Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 13.11.2008 geändert. Die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 321,30 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht (SG) Köln für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bewilligten Prozesskostenhilfe.
Mit Beschluss vom 28.07.2008 hat das SG den Antragstellern des Ausgangsverfahrens Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren bewilligt und Rechtsanwalt N beigeordnet. Nach Beendigung des Verfahrens machte der Beschwerdeführer mit Kostenrechnung vom 02.10.2008 folgende Gebühren gegen die Staatskasse geltend:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG, 250,00 Euro
Terminsgebühr gemäß § 49 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 89,30 Euro
Summe 559,30 Euro
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.10.2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts die Gebühren und Auslagen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 114,00 Euro
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Nettobetrag 134,00 Euro
19% Mehrwertsteuer 25,46 Euro
Gesamtbetrag 159,46 Euro
Zur Begründung führte er aus, die Verfahrensgebühr sei wegen der vorgerichtlichen Vertretung nach Nr. 3103 VV RVG zu bemessen. Zudem sei die Mittelgebühr auf 2/3 zu kürzen. Des Weiteren verneinte er die Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr, da in einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 07.11.2008 Erinnerung ein. Die Verfahrensgebühr richte sich nach Nr. 3102 VV RVG, da das einstweilige Rechtsschutzverfahren ein eigenständiges Verfahren sei. Die Herabsetzung der Geschäftsgebühr sei nicht hinzunehmen. Zudem falle eine Terminsgebühr an.
Das SG hat mit Beschluss vom 13.11.2008 die zu erstattenden Kosten auf 226,10 Euro festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird verwiesen.
Gegen den ihr am 21.11.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 27.11.2008 Beschwerde eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter.
II.
Über die Beschwerde entscheidet nicht der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, sondern der Einzelrichter nach §§ 56 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1. HS 2 RVG. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verneint, seine bisherige gegenteilige Auffassung aufgegeben (LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2011 – L 7 B 400/08 AS) und zur Berechnung der Gebühr nach Nr. 3103 bzw. Nr. 3102 VV RVG bei einem einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Stellung genommen hat (LSG NRW, Beschluss vom 15.11.2010 – L 7 AS 254/10 B).
Das Rubrum war von Amts wegen zu korrigieren. Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, die/der Rechtsanwältin/Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist nicht beteiligt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage 2010, § 56 RVG, Rn. 2-4; LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2010 – L 9 AS 878/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009 – L 12 B 159/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2009 – L 20 B 27/09 AS).
Die Beschwerde des Beschwerdeführers, der das SG nicht abgeholfen hat, ist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegen-standes 200,00 EUR übersteigt.
Die Beschwerde ist jedoch nur hinsichtlich der Geschäftsgebühr begründet. Zu Recht hat das SG die Voraussetzungen einer "fiktiven" Terminsgebühr verneint.
Die Verfahrensgebühr ergibt sich vorliegend aus Nr. 3102 VV RVG. Demgegenüber ist Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig. Diese Gebührenziffer erfordert, dass eine Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren oder in einem weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verfahren vorausgegangen ist. Hintergrund der Absenkung der Gebühr ist die gesetzgeberische Intention, bei Identität des Streitgegenstandes von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes im gerichtlichen Verfahren für den Bevollmächtigten wegen der Vorbefassung im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren auszugehen (BT-Drucks. 15/1971, S. 212 zu Nr. 3103 und 3102). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn es liegt keine Deckungsgleichheit vor, wenn es sich einerseits um ein Widerspruchsverfahren und andererseits um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG handelt (vgl. zum Meinungsstand LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009 – L 12 B 159/08 AS Rn. 36 ff.). Der die Minderung rechtfertigende "Synergieeffekt" ist zu verneinen, da neben dem Anordnungsanspruch im Sinne des materiell-rechtlichen Anspruchs zusätzlich der Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen ist. Des Weiteren dient das einstweilige Rechtsschutzverfahren in Angelegenheiten der Grundsicherung einem anderen Zweck als das Widerspruchsverfahren, da zunächst die vorläufige Sicherung des Existenzminimums geklärt werden muss (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 15.112010 – L 7 AS 254/10 B). Daher ist die Mittelgebühr ausgehend von dem Gebührenrahmen 40,00 bis 460,00 Euro auszugehen und somit 250,00 Euro zu Grunde zu legen.
