Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme von Kosten für zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlungen, welche die in Spanien wohnhaften Klägerinnen dort in Anspruch genommen haben.
Die Klägerin zu 1 (geb. 1973) ist die Mutter der Klägerin zu 2 (geb. Oktober 1992). Die Klägerin zu 1 lebt mit ihrem 1947 in E geborenen Ehemann und Bevollmächtigten sowie einer weiteren, gemeinsamen Tochter (geb. August 2002) seit 2005 dauerhaft in Spanien. Die Familie – sämtlich deutsche Staatsangehörige – hielt sich dort zunächst und auch in dem hier streitbefangenen Zeitraum in T (Ibiza) auf.
Die Klägerin zu 1 leidet an Epilepsie mit täglichen mehrfachen Grand-Mal Anfällen sowie Absencen, einem Gehirntumor und psychischen Störungen. Seit August 1995 sind bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "H", "RF" und "B" festgestellt. Sie bezieht seit August 2001 ein Pflegegeld aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III und wird von ihrem Ehemann gepflegt. Seit Juni 2007 erhält sie eine Rente wegen Erwerbsminderung (Stand Juli 2008: 588,70 EUR). Aufgrund des Rentenbezugs ist sie bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Vom 01.07.2007 bis zum 13.11.2012 war sie über die INSS Palma de Mallorca zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge im spanischen Sozialversicherungssystem als in Deutschland Versicherte eingetragen und beim spanischen Krankenversicherungsträger zu Lasten der Beigeladenen sachleistungsberechtigt.
Die Klägerin zu 2 war u.a. in der Zeit vom 27.06.2006 bis zum 30.09.2010 über die Klägerin zu 1 familienversichert. Die Sachleistungsaushilfe durch den spanischen Sozialversicherungsträger wurde für die Klägerin zu 2 bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland (am 03.11.2010) ebenfalls über die INSS Palma de Mallorca sichergestellt.
Der Ehemann der Klägerin zu 1 bezieht aufgrund eines rückwirkenden Bescheides der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 20.09.2011 ab Januar 2010 eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Stand Februar 2014: 422,00 EUR). Für die gemeinsame Tochter wurde Kindergeld gezahlt (164,00 EUR).
Der Beklagte gewährte der gesamten Familie in der Zeit von Januar 2007 bis Oktober 2010 Sozialhilfe für Deutsche im Ausland gemäß § 24 SGB XII. Dabei ging er davon aus, dass ein Rücktransport der Klägerin zu 1 nach Deutschland aus medizinischen Gründen nicht möglich und die Voraussetzungen des § 24 SGB XII daher für die gesamte Familie erfüllt seien. Die Leistungseinstellung zum 01.11.2010 stützte der Beklagte darauf, dass die Familie nunmehr über einen Zeitraum von fünf Jahren in Spanien lebe und daher nach dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) vom spanischen Staat Leistungen beanspruchen könne. Die Klägerin zu 2 ist am 04.11.2010 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und nach Deutschland zurückgekehrt, wo sie nach wie vor lebt.
Die Klägerin zu 1, der Ehemann und die gemeinsame Tochter befanden sich vom 19.08. bis zum 25.08.2011 vorübergehend in Deutschland; auf Ibiza hatten sie die Miete für ihre Unterkunft nicht mehr zahlen können und waren obdachlos geworden. Nach Deutschland gelangte die Familie per Flugzeug. Nachdem der Klägerin zu 1 anlässlich eines Termins vor dem hiesigen Landessozialgericht vom 23.08.2011 eine Rentennachzahlung von ca. 14.000,00 EUR zuerkannt worden war, flog die Familie (ohne die Klägerin zu 2) am 25.08.2011 nach Spanien zurück. Dort bewohnten sie zunächst diverse Ferienwohnungen auf Ibiza, bevor sie im Oktober 2011 – ebenfalls per Flugzeug – nach Malaga verzogen.
Am 28.02.2008 fragte der Ehemann als Bevollmächtigter der Klägerinnen bei der Beigeladenen an, ob diese die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 2 in Spanien übernehme, oder ob die Klägerin zu 2 für die Behandlung nach Deutschland kommen müsse. Mit E-Mail vom 29.02.2009 wies ihn die Beigeladene unter Verweis auf frühere Schreiben (aus Oktober 2006 und Juni 2007) darauf hin, dass sich ein Leistungsanspruch nach spanischem Recht richte und Kosten für eine in Spanien durchgeführte kieferorthopädische Behandlung deshalb von der Beigeladenen nicht übernommen werden könnten. Sofern die medizinischen Voraussetzungen erfüllt seien, könne der Beigeladene die Kosten der Behandlung in Deutschland übernehmen. Weitere Anfragen an die Beigeladene bzgl. der hier in Rede stehenden zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen erfolgten seitens der Klägerinnen nicht.
Am 04.03.2008 beantragte die Klägerin zu 2 durch ihren Bevollmächtigten über das Generalkonsulat der BRD in Barcelona bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung. Nach dem im Juni 2008 vorgelegten Kostenvoranschlag der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Dr. Q, Centro de Ortodoncia-Ibiza, sollten sich die Behandlungskosten auf insgesamt 6.137,09 EUR belaufen; die Behandlung sollte voraussichtlich 16 Quartale in Anspruch nehmen. Die Behandlung wurde am 01.04.2008 aufgenommen, jedoch Mitte Januar 2010 abgebrochen. Am 05.10.2009 hat der Bevollmächtigte 1.440,00 EUR für entstandene Kosten beglichen. Unterlagen über etwaige weitere Zahlungen für die Behandlung sind nicht aktenkundig.
Am 21.07.2008 beantragte der Bevollmächtigte beim Beklagten ferner die Kostenübernahme für eine zahnärztliche Behandlung der Klägerin zu 1 in Höhe von 2.774,61 EUR. Diese Behandlung war im Zeitraum vom 26.05. bis 08.07.2008 durchgeführt worden. Nach der Rechnung des Zahnarztes Dr. M, Clinic Dental Del Mar, T, vom 08.07.2008 (beglichen am 25.11.2008) entstanden davon am 26.05.2008 Kosten i.H.v. insgesamt 20,10 EUR (= 11,20 EUR für einen einfachen Besuch zuzüglich 8,90 EUR für das Beseitigen scharfer Kanten/Prothesenränder). Am 10.06., 17.06. und 08.07.2008 wurde die Behandlung fortgesetzt, indem u.a. zunächst eine provisorischen Krone eingesetzt, ein Zahn vor dessen Überkronung rekonstruiert sowie ein Brückenglied und schließlich die endgültige Krone eingesetzt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bezug genommen. Mit Schreiben vom 06.10.2008 bescheinigte der Zahnarzt ergänzend, dass die Klägerin zu 1 sich am 26.05.2008 mit akuten Schmerzen in der Praxis vorgestellt habe. Die Seitenzähne im 1. und 4. Quadranten seien mit großer Wahrscheinlichkeit durch Knirschen und Pressen massiv okklusal abradiert. Die Abrasionsschäden seien durch plastische Füllungen nicht mehr zu beheben gewesen, so dass eine schnelle Überkronung angezeigt gewesen sei, um die Zähne möglichst vital zu erhalten und eventuellen Nervenschädigungen vorzubeugen. Zudem seien die Zähne leicht beweglich gewesen, so dass sie zunächst mit verblockten provisorischen Kronen bzw. einer Brücke versorgt worden seien.
