Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03. Dezember 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin auf Grund ihres gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Teil (SGB X) gestellten Antrages Zahlungen aus dem ihr dem Grunde nach zuerkannten Anspruch auf Hinterbliebenenrente verlangen kann.
Die am 00.00.1938 geborene Klägerin ist die Witwe des am 00.03.1933 geborenen und am 00.06.1993 in Russland verstorbenen russischen Staatsangehörigen B M (Versicherter). Beide waren ausschließlich in ihrer früheren Heimat beschäftigt. Die Klägerin siedelte am 20.07.1996 nach Deutschland über und wurde hier gemäß § 4 Bundesvertriebenengesetz als Spätaussiedlerin anerkannt.
Auf ihren Antrag vom Oktober 1996 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.1997 große Witwenrente nach dem Versicherten. Ihr wurde mitgeteilt, die Zahl der Entgeltpunkte sei auf 25 zu begrenzen.
Im April 1999 teilte die LVA Rheinprovinz der Beklagten mit, der Klägerin sei ab dem 01.01.1999 eine Altersrente für Frauen gewährt worden. Der Rente lägen 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz – FRG – zugrunde.
Mit bindendem Bescheid vom 04.08.1999 wurde daraufhin die große Witwenrente von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse neu festgestellt: Sie werde ab dem 01.09.1999 nicht gezahlt, weil die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in der weiteren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen seien.
Im Juni 2002 stellte die Klägerin nach § 44 SGB X unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts – BSG – vom 30.08.2001 – B 4 RA 118/00 R – in BSGE 88, 288 ff den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 04.08.1999.
Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2002 zurück. Der Entscheidung des BSG werde nicht gefolgt, weil dessen Begründung nicht zutreffe. Die Begriffe wie "Berechtigte", "anrechenbare Zeiten" und "Entgeltpunkte" würden im Rentenrecht sowohl bei Versicherten- wie auch bei Hinterbliebenenrenten verwandt, so dass die Anwendung des § 22 b FRG auf Hinterbliebenenrenten nach seinem Wortlaut keineswegs ausgeschlossen sei. Das BSG verkenne die Regelungsabsicht. Mit § 22 b FRG solle sich der FRG-Anteil einer Rente am Bedarf orientieren, welcher nur durch die Anzahl der Personen, nicht aber durch die Anzahl der Rentenansprüche bestimmt werde. Insbesondere die Verteilungsregelung im § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG, die allein für die Fälle des Zusammentreffens von Versicherten- und Hinterbliebenenrente von Bedeutung sei, verdeutliche, dass eine Begrenzung beider Renten zusammen auf 25 Entgeltpunkte gewollt sei. Darüber hinaus seien die Ausführungen des BSG, dass es keiner Anwendung des § 22 b FRG bedürfe, weil die Hinterbliebenenrenten ohnehin direkt von den Versichertenrenten abgeleitet würden, im vorliegenden Fall auch deshalb nicht zutreffend, weil die Klägerin selbst nur einen eigenständigen Hinterbliebenenrentenanspruch aufgrund ihrer eigenen Spätaussiedlereigenschaft besitze. Hingegen habe ihr verstorbener Ehepartner keine (FRG-) Rentenansprüche besessen, so dass sich nach den allgemeinen Grundsätzen überhaupt keine Hinterbliebenenrente ableiten lasse. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit dem Bescheid vom 14.03.2003 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die hiergegen gerichtete Klage durch Urteil vom 03.12.2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Der Bescheid vom 04.08.1999 sei nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe die Hinterbliebenenrente zu Recht wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu berechnet, nachdem der Klägerin eine eigene Altersrente bewilligt worden sei und festgestellt, dass sich kein Zahlbetrag ergebe, weil die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in der eigenen Altersrente der Klägerin zu berücksichtigen seien. Nach dem durch Art 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz – WFG-) ab 07.05.1996 (§ 12 Abs. 2 WFG) eingeführten § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG würden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt. Die Kammer folge aufgrund eigener Überzeugungsbildung der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.07.2003, Az. L 8 RJ 64/03) sowie den Entscheidungen des Sozialgerichts Mannheim vom 27.11.2002 (Az. S 9 RJ 2074/02) und des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 12.12.2002 (Az. L 5 Kn 2/02). Danach betreffe die in § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG vorgesehene Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte – entgegen der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 – nicht nur Versicherte, die verschiedene Rechte auf Rente aus eigener Versicherung hätten. Sie sei vielmehr auch dann anwendbar, wenn einem Begünstigten neben einem Recht auf Rente aus eigener Versicherung noch ein aus der Versicherung des verstorbenen Ehegatten abgeleitetes Recht auf eine Hinterbliebenenrente zustehe. Dem stehe der Wortlaut nicht entgegen. Insbesondere die Begriffe "anrechenbare Zeit", "Berechtigter" und "Entgeltpunkte" stellten nach der Terminologie des FRG und des Sozialgesetzbuchs 6. Teil – SGB VI – nicht unausweichlich eine Verbindung zur eigenen Versicherung des Rentenantragstellers her. Der Gesetzeszusammenhang spreche gegen die Beschränkung der Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auf Versichertenrenten aus eigener Versicherung. So werde insbesondere in der Vorschrift des § 22b Abs. 3 FRG, die in engem systematischen Zusammenhang mit der hier streitigen Regelung stehe, der Grundsatz deutlich, dass der Gesetzgeber Alleinstehende nur mit Leistungen auf der Basis von maximal 25 Entgeltpunkten ausstatten wollte. Danach würden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren Rente nach Abs. 1 und 2 festgestellt worden seien, höchstens 40 Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hintergrund der Kürzung von eigentlich 50 auf 40 Entgeltpunkte sei der Umstand, dass diese Personen durch das Zusammenleben Kosten der Haushaltsführung einsparten. Wenn aber schon bei lebenden Ehegatten eine Beschränkung auf 40 Entgeltpunkte als Maß der Existenzsicherung festgesetzt sei, dann müssten die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem Tod des einen Berechtigten für den Überlebenden erst recht begrenzt werden, denn dessen Haushaltsführungskosten verringerten sich zwangsläufig mit dem Tod des Ehepartners. Für eine Anwendung der Vorschrift des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG auch beim Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Hinterbliebenenrente spreche ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Durch das WFG sei das System der Renten nach dem FRG vom Eingliederungsprinzip auf das Bedürftigkeitsprinzip umgestellt worden. Hintergrund des Systemwechsels sei der Umstand, dass das mit dem FRG verfolgte Ziel, die Vertriebenen und Spätaussiedler, die infolge der Auswirkungen des 2. Weltkriegs ihre soziale Sicherheit in den Herkunftsgebieten verloren hatten, in das Rentenversicherungssystem der BRD einzugliedern, weitgehend erreicht worden sei. Mit dem nunmehr geltenden Fürsorgegedanken wäre es aber nicht zu vereinbaren, dass der Hinterbliebene wirtschaftlich besser stehe als der Alleinstehende, dessen Leistungen nach § 22b Abs. 1 FRG auf maximal 25 Entgeltpunkte begrenzt seien. Da der Rentenartfaktor der eigenen Rente der Klägerin höher sei als der der Hinterbliebenenrente, seien diese Entgeltpunkte vorrangig zu berücksichtigen (§ 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG). Der Grenzwert von 25 Entgeltpunkten werde durch diese eigene Rente bereits ausgeschöpft. Ein Zahlbetrag ergebe sich bei der Hinterbliebenenrente daher nicht.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 22.12.2003 zugestellte Urteil am 22.01.2004 Berufung eingelegt. Sie verweist auf die Urteile des BSG vom 30.08.2001 und vom 11.03.2004 – B 13 RJ 4403 R – in BSGE 92, 248 ff. In diesem Urteil sei auch dargelegt worden, dass mit der Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 bestimmte Rückwirkung auch zum 07.05.1996 über eine Klarstellung hinausgehe und dass der Gesetzgeber nicht selbst bestimmen könne, wie eine Vorschrift "authentisch" zu interpretieren sei. Im übrigen könne ihr bereits in Bestandskraft erwachsener Anspruch auf Witwenrente unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rückwirkend gemäß § 300 SGB VI nicht mehr abgeändert werden, wie es das RV-Nachhaltigkeitsgesetz bestimme. Zu den Entscheidungen des BSG (Urteile vom 21.06.2005 – B 8 KN 1/05 R in SozR 4-5050 § 22b Nr. 4, B 8 KN 9/04 R in SozR 4-1300 § 44 Nr. 5 und Urteil vom 05.10.2005 – B 5 RJ 57/03 R -)hat die Klägerin keine Stellung genommen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2003 zu verurteilen, den Bescheid vom 04.08.1999 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz sei eindeutig und als geltendes Recht zu beachten. Das BSG habe mit seinem Urteil vom 19.05.2004 – B 13 RJ 46/03 R – darüber hinaus bereits entschieden, dass § 300 SGB VI der Anwendung des § 22b FRG nicht entgegenstehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 27.01. und 08.02.2006).
