Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie mit den Arzneimitteln Durogesic Pflaster und Effentora Buccaltabletten im sog. Off-Label-Use zu versorgen.
Die im Jahr 1957 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Sie leidet unter einem chronischen Schmerzsyndrom. Seit dem Jahr 2015 erfolgte eine Therapie u.a. mit den Durogesic Pflaster und den Effentora Buccaltabletten zulasten der Antragsgegnerin.
Ausweislich der bei der Antragsgegnerin gespeicherten Leistungsdaten ist die erwerbstätige Antragstellerin seit dem 05. Oktober 2018 arbeitsunfähig und bezieht seit dem 16. November 2018 Krankengeld.
Mit Antrag ihrer behandelnden Anästhesiologin Dr. G vom 13. November 2018, eingegangen am 15. November 2018, beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Versorgung mit o.g. Arzneimitteln nach § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Erkrankung der Antragstellerin sei wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung vergleichbar. In der Vergangenheit seien diverse Opioide rezeptiert worden, ohne dass eine befriedigende Wirkung eingetreten wäre. Gleiches gelte für die versuchten Nicht-Opioid-Analgetika.
Nach vorheriger Mitteilung gegenüber der Antragstellerin (Schreiben vom 16. November 2018) schaltete die Antragsgegnerin den Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser teilte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 6. Dezember 2018 folgende medizinische Einschätzung mit: Aus sozialmedizinischer Sicht könne eine Kostenübernahme von Effentora im Off-Label-Use bei vorliegender Indikation nicht befürwortet werden. Nach den Fachinformationen (Stand Mai 2018) sei das Medikament nur für folgende Indikationen zugelassen: Behandlung von Durchbruchschmerzen bei erwachsenen Krebspatienten, die bereits eine Opioid-Basistherapie gegen chronische Tumorschmerzen erhalten. Für die Therapie von Schmerzen außerhalb einer onkologischen Behandlung sei das Medikament hingegen nicht zugelassen. Stattdessen werde unter Gegenanzeigen (4.3 der Fachinformationen) der Einsatz für die Behandlung akuter Schmerzen, welche keine Durchbruchschmerzen darstellen, bereits durch den Hersteller explizit nicht empfohlen.
Die Voraussetzungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Übernahme der Versorgung im Off-Label-Use lägen nicht vor. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen könne nicht beurteilt werden, ob es sich um eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung handele. Dem ärztlichen Antrag sei dies nicht zu entnehmen. Vom Vorliegen anderweitiger Therapiemöglichkeiten sei auszugehen, wobei den Unterlagen der Versuch und Erfolg der möglichen Maßnahmen nicht entnommen werden könne. Neben einer regelmäßigen orthopädischen Mitbehandlung zur Prüfung von kausalen/ergotherapeutischen Therapiemaßnahmen und dem differentialdiagnostischen Ausschluss einer rheumatischen Erkrankung stünden in der symptomatischen Schmerztherapie diverse Analgetika zur Verfügung. Aufgrund der fehlenden Angaben zu Dosis, Dauer, Applikationsart und Kombination sei nicht nachvollziehbar, dass sämtliche Analgetika und Ko-Analgetika bereits ausschieden. Zur Verbesserung der Beweglichkeit bestehe die Möglichkeit der Intensivierung eines Bewegungstrainings. Eine ggf. vorliegende psychiatrische Ko-Morbidität sei mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie, ggf. in stationärer Behandlung, zu versorgen.
In der Vergangenheit habe der Hersteller für Effentora einen Antrag auf Erweiterung der Anwendungsgebiete für die Indikation "erwachsene Patienten mit chronischen Schmerzen außerhalb von Krebserkrankungen" gestellt. Das Commitee for Medical Products Human Use (CHMP) sah damals keine ausreichende Datengrundlage für eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung des Fertigarzneimittels, woraufhin der Hersteller im Juli 2013 seinen Antrag zurückzog.
Durogesic könne hingegen nach Prüfung der medizinischen Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit durch einen Vertragsarzt zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden.
Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab (Bescheid vom 12. Dezember 2018). Die Kosten für die beantragten Arzneimittel seien nicht zu übernehmen, da diese für die Behandlung der Erkrankung der Antragstellerin nicht zugelassen seien. Es seien alternative vertragliche Therapiemöglichkeiten angezeigt. Zudem wies sie bzgl. des Arzneimittels Durogesic auf die Möglichkeit der Verordnung zulasten der GKV hin.
