Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt nachträglich die Befreiung von der bei ihm ab 01.01.1999 eingetretenen Versicherungspflicht als Handelsvertreter (§ 2 Satz 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch, gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI -). Er macht geltend, er habe die in § 231 Abs. 5 SGB VI bestimmten Fristen nicht einhalten können, weil ihn die Beklagte über die geänderte Rechtslage nicht aufgeklärt habe.
Beiträge als Versicherter leistete der am 00.00.1943 geborene Kläger bis zum Juni 1990. Danach war er als Handelsvertreter selbständig und allein für den Auftraggeber (D GmbH) tätig und beschäftigte auch keine Arbeitnehmer. – Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des Versorgungsausgleichs erhielt er mit Bescheid vom 09.04.1991 von der Beklagten Auskunft über seine Rentenanwartschaft.
Im Januar 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Rentenauskunft. Bei dieser Gelegenheit sah sich die Beklagte auf Grund der Tatsache, dass der Kläger seit Juli 1990 selbständig tätig war, zur Prüfung seiner Versicherungspflicht veranlasst. In dem Fragenbogen machte der Kläger die erforderlichen Angaben über seine selbständige Tätigkeit und überreichte die entsprechenden Unterlagen (Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführervertrag, Handelsregisterauszug).
Mit Bescheid vom 04.03.2002 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit ab dem 01.01.1999 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er habe sich bei Gründung der Handelsvertretungsgesellschaft mbH über die sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten auch über seinen Steuerberater informiert. Da seinerzeit keine Rentenversicherungspflicht bestanden habe, habe er selbst für seine Altersversorgung in ausreichendem Maße Vorsorge getroffen.
Gemäß § 231 Abs. 5 SGB VI beantragte er am 10.05.2002 die Befreiung von der Versicherungspflicht, hilfsweise nach § 6 Abs. 1a SGB VI. Zugleich legte er Unterlagen zum Nachweis seiner Alterssicherung vor.
Mit Bescheid vom 06.08.2002 wurde der Befreiungsantrag abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Antrag gemäß § 231 Abs. 5 SGB VI sei verspätet gestellt worden. Eine Befreiung nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei nur möglich, wenn für eine bereits vor Vollendung des 58. Lebensjahres ausgeübte selbständige Tätigkeit erstmals nach Vollendung des 58. Lebensjahres Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eintrete. Der Kläger habe das 58. Lebensjahr am 05.05.2001 vollendet. Die Versicherungspflicht sei bereits am 01.01.1999 eingetreten.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, die Einhaltung der Frist des § 231 Abs. 5 SGB VI sei ihm nicht möglich gewesen, weil er von der aktuellen Gesetzeslage unverschuldet keine Kenntnis gehabt habe. Wäre er von der Beklagten frühzeitig davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Versicherungspflicht bestehen könne, so hätte er den Befreiungsantrag fristgerecht gestellt.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 01.03.2004 zurückgewiesen. In der Begründung führte die Beklagte aus, ein Beratungsmangel liege nicht vor. Nach Abschluss des Verfahrens über die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei die Akte im Jahre 1992 ins Archiv gegeben worden. Erst im Januar 2002 sei der Antrag auf Erteilung einer Rentenauskunft eingegangen. In der dazwischen liegenden Zeit habe kein Anlass für eine Beratung bestanden.
Der Kläger hat am 02.04.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Er hat vorgetragen, da ihn die Beklagte auf die Möglichkeit des Bestehens von Versicherungspflicht nicht hingewiesen habe, sei er so zu behandeln, als habe er den Antrag rechtzeitig gestellt. Über die Medien sei er nicht von der eingetretenen Versicherungspflicht unterrichtet worden. Nicht einmal sein Steuerberater habe ihn darauf hingewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2004 zu verurteilen, seinem Antrag auf eine Befreiung von der Versicherungspflicht zu entsprechen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Durch Urteil vom 01.12.2004 hat das SG die Kläger abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt:
Eine Befreiung gemäß § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 SGB VI scheitere bereits daran, dass die Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht nach der Vollendung des 58. Lebensjahres begonnen habe.
