzforderungen verwiesen werden, solange diese nicht kurzfristig realisierbar seien. Sie selbst sei zur Regelung ihrer Geldgeschäfte nicht mehr in der Lage gewesen und habe sich auf die sachgerechte Erledigung ihrer Angelegenheiten durch ihren Enkel verlassen müssen. Ihre Renteneinkünfte hätten ihr deshalb nur in dem Umfang zur Verfügung gestanden, wie ihr Enkel bereit gewesen sei, diese für ihren Bedarf einzusetzen; in Höhe der von ihm nicht weitergeleiteten Renten sei sie bedürftig gewesen. Insbesondere hätte sie zweckwidrig verwandte Renten nicht zurückfordern können.
Nach Beteiligung (nur) einer sozial erfahrenen dritten Person wies die Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 21.07.2011 (zugestellt am 23.07.2011) den Widerspruch zurück. Einkommen i.S.v. § 82 Abs. 1 SGB XII sei alles, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte. Deshalb seien sowohl die Leistungen der Pflegekasse als auch die Alterseinkünfte der Leistungsberechtigten Einkommen i.S.d. SGB XII; ausgenommen sei lediglich die in der Altersrente enthaltene Kindererziehungsleistung (§ 299 SGB VI). Maßgebend sei der Zeitpunkt des Einkommenszuflusses. Als Bedarfszeitraum gelte (auch bei der Hilfe zur Pflege) der jeweilige Kalendermonat. Die Altersbezüge seien Monat für Monat auf dem Girokonto der Leistungsberechtigten eingegangen; sie hätten deshalb tatsächlich zu ihrer Disposition bereitgestanden. Damit seien sie einsatzpflichtiges Einkommen gewesen. Dass ihr Enkel dieses Einkommen nicht zur Deckung ihres Bedarfs eingesetzt habe, ändere daran nichts. Die Leistungsberechtigte habe sich das Verhalten ihres Enkels zurechnen lassen müssen; ggf. hätte sie Schadensersatzansprüche gegen ihn verfolgen müssen. Für die Klägerin hätte im Übrigen die Möglichkeit bestanden, sich die Renten- und Versorgungsansprüche im Heimvertrag abtreten zu lassen. Auch aus anderen rechtlichen Gründen stünden der Leistungsberechtigten weitere Leistungen nicht zu. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Aufwendungen für ihre Mietwohnung; diese könnten nach der Heimaufnahme weder nach § 29 SGB XII noch nach § 61 SGB XII berücksichtigt werden. Der Sozialhilfeträger sei lediglich verpflichtet, Kosten für aktuell bewohnten Wohnraum zu übernehmen. Dies gelte vorliegend umso mehr, als der Enkel auch nach Heimaufnahme weiter – allein – in der Wohnung gelebt habe. Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin könne nicht besser gestellt werden als die Leistungsberechtigte zu Lebzeiten.
Die Klägerin hat am 23.08.2011 Klage erhoben. Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, die von dem Enkel anderweitig verwendeten Alterseinkünfte der Leistungsberechtigten seien keine bereiten Mittel zur Finanzierung des Heimaufenthaltes. Keineswegs habe sie einen Anspruch auf Abtretung der Rentenzahlungen gehabt. Sozialhilfe diene der Überbrückung einer Notlage, auch wenn diese durch rechtsmissbräuchliche Handlungen einer Vertrauensperson entstanden sei. Eine Haftung der Leistungsberechtigten für das Verhalten ihres Enkels nach § 278 BGB sei allenfalls bei Verletzung von Obliegenheiten aus vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen denkbar. Zwischen ihr und der Beklagten habe durch den Antrag auf Sozialhilfe eine öffentlich-rechtliche Sonderverbindung bestanden. In deren Rahmen habe sie sich Erklärungen ihres Enkels zwar zurechnen lassen müssen; die vom Enkel veranlassten Zahlungen, die das für die Heimfinanzierung zur Verfügung stehende Vermögen reduziert hätten, seien jedoch nicht zur Erfüllung einer gegenüber der Beklagten bestehenden Verbindlichkeit erfolgt. Eine schuldhafte Handlung müsse in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, die der Schuldner dem Erfüllungsgehilfen zugewiesen habe. Da dieser Zusammenhang hier fehle, bleibe für § 278 BGB kein Raum. Nur schwer durchsetzbare Rechtsansprüche gegen Dritte stellten keine bereiten Mittel dar; fiktive Einnahmen dürften bei der Sozialhilfe nicht berücksichtigt werden. Der Anspruch auf Sozialhilfe sei unabhängig von den Ursachen und Gründen der Hilfebedürftigkeit. Gemäß § 26 SGB XII sei eine Leistungseinschränkung auf das zum Lebensunterhaltunterhalt Unerlässliche nur ausnahmsweise möglich, wenn der Leistungsberechtigte sein sozialhilferechtlich relevantes Einkommen oder Vermögen absichtlich vermindert bzw. trotz Belehrung ein unwirtschaftliches Verhalten fortgesetzt habe. Im Übrigen werde die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers durch den Kostenersatzanspruch gegen schuldhaft Handelnde nach § 103 SGB XII kompensiert. Daraus folge, dass ein Verschulden des Erfüllungsgehilfen nur Auswirkungen auf die Sozialhilfe haben könne, wenn der Leistungsberechtigte von dessen schuldhaftem Verhalten wisse bzw. trotz Möglichkeit der Einflussnahme ein solches nicht unterbinde. Die Situation der Leistungsberechtigten sei jedoch in gleicher Weise unverschuldet wie bei einem Beweisnotstand. Gegenüber einer Anwendung von § 278 BGB hätten die speziellen Vorschriften des SGB XII zur Notlagenhilfe Vorrang. Im Übrigen sei ungeprüft geblieben, ob die Leistungsberechtigte ihre Wohnung trotz Heimaufenthalts hätte beibehalten können, ferner, inwieweit der Enkel wegen eines von August 2007 bis März 2009 nicht gewährten Barbetrages verpflichtet und berechtigt gewesen sei, Einkommen der Leistungsberechtigten für den Barbedarf einzusetzen. Dass die Alterseinkünfte nicht im gebotenen Umfang für den Heimaufenthalt eingesetzt worden seien, beruhe im Übrigen nicht auf einem Beratungsfehler der Klägerin. Wegen des anhängigen Sozialhilfeverfahrens habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die Leistungsberechtigte in dem Umfang ergänzende Sozialhilfe für ihren Heimaufenthalt erhalte, in dem diese nicht leistungsfähig gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 19.