Dagegen erhob die Antragstellerin am 13. Dezember 2018 Widerspruch. Sie sei ohne Medikamente nicht arbeitsfähig. Sie nehme diese seit vier Jahren und könne ihre Schmerzen ohne sie nicht ertragen.
Die Antragsgegnerin stellte der Antragstellerin telefonisch am 14. und 15. Dezember 2018 bei Einreichung ergänzender Unterlagen eine nochmalige Prüfung durch den MDK in Aussicht und verwies nochmals darauf, dass Durogesic verschrieben werden könne. Daraufhin reichte die Antragstellerin ergänzende Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärztin vom 21. Dezember 2018 und 10. Januar 2019 ein, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Am 14. Januar 2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei dem Sozialgericht (SG) Detmold gestellt. Aktuell habe sie nur noch Medikamente für ca. zwei Wochen. Sollte die weitere Versorgung nicht sichergestellt werden, wären sofortige Entzugserscheinungen die Folge und die Schmerzproblematik setze wieder ein. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use lägen vor. Es handele sich um eine schwerwiegende Erkrankung mit dauerhaften Schmerzen, die ihre Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigten. Eine andere als die begehrte Therapie stehe nicht zur Verfügung. In der Vergangenheit habe die gewünschte Behandlung bei ihr bereits erhebliche Erfolge erzielt. Sie füge zudem u.a. die Patientendokumentation ihrer behandelnden Ärztin bei, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Die Antragstellerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie mit den Arzneimitteln Durogesic Pflaster und Effentora Buccaltabletten nach Maßgabe ärztlicher Verordnung zu versorgen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Voraussetzungen für eine Versorgung im sog. Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Der Antragstellerin drohten durch ein Abwarten der Hauptsache keine wesentlichen Nachteile.
Das SG hat mit Beschluss vom 18. Februar 2019 den Antrag im Eilrechtsschutz abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 21. Februar 2019 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 20. März 2019 Beschwerde eingelegt. Sie könne nicht auf eine private Finanzierung der erforderlichen Medikation für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Dagegen sprächen bereits systematische Gründe. Die gesetzliche Krankenversicherung decke die elementaren Bedürfnisse ab. Zudem verfüge sie nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel. Für beide Medikamente sei im Jahr 2018 ein Betrag in Höhe von insgesamt 13.271,18 EUR angefallen. Sie verfüge über ein jährliches Bruttoentgelt in Höhe von 42.256,45 EUR. Seit dem 16. November 2018 sei sie arbeitsunfähig und beziehe Krankengeld in Höhe von 71,90 EUR netto kalendertäglich. Zudem verfüge sie über ein hoch belastetes Wohneigentum.
Der Senat habe im Rahmen der Amtsermittlung ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Auf das Gutachten des MDK als "Lobby-Vereinigung" der Antragsgegnerin könne er sich nicht stützen. Hilfsweise werde die Anhörung eines durch sie zu benennenden Arztes, nämlich Herrn Professor Dr. E. Q. (Oberarzt und Bereichsleiter der Abteilung für chronische Schmerztherapie des Universitätsklinikums M), nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannt.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Detmold vom 18. Februar 2019 im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie mit den Arzneimitteln Durogesic Pflaster und Effentora Buccaltabletten nach Maßgabe ärztlicher Verordnung zu versorgen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Nach Eingang ergänzender Unterlagen durch die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin erneut den MDK zum Zwecke der Begutachtung im Widerspruchsverfahren eingeschaltet. Dieser ist auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Unterlagen weiterhin der Ansicht, dass eine Kostenübernahme für den zulassungsüberschreitenden Einsatz von Effentora nicht empfohlen werden könne (sozialmedizinisches Gutachten vom 18. Juli 2019). Unverändert zum Vorgutachten gelte zunächst, dass Durogesic unter den dort genannten Voraussetzungen verordnet werden könne. Effentora würde hier – wie bereits im Vorgutachten ausgeführt – allenfalls zulassungsüberschreitend zum Einsatz kommen können. Unter Berücksichtigung der weiteren Unterlagen seien alternative Therapieoptionen offen. Weder sei die orthopädische Mitbehandlung noch die differentialdiagnostische Abklärung einer rheumatologischen und psychiatrischen Erkrankung erkennbar. Die im Vorgutachten empfohlene adjuvante Medikation habe nicht stattgefunden. Die Durchführung einer medizinischen Rehabilitation oder eines regelmäßigen Rehabilitationssports sei nicht ersichtlich. Über den Beginn und mögliche Ergebnisse der geplanten Psychotherapie werde nicht berichtet. Auch könne nicht nachvollzogen werden, dass die geschilderten Nebenwirkungen bei den eingesetzten Analgetika durch entsprechende Untersuchungen objektiviert worden seien. Eine akut lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufene oder schwerwiegende Erkrankung könne gleichfalls bereits aufgrund der nicht erkennbaren Funktionsbeeinträchtigungen im Alltagsgeschehen nicht bestätigt werden.