Die Akten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf ihren Inhalt und den übrigen Inhalt der Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Mit den angefochtenen Bescheiden hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, den bindenden Verwaltungsakt vom 04.08.1999 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies kann die Klägerin nämlich nur beanspruchen, wenn sich in ihrem Einzelfall ergeben hat, dass beim Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Beides ist jedoch nicht der Fall. Mit dem Bescheid vom 04.08.1999 hat die Beklagte ab 01.09.1999 die durch Bescheid vom 10.11.1997 bewilligte große Witwenrente gemäß § 48 SGB X insoweit neu festgestellt, als wegen des Hinzutretens der eigenen Altersrente der Klägerin sich kein Zahlbetrag mehr ergab. Damit hat die Beklagte die Gesamtansprüche der Klägerin aus der Altersrente und der Witwenrente nach dem FRG auf eine Leistung unter Berücksichtigung von insgesamt 25 Entgeltpunkten begrenzt, so dass im Ergebnis ab September 1999 nur die so begrenzte Altersrente ausgezahlt wurde.
Der bindende Bescheid erweist sich im Übrigen auch nicht wegen einer möglicherweise vor seinem Erlass unterbliebenen Anhörung (§ 24 SGB X) als in diesem Sinne unrichtig. Entscheidend ist nur, ob der bindende Bescheid der materiellen Rechtslage entspricht. Reine Formverstöße bilden keinen materiellen Rechtsgrund. Bei der rechtswidrigen Nichterbringung einer Sozialleistung im Anwendungsbereich des § 44 SGB X kommt es also darauf an, ob dem Betroffenen ein Anspruch auf die ihm nicht gewährte Leistung nach den materiellrechtlichen Vorschriften des einschlägigen Sozialleistungsgesetzes zugestanden hat (vgl. u.a. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 sowie Steinwedel in Kasseler Kommentar § 44 SGB X Rdnr. 32).
Die Entscheidung vom 04.08.1999 entspricht der Rechtslage. Anzuwenden ist hier § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG (n.F.) in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.07.2004 (BGBl. I 2004, S. 1791). Durch Art. 9 Nr. 2 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist die veränderte Fassung des § 22 b FRG (n.F.) rückwirkend zum 07.05.1996 in Kraft getreten. Sie lautet: "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt." Danach sind Zahlungen an die Klägerin, die erst nach dem 06.05.1997 nach Deutschland übergesiedelt ist, aus der Witwenrente ausgeschlossen. Denn sowohl bei ihrer Altersrente als auch bei der Witwenrente nach ihrem 1993 in Russland verstorbenen Ehemann resultieren die Entgeltpunkte ausschließlich aus Zeiten, die nach dem FRG zu berücksichtigen sind: Da bereits 25 Entgeltpunkte bei der gezahlten Altersrente zu Grunde gelegt sind, können die Entgeltpunkte der Witwenrente sich nicht mehr rentensteigernd auswirken.
Die Vorschrift § 22 b FRG n.F. ist anzuwenden, obwohl sie erst nach Erlass des angefochtenen Bescheides verkündet worden ist. Bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind Rechtsänderungen, die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreites eintreten sind, zu beachten. Auch § 300 SGB VI schließt die Anwendung des neuen Rechts nicht aus (BSG, Urteil vom 21.07.2005 – B 8 KN 1/05 R – in SozR 4-5050 § 22b Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung).
Die in § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. getroffene Begrenzungsregelung ist wie die Vorgängervorschrift verfassungsrechtlich (Art. 116, 14, 3 GG) nicht zu beanstanden. Sie setzt lediglich den bereits in der alten Fassung des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG, auf den sich die Klägerin beruft, zum Ausdruck gekommenen Systemwechsel vom Eingliederungsprinzip zu einer Eingliederungshilfe für Spätaussiedler fort, die erst 40 Jahre nach Kriegsende und nach der Wiedervereinigung sowie der Auflösung der Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind (vgl. hierzu auch Urteil des BSG vom 11.03.2004. B 13 RJ 44/03 R in BSGE 92, 248 ff). Ins Gewicht fällt auch, dass dem FRG – Anteil der hier in Frage stehenden Renten keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, so dass der Gesetzgeber einen umso größeren Gestaltungsspielraum bei der Verteilung dieser allein aus Haushaltsmitteln gezahlten Leistungen für sich in Anspruch nehmen kann. Daher wird die Klägerin gegenüber deutschen hinterbliebenen Ehefrauen, deren versicherte Ehemänner ihr Berufsleben in Deutschland verbracht haben, nicht ungerechtfertigt benachteiligt (BSG Urteil vom 21.06.2005 a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Nach Auffassung des Senats ist auch die vom Gesetzgeber mit Rückwirkung zum 07.05.1996 bestimmte Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so dass es auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG vom 11.03.2004 a.a.O.) schon während des Gesetzgebungsverfahrens gerügte Erklärung, es handele sich lediglich um eine Klarstellung bzw. um eine authentische Interpretation, im Ergebnis jedenfalls nicht ankommt.