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2011 sowie den Bescheid vom 26.02.2009 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ergänzende Sozialhilfe zur Finanzierung des Heimaufenthaltes der verstorbenen Frau I X zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie gehe davon aus, dass die Klägerin bei Abschluss des Heimvertrages mit der Leistungsberechtigten bzw. deren Enkel die Finanzierung des Heimplatzes besprochen und diese darüber informiert habe, dass auch die Alterseinkünfte für die Pflegekosten einzusetzen seien. Bei einer nicht gesicherten Finanzierung trage die Klägerin als Heimeinrichtung das entsprechende Risiko. Die Beklagte sei kein Ausfallbürge bei einem Fehlverhalten Dritter. Gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII gehe der Sozialhilfeanspruch nur in der Höhe auf die Klägerin über, wie er der Leistungsberechtigten zugestanden habe.
Im Erörterungstermin vom 10.09.2012 haben sich die Beteiligten mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16.01.2013 (der Klägerbevollmächtigten am 24.01.2013 zugestellt) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte eine weitergehende Hilfe zur Pflege abgelehnt. Dass die Alterseinkünfte der Leistungsberechtigten tatsächlich nicht zur Bedarfsdeckung, sondern anderweitig eingesetzt worden seien, stehe ihrer Anrechnung bei der Sozialhilfe nicht entgegen; denn es komme allein auf den tatsächlichen Zufluss des Einkommens im Bedarfszeitraum an. (Fehl-)Handlungen ihres Enkels müsse sich die Leistungsberechtigte (und damit auch die Klägerin) zurechnen lassen. Führe eine falsche Einkommensverwendung zu Schulden, könne der Leistungsberechtigte eine Übernahme dieser Schulden durch den Sozialhilfeträger nicht verlangen; eine Schuldentilgung gehöre grundsätzlich nicht zu dessen Aufgaben. Ein Leistungsberechtigter habe, wenn ein Vertreter bzw. Betreuer die zweckwidrige Verwendung von "bereiten Mitteln" zu verantworten habe, Ansprüche gegen diesen. Keineswegs sei im Übrigen die Miete für die frühere Wohnung der Leistungsberechtigen zu berücksichtigen gewesen. Denn Unterkunftskosten seien nur bei tatsächlicher Nutzung einer Unterkunft berücksichtigungsfähig. Die Leistungsberechtigte habe die Wohnung in L im Bedarfszeitraum jedoch nicht mehr bewohnt. Ohne Bedeutung sei schließlich, ob und ggf. inwieweit ihr Enkel wegen des von August 2007 bis März 2009 nicht gewährten Barbedarfs verpflichtet und berechtigt gewesen sei, das Einkommen der Leistungsberechtigten hierfür einzusetzen; denn tatsächlich habe er dies nicht getan. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die am 25.02.2013 (Montag) eingelegte Berufung der Klägerin. Zum Begriff der "bereiten Mittel" komme es auf eine Betrachtung des Einzelfalles an. Solche Mittel könnten etwa bei einer Pfändung fehlen, wenn das Geld anderweitig ausgegeben worden sei, oder wenn ein Leistungsberechtigter nach § 61 SGB XII gesundheitlich nicht in der Lage sei, seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Könne er über seine Altersrente nicht verfügen, sei ihm Sozialhilfe ohne deren Anrechnung zu gewähren. Die Leistungsberechtigte habe die zweckwidrige Verwendung ihrer Einkünfte durch ihren Enkel nicht beeinflussen können. Dass sie ihm eine Vollmacht erteilt habe, sei ihr nicht vorzuwerfen; selbst das Betreuungsgericht habe ihn zunächst für zuverlässig gehalten. Als sie nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei, sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, die Vollmacht zu widerrufen oder gegen die Betreuerbestellung vorzugehen. Dass es wegen der Rückstände bei den Heimkosten nicht zu einer Räumungsklage gekommen sei, beruhe ausschließlich darauf, dass die Klägerin auf eine ergänzende Sozialhilfegewährung für die Leistungsberechtigte vertraut habe. Notlagenhilfe bei falscher Verwendung von Einkünften könne nicht Aufgabe des Heimträgers sein. Wäre dies so, müssten die Pflegesätze um einen entsprechenden Wagnisausfall erhöht werden; dass ein solcher nicht existiere, spreche dafür, dass es nicht zum Unternehmerrisiko eines Heimträgers gehöre, im Rahmen seines Versorgungsauftrages Notlagenhilfe anstelle des Sozialhilfeträgers zu leisten. Im Übrigen erschließe sich nicht, weshalb das Sozialgericht nicht einmal für einen Übergangszeitraum doppelte Kosten der Unterkunft für berücksichtigungsfähig gehalten habe. Eine zeitnahe Kündigung des Mietvertrages durch die Leistungsberechtigte wäre problematisch gewesen. Aufgrund jahrelangen Zusammenlebens mit ihrem Enkel sei sie zivilrechtlich gehalten gewesen, diesem eine angemessene Auszugsfrist einzuräumen. Ein etwaiger Anspruch der Leistungsberechtigten auf Nutzungsentschädigung gegenüber ihrem Enkel sei nicht realisierbar gewesen. Dass der Enkel nach ihrer Heimaufnahme die Wohnung weiter bewohnt habe, habe sie nicht entlastet; bis zur Kündigung bzw. einer Räumung sei sie weiterhin zur Tragung der Wohnungskosten verpflichtet gewesen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zunächst auf Nachfrage präzisiert, es gehe ihr um einen Leistungszeitraum von September 2007 bis März 2008 und um eine Leistungssumme von 6.484,75 EUR. Anschließend haben die Beteiligten durch Teilunterwerfungsvergleich den streitigen Zeitraum auf den Monat Oktober 2007 beschränkt und sich hinsichtlich der Monate September 2007 sowie November 2007 bis März 2008 dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens unterworfen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2011 (W502/11) sowie unter Änderung des Bescheides vom 26.02.2009 (1 530 166 66 0501 9) zu verurteilen, der Klägerin für Heimkosten der verstorbenen Frau I X für Oktober 2007 weitere 942,57 EUR als ergänzende Sozialhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts Köln für zutreffend.