Die Antragsgegnerin hat unter Berücksichtigung des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK den Widersprich der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2019). Auf die Begründung wird Bezug genommen. Dagegen hat sich die Antragstellerin mit ihrer Klage zum SG Detmold vom 27. September 2019 gewandt (S 22 KR 1931/19), die der Senat beigezogen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
I. Sie ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) am 20. März 2019 durch die Antragstellerin gegen den ihr am 21. Februar 2019 zugestellten Beschluss des SG Detmold vom 18. Februar 2018 eingelegt worden.
II. Die Beschwerde ist indes unbegründet. Das SG Detmold hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu Recht abgelehnt. Der Antrag im Eilrechtsschutz ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Soweit die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Versorgung mit dem Arzneimittel Durogesic Pflaster begehrt, fehlt es dem Antrag bereits an einem Rechtschutzbedürfnis, da die erstrebte Entscheidung ihr keinen Vorteil mehr bringen kann.
Bereits mit Bescheid vom 12. Dezember 2018 hat die Antragsgegnerin das Ergebnis des MDK-Gutachtens vom 6. Dezember 2018 aufgenommen, nach dem eine Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels Durogesic besteht. Darauf wurde die Antragstellerin zudem ausweislich eines Telefonvermerks nochmals am 13. Dezember 2018 mündlich hingewiesen. Auch in der Folgezeit hielt die Antragsgegnerin daran fest (vgl. Widerspruchsbescheid vom 19. September 2019). Darauf verweist im Rahmen ihrer Klagebegründung nunmehr selbst die Antragstellerin, indem sie mitteilt, dass "die Beklagte dem Widerspruch im Hinblick auf die Durogesic SMAT-Pflaster im Prinzip abgeholfen hat".
2. Darüber hinaus hat das SG den Antrag zu Recht als unbegründet abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 11 KR 442/18 B ER, KrV 2019, 126 m.w.N.). Der geltend gemachte (Anordnungs-) Anspruch und der Anordnungsgrund, mithin die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zur Überzeugung des Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 08. August 2001, B 9 V 23/01 B, Rdnr. 5, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen [LSG NRW], Beschluss vom 01. Oktober 2018, L 2 AS 1306/18 B ER, Rdnr. 4, juris).
Die Antragstellerin hat bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
a) Gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben Versicherte grundsätzlich Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Dieser Anspruch unterliegt indes den Einschränkungen aus §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Diese Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn das verabreichte Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist, oder, wenn es zum Verkehr zugelassen ist, in einem Anwendungsgebiet verordnet wird, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 37/00 R, BSGE 89, 184).
Eine solche zulassungsüberschreitende Anwendung (sog. "Off-Label-Use") liegt hier vor, denn die für das Arzneimittel Effentora erteilte Zulassung bezieht sich auf die Anwendung zur Behandlung von Durchbruchschmerzen bei erwachsenen Krebspatienten, die bereits eine Opioid-Basistherapie gegen chronische Tumorschmerzen erhalten. Diesem Patientenkreis gehört die Antragstellerin unstreitig nicht an.
b) Ein Off-Label-Use von zugelassenen Arzneimitteln – wie hier – ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in diesen Fällen nicht das Verfahren nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Für einen zulässigen Off-Label-Use muss – erstens – eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (d.h. eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf – zweitens – keine andere zugelassene Therapie verfügbar sein, und – drittens – aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nur dann, wenn im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung wissenschaftliche Erkenntnisse über Nutzen und Risiken des Mittels aufgrund von Phase III-Studien vorliegen, die eine erweiternde Zulassung ermöglichen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind (st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 11. September 2018, B 1 KR 36/17 R, GesR 2019, 38 m.w.N.).