Am 21.07.2008 beantragte der Bevollmächtigte für die Klägerin zu 2 die Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Vorbehandlung vom 11.02. (Besuch und klinische Untersuchung; 34,00 EUR) und 08.07.2008 (zahnärztliche Behandlung und Extraktion einwurzelig für KfO-Behandlung sowie Infiltrationsanästhesie; 33,40 EUR). Die entsprechende Rechnung des Zahnarztes Dr. M vom 08.07.2008 i.H.v. insgesamt 67,40 EUR wurde am 10.09.2008 beglichen.
Mit Bescheid vom 29.7.2008 lehnte der Beklagte die Anträge der Klägerinnen auf Übernahme der Kosten für die zahnärztliche Behandlung der Klägerin zu 1 (vom 26.05. bis 08.07.2008) sowie die kieferorthopädische Vorbehandlung der Klägerin zu 2 ab. Seien die zahnärztlichen Rechnungen bereits beglichen, komme eine nachträgliche Kostenübernahme nicht in Betracht.
Dagegen legten die Klägerinnen am 09.09.2008 Widerspruch ein. Der Beklagte sei zur Kostenerstattung verpflichtet, weil die Behandlungen medizinisch notwendig gewesen seien und kein anderer Leistungsträger die Kosten trage. Das spanische Krankenversicherungssystem sehe zahn- und kieferorthopädische Behandlungen lediglich durch Privatzahnärzte vor, die jedoch nicht nach kassenüblichen Sätzen abrechneten. Im Hinblick auf die Behandlung der Klägerin zu 1 am 26.05.2008 habe ein vorheriger Antrag ohnehin nicht gestellt werden können, weil die Behandlung nicht vorhersehbar gewesen sei.
Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens beantragte der Bevollmächtigte für die Klägerin zu 1 bei der Beklagten am 27.10.2008 die Kostenübernahme für eine weitere zahnärztliche Behandlung vom 20.10.2008 i.H.v. 83,40 EUR. Die Behandlung sei wegen Schmerzen notwendig und dringlich gewesen, nachdem am frühen Morgen des 20.10.2008 durch Pressen des Kiefers nach einem epileptischen Anfall ein Schneidezahn abgesplittert sei. Laut Rechnung des Zahnarztes Dr. M vom 20.08.2010 erfolgten am gleichen Tag Behandlungen in Form einer Kürettage (ein Zahn Gebiet 17; 22,60 EUR) und Komposit zweiflächig (Gebiet 21; 60,80 EUR). Die Rechnung enthält den handschriftlichen Zusatz "21 Zahnfacette durch nächtliches Pressen abgesplittert".
Mit Bescheid vom 20.11.2008 lehnte der Beklagte auch den weiteren Kostenübernahmeantrag mit der Begründung ab, dass dieser erst nach Abschluss der Behandlung gestellt worden und der sozialhilferechtliche Bedarf zu diesem Zeitpunkt bereits gedeckt gewesen sei. Sozialhilfe diene jedoch nicht der Schuldentilgung. Zudem gelte auch im Rahmen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland der im SGB XII verankerte allgemeine Nachranggrundsatz. Da für die Klägerin zu 1 Krankenversicherungsschutz bestehe, sei die Gewährung von Krankenhilfe nach dem SGB XII ausgeschlossen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zu 1 am 15.12.2008 ebenfalls Widerspruch ein. Der Nachranggrundsatz sei vorliegend nicht anwendbar; denn sie genieße als Schwerbehinderte und chronisch Kranke keinen Versicherungsschutz für die in Rede stehende Zahnbehandlung. Es habe sich ausschließlich um eine Behandlung wegen Schmerzen sowie zur Vorbeugung gegen weitere Verletzungen gehandelt; deren Kostenübernahme habe sie nachträglich beantragen dürfen. Ohnehin sei sie als Schwerbehinderte nach europarechtlichen und bundesrechtrechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 3 GG sowie dem AGG i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX, in Deutschland Lebenden gleichzustellen.
Mit weiterem Bescheid vom 15.01.2009 lehnte der Beklagte ferner "nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage" die Übernahme der Kosten für die am 01.04.2008 aufgenommene kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 2 sowie für die bereits abgeschlossene kieferorthopädische Vorbehandlung ab. Auch hiergegen wurde Widerspruch eingelegt (29.01.2009).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2009 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerinnen gegen die Bescheide vom 29.07. und 20.11.2008 sowie vom 15.01.2009 als unbegründet zurück. Ergänzend führte er aus, die Klägerin zu 1 sei aufgrund ihrer Krankheit zwar pflegebedürftig und laut ärztlichem Gutachten reiseunfähig. Beide Klägerinnen seien jedoch dem spanischen Vertragspartner als gesetzlich versichertes (Familien-)Mitglied der Beigeladenen gemeldet. Sie genössen daher lediglich Krankenversicherungsschutz nach spanischem Krankenversicherungsrecht. Dieser umfasse jedoch keine kieferorthopädische Behandlungen; auch bei medizinisch notwendiger kieferorthopädischer Behandlung müssten die Betroffenen hierfür vielmehr stets selbst aufkommen. Da sich Art und Maß der Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers gemäß § 24 Abs. 3 SGB XII aber nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland richteten, sei der Beklagte nicht verpflichtet, die Kosten für die kieferorthopädischen Behandlungen der Klägerin zu 2 zu übernehmen. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu 2 durch das Ausbleiben der kieferorthopädischen Behandlung in eine außergewöhnliche Notlage im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 SGB XII geraten könne.