Der Senat hat Auszüge des Girokontos der Leistungsberechtigten für den Zeitraum Juli 2007 bis November 2008 beigezogen, auf die Bezug genommen wird (Blatt 129, 136 bis 165 der Gerichtsakte). Ferner hat er von der Wohnungsgenossenschaft (H zu L e.G.) die dort verfügbaren Unterlagen zur Begründung und zur Beendigung des Nutzungsverhältnisses mit der Leistungsberechtigten und dem Enkel beigezogen; auch darauf wird verwiesen (Blatt 130 f., 167 bis 184 der Gerichtsakte).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten; Prozessakten des Verwaltungsgerichts L – 22 K 00/00, Betreuungsakte des Amtsgerichts F – 7 XVII 00/08) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2011 (§ 95 SGG).
Inhaltlich geht es um die Überprüfung des Leistungsbescheides vom 26.02.2009 nach § 44 SGB X und damit um einen Anspruch auf höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel SGB XII im Rahmen eines Schuldbeitritts zu den heimvertraglichen Verpflichtungen der Leistungsberechtigten gegenüber der Klägerin (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2015, § 75 Rn. 42 m.w.N.). Diesen Leistungsanspruch macht die Klägerin für sich selbst aus nach § 19 Abs. 6 SGB XII übergegangenem Recht geltend.
B) Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG statthafte Klage (dazu BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY 7/12 R Rn. 13 m.w.N.) ist nicht begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) durchgeführt worden. Ein denkbarer Verstoß gegen § 116 Abs. 2 SGB XII (dazu weiter unten) würde daran nichts ändern; § 78 SGG verlangt allein die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als solches, nicht jedoch seine Fehlerfreiheit (vgl. z.B. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 78 Rn. 2; BSG, Urteil vom 24.03.2015 – B 8 SO 16/14 R).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere Leistungen zur Deckung der Kosten des Heimaufenthalts der Leistungsberechtigten im Oktober 2007. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2011 hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 26.02.2009 nach § 44 SGB X zu Gunsten der Klägerin zu ändern; die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn die Leistungsberechtigte hatte (für den noch streitigen Zeitraum Oktober 2007) keinen Anspruch auf höhere als die bewilligten Leistungen, welcher nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen sein könnte.
1. Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig.
a) Die Beklagte war die für die Entscheidung zuständige Behörde.
Ihre sachliche Zuständigkeit als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII; § 2 AV-SGB XII NRW begründet im vorliegenden Fall keine vorrangige sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für die stationäre Heimpflege.
Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Denn die Leistungsberechtigte hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit Jahren im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Sie lebte schon seit dem 01.02.2004 zusammen mit ihrem Enkel in ihrer letzten vor Heimaufnahme genutzten Wohnung in L. Anhaltspunkte dafür, dass sie bereits damals nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts notwendigen tatsächlichen Willen zu fassen, bestehen nicht. Zwar hat der im Betreuungsverfahren gehörte nervenärztliche Gutachter Dr. P zum Begutachtungszeitpunkt (April 2008) bereits eine fortgeschrittene Demenz der Leistungsberechtigten festgestellt; seinem Gutachten lässt sich jedoch zugleich entnehmen, dass erst im August 2007 über ein dementielles Syndrom erstmals berichtet worden ist. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Leistungsberechtigte im Frühjahr 2004 willensfähig war und in L einen Aufenthalt von gewisser Dauer zukunftsoffen begründen wollte, um dort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu verorten (vgl. hierzu etwa Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 106 Rn. 43 bis 45; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 98 Rn. 24; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 98 Rn. 49 f.; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 33. Erg.-Lfg. VIII/13, K § 98 Rn. 51); auf die Frage, wo sie vor dem 01.02.2004 ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kommt es deshalb von vornherein nicht an.
b) Eine beratende Beteiligung sozial erfahrener Dritter vor Erlass des Widerspruchsbescheides nach § 116 Abs. 2 SGB XII (vgl. zur Anwendbarkeit von § 116 Abs. 2 SGB XII auf Überprüfungsbescheide nach § 44 SGB X Blüggel in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 116 Rn. 31) hat insofern stattgefunden, als dass (nur) eine dritte Person beteiligt wurde.