Dem Anspruch der Antragstellerin steht bereits die dafür erforderliche gesicherte Datengrundlage entgegen. Weder nach eigenen Angaben der Antragstellerin noch nach den Erkenntnisse des Senats ist eine Studie des begehrten Medikaments für die bei der Antragstellerin vorliegende Indikation in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III durchgeführt und veröffentlicht worden.
c) Auch für die Annahme eines Anspruchs nach § 35c Abs. 2 SGB V bestehen keine Anhaltspunkte. Diese Norm regelt die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln aufgrund von Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und im Falle klinischer Studien. Es ist jedoch weder erkennbar noch vorgetragen, dass das entsprechende Verfahren unter Einbezug des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35c Abs. 2 Satz 3 SGB V eingeleitet worden ist.
d) Ferner liegen auch die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V nicht vor. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
aa) Zunächst ist das Vorliegen einer "zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung" i.S.d. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V nicht überwiegend wahrscheinlich.
Die wertungsmäßige Vergleichbarkeit dient dazu, die für den Anspruch erforderliche notstandsähnliche Situation zu konkretisieren, nicht hingegen den Tatbestand des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V zu erweitern. Sowohl der Gesetzgeber (BT-Drucks. 17/6906 S. 53) als auch die höchstrichterliche Rechtsprechung (z.B. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 06. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, juris; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, BSGE 93, 236) orientieren sich zur Präzisierung dieser Begrifflichkeit an der "extremen" bzw. "notstandsähnlichen" Situation der krankheitsbedingten Lebensgefahr. Typisch hierfür ist ein die Behandlungsbedürftigkeit prägender Zeitdruck (hierzu Schuler in: LPK-SGB V, 5. Auflage 2016, § 2 Rdnr. 16; Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 04/19, § 2 Rdnr. 76e m.w.N). Als vergleichbare Erkrankungen kommen der akut drohende Verlust eines wichtigen Sinnesorgans (hierzu BSG, Urteile vom 02. September 2014, B 1 KR 4/13 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 9; vom 03. Juli 2012, B 1 KR 25/11 R, BSGE 111, 168) oder einer herausgehobenen Körperfunktion in Betracht (BSG, Urteile vom 04. April 2006, B 1 KR 12/04 R, BSGE 96, 153; Senat, Beschluss vom 17. April 2019, L 11 KR 699/18 B ER, juris).
(1) Bereits bei alleiniger Berücksichtigung des Vortrages der Antragstellerin und der ihrerseits eingereichten Unterlagen bestehen keine dem Maßstab des Eilverfahrens ausreichenden Anhaltspunkte für eine bei ihr vorliegende notstandsähnliche Situation und insbesondere nicht für einen diese prägenden Zeitdruck.
Eine solche wird auch nicht durch die Stellungnahmen der behandelnden Ärztin ersichtlich. Diese begründet die weitere Verordnungsnotwendigkeit damit, dass die bisherigen weiteren Medikationsversuche an einer verbesserungswürdigen Schmerzlinderung oder Verträglichkeit scheiterten. Der Patientendokumentation ist zu entnehmen, dass die behandelnde Ärztin in der Vergangenheit eine Änderung der Medikation sehr wohl für zumutbar hielt. Eine begleitende Psychotherapie wurde erst spät, nämlich Ende 2018 angedacht, obwohl die Antragstellerin sich bereits seit dem Jahr 2015 in der Behandlung der Ärztin befindet und zudem wiederholt über zusätzliche psychische Belastungssituationen berichtete (vgl. Patientendokumentation: Mobbingschilderung am Arbeitsplatz am 6.6.2016, 24.4.2017 und 9.4.2018 sowie problematische Entwicklung des BG-Verfahrens am 10.10.2016, 28.11.2016 und 6.3.2017 dokumentiert). Über den Beginn und Verlauf dieser Therapieoption hat sich die Antragstellerin nicht verhalten, obgleich auf die bruchstückhafte Informationslage bereits im zweiten Gutachten des MDK hingewiesen wurde. Ferner – so die behandelnde Ärztin gleichfalls im Dezember 2018 – seien nunmehr eine Vorstellung bei einem Kniespezialisten, um weitere Therapieoptionen auszuloten, und des Weiteren ein Termin in der Neurochirurgie des K Klinikums zur Abklärung einer operativen Therapie der LWS-Beschwerden geplant.
(2) Dieses gefundene Ergebnis wird durch die sozialmedizinischen Gutachten des MDK lediglich verstärkt.
bb) Es fehlt darüber hinaus auch an der weiteren Voraussetzung, nach der zur Behandlung keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stehen darf.
(1) Auch hieran scheitert es bereits nach dem Vortrag der Antragstellerin. Aus den obigen Ausführungen folgt notwendig, dass auch die behandelnde Ärztin der Antragstellerin noch weitere Therapieoptionen erkennt und verfolgt.