Am 11.03.2009 haben die Klägerinnen – entsprechend der dem Widerspruchsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung – beim Verwaltungsgericht E Klage erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln verwiesen (Beschluss vom 30.03.2009). Sie haben weiterhin die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse die Kosten für die in Rede stehenden zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen übernehmen. Die Klägerin zu 1 könne sich wegen Reiseunfähigkeit nicht in Deutschland behandeln lassen. Bei einer Rückkehr nach Deutschland bestehe die Gefahr, dass sie insbesondere in psychologischer Hinsicht ganz erheblichen weiteren gesundheitlichen Schaden erleide und sich ihre Suizidgefahr erhöhe. Es sei aber nicht gerechtfertigt, dass sie in Deutschland Krankenversicherungsbeiträge für Leistungen zahle, die sie wegen ihrer Reiseunfähigkeit in Deutschland nicht in Anspruch nehmen könne. Es treffe zwar zu, dass zahnärztliche bzw. kieferorthopädische Behandlungen durch das spanische Krankenversicherungssystem nicht gedeckt seien, sofern es sich nicht um eine Schmerzbehandlung durch Ziehen eines kranken Zahnes handele. Für bedürftige spanische Bürger übernehme der spanische Sozialhilfeträger jedoch auch die Kosten für medizinisch notwendige zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlungen. Dass sie – die Klägerinnen – die Kostenübernahme teilweise erst nach Abschluss der jeweiligen Behandlung beim Beklagten beantragt hätten, sei unschädlich. Nach dem Leitfaden des Beklagten zur Hilfe bei Krankheit genüge in einem absolut notwendigen Akutfall (wie hier dem Sturz der Klägerin zu 1 am 20.10.2008) ein nachträglicher Antrag. Der Beklagte gehe auch zu Unrecht davon aus, dass der Bedarf bei Antragstellung bereits gedeckt gewesen sei; denn sie hätten die Rechnungen für die Behandlungen mit Hilfe von Freunden beglichen. Hierzu haben die Klägerinnen ein Schreiben vom 05.10.2009 der Ruth Kaiser, T, Spanien, vorgelegt, worin diese bestätigte, dem Bevollmächtigten der Klägerinnen für die seit Mai 2008 erfolgten Zahnbehandlungen in mehreren Raten ein Darlehen von insgesamt 4.800,00 EUR gewährt zu haben. Sie haben weiter vorgetragen, der geltend gemachte Anspruch folge schließlich wenn auch nicht aus der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. VO (EG) Nr. 883/04, so aber jedenfalls aus dem EFA.
Die Klägerinnen haben erstinstanzlich beantragt,
die Bescheide vom 29.07.2008, 20.11.2008 und 15.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für die Klägerin zu 1 Zahnarztbehandlungskosten in Höhe von 2.774,61 EUR und weitere Zahnarztkosten in Höhe von 83,40 EUR und für die Klägerin zu 2 die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung in Höhe von 6.137,09 EUR sowie weitere Behandlungskosten in Höhe von 67,40 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Zahnärzte Dres. Q und M eingeholt. Auf den Inhalt der Berichte vom 19.11.2009 und 10.12.2009 nebst ergänzender Stellungnahme (ohne Datum) von Dr. Q wird Bezug genommen.
Die Generaldirektion des spanischen Versicherungsträgers (Instituto Nacional de la Seguridad Social) hat auf Anfrage des Sozialgerichts u.a. mitgeteilt, die Klägerin zu 1 sei mit dem Formular E-121-DE zum 01.07.2007 für die Zwecke der Gesundheitsvorsorge im spanischen Sozialversicherungssystem als in Deutschland Versicherte eingetragen. Seither sei sie im Besitz einer Persönlichen Krankenversicherungskarte (TSI) des Gesundheitsdienstes der Balearen und werde gegen Vorlage dieser Karte in einer Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsnetzes Spaniens unter denselben Bedingungen wie in Spanien Versicherte behandelt.
Der Gesundheitsdienst der Balearen hat unter dem 18.02. bzw. 05.05.2011 ausgeführt, Patienten mit Krankenversicherungsschutz müssten sich über den dortigen Gesundheitsdienst an die Gesundheitseinrichtungen oder Krankenhäuser des öffentlichen Gesundheitsnetzes wenden, um eine kostenlose medizinische Versorgung zu erhalten. Die Erstattung der medizinischen Behandlung in einer privaten Einrichtung sei nur in Notfällen wegen Lebensgefahr möglich. Das Abfeilen scharfer Spitzen an den Zähnen bzw. scharfer Kanten an Zahnprothesen bei Erwachsenen gehöre nicht zum Leistungsspektrum der zahnärztlichen Versorgung. Die Deckung dieser Behandlung komme lediglich bei Verletzungen von Kindern in Betracht, die vom Programm zur Zahnärztlichen Versorgung von Kindern (PADI – www.ibsalut.es ) seccio ciutadans ) salud ) PADI) für zwischen 1999 und 2005 geborene Kinder erfasst seien.
Durch Urteil vom 20.7.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 10.8.2011 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 02.09.2011 sinngemäß Berufung eingelegt. Sie meinen weiterhin, dass die Voraussetzungen des § 24 SGB XII für die Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland erfüllt seien. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hätten sie sich insbesondere in einer außergewöhnlichen Notlage im Sinne des Abs. 1 S. 2 der Vorschrift befunden. Das dem Beklagten eingeräumte Ermessen sei durch das EFA und diverse sonstige europäische Richtlinien eingeschränkt.
Die Klägerinnen, die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend und auch nicht vertreten gewesen sind, beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.07.2011 zu ändern und den Beklagten, hilfsweise den Beigeladenen unter Aufhebung der Bescheide vom 29.07.2008, 20.11.2008 und 15.01.2009, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2009, zu verurteilen, die Kosten der zahnärztlichen Behandlung der Klägerin zu 1 in Höhe von 2.774,61 EUR (laut Rechnung vom 08.07.2008) und 83,40 EUR (laut Rechnung vom 20.10.2008) sowie die Kosten der kieferorthopädischen (Vor-)Behandlungen der Klägerin zu 2 in Höhe von 6.137,09 EUR (laut Kostenvoranschlag vom 17.06.2008) und 67,40 EUR (laut Rechnung vom 08.07.2008) zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch in der Sache nicht geäußert.
Der Senat hat u.a. eine Auskunft der Spanischen Botschaft in Berlin (Abteilung für Arbeit und Einwanderung) zur spanischen "renta minima" sowie zu den "pensiones non contributivas" eingeholt. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
Ferner ist (u.a.) der Allgemeinmediziner Dr. L, der die Klägerin zu 1 im betroffenen Zeitraum behandelt hat, um Erstattung eines Befundberichts gebeten worden. Insoweit wird auf das Antwortschreiben des Arztes aus September 2012 verwiesen.
In einem Erörterungstermin vom 20.02.2014 hat der erschienene Bevollmächtigte der Klägerinnen Angaben zum Gesundheitszustand der Klägerin zu 1, zum Umfang ihrer Pflege sowie zu den Flugreisen der Familie anlässlich des vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland im August 2011 und des Umzugs von Ibiza nach Malaga gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.02.2014 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (des Beklagten und – auszugsweise – der Beigeladenen) sowie der Streitakten S 21 SO 89/09 ER, S 11 KR 461/04 ER und S 8 KR 344/06 (sämtlich Sozialgericht Münster) verwiesen, aus denen medizinische Unterlagen zum Gesundheitszustand der Klägerin zu 1 zu den Gerichtsakten genommen wurden.