Wegen des den Plural verwendenden Wortlauts des § 116 Abs. 2 SGB XII ("Dritte") erachten manche Kommentierungen die Beteiligung einer einzelnen dritten Person nicht als hinreichend (so Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2014, § 116 Rn. 2 sowie Conradis in LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 116 Rn. 7, jeweils m.w.N.; ferner Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19 Auflage 2015, § 116 Rn. 5; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 28. Erg.-Lfg. VII/12, K § 116 Rn. 6). Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.11.1993 – 5 C 8/90 Rn. 28) zur Vorgängerregelung des § 114 BSHG die Beteiligung nur einer sozial erfahrenen Person – ohne weitere Begründung – für ausreichend gehalten (vgl. dazu auch Schlette und Conradis a.a.O.).
Der Senat kann offen lassen, ob wegen Sinn, Zweck oder grundsätzlicher Ausgestaltung des § 116 Abs. 2 SGB XII (Beteiligung externen Sachverstandes, ohne dass zugleich eine "paritätische" Beteiligung von Personen aus mindestens zwei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, deren Mitglieder als "sozial erfahren" anzusehen sind, vorgeschrieben ist) trotz des den Plural verwendenden (und insoweit eindeutigen) Gesetzeswortlauts die Beteiligung nur einer sozial erfahrenen dritten Person den formalen Anforderungen an die Entscheidungsfindung im Widerspruchsverfahren genügt. Denn gemäß § 42 S. 1 (2.HS) SGB X wäre auch bei formeller Fehlerhaftigkeit die Nichtbeteiligung einer Mehrzahl von sozial erfahrenen Dritte unbeachtlich, wenn es um eine gebundene Entscheidung geht (vgl. dazu Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 42 Rn. 11; Blüggel a.a.O. Rn. 42 m.w.N.). Da hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen beim Sozialhilfebedarf der Leistungsberechtigten (§ 19 Abs. 3 SGB XII i.d.F. bis 31.12.2010) kein Ermessen eröffnet war, hat ggf. ein Fehler bei der Beteiligung sozial erfahrener Dritter nach § 116 Abs. 2 SGB XII die Entscheidung der Beklagten i.S.v. § 42 S. 1 (2. HS) SGB X "offensichtlich in der Sache nicht beeinflusst" (vgl. dazu auch – allerdings mit wohl versehentlich sinnverkehrender Formulierung – BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 17/09 R Rn. 13).
Gestützt wird diese Sicht des Senats zu § 42 S. 1 SGB X, betrachtet man die Folgen für die Klägerin, wenn man stattdessen einen formalen Fehler wegen nicht ausreichender Beteiligung sozial erfahrener Dritter als (alleinigen) Grund für eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2011 ausreichen lassen wollte. Denn auch dann bliebe der Ausgangsbescheid vom 19.06.2009 und mit ihm die Versagung der begehrten weiteren Sozialhilfeleistungen bestehen. Die Beklagte müsste allerdings wegen des dann nicht (mehr) abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens einen (neuen) Widerspruchsbescheid – nunmehr unter hinreichender Beteiligung Dritter i.S.v. § 116 Abs. 2 SGB XII – erlassen; da es sich dabei wiederum nicht um eine Ermessensentscheidung handeln würde, wäre jedoch keine andere Entscheidung zu erwarten als im Widerspruchsbescheid vom 21.07.2011. Das Verfahren würde deshalb lediglich verzögert, nicht aber im Sinne einer erfolgreichen Rechtsverfolgung durch die Klägerin vorangebracht. Dies würde dem Zweck des § 42 S. 1 SGB X, die Aufhebung eines Verwaltungsaktes zu verhindern, der mit gleichem materiell-rechtlichen Ergebnis neu erlassen werden müsste (vgl. Schütze a.a.O. Rn. 2), gerade zuwiderlaufen.
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
a) Ein Anspruch der Klägerin (in Rechtsnachfolge der verstorbenen Leistungsberechtigten) scheidet nicht etwa schon deshalb von vornherein aus, weil es sich um ein Überprüfungsverfahren i.S.v. § 44 SGB X handelt.
aa) Eine Begrenzung rückwirkender Sozialhilfeleistungen i.S.v. § 44 Abs. 4 SGB XII (vgl. dazu Baumeister in jurisPK-SGB X, 2013, § 44 Rn. 111, 121 m.w.N.) auf ein Jahr nach § 116a SGB XII findet nicht statt. Denn § 116a SGB XII gilt erst seit dem 01.04.2011; der maßgebende Antrag der Leistungsberechtigten auf Überprüfung nach § 44 SGB X datiert jedoch bereits vom 11.05.2009. § 116a SGB X kann auf diesen seiner Geltung zeitlich vorangegangenen Antrag nicht angewandt werden. Dies regelte § 136 SGB X in der vom 01.04.2011 bis 31.12.2012 geltenden Fassung ausdrücklich; danach war § 116a SGB XII nicht anwendbar auf Anträge nach § 44 SGB X, die vor dem 01.04.2011 gestellt worden sind. Dass diese Fassung des § 116a SGB XII zum 01.01.2013 außer Kraft getreten ist, ändert für die Beurteilung des vorliegenden Falles nichts; denn § 136 i.d.F. vom 01.04.2011 bis 31.12.2012 brachte lediglich klarstellend einen Grundsatz des intertemporalen Rechts zum Ausdruck, welcher auch nach Außerkrafttreten der Norm weiterhin Gültigkeit beansprucht. Kommen deshalb bei einem Antrag vom 11.05.2009 nach näherer Maßgabe des § 44 Abs. 4 SGB X bis zu vier Jahren vor Antragstellung rückwirkende Leistungen in Betracht, so scheiden solche Leistungen für Oktober 2007 jedenfalls nicht wegen eines zu späten Antrags aus.
bb) Der Klägerin ist als (Sonder-)Rechtsnachfolgerin der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 6 SGB XII ein Leistungsanspruch nicht etwa bereits deshalb verschlossen, weil es sich um ein Überprüfungsverfahren i.S.v. § 44 SGB X handelt.