(2) Insofern kann sich der Senat darauf beschränken, lediglich nachgeordnet auf die insbesondere im zweiten Gutachten des MDK beschriebenen, ergänzenden Therapiemöglichkeiten Bezug zu nehmen.
cc) Darüber hinaus fehlt es im Rahmen der summarischen Prüfung daran, dass durch den Einsatz der (alternativen) Leistungen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen muss.
Dergestaltige, durch das BVerfG als "ernsthafte Hinweise" auf eine bestehende Erfolgsaussicht bezeichneten Aussichten setzen methodisch voraus, dass sie medizinisch formal und inhaltlich von anderen nachvollzogen werden können, die in Rede stehenden Abläufe und Wirkungen also reproduzierbar und dadurch objektivierbar sind. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass maßgeblich wissenschaftliche Erkenntnisse relevant sind (Noftz in: Hauck/Noftz, a.a.O., Rdnr. 76g m.w.N.). Entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse wurden seitens der Antragstellerin nicht behauptet und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.
Zudem ist dem notstandsähnlichen Konzept von § 2 Abs. 1a SGB V die Beurteilung auf der Grundlage einer Nutzen/Risiko-Abwägung geschuldet, die in zweifacher Hinsicht und Form geboten ist, nämlich des allgemeinen Potentials der angewandten Methode abstrakt-generell und hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Wirkungen im jeweiligen Behandlungsfall konkret-individuell. Maßstab für diese Abwägung ist die Wahrscheinlichkeit. Die abstrakt-generelle Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls dann nicht (mehr) gegeben, wenn die Zulassung eines Arzneimittels abgelehnt ist (BSG, Urteil vom BSG, Urteil vom 04. April 2006, B 1 KR 7/05 R; BSGE 96, 170; Noftz in: Hauck/Noftz, a.a.O., Rdnr. 76g m.w.N.).
Jedenfalls an der erstgenannten Wahrscheinlichkeit fehlt es gleichfalls im vorliegenden Fall. Zwar wurde die Zulassung nicht abgelehnt, jedoch hat der Hersteller selbst im Jahr 2013 mangels in Aussicht gestellter positive Nutzen-Risiko-Bewertung des Fertigarzneimittels für die Indikation "erwachsene Patienten mit chronischen Schmerzen außerhalb von Krebserkrankungen" seinen diesbezüglichen Zulassungsantrag zurückgezogen.
Eingedenk dessen bedarf es auch nur des ergänzenden Hinweises darauf, dass für die Annahme einer konkret-individuellen Wahrscheinlichkeit der spürbar positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf jedenfalls nicht die gespeicherten Leistungsdaten der Antragsgegnerin sprechen. So verweist die Antragstellerin darauf, sie sei nur unter der bekannten Medikation arbeitsfähig. Tatsächlich ist sie bereits seit dem 05. Oktober 2018 arbeitsunfähig und bezieht seit dem 16. November 2018 Krankengeld. Auch in den Zeiträumen davor liegen wiederholte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.
e) Der Senat war im Eilverfahren ferner nicht gehalten dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens i.R.d. Amtsermittlung nach § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG bzw. auf Antrag der Antragstellerin eines solchen bei einem von ihr benannten Arzt nach § 109 SGG nachzukommen. Letztgenannter Antrag nach § 109 SGG ist bereits aufgrund des Charakters als Eilverfahren ausgeschlossen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rdnr. 16a). Aus den obigen Ausführungen folgt, dass unabhängig von der Frage, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bereits den Sinn und Zweck des durch die Antragstellerin angestrengten Eilverfahrens unterläuft (vgl. dazu Sächsisches LSG, Beschluss vom 05. Mai 2014, L 1 AL 31/14 B ER, juris), eine solche nach derzeitigem Sach- und Streitstand nach pflichtgemäßen Ermessen nicht als erforderlich zu erachten ist. Der Anspruch scheitert gerade nicht maßgeblich an Fragestellungen, die im Rahmen einer medizinischen Begutachtung zu klären wären. Auch die Antragstellerin formuliert in ihrer Anregung keine Beweisfrage, die auf ihre Erheblichkeit durch den Senat geprüft werden kann.
Letztlich folgt aus den obigen Ausführungen zum Behandlungsgang, dass sich die Frage der besonderen Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) gleichfalls nicht stellt. Dies gilt im Übrigen insbesondere für vergangenheitsbezogene Kostenerstattungen (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2019, L 11 KR 240/18 B ER, juris).
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§177 SGG).
Erstellt am: 15.06.2020
Zuletzt verändert am: 15.06.2020