Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Einstiegsgeld.
Der im Jahr 1980 geborene Kläger stand ihm Bezug laufender Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 30.5.2005 beantragte er ein Einstiegsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 1.6.2005. Er gab dazu an, dass er zusammen mit Herrn T als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Fachhandel für "Assimilationsbeleuchtung sowie für den Gartenland- schaftsbau mit diversen Klima- und Bewässerungsanlagen" betreiben wolle. 60% des Umsatzes solle mit der noch in Arbeit befindlichen Home-Page erzielt werden.
Am 2.6.2005 meldete der Kläger zum 1.6.2005 bei der Gewerbemeldestelle die Tätigkeit "Verkauf von Elektroartikeln und Zubehör, Geschenkartikeln, Literatur, Esoterik" an.
Mit Bescheid vom 28.6.2005 bewilligte die Beklagte ihm für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2005 ein Einstiegsgeld in Höhe von 311 EUR monatlich.
Am 21.9.2005 sprachen der Kläger und Herr T wegen eines Verlängerungsantrags vor, woraufhin die Beklagte sie aufforderte, eine Gewinn- und Verlustrechnung, eine Beschreibung der Tätigkeit vor der angeblich erst im September erfolgten Geschäftseröffnung sowie eine Begründung für die verspätete Geschäftseröffnung zu übersenden.
Unter dem 25.09.2005 stellte der Kläger einen schriftlichen Antrag auf Weiterbewilligung: Da er seinen "Growshop" erst zum 1.9.2005 aufgemacht habe und eine gewisse Anlaufzeit benötige, könne er sein Unternehmen ohne Weitergewährung von Einstiegsgeld nicht aufrechterhalten. In der Nacht vom 16. zum 17.9.2005 sei in seinem Lager eingebrochen worden; dabei sei nicht nur die Kasse mit dem Bargeld, sondern auch das Kassenbuch entwendet worden, so dass er die bis dahin getätigten Umsätze nicht lückenlos nachweisen könne. Der Versicherungsschaden belaufe sich auf 7215,68 EUR.
Der von der Beklagten eingeschaltete Ermittlungsdienst bestätigte aufgrund einer Überprüfung der Geschäftsräume von "H" (so der auch im Internet vom Kläger verwandte Name des Unternehmens), dass die Angaben des Klägers und seines Geschäftspartners im Wesentlichen zuträfen. Die Räumlichkeiten seien für 600 EUR/Monat zum 1.7.05 angemietet worden. "Head-" und "Glowshop" seien sichtlich voneinander getrennt. Außerdem erfolge ein Vertrieb über einen Onlineshop (www.grow-in-europe.de). Auch dort bestehe eine Trennung zwischen "Head"- und "Glowshop". Die Einnahmen gingen auf ein gemeinsames Geschäftskonto, würden dann aber zum Jahresende steuerlich getrennt bearbeitet. Beide Geschäftspartner zahlten sich jeweils ein monatliches Gehalt von 500 EUR vom Geschäftskonto.
Mit Bescheid vom 26.10.2005 lehnte die Beklagte den Antrag vom 25.09.2005 ab mit der Begründung, dass die eingereichten Unterlagen eine existenzsichernde Fortführung des Gewerbes nicht erkennen ließen.
Hiergegen legte der Kläger am 30.10.2005 Widerspruch ein. Er und sein Partner hätten bisher keine Einnahmen erzielt, weil sie noch mit dem Ausbau der Lagerhalle befasst seien; drei Wochen nach Geschäftsöffnung hätten sie wegen des Einbruchs schon wieder schließen müssen.
Am 02.01.2006 legte der Kläger eine Gewinn- und Verlustrechnung für Juni bis November 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nur schleppend oder gar nicht nachgekommen. Die eingereichten Unterlagen ließen nicht darauf schließen, dass der Kläger mithilfe weiteren Einsteigsgeldes seine Hilfebedürftigkeit überwinden und dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne.