Entscheidungsgründe:
A. Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit der Klägerinnen und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil in der Terminsmitteilung, die am 14.07. und 19.07.2997 zugegangen ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Es bestand keine Veranlassung, den Verhandlungstermin – wie vom Bevollmächtigten der Klägerinnen mit Schriftsatz vom 06.08.2014 gefordert – aufzuheben und auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Entsprechende Gründe im Sinne der § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO hat der Bevollmächtigte nicht geltend gemacht. Allein der Umstand, dass er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sein mag, zum Termin zu erscheinen, reicht insofern nicht aus. Zudem ist nicht erkennbar, ob und ggf. inwiefern der Bevollmächtigte im Rahmen des Verhandlungstermins noch über das bisherige Vorbringen hinaus persönlich hätte vortragen wollen. Der Inhalt des Schriftsatzes vom 06.08.2014 erschöpft sich vielmehr in der Wiederholung von bereits vorgetragenen Rechtsauffassungen.
B. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte (vgl. § 54 Abs. 1 und 4, § 56 Abs. 1 SGG) Klage ist auch im Übrigen zulässig. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei dem Bescheid vom 15.01.2009, mit welchem der Beklagte die Übernahme der Kosten für die kieferorthopädische Vorbehandlung der Klägerin zu 2 erneut ("nach nochmaliger Prüfung") abgelehnt hat, obwohl bereits der Bescheid vom 29.07.2008 eine entsprechende Regelung enthielt, lediglich um eine wiederholende Verfügung oder einen sog. Zweitbescheid handelt, der den Rechtsweg ebenfalls eröffnet (vgl. hierzu Engelen in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 31 Rn. 31 ff.); denn jedenfalls trifft der Bescheid vom 15.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2009 eine – gerichtlich überprüfbare – Entscheidung im Sinne des § 31 SGB X.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Übernahme der streitbefangenen Kosten für die zahnärztlichen Behandlungen der Klägerin zu 1 und die kieferorthopädischen (Vor-)Behandlungen der Klägerin zu 2 darin zu Recht abgelehnt. Den Klägerinnen steht ein entsprechender Anspruch weder gegenüber dem Beklagten (dazu unter I.) noch gegenüber dem Beigeladenen (dazu unter II.) zu.
I. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten lässt sich nicht mit Erfolg auf § 24 SGB XII stützen, der insoweit als bundesgesetzliche Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommt (dazu unter 1.). Er ergibt sich zudem nicht aus europarechtlichen Vorschriften (dazu unter 2.).
1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerinnen nach § 24 SGB XII sind nicht erfüllt.
a) Zwar wäre der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Erbringung der in Rede stehenden Leistungen gemäß § 24 Abs. 4 S. 1 SGB XII sachlich und auch örtlich zuständig; denn der Bevollmächtigte der Klägerinnen als ältestes Familienmitglied ist in E und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten geboren (vgl. § 24 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 5 S. 1 SGB XII).
b) Die materiellen Voraussetzungen des § 24 SGB XII liegen jedoch nicht vor.
Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland wegen eines der in § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII genannten Hinderungsgründe nicht möglich ist (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Dabei richten sich Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und Vermögens nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland (§ 24 Abs. 3 SGB XII). Leistungen in das Ausland werden nicht erbracht, soweit sie von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland oder von anderen erbracht werden oder zu erwarten sind (§ 24 Abs. 2 SGB XII). Abweichend von § 18 SGB XII sind die Leistungen zu beantragen (§ 24 Abs. 4 S. 1 SGB XII).
aa) Die Klägerinnen erfüllten im streitbefangenen Zeitraum zwar die persönlichen Voraussetzungen des § 24 SGB XII. Insbesondere hatten sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt schon während der in Rede stehenden Behandlungen in den Jahren 2008 bis 2010 im Ausland (vgl. zu dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, der – soweit ersichtlich – unstreitig abweichend von § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I definiert wird, u.a. Bieback, in Grube/Wahrendorf, Sozialhilfe, 5. Auflage 2014, § 24 SGB XII Rn. 13 ff. und Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 24 Rn. 5, jeweilse unter Hinweis auf BVerwG vom 31.08.1995 – 5 C 11.94; ferner Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 24 Rn. 6 m.w.N.); denn sie hielten sich bereits seit Mitte 2005 dauerhaft in T in Spanien auf und hatten dort ihren familiären und sozialen Mittelpunkt.
bb) Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des § 24 SGB XII scheitert die Übernahme der Kosten für die streitbefangenen zahnärztlichen Behandlungen der Klägerin zu 1 (vom 26.05. bis 08.07.2008 und am 20.10.2008) sowie die kieferorthopädische Vorbehandlung der Klägerin zu 2 (vom 11.02. bis 08.07.2008) jedoch schon am Antragserfordernis des § 24 Abs. 4 S. 1 SGB XII. Denn die Klägerinnen haben den entsprechenden Kostenübernahmeantrag erst nach Abschluss der jeweiligen Behandlungen beim Beklagten bzw. der amtlichen Vertretung in Spanien (vgl. hierzu § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I) gestellt.
(1) Sieht § 24 Abs. 4 S. 1 SGB XII vor, dass Leistungen für Deutsche im Ausland einen Antrag erfordern (s.o.), so kommt die Gewährung solcher Leistungen für die Vergangenheit nicht in Betracht. Diese können vielmehr erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung erbracht werden (Coseriu, in jurisPK-SGB XII, § 24 SGB Rn. 54; vgl. hierzu auch Berlit, a.a.O., § 24 Rn. 17: keine Rückwirkung des Antrags). Denn die Sozialhilfe dient dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben. Notlagen aus einer Zeit vor Antragstellung sind hingegen sozialhilferechtlich unbeachtlich, sofern sie im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung nicht mehr bestehen, der Bedarf des Hilfebedürftigen also schon gedeckt ist (vgl. Coseriu, a.a.O., § 18 Rn. 39 zum Kenntnisgrundsatz des § 18 SGB XII m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Notlage – wie möglicherweise im Falle der Klägerinnen – mittels eines Darlehens abgewendet worden ist; denn Schulden des Hilfesuchenden lassen einen sozialhilferechtlichen Bedarf grundsätzlich nicht darstellen (vgl. hierzu u.a. Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 18 Rn. 18 zu dem Kenntnisgrundsatz in § 18 SGB XII).
Die Klägerinnen haben die Übernahme der Kosten für die in Rede stehenden Behandlungen – mit Ausnahme der (eigentlichen) kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin zu 2 (dazu weiter unten) – jedoch erst zu einem Zeitpunkt beantragt, als ihr Bedarf für Zahnbehandlung bereits vollumfänglich gedeckt war.
(2) Insofern hätte es eines konkreten Antrags vor Beginn der jeweiligen Behandlung bedurft. Der ursprünglich gestellte Sozialhilfeantrag, der Grundlage der Gewährung laufender Hilfe (zum Lebensunterhalt) für die Zeit ab Januar 2007 war, ist nicht – meistbegünstigend (vgl. zum Meistbegünstigungsgrundsatz u.a. BSG, Urteil, vom 15.11.2012 – B 8 SO 23/11 R m.w.N.) – in der Weise auszulegen, dass hiermit zugleich die Übernahme der Kosten für die hier in Rede stehenden zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen geltend machen wurde; denn im Zeitpunkt des damaligen Antrags auf Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland waren diese Behandlungen weder angefallen noch überhaupt schon absehbar. Ein im Zeitpunkt der Beantragung von Sozialhilfeleistungen schon dem Grunde nach noch völlig ungewisser Bedarf kann aber – auch aus der insofern maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers (vgl. zu dieser Voraussetzung bei der Auslegung von Verwaltungsakten u.a. BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 23/11 R) – von vornherein nicht Antragsgegenstand sein.