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 SGB VI wäre für den Kläger aufgrund des Geburtsjahrgangs und auch wegen der bestehenden und ausreichenden anderweitigen Altersvorsorge zwar grundsätzlich in Betracht gekommen. Die Befreiung hätte jedoch gemäß § 231 Abs. 5 Satz 3 SGB VI binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht beantragt werden müssen. Die Frist sei nicht vor dem 30.06.2000 abgelaufen (§ 231 Abs. 5 Satz 3 2. Halbsatz SGB VI). Innerhalb dieser Frist habe der Kläger die Befreiung nicht beantragt. Die erste Kontaktaufnahme mit der Beklagten nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs im Jahre 1991 sei erst im Januar 2002 erfolgt.
Wegen der Fristversäumung könne dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Teil – SGB X -) gewährt werden. Auch wenn die Vorschriften über die Wiedereinsetzung hier überhaupt anwendbar wären, wäre der Kläger jedenfalls nicht ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, den Antrag rechtzeitig zu stellen.
Eine besondere Hinweispflicht seitens der Beklagten scheide vorliegend bereits deshalb aus, weil sich die Akte bei der Beklagten im Jahre 1999 nicht mehr in der laufenden Bearbeitung befunden habe. Nach Abschluss des Versorgungsausgleichsverfahrens sei die Akte vielmehr, wie sich dem Vorgang entnehmen lasse, bereits im Jahre 1992 zum Einheitsarchiv verfügt worden. Die Beklagte habe den Kläger daher bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung im Jahre 1999 nicht auf ein etwaiges Bestehen von Versicherungspflicht bzw. die Möglichkeit, sich von dieser Versicherungspflicht befreien zu lassen, hinweisen können. Eine Pflicht zur Kontrolle und Durchsicht sämtlicher Akten des Aktenbestandes habe nicht bestanden. Zudem obliege es grundsätzlich dem Selbständigen selbst, zu prüfen ob und gegebenenfalls welche rentenversicherungsrechtlichen Konsequenzen seine Tätigkeit habe. Der Annahme, der Kläger habe von der Versicherungspflicht bzw. der Befreiungsmöglichkeit unverschuldet keine Kenntnis gehabt, stehe im übrigen der Grundsatz der formellen Publizität ordentlich verkündeter Gesetze entgegen, nach dem Gesetze mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt gelten ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese von ihren tatsächlich Kenntnis erlangt haben (Hinweis auf Bundessozialgericht – BSG – SozR 3-1200 § 27 Nr. 3). Dieser Grundsatz verbiete es auch, das Kriterium unverschuldeter Unkenntnis von gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen von Überlegungen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder als Grundlage für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einfließen zu lassen (Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 18.07.2002, Az. L 3 RA 23/02). Der Kläger habe daher keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als habe er den Antrag rechtzeitig gestellt.
Gegen das ihm am 27.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.01.2005 Berufung eingelegt. Er wiederholt insbesondere seine Auffassung, es hätte ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden müssen, weil er von der Gesetzesänderung keine Kenntnis gehabt habe. Das gebiete der Amtsermittlungsgrundsatz. Unerheblich sei, wo sich die Akte der Beklagten befinde. Eine zusätzliche Leistung zur Rentenversicherung werde ihn zusätzlich belasten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01. Dezember 2004 zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Akten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf ihren Inhalt und den übrigen Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Wie das SG zutreffend entscheiden hat, kann der Kläger seinen Antrag auf Befreiung von der gemäß § 2 Satz Nr. 9 SGB VI bestehenden Versicherungspflicht nicht mehr durchsetzen, obwohl er in ausreichendem Maße Vorsorge für die Alterssicherung getroffen hat. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihm nicht zugestanden werden. Eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten, die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könnte, ist nicht erkennbar.
Mit dem Gesetz vom 19.12.1998 (BGB1 I 4843) und dem Gesetz vom 20.12.1999 wurde der Kreis der der Versicherungspflicht unterliegenden selbständig Tätigen ab 01.01.1999 um die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen erweitert. Den von der Änderung zu diesem Zeitpunkt betroffenen Personen wurde zunächst mit Abs. 5 eine bis 30.06.1999 begrenzte Befreiungsmöglichkeit eröffnet. Mit dem Gesetz vom 20.12.1999 wurde diese Befreiungsmöglichkeit bis 30.06.2000 verlängert. Darüber hinaus haben nunmehr alle Personen eine Befreiungsmöglichkeit innerhalb eines Jahres nachdem sie in einer bereits vor dem 01.01.1999 ausgeübten selbständigen Tätigkeit nach § 2 Satz l Nr. 9 versicherungspflichtig werden, z.B. durch eine verringerte Beschäftigung von Arbeitnehmern oder durch eine Verringerung der Zahl ihrer Auftraggeber (BT-Drucks 14/1855 S 18). Zu dieser letzteren Gruppe zählt der Kläger jedoch nicht.