Die Klägerin hat i.S.d. § 19 Abs. 6 SGB XII gegenüber der Leistungsbezieherin während deren Heimaufenthalts Leistungen nach dem Dritten und dem Siebten Kapitel des SGB XII (stationäre Heimpflege und Sicherung des Lebensunterhalts) erbracht. Dass das Seniorenhaus der Klägerin insoweit als Einrichtung i.S.v. § 19 Abs. 6 (1. Var.) i.V.m. §§ 13, 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII tätig wurde, steht außer Frage (zum Einrichtungsbegriff vgl. Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 19 Rn. 58). Sofern insoweit noch offene Sozialhilfeansprüche nach dem SGB XII (wegen Verpflichtung der Beklagten zu entsprechender Sachleistungsverschaffung) bestehen, stünden diese dementsprechend gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII nach dem Tode der Leistungsberechtigten der Klägerin als Leistungserbringerin zu.
Dass bis zum Zeitpunkt des Todes der die streitigen Leistung ablehnende Bescheid vom 26.02.2009 als individueller Rechtssatz zwischen der Leistungsberechtigten und der Beklagten bestandskräftig Geltung beanspruchte, steht dem nicht entgegen. Denn die Leistungsberechtigte hatte zu Lebzeiten bereits von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach Maßgabe des § 44 SGB X ein Verfahren in die Wege zu leiten, welches eine rückwirkende Besserstellung in Abänderung der bestandskräftig versagenden Regelung ermöglicht. Sieht aber das Sozialverwaltungsverfahrensrecht eine solche Möglichkeit vor, und tritt der Leistungserbringer nach § 19 Abs. 6 SGB XII im Sinne einer cessio legis (insgesamt) in die rechtliche Position des verstorbenen Leistungsberechtigten ein (vgl. Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015 § 19 Rn. 29), so gilt dies auch für Rechte, die aus einem vom Leistungsberechtigten bereits eingeleiteten Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X resultieren, auch wenn das entsprechende Überprüfungsverfahren noch nicht bestandskräftig abgeschlossen war (was gilt, wenn der Überprüfungsantrag nach dem Tod des Leistungsberechtigten erst vom Rechtsnachfolger i.S.d. § 19 Abs. 6 SGB XII gestellt wird, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden).
cc) Schließlich steht einem möglichen Anspruch der Klägerin auch ein sog. Bedürftigkeitswegfall bei der Leistungsberechtigten nicht von vornherein entgegen. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Sozialhilfe im Rahmen von § 44 SGB X nachträglich nur zu leisten, wenn die gegenwärtige Notlage des Betroffenen weiterhin fortbesteht; dies ist bereits dann nicht (mehr) der Fall, wenn er – sei es auch nur für kurze Zeit – nicht mehr bedürftig war. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ist insofern der Abschluss der letzten Tatsacheninstanz (vgl. dazu, anknüpfend an § 44 Abs. 4 S. 1 SGB XII, BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 16/08 R Rn. 18 ff.; siehe ferner Schütze a.a.O., § 44 Rn. 48 m.w.N.).
(1) Trat die Klägerin mit dem Tode der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 6 SGB XII im Wege einer cessio legis in deren Rechtsposition ein (s.o.), so kann es für einen Bedürftigkeitswegfall zum einen nicht darauf ankommen, ob die Klägerin selbst (etwa wegen ihrer finanziellen Lage) auf die streitigen Leistungen angewiesen ist, bzw. ob sie als juristische Person überhaupt im sozialhilferechtlichen Sinne bedürftig sein kann. Entscheidend ist vielmehr die Bedürftigkeit der Leistungsberechtigten.
(2) Zum anderen begründet jedenfalls der Umstand, dass die Leistungsberechtigte – bei der bis zu ihrem Tod kein weiteres Einkommen oder Vermögen angefallen ist, welches einen Bedürftigkeitswegfall begründen könnte, und die dementsprechend bis zu ihrem Tode auch Sozialhilfe von der Beklagten erhielt – verstorben ist und deshalb aktuell kein Bedarf mehr denkbar wäre, der noch durch Sozialhilfe gedeckt werden könnte, keinen Bedürftigkeitswegfall. Nähme man eine solche Sichtweise ein, wäre eine rückwirkende Leistungserbringung aufgrund eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X von vornherein undenkbar.
Dies aber würde nach Ansicht des Senats den Sinn und Zweck des § 19 Abs. 6 SGB XII konterkarieren. Zwar geht es der Klägerin um eine nur nachträgliche Kompensation von Aufwendungen für die Leistungsberechtigte, für die dieser zu Lebzeiten möglicherweise (höhere) Sozialhilfe zugestanden hat. Auch dürfte die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht dazu zwingen, eine Besserstellung der Klägerin nach § 44 SGB X zu eröffnen. Denn die Leistungsberechtigte hätte bereits gegen den Bescheid vom 26.02.2009 vorgehen können, als dieser noch nicht in Bestandskraft erwachsen war; das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X dürfte insofern nur eine Rechtswohltat sein, die aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich wäre. Stellte das Sozialverwaltungsverfahrensrecht der Leistungsberechtigten eine solche Möglichkeit allerdings zur Verfügung, und wäre zugleich im Falle ihres Weiterlebens prognostisch nicht mit einem Bedürftigkeitswegfall zu rechnen gewesen, so muss es der Klägerin als nach § 19 Abs. 6 SGB XII in die Rechtsstellung der Leistungsberechtigten eingerücktem Leistungserbringer möglich sein, das Überprüfungsverfahren bis zu seinem rechtskräftigen Ende fortzuführen (ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Leistungsberechtigte zu Lebzeiten zwar über keine weiteren "bereiten Mittel" verfügt hätte, nach ihrem Tode jedoch solche Mittel – z.B. aus einer erst dann zur Verfügung stehenden Erbschaft aus einem noch zu Lebzeiten eingetretenen Erbfall – angefallen wären, kann offen bleiben; denn für die Leistungsberechtigten kam es weder vor noch nach ihrem Tod zu weiteren Mitteln).