Daraufhin hat der Kläger am 20.02.2006 die vorliegende Klage erhoben und ausgeführt: Er habe inzwischen die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Dass das Geschäft erst am 01.09.2005 eröffnet worden sei, erkläre sich daraus, dass im Vorfeld noch diverse Dinge hätten erledigt werden müssen. So hätten z.B. erst noch die Geschäftsräume angemietet und die Waren eingekauft werden müssen. Nach dem Einbruch habe man das Geschäft zunächst erst einmal wieder schließen müssen; der Online-Verkauf sei aber permanent fortgeführt worden. Inzwischen lasse sich sehr wohl eine positive Geschäftsprognose stellen.
Nachdem das Gericht im Rahmen eines Erörterungstermins darauf hingewiesen hatte, dass die Home-Page von "H" deutliche Bezüge zur Rauschmittelszene aufweise, hat der Kläger vorgetragen: Bei seiner Home-Page handele es sich sowohl um ein Forum als auch um einen "Shop". Das Forum, das er lediglich hobbymäßig betreibe, sei im Wesentlichen eine Ansammlung von Informationen, die über die Verwendungsmöglichkeiten von Cannabinuiden in der medizinischen Versorgung und die entsprechende Gesetzeslage aufklärten. Er selbst sei Mitglied des Deutschen Hanfverbandes, der ebenfalls Aufklärungsarbeit betreibe. Bei dem Shop gehe es um Hightech-Garten-/Landschaftsbau, Gartenbedarf und Tabaksachen. Auch würden Pflanzenschutzmittel, Dünger und Beleuchtungsgegen- stände wie Hochdrucklampen vertrieben, wie sie insbesondere in botanischen Gärten verwandt würden. Soweit sich unter den insgesamt rund 5000 vertriebenen Artikeln vereinzelt auch Ware finde, die ggf. in der Drogenszene verwendet werde, könne ihm das nicht angelastet werden; sein Warensortiment sei jedenfalls legal. Ein Großteil des Sortiments sei auch in sonst üblichen Geschäften erhältlich. Er stehe in ständiger Verbindung zum Wirtschaftsamt und habe wegen des von ihm vorgelegten Businessplans in dem "Go NRW to start-Programm" bereits die erste Stufe überspringen können. Sein Sortiment möge teilweise dem eines klassischen "Head-and-Grow-Shops" ähneln, sei damit aber keinesfalls gleichzusetzen. Der absolute Schwerpunkt liege im Garten- bzw. Landschaftsbau, wobei das meiste über den Versand laufe. Psychoaktive Substanzen würden nicht verkauft.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2006 zu verurteilen, dem Kläger über den 30.11.2005 hinaus Einstiegsgeld zu gewähren,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die mit dem Einstiegsgeld bezweckte Förderung nur für Tätigkeiten in Betracht komme, die nicht gesetzeswidrig seien oder gegen die guten Sitten verstießen. Das im Internet angebotene Produktangebot des Klägers umfasse aber auch Rauschmittel. Der Kläger möge die bisher getätigten An- und Verkäufe nachweisen, um die sich daraus ergebenden Vorbehalte zu entkräften.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die den Einbruch in die Geschäftsräume des Klägers betreffende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte 130 Js 960/06 Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die mit dem Hauptantrag erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs-klage im Sinne des § 54 Abs. 1, Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Denn es gibt grundsätzlich keinen Anspruch auf die Zahlung eines Einstiegsgeldes, sondern nur einen Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung gemäß § 39 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I).
Nach der als Beurteilungsgrundlage maßgeblichen Vorschrift des § 29 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) kann erwerbsfähigen arbeitslosen Hilfebedürftigen zur Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld kann auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt. Das Einstiegsgeld wird, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes sollen die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfs-gemeinschaft berücksichtigt werden, in der der erwerbsfähige Hilfebedürftige lebt.