Die Befreiung der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen erstreckt sich nur auf diese selbständige Tätigkeit (BT-Drucks 14/45 S 48) und wirkt, wenn sie ausgesprochen ist, für jede weitere Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger. Insoweit unterscheidet sie sich von der zeitlich begrenzten Befreiung nach § 6 Abs. l a Satz l Nr. l und Satz 2, die sich nur auf die jeweilige selbständige Tätigkeit erstreckt. Sie hat in jedem Fall zur Voraussetzung, dass in dieser Tätigkeit als Selbständiger am 31.12.1998 keine Versicherungspflicht bestanden hat (z.B. auf Antrag nach § 4 Abs. 2 SGB VI) und dass die Versicherungspflicht am 01.01.1999 oder später wegen der Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI oder danach wegen der Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit eingetreten ist oder eintritt.
Unzweifelhaft sind die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI nicht erfüllt. Der Kläger ist kein sog. Existenzgründer und will auch auf Dauer befreit werden( Nr. 1). Er ist auch vor Erreichung des 58. Lebensjahres erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig geworden (Nr 2). Die in § 231 Abs. 5 SGB VI gesetzten Fristen hat der Kläger versäumt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X kann ihm schon deshalb nicht bewilligt werden, weil er nicht ohne sein Verschulden gehindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Daher kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Wiedereinsetzungsvorschriften im Rahmen des § 231 Abs. 5 SGB VI überhaupt anwendbar sind (bejahend LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.04.03 – L 1 RA 98/02 – für den Fall eines fortbestehenden freiwilligen Versicherungsverhältnisses; In der Revision unter B 12 RA 7/03 R). Wie das SG aber zutreffend ausgeführt hat, konnte der Kläger nicht erwarten, dass sich die Beklagte von sich aus an ihn wenden werde. Die rechtzeitig unterlassene Antragstellung beruht, wenn man seinen Behauptungen folgt, zumindest auf eigener Unkenntnis der Rechtslage darüber, dass er ab dem 01.01.1999 auf Grund neuer Rechtslage versicherungspflichtig geworden war. Diese Unkenntnis muss er sich zurechnen lassen. Allerdings ist aus Sicht des Senats darauf hinzuweisen, dass die Einbeziehung der selbständigen Handelsvertreter in die gesetzliche Rentenversicherung nach 1998 Gegenstand der allgemeinpolitischen Diskussion war und dass Krankenkassen, Verbände usw. ihre Mitglieder und die interessierte Öffentlichkeit darüber fortlaufend unterrichtet hatten. Da sich der Kläger, anders als in dem LSG Niedersachsen-Bremen entschiedenen Fall, nicht in einem freiwilligen Versicherungsverhältnis zu der Beklagten befunden hatte, konnte er nicht davon ausgehen, dass sich die Beklagte nun wegen der eingetretenen Versicherungspflicht von sich aus an ihn wenden würde, obwohl er durch die Massenmedien über die Verbreitung des Kreises der Pflichtversicherten hätte unterrichtet sein müssen. Da er nicht freiwillig versichert war, kann er sich auch nicht darauf berufen, er habe sich als nicht Betroffener angesehen. Zu eigener Initiative bestand umso mehr Anlass, nachdem sich der Kläger vor seiner Selbständigkeit nach seinem eigenen Vortrag u.a. bei seinem Steuerberater umfassend über die Voraussetzungen der Sozialversicherungspflicht informiert hatte.
Daher sind auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht gegeben. Die Beklagte ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht verpflichtet, alle Aktenvorgänge dahingehend zu überprüfen, ob nunmehr Fallkonstellationen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gegeben sein könnten. Dazu besteht um so weniger Anlass, wenn die Beklagte nicht einmal wissen kann, ob die selbständige Tätigkeit weiterhin ausgeübt wird. Ein konkreter Anlass zu einer Beratung oder zu einer Spontanberatung war nicht gegeben. Etwas anderes könnte nur angenommen werden, wenn das Fristversäumnis auf unrichtige und missverständliche Informationen des Versicherungsträgers zurückzuführen ist. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.
Im Übrigen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 01.12.2005
Zuletzt verändert am: 01.12.2005