b) Die Leistungsberechtigte hatte jedoch keinen weitergehenden Anspruch auf Sozialhilfe, welcher nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen sein könnte.
aa) Zwar war die Leistungsberechtigte i.S.v. § 61 Abs. 1 SGB XII heimpflegebedürftig. Sie litt, im Oktober 2007 bereits 95-jährig, an fortgeschrittener Demenz (s.o.), war seit dem 06.08.2007 in der Gesetzlichen Pflegeversicherung der Pflegestufe I zugeordnet, und die Zuordnung zur Pflegestufe II (ab 01.11.2007) stand unmittelbar bevor. Der grundsätzliche Heimpflegebedarf ist denn auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
bb) Über einsatzpflichtiges Vermögen verfügte die Leistungsberechtigte nicht. Abbuchungen von ihrem (einen deutlichen Negativsaldo aufweisenden) Girokonto für Versicherungsverträge, deren Auflösung möglicherweise einen einsetzbaren Rückkaufswert hätten anfallen lassen, betrafen sämtlich nicht Versicherungen zu Gunsten der Leistungsberechtigten selbst, sondern für ihren Enkel. Ihr Anteil an der Wohnungsgenossenschaft von 1.998 EUR stand jedenfalls als bereites Mittel nicht zur Verfügung (und ist auch im Nachhinein wegen Gegenforderungen der Genossenschaft nicht mehr zur Auszahlung gelangt). Ansonsten bestand lediglich ein Sparbuchguthaben von unter 200 EUR; selbst unter Anrechnung des Genossenschaftsanteils würde deshalb jedenfalls der Vermögensschonbetrag von 2.600 EUR (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1b der Verordnung zur Durchführung dieser Vorschrift) nicht überschritten.
cc) Dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Sozialhilfeleistungen (als Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII) steht jedoch einsatzpflichtiges Einkommen aus den Altersbezügen der Leistungsberechtigten entgegen (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII i.d.F. bis 31.12.2010). Auf ihrem Girokonto gingen im Oktober 2007 die Altersrente der DRV Bund (665,52 EUR einschließlich einer Kindererziehungsleistung i.H.v. 26,27 EUR), eine Zusatzversorgungszahlung der VBL (15,90 EUR) sowie Versorgungsleistungen der Wehrbereichsverwaltung (261,15 EUR) ein, insgesamt also Alterseinkünfte von 942,57 EUR.
(1) Derartige Einkünfte in Geld sind Einkommen i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Berücksichtigung solcher Einkünfte erfolgt grundsätzlich nach dem sog. Zuflussprinzip im jeweiligen Kalendermonat ihres Zuflusses als dem betreffenden Bedarfszeitraum (vgl. hierzu Geiger in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015 § 82 Rn. 4 bis 7).
(a) Nach Maßgabe des § 82 Abs. 2 und 3 oder § 83 SGB XII abzusetzende Beträge fielen bei der Leistungsberechtigten nicht an, mit Ausnahme der in der Altersrente der DRV enthaltenen Kindererziehungsleistung (§§ 294 ff. SGB V) von 26,27 EUR, die nach § 83 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 299 SGB VI wegen ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (dazu auch Geiger a.a.O., § 83 Rn. 42; Schuler-Harms in jurisPK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 299 Rn. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.10.2006 – L 15 SO 141/06 Rn. 28) anrechnungsfrei blieb. Denkbare verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Besserstellung von Empfängern dieser Kindererziehungsleistung im Rahmen der Sozialhilfe können dahinstehen, da die Leistungsberechtigte insoweit nicht beschwert sein konnte.
(b) Ein Einkommenszufluss im Oktober 2007 lässt sich nicht etwa deshalb verneinen, weil das Girokonto der Leistungsberechtigten einen Negativ-Saldo aufwies, welcher die zugeflossenen Alterseinkünfte deutlich überschritt. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 20.08.2012 – L 20 SO 302/11 Rn. 33 m.w.N.), dass eine Verrechnung des Einkommens mit Schulden des Kontoinhabers nicht stattfindet (siehe dazu auch BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 10/14 R; Schmidt in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 82 Rn. 25.1; Berlit in LPK-SGB XII, 10 Auflage 2015, § 82 Rn. 40 m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 23.01.2014 – L 7 AS 2169/12 Rn. 41 ff.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2014, § 82 Rn. 32 m.w.N.). Wollte man dies anders sehen, würde eine fehlende Anrechnung des im Bedarfszeitraum zugeflossenen Einkommens lediglich die Schulden des Leistungsberechtigten gegenüber seinem Bankhaus aus dem Girovertrag mindern; eine Schuldentilgung letztlich zu Lasten der Sozialhilfe verbietet sich jedoch außerhalb der gesetzlich vorgesehenen (hier nicht einschlägigen) Ausnahmen (§ 36 Abs. 1 SGB XII).