Das dem Leistungsträger danach grundsätzlich zustehende Ermessen ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise in dem Sinne eingeschränkt, dass nur die Weiterbewilligung des Einstiegsgeldes als solche und auch nur in bestimmter Höhe und Dauer rechtsfehlerfrei wäre. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine solche "Ermessensreduktion auf Null" insbesondere nicht aus der tatsächlich erfolgten Weiterbewilligung des Einstiegsgeldes an seinen Geschäftspartner.
Zum einen lässt sich nämlich schon keine Gleichheit der Sachverhalte annehmen, weil der Sachbearbeiterin bei der Beklagten im Fall des Geschäftspartners die entscheidungserheblichen Bezüge zur Rauschmittelszene nicht bekannt waren, während vorliegend die Entscheidung "sehenden Auges" zu treffen ist. Zum anderen und vor allem scheitert eine aus dem Gleichbehandlungsgebot herzuleitende Ermessensbindung daran, dass es keine "Gleichheit im Unrecht" gibt: Das als Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorgesehene Einstiegsgeld würde sich vorliegend nämlich auf eine Erwerbstätigkeit beziehen, die – in jedenfalls nicht unerheblichem Umfang – den Vertrieb solcher Artikel umfasst, welche der (insbesondere cannabisorientierten) Rauschmittelszene dienlich und ihr typischerweise zuzuordnen sind.
Eine solche mittelbare Förderung dieser Erwerbstätigkeit widerspräche aber dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung. Denn wenn auch der Konsum von Cannabisprodukten wie Haschisch und Marihuana nicht strafbar ist, so stellt das Betäubungsmittelgesetz doch diejenigen Vorgänge unter Strafe, die den Konsum erst ermöglichen, wie unerlaubten Anbau, Herstellung, Handel, Weitergabe, Erwerb und Besitz von Cannabisprodukten. Mögen der Kläger und sein Geschäftspartner mit ihrer Erwerbstätigkeit insoweit auch noch nicht den Tatbestand der Beihilfe oder Anstiftung erfüllen, bewegen sie sich damit jedoch am Rande der Legalität, indem sie Artikel anbieten, die die Ausübung der unter Strafe gestellten Handlungen wesentlich begünstigen und zu einem weiteren Anstieg beitragen. Mit Eingliederungsleistungen für eine derartige Erwerbstätigkeit würden die gesetzgeberischen Wertungen des Staates, der im Übrigen nicht unerhebliche finanzielle Mittel aufwendet, um der Verbreitung von Cannabisprodukten und anderen Rauschmitteln entgegenzutreten und gesundheitliche Folgen des Konsums zu beheben, konterkariert.
Die Darstellung des Klägers, er betreibe schwerpunktmäßig einen Fachhandel für Garten- und Landschaftsbau und das Sortiment beinhalte allenfalls vereinzelt Artikel, die auch in der Drogenszene Verwendung finden könnten, wird dem tatsächlichen Charakter seines Unternehmens ebenso wenig gerecht wie die Angaben, die der Kläger bei dem Antrag auf Einstiegsgeld und bei der Gewerbeanmeldung zum Geschäftszweck gemacht hat.
Die unter "H-E" aufrufbare Home-Page, über die der Kläger und sein Geschäftspartner ausweislich der zum Antrag auf Einstiegsgeld abgegebenen Kurzbeschreibung ihrer selbständigen Tätigkeit immerhin 60 % ihres Umsatzes erzielen wollen, bietet – wie die anscheinend erstmals im gerichtlichen Verfahren durchgeführte Recherche im Internet ergeben hat – auf ihrer Startseite an erster Stelle einen "Growshop" und einen "Headshop".
Als "Growshop" werden Läden oder Geschäfte bezeichnet, die Zubehör zur Aufzucht und zum Anbau von verschiedenen Drogen (meist Cannabis) verkaufen, wie z. B. spezielle Lampen, Dünger, Samen sowie Aufzuchtkästen. Tatsächlich soll der Anbau von Hanf (Cannabis) unter Kunstlicht in der eigenen Wohnung, das sogenannte "Indoor-Growing" (z.B. im "Growschrank") in den letzten Jahren in Deutschland deutlich zugenommen haben.
