Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.01.2011 geändert und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T, H, bewilligt. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob dem Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für einen Antrag auf Aussetzung einer Sanktion nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu bewilligen ist.
Der 1978 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10.06.2010 wurden ihm Leistungen für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2010 bewilligt. Da der Antragsteller zu einem Meldetermin am 30.07.2010 nicht erschien, hörte der Antragsgegner ihn mit Schreiben vom selben Tag zu einer beabsichtigten Sanktionierung an. Der Antragsteller teilte dem Antragsgegner mit, dass er die Einladung zu dem genannten Meldetermin nicht erhalten habe. Mit Bescheid vom 14.09.2010 senkte der Antragsgegner die Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 ab.
Am 27.09.2010 um 10.15 Uhr hat der Antragsteller per Fax beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, die Sanktion aus dem Bescheid vom 14.09.2010 bis zur Entscheidung über den Widerspruch auszusetzen. Widerspruch hat er beim Antragsgegner am selben Tag per Fax um 14.21 Uhr eingelegt.
Der Antragsgegner hat die Sanktion mit Bescheid vom 04.10.2011 aufgehoben und der Antragsteller das Eilverfahren nach Erhalt der Nachzahlung mit Schreiben vom 18.10.2011 für erledigt erklärt.
Den Antrag auf Bewilligung von PKH hat das SG mit Beschluss vom 31.01.2011 abgelehnt. Zwar habe der Antrag in der Sache Erfolg gehabt. Auch sei ein Eilantrag bereits vor Einlegung des Widerspruchs zulässig. Die Inanspruchnahme des Gerichts sei jedoch nicht notwendig gewesen, weil die Möglichkeit bestanden habe, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit dessen Einlegung gem. § 86a Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Antragsgegner zu beantragen.
Gegen den ihm am 02.02.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 08.02.2011 Beschwerde eingelegt.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass das Antragsbegehren nicht möglich gewesen sei, da bei Antragstellung vor dem Sozialgericht ein Widerspruch gefehlt habe. Im Übrigen sei auf den Beschluss des SG zu verweisen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a Rn 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 23.03.2010 – L 6 B 141/09 AS). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 juris Rn 26 – BVerfGE 81, 347).
Ausgehend hiervon ist dem Antragsteller PKH zu gewähren. Der Eilantrag hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners war der Eilantrag nicht bereits deshalb ohne Aussicht auf Erfolg, weil dieser noch vor dem Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid eingelegt worden ist. Zwar ist bei einer derartigen zeitlichen Abfolge der Eilantrag im Moment der Antragstellung beim SG unzulässig, da ein Widerspruch, für den die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen werden soll, (noch) nicht vorliegt (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 7). Der Antrag wird jedoch in dem Moment zulässig, in dem der Widerspruch, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, eingelegt wird. Hier hätte das SG dem Eilantrag – wenn die Angelegenheit nicht durch einen Abhilfebescheid erledigt worden wäre – somit ab dem 27.09.2011 um 14.21 Uhr stattgeben müssen, da die Einladung vom 20.07.2010, die Grundlage für die Sanktion war, dem Antragsteller nicht zugegangen ist und der Sanktionsbescheid damit rechtswidrig war.
Der Eilantrag war entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht mutwillig. Ein Antragsteller hat nicht die Pflicht, mit Einlegung des Widerspruchs die aufschiebende Wirkung des Bescheides zunächst gem. § 86a Abs. 3 S. 1 SGG beim Antragsgegner zu beantragen (BSG Urteil vom 17.10.2007 – B 6 KA 4/07 R Rn 20; vgl auch Keller a.a.O. Rn 7a).
Kosten im Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.07.2011
Zuletzt verändert am: 05.07.2011