(c) Die Alterseinkünfte waren- entgegen der Ansicht der Klägerin – schließlich auch "bereite Mittel", die der Leistungsberechtigten zur Deckung ihres Bedarfs an Heimkosten zur Verfügung standen. Sie flossen auf dem Girokonto zu, und die Leistungsberechtigte hätte über den von ihr selbst (u.a. gerade für solche Hilfestellungen) bevollmächtigten Enkel darauf zugreifen können, um ihre Heimkosten (teilweise) damit zu decken. Die Demenz der Leistungsberechtigten änderte daran nichts, da die dem Enkel erteilte Vollmacht durch den Eintritt der Demenz nicht erloschen war.
(aa) Nach Ansicht des Senats ergibt sich eine andere Bewertung keineswegs deshalb, weil der Enkel die ihm erteilte Vollmacht nicht im Interesse der Leistungsberechtigten für die Begleichung ihrer Verbindlichkeiten ausgeübt hat, sondern sich ihrer – in ersichtlich pflichtwidriger Weise – missbräuchlich bedient hat, um das Einkommen der Leistungsberechtigten für seine eigenen Zwecke (etwa für eigene Versicherungsbeiträge und Mietkosten für die nur noch von ihm genutzte Wohnung, darüber hinaus wohl auch für Barabhebungen) zu verwenden. An der ihrem Enkel erteilten Vollmacht musste sich die Leistungsberechtigte festhalten lassen, da sie Dritten gegenüber nicht deutlich gemacht hat, dass diese (schriftlich erteilte) Vollmacht nicht mehr gelten soll. Denn auf eine Vollmacht muss sich der Rechtsverkehr verlassen dürfen, solange nicht erkennbar wird, dass sie vom Bevollmächtigten missbraucht wird. Wirtschaftlich nachteilige Folgen des Missbrauchs für den Vollmachtgeber sind deshalb im Verhältnis zwischen ihm und dem Bevollmächtigten abzuwickeln, nicht jedoch zu Lasten eines Dritten, der schutzwürdig an die berechtigte Ausübung der Vollmacht geglaubt hat. Erst recht können von vornherein an vom Bevollmächtigten durchgeführten Rechtsgeschäften Unbeteiligte (wie hier der Sozialhilfeträger bzgl. der Abflüsse der Alterseinkünfte vom Girokonto der Leistungsberechtigten) nicht mit den wirtschaftlich Folgen eines Missbrauchs der Vollmacht belastet werden. Die Situation ist bei einem missbräuchlichen Verwenden laufenden, sozialhilferechtlich nach dem Zuflussprinzip einzusetzenden Alterseinkommens durch den Bevollmächtigten von vornherein anders als etwa die Unterschlagung vorhandenen, einsatzpflichtigen Vermögens; letzteres stünde im folgenden Bedarfszeitraum nicht mehr als bereites Mittel zur Verfügung, ersteres war im Zufluss- und gleichzeitig Bedarfsmonat (zunächst) durchaus noch im Zugriffsbereich des Leistungsberechtigten vorhanden. Insofern besteht auch von vornherein keine mit § 26 Abs. 1 SGB XII vergleichbare Situation; die dort geregelte vorwerfbare Einkommensverminderung betrifft den – anderen – Fall, dass einsatzfähiges Einkommen bereits überhaupt nicht mehr (im an sich möglichen Umfang) anfällt.
(bb) Der unter Verweis auf § 278 BGB vorgebrachte Einwand der Klägerin, die Leistungsberechtigte habe sich das Verhalten ihres Enkels nicht zurechnen lassen müssen, weil sie sich seiner nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten bedient habe, geht fehl. Denn die Beklagte tritt im sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis der Schuld der Leistungsberechtigten gegenüber der Klägerin lediglich insoweit bei, wie deren Anspruch auf Sozialhilfe reicht und soweit insbesondere einzusetzendes Einkommen nicht entgegensteht. In Höhe des berücksichtigungspflichtigen Einkommens aber verbleibt es allein bei einer Verbindlichkeit der Leistungsberechtigten gegenüber dem Heimträger. Jedenfalls zur Erfüllung solcher Verbindlichkeiten hat sich die Leistungsberechtigte gerade ihres Enkels bedient und muss sich dessen Fehlverhalten deshalb zurechnen lassen. Insofern kann die durch das Fehlverhalten des Enkels eingetretene Notlage der Leistungsberechtigten keine Notlage sein, die sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähig wäre; der entsprechende Zahlungsausfall ist vielmehr dem wirtschaftlichen Risiko der Klägerin in gleicher Weise zuzuordnen wie sonstige Zahlungsausfälle bei nicht sozialhilfebedürftigen Selbstzahlern.
(cc) Nichts anderes folgt im Übrigen aus dem Hinweis der Klägerin, bei ausbleibender Leistung in Fällen wie dem vorliegenden müssten in die Bemessung des Heimeintgelts Wagniszuschläge einfließen, die es jedoch nicht gebe. Es bleibt der Klägerin unbenommen, in die Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen i.S.v. § 75 Abs. 3 SGB XII wirtschaftliche Wagnisse einzubringen; für den vorliegenden Einzelfall kann ein entsprechendes Versäumnis jedoch die Lesart der gesetzlichen Regelungen über einen Einkommenseinsatz nicht bestimmen. Ebenso richtet sich die Auslegung dieser Regelungen nicht danach, ob im Einzelfall der Klägerin der Enkel nicht in der Lage war/ist, von ihm missbräuchlich verwandte Einkünfte der Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.
(dd) Schließlich kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Beklagte oder die Klägerin die Leistungsberechtigte oder ihren Enkel über die Verpflichtung zum Einkommenseinsatz aufgeklärt haben. Für eine Berücksichtigung derart subjektiver Umstände fehlt ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt. Insbesondere ist auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch von vornherein nicht denkbar; denn die Leistungsberechtigte hätte auch dann keinen höheren Sozialhilfeanspruch, wenn sie nach einer Beratung durch die Beklagte ihre Einkünfte den gesetzlichen Bestimmungen gemäß für ihre Heimkosten eingesetzt hätte.