Die Klägerin zu 2 hat den – somit allein maßgeblichen – Antrag auf Übernahme der Kosten für die kieferorthopädische Vorbehandlung vom 11.02. und 08.07.2008 jedoch erst nach Abschluss der Behandlung, nämlich am 16.08.2008 beim Beklagten gestellt. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Kosten der zahnärztlichen Behandlungen der Klägerin zu 1 vom 26.05. bis zum 08.07.2008 sowie vom 20.10.2008; deren Übernahme wurde ebenfalls erst nach Beendigung der jeweiligen Behandlungen, nämlich am 21.07.2008 (für die Behandlung vom 26.05. bis 08.07.2008) bzw. am 27.10.2008 (für die Behandlung vom 20.10.2008) beim Beklagten beantragt.
(3) Auch an die Beigeladene haben die Klägerinnen keinen vorherigen Kostenübernahmeantrag gerichtet, welchen diese ggf. an den Beklagten hätte weiterleiten müssen. Nach den von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen hat der Bevollmächtigte der Klägerinnen bei ihr lediglich im Vorfeld der kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin zu 2 angefragt, ob die Behandlungskosten übernommen würden, nicht hingegen bzgl. der sonstigen in Rede stehenden Behandlungen. Entsprechendes wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet.
(4) Offen bleiben kann im Übrigen dabei, ob die zahnärztlichen (Teil-)Behandlungen der Klägerin zu 1 am 20.10.2008 (= Komposit zweiflächig, Gebiet 21 wegen eines abgesplitterten Zahnes nach epileptischem Anfall) und am 26.05.2008 (= einfacher Besuch sowie Beseitigen scharfer Kanten/Prothesenränder) schmerzbedingt oder aus anderen Gründen unmittelbar notwendig wurden. Allenfalls diese Behandlungen kommen vorliegend als medizinischer Eil- bzw. Notfall in Betracht; denn die nach dem 26.05.2008 fortgeführte Behandlung (vom 10.06. bis 08.07.2008), bei der u.a. eine provisorische Krone aufgesetzt, ein Zahn rekonstruiert und schließlich die endgültige Krone eingesetzt wurde, sowie die am 20.10.2008 vorgenommene Kürettage, bei der es sich um einen Eingriff zur Parodontitisbehandlung handelt (vgl. www.wikipedia.org/wiki/Kürettage), mögen zwar medizinisch notwendig gewesen sein. Indes sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Befunde – ebenso wie die planbare kieferorthopädische Vorbehandlung der Klägerin zu 2 – eines sofortigen Eingreifens bedurften.
Doch selbst bei unterstellter Eilbedürftigkeit der am 20.10. und 26.05.2008 erfolgten (Teil-) Behandlungen kann (entgegen der Auffassung des Sozialgerichts) jedenfalls nicht vom Erfordernis eines vorherigen Antrags abgesehen werden. Eine entsprechende Rechtsgrundlage enthält das SGB XII nicht. Schon bei § 18 SGB XII – der abweichend von § 24 SGB XII für sonstige Leistungen der Sozialhilfe (mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nicht einmal einen Antrag, jedoch die Kenntnis des Sozialhilfeträgers von dem Bedarf erfordert – ist die Kenntniserlangung der frühestmögliche Zeitpunkt für das Einsetzen der Hilfe (vgl. u.a. Coseriu, a.a.O., § 18 Rn. 39 m.w.N.). Soweit § 25 SGB XII die Erstattung von Aufwendungen ausnahmsweise ohne vorherige Kenntnis des Sozialhilfeträgers ermöglicht, wenn jemand einem anderen in einem Eilfall Leistungen erbracht hat, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Denn gegebenenfalls steht nur dem Nothelfer, also demjenigen, der im Eilfall aktiv Hilfe leistet, Aufwendungsersatz zu. Der Hilfebedürftige hingegen kann einen eigenen Sozialhilfeanspruch nur ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers haben; hierüber kann der als Ausnahmefall gestaltete Sozialhilfeanspruch des Hilfebedürftigen selbst nach § 24 SGB XII nicht hinausgehen.
cc) Ob nach dem Leitfaden des Beklagten für Leistungen an Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII in Notfällen ausnahmsweise (ggf. i.V.m. Art. 3 GG bzw. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung) Abweichendes gelten kann, bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn selbst, wenn es eines vorherigen Antrags bzgl. der am 26.05. und 20.08.2008 durchgeführten zahnärztlichen Behandlungen – deren Eilbedürftigkeit zugunsten der Klägerinnen unterstellt – doch nicht bedurft haben sollte, so hätte jedenfalls hinsichtlich dieser Behandlungen keine außergewöhnlichen Notlage im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII bestanden.
Eine Notlage ist eine Situation besonderer Bedrängnis, in welcher der Betroffene dringend Hilfe benötigt. Die Notlage ist außergewöhnlich, wenn existenzielle Rechtsgüter in erheblicher Weise betroffen sind bzw. eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht. Sie ist nur anzunehmen, wenn überragende Grundrechte, insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und/oder die Grundvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz, betroffen sind (vgl. hierzu u.a. LSG Bayern, Beschluss vom 08.09.2009 – L 18 SO 119/09 B Rn. 15 und LSG Baden-Württemberg vom 25.02.2010 – L 7 SO 5106/07 Rn. 26 m.w.N.). Schon im Hinblick auf die geringen Kosten der Behandlung der Klägerin zu 1 am 26.05.2008 (insgesamt 20,80 EUR für einen einfachen Besuch und die Beseitigung scharfer Kanten/Prothesenränder) sowie am 20.10.2008 (60,80 EUR für Komposit zweiflächig im Gebiet 21) ist eine derartige Grundrechtsbeeinträchtigung nicht ersichtlich. Den Klägerinnen wäre es jedenfalls zuzumuten, insoweit mit (geringen) Behandlungsschulden zurückzubleiben, sofern ihnen entsprechende Ersparnisse aus den für ihren Lebensunterhalt bezogenen Leistungen nicht zur Verfügung stünden.
dd) Schließlich steht der Klägerin zu 2 auch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der Kosten für die am 01.04.2008 aufgenommene kieferorthopädische Behandlung zu.
