Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.04.2011 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners ihnen für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 höhere Leistungen – Regelbedarfe – zu bewilligen, da die mit Gesetz vom 24. März 2011 (BGBl I, 453) festgesetzten Regelbedarfe verfassungswidrig seien. Hilfsweise beantragen sie, die Angelegenheit gem. Art. 100 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.
Mit Bescheid vom 06.01.2011 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1) und 2) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und berücksichtigte jeweils eine Regelleistung von 323 Euro monatlich. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller zu 1) und 2) am 20.01.2011 Widerspruch ein. Im Rahmen der Änderungsbescheide vom 20.01.2011, 11.02.2011, 14.02.2011, 16.02.2011 wurden die Leistungen in unterschiedlicher Höhe neu festgesetzt. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner zuletzt die Unterkunftskosten in geltend gemachter Höhe und bezog die am 25.01.2011 geborene Antragstellerin zu 3) in die Bedarfsgemeinschaft ein. Für die Antragstellerin zu 3) berücksichtigte der Beklagte Sozialgeld in Höhe von 215 Euro monatlich.
Am 21.02.2011 haben die Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und gleichzeitig Klage erhoben. Sie haben u.a. vorgetragen, der Antragsgegner sei im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, höhere Leistungen im Hinblick auf die Regelleistung zu bewilligen und zwar für die Antragsteller zu 1) und 2) jeweils 360 Euro monatlich und für die Antragstellerin zu 3) 252 Euro monatlich. Diese Beträge ergäben sich aus den bekannten Untersuchungen und im übrigen auch aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe der Amtlichen Statistik in Deutschland (EVS), wenn man die zu Unrecht vorgenommenen Kürzungen weglasse.
Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 30.03.2011 und 11.04.2011 berechnete der Beklagte die Leistungen aufgrund von Änderungen bezüglich des Einkommens und des Bezuges von Elterngeld neu und legte rückwirkend ab 01.01.2011 als Regelsatz für die Antragsteller zu 1) und 2) gem. § 20 Abs. 4 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2011 (BGBl I, 453) – n.F. – jeweils 328 Euro und für die Antragstellerin zu 3) gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 77 Abs. 4 Nr. 2 SGB II n.F. 215 Euro monatlich zu Grunde.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14.04.2011 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 – festgestellt, dass die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung mit dem Grundgesetz unvereinbar seien. Es müsse ein Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen entsprechend der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben durchgeführt werden. Auch sei die dem Gesetzgeber gesetzte Frist zum 31.12.2010 abgelaufen ohne das die Rechtslage verändert worden sei. Dies führe jedoch nicht dazu, dass das Gericht nunmehr vorläufig berechtigt wäre, im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens andere Regelsätze festzulegen. Das BVerfG habe auch festgestellt, dass die bisher festgesetzten Regelsätze nicht evident unzureichend gewesen seien. Unter diesen Umständen sei die Notwendigkeit einstweiligen Rechtsschutzes nicht glaubhaft gemacht worden. In Ermangelung eines Anordnungsgrundes sei der Antrag abzulehnen.
Gegen den am 14.04.2011 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 19.04 2011 Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Sie tragen ausführlich vor, warum die Ermittlung der Regelbedarfe (weiterhin) ihrer Auffassung nach nicht den Anforderungen entspreche, die das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben habe. Das Gericht müsse den notwendigen Regelbedarf auch im Rahmen eines Eilverfahrens ermitteln.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners und der Gerichtsakten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist bezüglich des Hauptantrages unzulässig.
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet, folgt dies aus § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, soweit die Beschwerde die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Gegenstand hat aus § 172 Abs. 3 Nr. 1 2. Halbsatz SGG in der seit dem 11.08.2010 geltenden Fassung (s. Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I 1127)). Danach ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und gegen Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Die Berufung wäre hier ausgeschlossen, da der für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels maßgebliche Beschwerdewert nicht überschritten wird. Dieser liegt nach § 144 Abs. 1 S. 1 SGG bei 750 Euro. Das Begehren der Antragsteller entspricht selbst bezogen auf den gesamten Leistungszeitraum des ersten Halbjahres 2011 einem wirtschaftlichen Wert von lediglich 606 Euro. Die Antragsteller begehren einen Regelsatz von monatlich 360 Euro für die Antragsteller zu 1) und 2) und von 252 Euro monatlich für die Antragstellerin zu 3). Tatsächlich bewilligt hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.04.2011 Regelsätze für die Antragsteller zu 1) und 2) in Höhe von 328 Euro monatlich und für die Antragstellerin zu 3) in Höhe von 215 Euro monatlich. Dies ergibt für den streitigen Leistungszeitraum einen monatlichen Differenzbetrag von 101 Euro, für sechs Monate insgesamt 606 Euro.
Die Beschwerde ist auch nicht deshalb zulässig, weil die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden müsste. Für eine Beschwerdezulassung durch das Landessozialgericht fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Weder sieht § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG einen solchen Rechtsbehelf vor noch kann diese Bestimmung dahingehend ausgelegt werden, dass die Beschwerde wie die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG auf Zulassung möglich sein soll (vgl. LSG NRW Beschluss vom 15.08.2008 – L 19 B 146/08 AS ER – juris Rn 17; Beschluss vom 10.04.2008 – L 9 B 74/08 AS ER – juris Rn 3).
Bezüglich des Hilfsantrags kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG erscheint nicht geboten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 2 SGG ist nur eine vorläufige Klärung herbeizuführen, bei der möglichst zeitnah entschieden wird, welche Leistungen vorläufig bewilligt werden sollen. Eine diesem Verfahrenszweck entsprechende zeitnahe Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Berechnung der Regelsätze ist in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht zu erwarten (vgl. LSG NRW Beschluss vom 01.06.2010 – L 20 AY 4/10 B ER – juris Rn 42; BVerfG Beschluss vom 30.10.2010 – 1 BvR 2037/10).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, da das Verfahren wie oben dargelegt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, im Übrigen auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.05.2011
Zuletzt verändert am: 23.05.2011