Nicht entscheidungserheblich war, ob der Rechtsstreit vorliegend durch ein Anerkenntnis beendet worden ist. Auch bei Zugrundelegung eines Anerkenntnisses sind die Voraussetzungen für eine Terminsgebühr nicht gegeben. Diese ist nach Nr. 3106 VV RVG nicht angefallen. Grundsätzlich fällt eine Terminsgebühr an, wenn tatsächlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. In den folgenden Nummern des Nr. 3106 VV RVG sind die Ausnahmefälle geregelt, in denen auch ohne Termin eine sog. fiktive Terminsgebühr anfällt. Danach entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) auch, wenn 1. in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, 2. nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder 3. das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Nr. 3 liegen nicht vor. Eine fiktive Terminsgebühr fällt in Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an. Der Senat gibt seine abweichende Rechtsprechung (Beschluss vom 26.04.2007 – L 7 B 36/07 AS) insoweit auf.
Zwar lässt sich zur Überzeugung des Senats die Rechtsfolge nicht unmittelbar dem Wortlaut der Nr. 3 entnehmen. Dementsprechend wird zum Teil in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass auch ein Anerkenntnis in einem Eilverfahren eine fiktive Terminsgebühr begründet (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2010 – L 1 AS 57/10 B unter Aufgabe seiner abweichenden Rechtsprechung; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26.11.2008 – L 6 B 130/08 SF, Rn. 25; LSG NRW, Beschluss vom 18.09.2008 – L 5 B 43/08 KR; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 19. Aufl. 2010, Nr. 3106 VV RVG Rn. 6). Der Wortlaut der Nr. 3 lässt jedoch durchaus auch die Auslegung zu, dass hier nur eine Regelung in Bezug auf solche Verfahren getroffen wurde, die regelmäßig aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Jedenfalls Sinn und Zweck der Norm sprechen dafür, dass Verfahren, die eine mündliche Verhandlung nicht zwingend erfordern und im Regelfall durch Beschluss entschieden werden, einen Anspruch auf die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG nicht auslösen (LSG NRW, Beschluss vom 03.01.2011 – L 6 AS 1399/10 B; Beschluss vom 22.12.2010 – L 19 AS 1138/10 B; Beschluss vom 24.11.2010 – L 9 AS 878/10 B; Beschluss vom 03.03.2010 – L 12 B 141/09 AS; Beschluss vom 20.10.2008 – L 20 B 67/08 AS; Sächsisches LSG, Beschluss vom 7.2.2008 – L 6 B 33/08 AS-KO; VG Bremen, Beschluss vom 20.4.2009 – S 4 E 518/09; Curkovic, a.a.O., Nr. 3106 VV RVG Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 5.12.2007 – 4 KSt 1007/07 bezogen auf Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG; BGH, Beschluss vom 25.9.2007 – VI ZB 53/06). Nach Nr. 3 soll vermieden werden, dass der Rechtsanwalt von einer schriftlichen Annahmeerklärung absieht, damit ein Termin durchgeführt wird. Er soll bei einer schriftlichen Annahmeerklärung nicht um eine Terminsgebühr gebracht werden, die im Klageverfahren grundsätzlich anfällt. Anders als in Klageverfahren (§ 124 Abs. 1 SGG) ist in den Verfahren nach § 86b SGG eine mündliche Verhandlung jedoch nicht vorgeschrieben. Im Regelfall ergeht eine Entscheidung nach § 86b SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 3 i. V. m. § 86b Abs. 4 SGG). Dies bedeutet, dass das Gericht nach Ermessen entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird oder nicht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 124 Rn. 5). Die Beteiligten können eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verhindern, so dass keine Notwendigkeit besteht, eine (fiktive) Terminsgebühr zu gewähren, um prozessökonomisches Verhalten des Rechtsanwalts nicht zu benachteiligen (VG Bremen, a.a.O.). Diese Auslegung entspricht dem gesetzgeberischen Willen, der mit der Regelung bezweckte, Rechtsanwälte, die an sich erwarten können, im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit eine Terminsgebühr zu verdienen, nicht gebührenrechtlich schlechter zu stellen, wenn sie durch eine bestimmte Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 209).
Es ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß § Nr. 3102 VV RVG 250,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Nettobetrag 270,00 Euro
19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 51,30 Euro
Summe 321,30 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).
Erstellt am: 23.03.2011
Zuletzt verändert am: 23.03.2011