Der Senat schließt sich den überzeugenden Begründungen in den Urteilen des 5. und des 8 Senats des BSG (Urteile vom 21.06.2005 – B 8 KN 1/05 R in SozR 4-5050 § 22b Nr. 4, B 8 KN 9/04 R in SozR 4-1300 § 44 Nr. 5 und Urteil vom 05.10.2005 – B 5 RJ 57/03 R -) , die in einzelnen Punkten zuvor schon vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt dargelegt wurden (Urteil vom 11.05.2005 – L 3 RJ 82/04 -) an. Die dort aufgezeigten Grundsätze stimmen mit denen überein, welche das Bundesverfassungsgericht – nicht abschließend – als Ausnahmen von dem grundsätzlichen Rückwirkungsverbot genannt hat (vgl u.a. Beschluss vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 – in BVerfGE 72, 200 ff.) Auch dann, wenn es sich um eine echte Rückwirkung handelt, ist diese nicht in jedem Falle verboten.
Gerade der vorliegende Fallgestaltung liefert ein Beispiel dafür, wann eine Rückwirkung einer Gesetzesänderung gerechtfertigt sein kann. Eine Ausnahme vom Vertrauensschutz ist dann möglich, wenn ein nicht – oder nicht mehr – vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen die Durchbrechung rechtfertigt oder gar erfordert. So kann sich ein schutzwürdiges Vertrauen nicht bilden bei einer unklaren oder verworrenen Rechtslage, die erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt werden muss. Gleiches gilt, wenn erst durch die Rechtsprechung ein Norminhalt erschlossen wird, der zuvor wegen der besonderen Auslegungsprobleme nicht erkannt wurde. So ist die historische Entwicklung zum Verständnis von § 22b Abs. l Satz l FRG verlaufen: Nur die Auslegung von § 22b Abs. Satz l FRG aF. mit " erhebliche(m) Interpretationsaufwand unter rechtssystematische(n) und übergeordneten Gesichtspunkten" (vgl Urteile vom 21.06.2005 und 05.10.2005 a.a.O) durch das Urteil des 4. Senats (BSG, Urt. v. 04.08.2001 – 4 RA 118/00 R) hatte erstmalig dazu geführt, die Norm auf Hinterbliebenenrenten nicht anzuwenden. Bis dahin war die Verwaltungs- und Rechtspraxis einheitlich und wurde soweit ersichtlich nicht mit gewichtigen Argumenten beanstandet. Es wurde, wie in dem vom 4. Senat zu entscheidenden Ausgangsfall, in der Regel nur darüber gestritten, ob § 22 b FRG a.F. als solche verfassungsgemäß war. Die Entscheidung des 4. Senats überraschte und stieß auf erhebliche Kritik. Erst unter Bezug auf dessen Urteil vom 04.08.2001 wurden, wie im vorliegenden Verfahren auch, Anträge auf Überprüfung gemäß § 44 SGB X gestellt. Nach Ansicht des Senats konnten diese Antragsteller allein mit dem Hinweis auf das Urteil vom 30.08.2001 nicht ohne weiteres eine gefestigte und damit schutzwürdige Vertrauensposition für sich in Anspruch nehmen. Die Rechtslage ist so auch trotz dieser Entscheidung weiter, jedenfalls bis zur Bestätigung durch den 13. Senat (Urteil vom 11.03.2004, vgl hierzu auch BSG vom 05.10.2005- B 5 RJ 57/03 R, Umdruck Nr. 26) unklar geblieben. Die Rentenversicherungsträger hatten vereinbart, dieser Rechtsprechung nicht zu folgen. Eine Vielzahl von Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz hatten die Rentenversicherungsträger in ihrer Auffassung bestätigt: Schließlich gab das Urteil des 4. Senats vom 04.08.2001 auch keine Lösung zu der Frage, welche Begrenzung der Entgeltpunkte für FRG-Zeiten bei der Hinterbliebenenrente gelten sollte, wenn sich § 22b Abs. l Satz l FRG aF. nicht auf das Zusammentreffen einer eigenen Rente mit einer Hinterbliebenenrente bezog.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen(§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 03.07.2006
Zuletzt verändert am: 03.07.2006