Zwar wurde die Kostenübernahme insoweit (als einzige der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Behandlungen) bereits vor Behandlungsbeginn (nämlich am 04.03.2008) und damit rechtzeitig beantragt. Auch mag letztlich offen bleiben, ob es sich jedenfalls hierbei um eine außergewöhnliche Notlage in dem bereits dargestellten Sinne handelte (dagegen spricht allerdings, dass die Zahnärztin Dr. Q in ihrer ergänzenden Stellungnahme zwar von einer erheblichen Beeinträchtigung der Funktionen des Beißens, Kauens, der Sprachlautbildung oder anderer Funktionen ausgegangen ist, andererseits bei einer Behandlungsdurchführung erst zu einem späteren Zeitpunkt lediglich eine Erschwerung der Therapie und ggf. ein schlechteres Behandlungsergebnis erwartet hat). Offen bleiben kann zudem, welche Kosten für die kieferorthopädische Behandlung bis zu deren vorzeitigem Abbruch tatsächlich entstanden sind und von der Klägerin zu 2 auch beglichen wurden.
Denn es ist jedenfalls nicht nachgewiesen, dass ihr bzw. der Klägerin zu 1 eine Rückkehr in das Inland wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit nicht möglich war (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII).
(1) Allerdings war der Klägerin zu 2 – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – eine Rückkehr nach Deutschland für die Dauer der kieferorthopädischen Behandlung nicht unabhängig von einem etwaigen Rückkehrhindernis der Klägerin zu 1 möglich. Denn zum einen war die Klägerin zu 2 im Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung (am 01.04.2008) erst 15 Jahre alt und damit noch minderjährig. Zum anderen war die Behandlung (laut Kostenvoranschlag von Dr. Q) auf einen Zeitraum von 16 Quartalen (vier Jahre) prognostiziert. Eine derart lange Trennung von den Eltern war der Klägerin zu 2 mit Blick auf ihr Alter jedoch weder zumutbar noch war sie überhaupt realisierbar; denn es bestand für sie nach den glaubhaften Schilderungen ihres Bevollmächtigten im Erörterungstermin vom 20.02.2014 keinerlei Möglichkeit, für die Dauer der Behandlung bei einem nahen Verwandten in Deutschland unterzukommen.
(2) Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Klägerin zu 1 und damit – ggf. über Art. 6 GG – der gesamten Familie eine Rückkehr nach Deutschland wegen eines der in § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII genannten Hinderungsgründe unmöglich war; dabei kann wiederum offen bleiben, ob die gesetzlich vorgesehene Pflicht des Anspruchsberechtigten, das Rückkehrhindernis nachzuweisen, den Sozialhilfeträger oder das Gericht von dem sonst im Sozialhilferecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz entbindet (vgl. hierzu LSG Bad-Württemberg, Urteil vom 25.02.2010 – L 7 SO 5106/07 Rn. 27 m.w.N.).
Die Klägerin zu 1 war während der Dauer der kieferorthopädischen Behandlung ihrer Tochter, der Klägerin zu 2, und im Übrigen auch im gesamten streitbefangenen Behandlungszeitraum nicht wegen eines der in § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII enumerativ und abschließend genannten Hindernisse (vgl. hierzu LSG NRW vom 31.03.2011 – L 20 SO 32/09 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 29.11.2010 – L 7 SO 80/10 B ER Rn. 25 m.w.N.), namentlich wegen der – hier allein als Rückkehrhindernis in Betracht kommenden – Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XII) an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert. Sonstige Gründe, z.B. die Dauer des Aufenthalts, eine besondere persönliche oder soziale Verwurzelung im Aufenthaltsland oder erwartbare Schwierigkeiten bei der Reintegration im Bundesgebiet, mögen die Rückkehr zwar als unzumutbar erscheinen lassen; sie machen sie aber nicht objektiv unmöglich und sind daher im Rahmen von § 24 SGB XII unerheblich (Berlit in LPK-SGB XII § 24 Rn. 8 m.w.N.; vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2010 – L 7 SO 5106/07, Rn. 25).
(a) Die Schwere der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XII steht einer Rückkehr nach Deutschland entgegen, wenn die Rückkehr – z.B. wegen Transportunfähigkeit – nicht ohne Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen möglich ist. Dies beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (vgl. Bieback in Grube/Wahrendorf, a.a.O. § 24 Rn. 23 m.w.N.). Eine Rückkehr ist nur dann in diesem Sinne unmöglich, wenn die Art bzw. das Ausmaß der erforderlichen Pflege eine Rückreise nicht zulässt (vgl. u.a. LSG Bayern, Beschluss vom 08.09.2009 – L 18 SO 119/09 B ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 29.11.2010 – L 7 SO 80/10 B ER Rn. 24 unter Hinweis auf KSW/Coseriu, § 24 SGB XII Rn. 4; Berlit, a.a.O Rn. 10; ähnlich LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2010 – L 7 SO 5106/07 Rn. 29). Eine Erkrankung oder die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen für sich genommen kann hingegen einen Hinderungsgrund nicht begründen. Insoweit ist auch nicht auf die im SGB XI festgelegten Pflegestufen abzustellen (vgl. u.a. LSG Sachsen, Beschluss vom 29.11.2010 – L 7 SO 80/10 B ER Rn. 24 unter Hinweis auf KSW/Coseriu, § 24 SGB XII Rn. 4; BayLSG, Beschluss vom 08.09.2009 – L 18 SO 119/09 B ER Rn. 16).
Ausgehend hiervon war die Klägerin zu 1 jedoch in den betroffenen Behandlungszeiträumen (von 2008 bis 2010) nicht wegen des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert. Sie bedurfte nach den aktenkundigen medizinischen Unterlagen sowie den überzeugenden Schilderungen ihres bevollmächtigten Ehemannes im Erörterungstermin vom 20.02.2014 auch seinerzeit wegen epileptischer Anfälle und damit verbundener Sturz- und Verletzungsgefahr zwar ständiger Begleitung. Eine Rückkehr nach Deutschland in Begleitung (insbesondere ihres Bevollmächtigten) war ihr gleichwohl auch damals möglich.
(b) Hiervon ist der Senat bereits auf Grund der tatsächlichen Reisetätigkeit der Klägerin zu 1 zuletzt in den Jahren 2005 und 2011 überzeugt. So ist die Klägerin, obwohl seinerzeit in gleicher Weise erkrankt wie zur Zeit der hier fraglichen Behandlungen, gemeinsam mit dem Bevollmächtigten bereits 2005 anlässlich ihres Wohnsitzwechsels von Deutschland nach Spanien gereist. Darüber hinaus hat sie sich im August 2011 vorübergehend nach Deutschland begeben und ist – ca. eine Woche später – nach Spanien zurückgereist. Wenig später zog sie im Oktober 2011 – wenn auch nur innerhalb Spaniens – von Ibiza nach Malaga um. Diese jeweils mit dem Flugzeug zurückgelegten Reisen widerlegen gerade (vergleichbar dem im Bereich des SGB VI geltenden Grundsatz, dass der Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit ein stärkerer Beweiswert zukommt als etwaigen anderslautenden medizinische Beurteilungen über das Restleistungsvermögen eines Versicherten; vgl. BSG, Urteil vom 26.09.1975 – 12 RJ 208/74) ebenso das Vorbringen der Klägerinnen, an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert gewesen zu sein, wie eine eventuelle hiervon abweichende medizinische Einschätzung.