(d) Waren damit die im Oktober gezahlten Alterseinkünfte mit Ausnahme der in der Altersrente enthaltenen Kindererziehungsleistung grundsätzlich vollständig bei der Berechnung der Sozialhilfeleistungen zu berücksichtigen, so war die Leistungsberechnung der Beklagten auch nicht zum Nachteil der Leistungsberechtigten fehlerhaft.
(1) Die Heimkosten beliefen sich für Oktober 2007 auf (31 x 90,36 = 2.801,16 EUR. Leistungen der Gesetzlichen Pflegeversicherung deckten hiervon 1.023,00 EUR ab, das rückwirkend bewilligte Pflegewohngeld 492,20 EUR und die rückwirkend gewährte Sozialhilfe 463,35 EUR. Als Bedarf der Leistungsberechtigten verblieben danach noch 822,61 EUR zuzüglich des Barbetrages von 93,69 EUR, insgesamt also 916,30 EUR. Dem standen Alterseinkünfte von insgesamt 942,57 EUR gegenüber.
Die Klägerin orientiert ihre gleichlautende Klageforderung ersichtlich an diesem Betrag (942,57 EUR); sie berücksichtigt bei dieser Berechnung nicht, dass in Höhe der Kindererziehungsleistung von 26,27 EUR nach § 299 SGB VII ein weiterer Betrag bei der Leistungsberechtigten verbleiben musste. Rechnet man die Kindererziehungsleistung aus den Alterseinkünften heraus, verbleiben 916,30 EUR, mithin genau der Betrag, der nach Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung und der Beklagten als Bedarf der Leistungsberechtigten für Heimkosten im Oktober 2007 verblieb, und den sie deshalb aus ihren anrechnungspflichtigen Alterseinkünften decken konnte.
(2) Weitere Leistungen kommen schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt doppelter Unterkunfts- und Heizkosten der Leistungsberechtigten in Betracht, weil ihre bis zur Heimaufnahme bewohnte Wohnung nicht rechtzeitig (vor Oktober 2007) hätte aufgegeben werden können.
(a) Zwar kommt im Falle einer unvorhergesehenen Heimaufnahme eine Berücksichtigung solch doppelter Unterkunftskosten (nach § 29 SGB XII i.d.F. bis 31.12.2010; heute § 35 SGB XII) grundsätzlich durchaus in Betracht (vgl. etwa LSG NRW, Urteil vom 18.02.2010 – L 9 SO 6/08 Rn. 24 ff.; Nguyen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 35 Rn. 138 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 2078/10 Rn. 22 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.03.2011 – L 15 SO 23/09 R Rn. 23). Dies setzt allerdings voraus, dass Kosten für die bisherige Wohnung nicht verhindert werden können; der Betroffene muss deshalb alles Mögliche und Zumutbare getan haben, diese Kosten zu vermeiden bzw. zu minimieren. Dazu gehört etwa die Suche nach einem Nachnutzer (vgl. LSG NRW und Nguyen a.a.O.) bzw., sofern dies zu weniger Kosten führt, die frühestmögliche Kündigung des Nutzungsvertrages.
Im vorliegenden Fall scheidet eine Berücksichtigung von Kosten für die bisherige Wohnung aus. Denn der Enkel der Leistungsberechtigten, der als Bevollmächtigter auch deren Obliegenheiten im Zusammenhang mit einer Aufgabe der bisherigen Wohnung wahrzunehmen hatte, hat von vornherein keinerlei Bemühungen unternommen, das gemeinsam mit der Leistungsberechtigten bestehende Nutzungsverhältnis entweder ganz zu beenden oder auf sich allein abzuändern. Vielmehr wollte er die Wohnung seit dem Auszug der Leistungsberechtigten ersichtlich alleine weiter nutzen, und zwar pflichtwidrig auf deren alleinige Kosten. Aus diesem Grund sind auch die entstandenen Verbindlichkeiten gegenüber der Wohnungsgenossenschaft seit dem Auszug der Leistungsberechtigten einzig ihrem Enkel zuzuordnen.
(b) Ohnehin wäre, wollte man dies anders beurteilen, ein weiterer Sozialhilfeanspruch der Leistungsberechtigen für Verbindlichkeiten gegenüber der Wohnungsgenossenschaft nicht nach § 19 Abs. 6 SGB XII auf die Klägerin übergegangen. Denn bei diesen Leistungen handelte es sich nicht i.S. der Vorschrift um solche "für Einrichtungen". Damit gemeint sind vielmehr nur die Leistungen nach § 27b SGB XII (bis 31.12.2010 § 35 SGB XII) bzw. nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 19 Rn. 59); Leistungen (nach § 29 SGB XII a.F.) für die von der Leistungsberechtigten vor Einrichtungsaufnahme genutzte Wohnung fallen nicht darunter.
Ein Grund dafür, diese Wohnungskosten als vorrangig aus den Einkünften der Leistungsberechtigten zu decken anzusehen (mit der Folge, dass nur geringere Einkünfte für eine Anrechnung nach § 19 Abs. 3 SGB XII i.d.F. bis 31.12.2010 zur Verfügung gestanden hätten), ist nicht ersichtlich.
C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Klägerin gehört, da sie als Rechtsnachfolgerin i.S.v. § 19 Abs. 6 SGB XII Ansprüche verfolgt, zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 01.09.2008 – B 8 SO 12/08 B).
D) Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 26.07.2017
Zuletzt verändert am: 26.07.2017