Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.01.2015 geändert. Den Antragstellern wird für das Verfahren S 22 AS 158/15 ER Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T, L, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die am 00.00.1975 geborene Antragstellerin zu 1) ist Tschechin und lebt seit Juni 2011 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erbrachte unregelmäßig Dienstleistungen im Privathaushalten und war im Oktober 2013 abhängig als Angestellte beschäftigt. Am 18.06.2014 wurde ihr Sohn, der Antragsteller zu 2) geboren. Die Antragsteller bewohnten bis August 2014 eine gemeinsame Unterkunft zusammen mit dem Vater des Antragstellers zu 2). Zum 01.08.2014 bezog die Antragstellerin zu 1) mit dem Antragsteller zu 2) eine ab dem 01.08.2014 angemietete neue Wohnung.
Die Antragstellerin zu 1) bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.04.2014. Durch Bescheid vom 10.04.2014 lehnte der Antragsgegner die Weiterbewillligung von Leistungen ab. Hiergegen legte die Antragstellerin zu 1) Widerspruch ein.
Im vorhergehenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 22 AS 4156/14 ER/L 7 AS 2162/14 B ER wurde der Antragsgegner zur einstweiligen Gewährung des Regelbedarfs ohne Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 29.10.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten verpflichtet. Hierauf bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.12.2014 den Antragstellern vorläufig den Regelbedarf unter Anrechnung für den Antragsteller zu 2) bezogene Sozialleistungen bis einschließlich April 2015.
Nachdem die Antragstellerin zu 1) mit ihren Mietzahlungen im Rückstand geraten war, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis. Er erhob am 03.12.2014 Räumungsklage und begehrte Ausgleich eines Mietrückstandes von über 2.000,00 EUR.
Am 15.01.2015 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, aufgelaufene Mietrückstände sowie die laufenden Kosten der Unterkunft zwecks Abwendung der Räumung zu übernehmen.
Mit Beschluss vom 26.01.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Antragstellerin zu 1) sei weder Arbeitnehmerin noch Selbstständige im europarechtlichen Sinne und daher mangels ausreichender Finanzmittel nicht freizügigkeitsberechtigt. Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) könne sich alleine aus dem Zwecke der Arbeitssuche ergeben, weshalb sie und in der Folge auch der Antragsteller zu 2) von Leistungen sowohl nach dem SGB II wie auch nach dem SGB XII ausgeschlossen seien. Insbesondere die Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei durch das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 C 333/13- Dano-, geklärt.
Gegen den am 28.01.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 02.02.2015 sowohl gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als auch des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es eile, das Amtsgericht Köln habe in der Räumungsklage eine Frist zum 03.02.2015 für die Abwendung der Räumung durch Zahlung bzw. Bereiterklärung zur Übernahme der Rückstände gesetzt.
Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zu 1) im Räumungsklageverfahren ein Anerkenntnis abgegeben hat, haben die Antragsteller ihre Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung des Erlasses einer Regelungsanordnung für erledigt erklärt.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist begründet.
Die von den Antragsstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung – Erlass einer Regelungsanordnung betreffend die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung hat zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, den 21.01.2015, Zeitpunkt des Eingangs der Stellungnahme des Antragsgegners nach Einreichung der Erklärung über persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 ff. ZPO geboten.
Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer in Ansehung der einschlägigen gesetzlichen Regelung und bereits vorliegenden Rechtsprechung schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Gleiches gilt für den Fall, dass eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten im Streit steht und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine durchzuführende Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers zu 2) ausgehen würde (BVerfG, Beschlüsse vom 08.01.2009 – 1 BvR 2733/06 m.w.N. und vom 09.10.2014 – 1 BvR 83/12 m.w.N.).
Die Antragsteller haben im erstinstanzlichen Verfahren den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG betreffend die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt. Im Hinblick auf die erfolgte Kündigung des Mietverhältnisses und die bereits erhobene Räumungsklage haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Bei der seit Jahren und in mehrerlei Hinsicht umstrittenen Frage nach der Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses für Ausländer mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II handelt es sich um eine schwierige und offene Rechtsfrage. Da eine abschließende Klärung dieser Frage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, ist in diesen Fällen LSG NRW Beschlüsse vom 14.01.2015 – L 19 AS 2186/14 B ER – und vom 22.01.2015 – L 7 AS 2162/14 B ER -, LSG Hessen Beschluss vom 07.01.2015 L 6 AS 815/14 B ER -, vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange der Antragsteller einzustellen sind. Im Rahmen dieser Folgenabwägung überwiegt regelmäßig das Interesse der Antragsteller am einstweiligen Bezug existenzsichernder Leistungen das fiskalische Interesse des Antragsgegners, nicht dem Risiko einer möglicherweise nicht erfolgversprechenden Rückforderung ausgesetzt zu sein.
Nach summarischer Prüfung der Sachlage haben die Antragsteller das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II bzw. § 7 Abs. 2 SGB II glaubhaft gemacht. Bei der Frage, ob zu Ungunsten der Antragsteller der Leistungssauschluss des § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II eingreift, handelt es sich – auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 11.11.2013 – C-333/13 (Dano) – um eine höchstrichterlich ungeklärte und schwierige Rechtsfrage.