Bei einem "Headshop" geht es um den Verkauf von Zubehör für die Cannabis-Szene und szenetypischen Produkten wie Wasserpfeifen, Bongs, Vaporizern, langem Zigarettenpapier (Longpapers) zum Drehen von Joints, aber auch normalen Tabakspfeifen; darüber hinaus werden häufig Aschenbecher, Feuerzeuge, Pfeifenreiniger u.a. mit psychedelischen Farben, Rastafari-, Hanfblatt- oder mystischen Motiven angeboten, vgl. die Erläuterungen zu "Growshop", "Marihuana" und "Headshop" bei Wikipedia -.
Genau diesem Sortiment entspricht das Angebot des "Grow"- und "Headshops" von "H –E" bzw. von "H2", zu dem der Kläger "H-E" nunmehr umbenannt hat. So wird unter dem wiederholt im Kopfteil der einweisenden Katalogseiten auftauchenden Symbol eines Hanfblattes für Zucht- und Trockenkästen ("Homebox" und "Drybox") geworben mit den Hinweisen auf "neutralen Versand" und "Unauffälligkeit des Instruments", werden Anzucht-Startersets, Papers, Blunts, Bongs, Vaporizer, Feinwaagen, Bröselmaschinen und Drogentests ("ToxiQuick" für Opiate, Cannabinoide, Cocain) angeboten sowie Bücher und Videos zum Kauf vorgestellt, die unter Titeln wie "Marihuana drinnen" und "Cannabis Indoor" erklären, "wie man zu seinem eigenen Homegrow kommt" … Die zum Nachweis der gestohlenen Gegenstände eingereichten Rechnungen, die in der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte zu dem Einbruch bei H-E zusammengestellt sind, belegen, dass der Onlineshop des Klägers und seines Geschäftspartners in erster Linie von dem unter dem Namen "H3 in C" von Salinger und Mack betriebenen Internetversandhandel als Großhändler beliefert worden ist, der im Internet mit der Kopfzeile "Growshop, Headshop, Shop, Hanf, Anbau, Bongs, etc." wirbt. Ausweislich dieser Rechnungen hat "H-E" von dort neben dem sonstigen üblichen Sortiment von Grow- und Headshops u.a. auch Blunts, Urinschnelltests auf Drogen, Bücher bzw. Videos mit den Titeln "Hanf Botanik, Anbau, Vermehrung, Züchtung", "Das Jointdrehbuch", "Das Rauschkochbuch – leichtere Hanfrezepte" bezogen. Die Suchmaschine Google gibt zu "H2" an: "Der Grow und Head Shop. H2 …hat alles für Cannabis, Hanf Anbau unter Natriumdampflampen".
Alle diese Umstände lassen in ihrer Gesamtheit keinen Zweifel daran, dass das Unternehmen des Klägers und seines Geschäftspartners – wenn auch nicht ausschließlich, so doch zu einem wesentlichen Teil – auf Verkäufe an Personen der Drogen-, insbesondere der Cannabisszene ausgerichtet ist. Auf die Frage, zu welchem Anteil daneben auch "neutrale" Waren verkauft worden sind, kommt es bei dieser Sachlage nicht an, so dass auch dem Antrag des Klägers auf Besichtigung seines Verkaufslagers nicht nachzugehen war. Allein diese Zielsetzung verbietet nämlich jede Förderung durch öffentliche Mittel und kann damit auch nicht ermessensfehlerfrei erfolgen. Erweist sich somit die Gewährung des Einstiegsgeldes an den Geschäftspartner des Klägers als rechtswidrig, kann der Kläger daraus nichts zu seinen Gunsten herleiten.
Der Hilfsantrag auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat ebenfalls keinen Erfolg. Er scheitert schon deshalb, weil eine Ermessensreduktion in dem Sinn vorliegt, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles – wie ausgeführt -nur eine Ablehnung des Antrags auf Einstiegsgeld ermessensgerecht erscheint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 08.05.2007
Zuletzt verändert am: 08.05.2007