Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.07.2008 geändert. Den Klägern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Detmold Prozesskostenhilfe ab dem 20.02.2008 (Antragseingang) bewilligt und Rechtsanwältin P, P, zu ihrer Vertretung beigeordnet.
Gründe:
Zur Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kläger mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung i.S.v. § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt.
Die Kläger sind mit einem sog. Schengenvisum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, nachdem für sie eine Verpflichtungserklärung i.S.v. § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abgegeben worden war. Sie waren zuvor unter Inanspruchnahme eines sog. Schleppers nach Luxemburg eingereist und hatten dort die Gewährung von Asyl beantragt; die Luxemburgischen Behörden haben die Kläger am 15.06.2005 nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen in die Bundesrepublik überstellt, nachdem die Erteilung des Visums durch die Deutsche Botschaft in der Ukraine festgestellt worden war. Nach Angaben im Asylverfahren war das Visum für die Bundesrepublik in Kiew vom "Schlepper" beantragt worden; erst in Luxemburg hätten sie – die Kläger – von diesem Visum erfahren.
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid vom 13.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2007, mit dem nurmehr Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bewilligt wurden. Dabei geht die Beklagte in ihrer Entscheidung davon aus, dass die Kläger eingereist sind, weil bereits Verwandte in der Bundesrepublik leben und weil in der Bundesrepublik eine bessere medizinische Versorgung des genetisch erkrankten Klägers zu 3) (Klumpfuß) möglich sei.
Die Kläger verweisen im Wesentlichen darauf, dass die Erkrankung des Klägers zu 3) ein Abschiebehindernis sein könne. Dies allein würde jedoch eine Gewährung von nurmehr nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen im Sinne von § 1a Nr. 1 AsylbLG nicht ausschließen. Denn diese Norm stellt lediglich darauf ab, ob sich die Leistungsberechtigten in den Geltungsbereich des AsylbLG begeben haben, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten.
Von einer Einreise zum Zweck des Leistungsbezuges i.S. der Vorschrift kann ausgegangen werden, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen besteht (vgl. Senatsbeschluss vom 23.02.2007 – L 20 B 61/06 AY). Sind mehrere Motive möglich oder feststellbar, muss die Inanspruchnahme von Leistungen das prägende Motiv des Hilfesuchenden gewesen sein (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, AsylbLG, 2. Auflage 2008, § 1a Rn. 5). Prägend ist das Motiv des Leistungsbezuges dann, wenn es für den Ausländer neben anderen Gründen so wesentlich war, dass er ansonsten nicht eingereist wäre (vgl. Birk, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1a AsylbLG Rn. 3). Ein nur beiläufiges Beziehen von Leistungen nach dem AsylbLG, welches anderen Einreisezwecken untergeordnet ist und insoweit nur billigend in Kauf genommen wurde, genügt demgegenüber nicht (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 – 5 C 22.87 = BVerwGE 90, 212 zu § 120 Bundessozialhilfegesetz ( BSHG)).
Zwar hat der Kläger zu 1) selbst bei einer Vorsprache am 11.02.2008 bei der Beklagten unter Hinzuziehung eines von ihm konsultierten Dolmetschers unterschriftlich bestätigt, dass er vordergründig im gesundheitlichen Interesse seiner Kinder in die Bundesrepublik eingereist sei. Er wolle hier nicht von Leistungen des Staates leben, sondern so schnell wie möglich auf eigenen Beinen stehen und seine Familie selbständig versorgen. Dies sei allerdings schwierig, da er keinen Führerschein besitze und dementsprechend auch keine bessere Arbeit finden könne als seine derzeitige Tätigkeit bei einer Fa. L. Er wolle sich allerdings weiterhin bemühen, die finanzielle Lage seiner Familie durch seine Arbeitskraft zu verbessern.
Der Beklagten ist auch zuzugeben, dass ein Wunsch des Klägers zu 1), durch eigene Arbeit den Unterhalt der Familie zu sichern, gleichwohl die Annahme zulassen kann, dass er bei verständiger Betrachtung nicht hat davon ausgehen können, dass er von Anfang an durch eigene Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland seine Familie werde ernähren können. Auch der Senat hält es vielmehr bei summarischer Prüfung für wahrscheinlich, dass der Kläger zu 1) damit gerechnet hat, dass für seine Familie zumindest zeitweise öffentliche Leistungen erbracht werden müssten. Wenn mit der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen wird, dass der Kläger zu 1) seit dem 01.05.2007 in der Putenschlachterei L beschäftigt sei und insoweit ein Arbeitgeberzeugnis vom 10.07.2008 (welches gute Arbeitsergebnisse bescheinigt) vorgelegt wird, so ändert dies nichts daran, dass die Kläger bei verständiger Betrachtung nicht haben davon ausgehen dürfen, dass sie in der Bundesrepublik von Anfang an auskömmliches Einkommen erzielen würden. Dies zeigt sich auch darin, dass sie bereits seit dem 05.09.2005 Leistungen nach dem AsylbLG beziehen. Dass er dabei nach Deutschland gekommen sei, um die gesundheitliche Versorgung des Klägers zu 3) zu verbessern, hat er selbst am 11.02.2008 jedenfalls unterschriftlich erklärt; diese gesundheitliche Versorgung ist jedoch eine Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG (§ 4 AsylbLG).