Selbst wenn die Antragstellerin zu 2) allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 08.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I, 1922 – n.F.). bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 a.F. FreizügG/EU (vgl. zu den Voraussetzungen dieses Aufenthaltsrechts: OVG Sachsen Beschluss vom 07.08.2014 – 3 B 507/13 -, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.06.2014 – OVG 2 N 38.12 -; VGH Bayern Beschluss vom 11.02.2014 – 10 C 13.2241 m.w.N.) hat und der Antragsteller zu 2) damit ein Aufenthaltsrecht nach § 3 FreizügG/EU, läge Klärungsbedürfnis vor.
Eine Entscheidung betreffend die Europarechtskonformität des Leistungsauschluss für Unionsbürger mit materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hat der Europäische Gerichtshof bislang nicht getroffen. Vielmehr ist zu dieser Frage noch eine Vorlageverfahren (BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R) anhängig. Entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss kann der Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II durch die Rechtsprechung des EuGH namentlich im Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13 – Dano geklärt sei, in dem Sinne, dass der Leistungsausschluss nicht zu beanstanden sei. Nach dieser Entscheidung ist Mitgliedstaaten gestattet, nicht erwerbstätige Unionsbürger, denen im Aufenthaltsmitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht, vom Bezug von Sozialhilfeleistungen i.S.v. Art. 24 der RL 2004/38/EG auszuschließen, wenn der Zugang zum nationalen Sozialhilfesystem nicht von der materiellen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts abhängt und die Unionsbürger von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen. Welche Schlussfolgerungen aus diesem Urteil hinsichtlich des Leistungsauschluss betreffend Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zu ziehen sind, ist umstritten (vgl. hierzu Schreiber ininfoalso 2015, S. 3 f. m.w.N.). Insbesondere ist noch nicht geklärt, ob Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche als Arbeitnehmer oder nichterwerbstätige Unionsbürger i.S.d. RL 2004/38 EG zu qualifizieren sind. Falls es sich um Arbeitnehmer i.S.der RL 2004/38 EG handelt, sind die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung vom 11.11.2014 – C-333/13 nicht einschlägig. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist auch derjenige Unionsbürger zumindest als Arbeitnehmer i.S.v. Art. 45 AUEV zu qualifizieren, der zwar keine Erwerbstätigkeit ausübt, aber tatsächlich Arbeit sucht (Urteil vom 19.06.2014 – C-507/12).
Im Hinblick auf das noch anhängige Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof wird daher in der Rechtsprechung vertreten, dass auch nach der Entscheidung in der Rechtsache Dano eine abschließende Klärung der seit Jahren und in mehrerlei Hinsicht umstrittenen Frage, ob der Leistungsausschluss für Ausländer, die sich ausschließlich zur Arbeitssuche im Inland aufhalten, rechtmäßig und anzuwenden ist, in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahrenen nicht möglich ist und weiterhin im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden ist (vgl. hierzu LSG NRW Beschlüsse vom 22.01.2015 – L 7 AS 21262/14 B ER und vom 14.01.2015 – L 19 AS 2186/14 B ER; LSG Hessen Beschluss vom 07.01.2015 – L 6 AS 815/14 B ER; vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER; a. A. ).
Selbst wenn der Antragstellerin zu 1) kein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zusteht und Aufenthaltsrechte aus anderen Gründen nicht in Betracht kommen (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 37/12 R zu einem solchen Fall), ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Dano höchstrichterlich keineswegs geklärt, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in einem solchen Fall eingreift. Zwar ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Fall von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht nicht gegen unionsrechtrechtliche Vorschriften verstößt. Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II allerdings (nach nationalem Recht) auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht überhaupt Anwendung findet, ist in der Rechtsprechung weiterhin umstritten:
Zu einem wird vertreten, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht keine Anwendung findet, weil der Wortlaut der Vorschrift nur auf das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche abstelle und wegen des Ausnahmecharakters des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II einer erweiternde Auslegung im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zugängig sei (Urteile des Senats vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13 Revision anhängig B 14 AS 33/14 R und vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13, Revision B 4 AS 64/13 R; LSG Thüringen Beschluss vom 25.04.2014 – L 4 AS 306/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13; LSG Hessen Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12, Revision B 14 AS 15/14 R; LSG Hessen Beschluss vom 05.02.2015 – L 6 AS 883/14 B ER; LSG NRW Beschluss vom 03.2015 – L 7 AS 2376/14 B ER).
Zum anderen wird vertreten und im Wege teleologischer Auslegung von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II begründet, dass die Vorschrift neben Unionsbürgern mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auch Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B ER; LSG NRW Beschlüsse vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER-. vom 09.01.2015 – L 12 AS 2209/14 B ER und vom 04.02.2015 – L 2 AS 2224/14 B ER, LSG Hamburg Beschluss vom 01.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER; siehe auch LSG Hessen Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B ER, wonach die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II aufgeführten Anspruchsvoraussetzungen um die ungeschriebene Voraussetzung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern seien).
Die Antragsteller sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 115 ZPO, so dass ihnen ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattungsfähig.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, (§ 177 SGG).
Erstellt am: 08.04.2015
Zuletzt verändert am: 08.04.2015