Dass die Klägerin zu 1 die 2011 unternommenen Flüge unter vorheriger Einnahme eines Beruhigungsmittels (Valium) absolviert hat, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen; denn der darin enthaltene Wirkstoff Diazepam dient gerade als Notfallmedikament zur Behandlung bei epileptischen Grand-mal-Anfällen sowie zur Vorbeugung vor solchen Anfällen, sofern zuvor Anzeichen dafür zu bemerken sind, (vgl. www.onmedia.de/Wirkstoffe/Diazepam/wirkung-medikament). Dementsprechend wurde der Klägerin zu 1 nach den Angaben ihres Bevollmächtigten auch schon in der Vergangenheit in Absprache mit dem behandelnden Arzt Valium verabreicht.
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die Klägerin zu 1 unmittelbar im hier in Rede stehenden Zeitraum der zahnärztlichen bzw. kieferorthopädischen Behandlungen (in den Jahren 2008 bis 2010) keine Reisetätigkeit entfaltet hat. Ihr war wegen ihrer epileptischen Erkrankung und des damit verbundenen Pflegeaufwandes aber schon seit August 2001 die Pflegestufe III zuerkannt worden, ohne dass sie dies seinerzeit und nachfolgend am Reisen gehindert hätte. Zudem hat der Ehemann, der die Pflege der Klägerin zu 1 im Wesentlichen allein sicherstellt, ihren Pflegebedarf während der Zeit des Aufenthalts der Familie auf Ibiza und damit auch in dem hier in Rede stehenden Zeitraum im Erörterungstermins vom 20.02.2014 im Einzelnen geschildert, ohne dass gravierende Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin zu 1 erkennbar wurden.
(c) Ohnehin lässt sich im Übrigen weder den beigezogenen medizinischen Unterlagen noch den Schilderungen des Bevollmächtigten insbesondere im Erörterungstermin vom 20.02.2014 nachvollziehbar entnehmen, dass der Pflege- und Betreuungsaufwand in den Jahren 2008 bis 2010 einer Rückkehr der Klägerin zu 1 nach Deutschland entgegenstand. Allein der Umstand, dass sie u.a. nach dem (im März 2009 und damit zeitnah zu den bzw. sogar während der in Rede stehenden Behandlungszeiträume) erstellten Gutachten der Psychologin Hernandez Martin aus März 2009 täglich mehrfach unter epileptischen Anfällen leidet, reicht zur Annahme eines solchen Rückkehrhindernisses ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass mit diesen Anfällen eine besondere Sturz- und Verletzungsgefahr einhergeht. Eine solcher Sturz kann – vor allem den Angaben des Bevollmächtigten folgend – durch eine Begleitung vermieden werden, weil sich die epileptischen Anfälle ca. ein bis zwei Minuten zuvor (durch Heraustreten der Augen aus den Augenhöhlen bzw. eine langsame, verwaschene Sprache) ankündigen; es besteht deshalb die Möglichkeit, die Klägerin zu 1 vor einem Anfall eine sitzende Position einnehmen zu lassen. Die einem Anfall folgende Phase der Somnolenz erfordert – ebenfalls im Wesentlichen ausgehend von den Schilderungen des Bevollmächtigen im Erörterungstermin – bei unkontrolliertem Harn- und Stuhlgang zwar das Aufsuchen einer Toilette und Reinigungsmaßnahmen. Auch derartige Pflegemaßnahmen können aber während einer Reise nach Deutschland bewältigt werden. Das gilt umso mehr, als eine Rückreise nach Deutschland nicht notwendig mit dem Flugzeug zu erfolgen hätte. Denkbar wäre vielmehr auch etwa eine Schiffsreise oder ein (sonstiger) Krankentransport, etwa auf dem Landweg. Für Organisation und Kosten einer notwendigen Rückreise wäre die Klägerin ggf. gehalten, sich um konsularische Hilfen zu bemühen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der ehemalige Hausarzt Dr. L die Klägerin zu 1 in diversen Attesten aus den Jahren 2007 und 2011 als reiseunfähig bezeichnet hat. Insofern ist bereits nicht erkennbar, dass seine Einschätzung (entsprechend den Anforderungen des § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XII) auf dem Ausmaß der Pflegebedürftigkeit beruht. Insbesondere ist die von Dr. L beschriebene Schwere der chronischen Erkrankung der Klägerin zu 1 insofern nach dem Gesetz ebenso unerheblich wie eine drohende Verschlechterung der psychischen Erkrankung durch einen Daueraufenthalt in Deutschland, fern des bevorzugten Aufenthaltslandes (s.o.). Zudem ist Dr. L an anderer Stelle selbst zu der Beurteilung gelangt, der Klägerin zu 1 sei eine Reise nach Deutschland unter Aufsicht möglich; der Senat entnimmt dies der in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen E-Mail eines Mitarbeiters des Generalkonsulat der BRD in Barcelona vom 18.08.2011, in der dieser den Inhalt eines Telefonates mit Dr. L wiedergibt.
ee) War aber der Klägerin zu 1 und mit ihr der gesamten Familie eine Rückkehr nach Deutschland in den in Rede stehenden Behandlungszeiträumen möglich, so kann letztlich offen bleiben, ob Leistungen nach § 24 SGB XII darüber hinaus zumindest einen ernsthaften Willen bzw. die Bereitschaft voraussetzen, zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nach Deutschland zurückzukehren (so LSG Baden-Württemberg vom 27.06.2011 – L 2 SO 2138/11 ER-B bzgl. der Pflege und Erziehung eines Kindes; vgl. ferner Coseriu, a.a.O. § 24 Rn. 31). Eine solche Bereitschaft besteht jedenfalls – dies hat die Familie durch ihre Rückkehr nach Spanien im August 2011 hinreichend zum Ausdruck gebracht – bei der Familie der Klägerinnen (mit Ausnahme der Klägerin zu 2) ersichtlich nicht.
ff) Der Umstand, dass der Beklagte den Klägerinnen schon seit Januar 2007 und auch in dem hier in Rede stehenden Behandlungszeitraum laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 24 Abs. 1 SGB XII zuerkannt hat und deshalb selbst ersichtlich von einem Rückkehrhindernis im Sinne des S. 2 der Vorschrift ausgegangen ist, bindet weder die Beklagte noch den Senat bei der Entscheidung über den hier streitbefangenen Anspruch auf Kostenübernahme für zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlungen. Insbesondere liegt hierin weder eine – auf den Erlass eines zukünftigen Verwaltungsakts gerichtete – Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X noch ein Anerkenntnis. Vielmehr bedarf es einer eigenständigen Prüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen.
2. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten lässt sich ferner nicht auf europarechtliche Vorschriften stützen. Die VO (EWG) Nr. 1408/71 ist schon nicht auf die Sozialhilfe anwendbar (vgl. den Ausschlusstatbestand des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG)). Ansprüche aus dem EFA können die Klägerinnen ebenfalls nicht geltend machen (vgl. hierzu Coseriu, a.a.O. § 23 Rn. 31 ff.); denn sie wären gehalten, derartige Ansprüche gegenüber Spanien als dem Land ihres Aufenthalts geltend zu machen (vgl. Art. 1 EFA).
II. Die Klägerinnen können die Übernahme der Kosten für die zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen schließlich auch nicht von dem Beigeladenen beanspruchen. Insofern mag offen bleiben, ob und ggf. in welchem Umfang die diesbezügliche Klage zulässig ist, obwohl eine ablehnende (Erst-)Entscheidung der Beigeladenen allenfalls im Hinblick auf die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 2 (mit E-Mail vom 28.02.2008) vorliegt (vgl. zur Möglichkeit der Verurteilung zumindest zu einer Leistung nach § 75 Abs. 5 SGG ohne Durchführung eines Vorverfahrens u.a. Leitherer, a.a.O. § 75 Rn. 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr. 27 zu § 75 SGG). Gleiches gilt für die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch in materiell-rechtlicher Hinsicht bereits daran scheitern kann, dass die E-Mail vom 28.02.2008 (gegen welche kein Widerspruch erhoben wurde) als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu qualifizieren sei und die Beigeladene die Erstattung der Kosten für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 2 daher zwischen den Beteiligten im Sinne des § 77 SGG verbindlich abgelehnt habe (vgl. zur Unmöglichkeit einer Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG, wenn der Beigeladene den Anspruch durch bindenden VA abgelehnt hat, Leitherer, a.a.O. m.w.N.); denn unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung durch die Beigeladene weder bzgl. der kieferorthopädischen (Vor-)Behandlung noch der sonstigen zahnärztlichen Behandlungen vor.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V hat die Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte, notwendige Leistung zu erstatten, sofern sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Insoweit bedarf es letztlich keiner abschließenden Klärung, ob bzw. bzgl. welcher streitbefangenen Behandlungen diese Voraussetzungen erfüllt sind; denn jedenfalls ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V vorliegend bzgl. sämtlicher in Rede stehender Behandlungen gemäß § 13 Abs. 4 S. 1, 2. Halbsatz SGB V ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattungsanspruch in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 4 S. 1, 2. Halbsatz (1. Alternative) SGB V sind vorliegend erfüllt. Die zahnärztlichen und kieferorthopädischen Behandlungen der Klägerinnen in Spanien waren auf der Grundlage eines Pauschbetrags zu erstatten; denn nach Art. 36 VO (EWG) Nr. 1408/71 i.V.m. Art. 95 VO (EWG) 574/72 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1408/71 erstattet die Bundesrepublik Deutschland (über die zentrale Stelle der AOK Rheinland/Hamburg) für deutsche Rentner, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind (= KVdR-Rentner), und ihre Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz in Spanien haben, an den spanischen Krankenversicherungsträger einen Pauschalbetrag für von diesem erbrachte Krankenversicherungsleistungen.
Die Klägerinnen hatten auch Anspruch auf Sachleistungsgewährung durch den spanischen Krankenversicherungsträger. Nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 VO (EWG) 1408/71 bekommen Rentner, die – wie die Klägerin zu 1 seit Juni 2007 – zum Bezug einer Rente (z.B.) nach deutschen Vorschriften berechtigt sind und in Deutschland (als pflichtversicherte Rentner) Krankenversicherungsleistungen erhalten würden, aber an ihrem Wohnsitz im EU-Ausland (hier: Spanien) keinen Krankenversicherungsschutz genießen, Sachleistungen von dem ausländischen Krankenversicherungsträger, als ob sie dort zum Bezug einer Rente oder zur Inanspruchnahme von Sachleistungen aus der Krankenversicherung berechtigt wären. Dabei sind Familienangehörige in diesen Schutz einbezogen (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 1 VO (EWG) 1408/71). Diese Sachleistungsgewährung geht nach Art. 28 Abs. 2a VO (EWG) 1408/71 zu Lasten des Trägers desjenigen Mitgliedstaates, nach dessen Vorschriften der Rentner Anspruch auf diese Sachleistungen hat. Die Durchführung des Anspruchs erfolgt, indem der Rentner sich bei dem Träger des Wohnorts eintragen lässt und dabei eine Bescheinigung über einen Sachleistungsanspruch gegenüber dem Träger des anderen Mitgliedstaates vorlegt (Art. 28 VO (EWG) 574/72 über die Durchführung der VO (EWG) 1408/71). Die Klägerin zu 1 hat zum Nachweis ihrer Registrierung den Vordruck E 121 vorgelegt (vgl. zu alledem LSG NRW, Urteil vom 27.01.2011 – L 5 KR 56/09 sowie vom 14.06.2007 – L 5 KR 183/06). Nach der Einschreibung der Klägerinnen bei dem spanischen Versicherungsträger zum 01.07.2007 liegen die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch daher nicht mehr vor (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 13.07.2007 – B 1 KR 33/02 R).
Aus der zum 20.05.2004 in Kraft getretenen Verordnung (EG) 883/2004, welche die VO (EWG) 1408/71 allerdings erst mit Wirkung vom 01.05.2010 ersetzt (vgl. Art. 91 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 i.V.m. Art. 97 S. 2 und 96 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009), ergibt sich im Übrigen keine andere Beurteilung; denn Art. 24 VO (EG) 883/2004 ist – die Anwendbarkeit dieser Regelung vorliegend unterstellt – mit der bisherigen Regelung des Art. 28 VO (EWG) 1408/71 inhaltlich identisch.
Der Umstand, dass der spanische Krankenversicherungsträger zahnärztliche Behandlungen (über elementare Behandlungen, z.B. Ziehen eines Zahnes, hinaus) sowie kieferorthopädische Behandlungen nicht übernehmen dürfte (s.o.), ist im Übrigen nicht geeignet, einen darüber hinausgehenden Anspruch der Klägerinnen gegen den Beigeladenen zu begründen. Denn Versicherte haben es angesichts des gleichzeitigen Gewinns an Freizügigkeit hinzunehmen, dass ihnen im Ausland weder nach Form noch Inhalt nach identische Ansprüche zustehen wie im Inland (BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 33/02 R; vgl. ferner LSG NRW, Urteil vom 14.06.2007 – L 5 KR 183/06).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Einer Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Kläger durch den Beklagten, soweit diese durch Erhebung der Klage bei dem unzuständigen Verwaltungsgericht verursacht wurden, bedarf es nicht; denn Gerichtskosten sind dort nach § 188 S. 2 VwGO nicht angefallen.
D. Anlass für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Erstellt am: 05.04.2016
Zuletzt verändert am: 05.04.2016