Wenn die Kläger mit der Beschwerde anführen, aus der rechtskräftigen Ablehnung ihres Asylantrages könne nicht ohne Weiteres auf eine Absicht geschlossen werden, einzureisen, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen, vielmehr sei dieser Schluss nur möglich, wenn das Asylbegehren nach jedweder Betrachtungsweise nicht ernst gemeint, sondern lediglich vorgeschoben gewesen sei, und hinsichtlich der Erkrankung des Klägers zu 3), der bereits in der Ukraine operiert worden sei, habe sich erst in der Bundesrepublik ein Rezidiv herausgestellt und er habe sich deshalb erst mehr als ein Jahr nach Einreise in die Bundesrepublik in ärztliche Behandlung begeben, so ändert dies allerdings nichts an der vom Kläger zu 1) selbst abgegebenen Erklärung vom 11.02.2008, die Einreise in die Bundesrepublik sei vordergründig im gesundheitlichen Interesse geschehen. Gründe, die das Zustandekommen dieser Erklärung als fragwürdig erscheinen ließen (und die schon angesichts der aus den Akten nicht genau entnehmbaren Übersetzungssituation zumindest denkbar erscheinen), haben die Kläger bisher jedoch nicht vorgetragen, auch nicht, nachdem die Beklagte im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 17.09.2008 auf diesen Umstand gerade noch einmal hingewiesen hat. Sollten die Kläger allerdings im weiteren Verlauf des Verfahrens Umstände plausibel benennen, die – etwa im Hinblick auf das Zustandekommen der Erklärung vom 11.02.2008 und eine erst längere Zeit nach Einreise in die Bundesrepublik für den Kläger zu 3) in Anspruch genommene, bei Einreise noch nicht als Bedarf erkennbare medizinische Versorgung – eine andere Bewertung als möglich erscheinen ließen, wird das Sozialgericht zu entscheiden haben, ob sich dann in diese Richtung Ermittlungsnotwendigkeiten ergeben.
Der Senat kann allerdings im Rahmen des Beschwerdeverfahrens offen lassen, ob die Erklärung des Klägers zu 1) vom 11.02.2008 eine hinreichende Einreisemotivation i.S.v. § 1a Nr. 1 AsylbLG offenlegt. Denn die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist bereits aus einem anderen Grund geboten. Denn die Klage wirft eine offene, aber klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, die bereits für sich genommen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfordert (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a Rn. 7b m.w.N.). Denn § 1a Nr. 1 AsylbLG erfordert ein Sich-Begeben in den Geltungsbereich des AsylbLG, um Leistungen nach diesem Gesetz zu beziehen. Ob ein solches Sich-Begeben bereits dann angenommen werden kann, wenn ein Leistungsempfänger von den Behörden eines anderen Staates (hier: Luxemburg) in Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) nach Deutschland überstellt worden ist, oder ob dieses Merkmal nicht vielmehr ein Einreisen gerade nach Deutschland aus eigenem Willen voraussetzt, wird das Sozialgericht zu klären haben.
Nicht zu entscheiden hat der Senat im Übrigen, ob ein weiterer Bescheid vom 13.02.2007, mit dem die Beklagte in Umsetzung des vorliegend angefochtenen Bescheides die Leistungen nach § 1a AsylbLG konkret der Höhe nach bewilligt hat, rechtmäßig ist. Denn im vorliegenden Verfahren ist ausweislich des Klageantrags nur ein Bescheid vom 13.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2007 angefochten; das aber ist derjenige Bescheid, der allein dem Grunde feststellt, dass Leistungen nur nach § 1a AsylbLG zustehen. Ob der weitere Bescheid vom 13.02.2007 überhaupt mit dem Widerspruch angefochten wurde, und ob dieser Widerspruch ggf. schon beschieden wurde, kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass mit diesem weiteren Bescheid Kürzungen der Leitungen nicht nur um den jeweiligen Geldbetrag der Kläger (sog. Taschengeldbetrag), sondern auch um den Bekleidungsanteil vorgenommen wurden. Insoweit wird jedoch die Ansicht vertreten, in der Regel dürfe allein eine Kürzung um den Taschengeldbetrag erfolgen (vgl. Birk, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2008, § 1a AsylbLG Rn. 5 m.w.N.; a.A. Wahrendorf, a.a.O. Rn. 8).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 28.01.2009
Zuletzt verändert am: 28.01.2009