Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Rückforderung derselben für die Zeit vom 15.06. bis 31.10.2000 in Höhe von zuletzt noch 5.406,85 Euro.
Der am 00.00.1949 geborene Kläger ist Marokkaner und von Beruf Blechrichter. Ihm wurde für die Zeit ab 01.09.1999 Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von maximal 660 Leistungstagen zuerkannt. Der tägliche Leistungssatz betrug zuletzt im Jahr 2000 bis 21.06.2000 71,33 DM und ab 22.06.2000 76,33 DM. Das Arbeitslosengeld wurde immer am Ende eines Monats nachträglich auf das Konto des Klägers überwiesen.
Am 18.05.2000 beantragte der Kläger für die Dauer von 6 Monaten die Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Er gab an, am 15.06.2000 eine selbständige Tätigkeit als Pächter einer Autowaschstraße aufzunehmen. Er bestätigte durch seine Unterschrift vom 23.05.2000, dass er das Merkblatt 3 – Hilfe für Arbeitnehmer – erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Die selbständige Tätigkeit nahm der Kläger dann auch wie angegeben ab 15.06.2000 tatsächlich auf.
Mit Bescheid vom 27.06.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Überbrückungsgeld für die Zeit vom 15.06.2000 bis 14.12.2000 in Höhe von monatlich 3.682,77 DM als Zuschuss. Am 15.07.2000 wurde erstmalig das Überbrückungsgeld für den ersten Monat an den Kläger überwiesen. Die Beklagte unterlies es jedoch, die Gewährung von Arbeitslosengeld zu beenden. Dies hatte zur Folge, dass dem Kläger auch weiterhin Arbeitslosengeld am Ende eines Monats überwiesen wurde. Dies bemerkte die Beklagte erst am 17.11.2000, als der Kläger sein Gewerbe zum 30.11.2000 abmeldete. Daraufhin stoppte die Beklagte die Überweisung von Arbeitslosengeld ab 01.11.2000.
Mit Schreiben vom 11.12.2000 hörte die Beklagte den Kläger zu der erfolgten Überzahlung für die Zeit ab 15.06.2000 bis 31.10.2000 an. Der Kläger gab hierzu an, er habe die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit bereits am 18.05.2000 mitgeteilt. Er habe geglaubt, die Zahlungen für Juni bis Oktober stellten das ihm zustehende Überbrückungsgeld dar.
Mit Bescheid vom 31.01.2001 hob die Beklagte die Arbeitslosengeldbewilligung für die Zeit vom 15.06.2000 bis 31.10.2000 auf und forderte einen Betrag in Höhe von 10.609,87 DM zurück. Der Kläger habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, er hätte aber erkennen können, dass ihm die Leistung nicht zugestanden habe. Zusätzlich wurden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zurückgefordert. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren beschränkte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 13.07.2001 ihren Erstattungsanspruch auf die Rückzahlung des gewährten Arbeitslosengeldes. Die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen wurde nicht mehr geltend gemacht. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2001 zurückgewiesen. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Der Kläger habe gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst, dass der Leistungsanspruch wegen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weggefallen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 22.08.2001 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er habe nicht gewusst und nicht erkennen können, dass die Voraussetzungen des Leistungsanspruches weggefallen seien. Er sei ausländischer Staatsangehöriger und habe in seinem Leben erstmalig Überbrückungsgeld beantragt. Das Überbrückungsgeld sei als Zuschuss bewilligt worden. Das setze voraus, dass Überbrückungsgeld neben einer anderen Leistung gewährt werde. Aus den Merkblättern sei kein eindeutiger Hinweis zu entnehmen gewesen, wie sich das Überbrückungsgeld zusammengesetzt habe. Im Übrigen berufe er sich auf Entreicherung.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Wege des Teilanerkenntnisses die Erstattungsforderung auf 10.574,87 DM (= 5.406,85 Euro) beschränkt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Im Übrigen hat der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 31.01.2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.07.2001, dieser in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2001, aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 21.03.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte habe die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 15.06.2000 wegen einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen aufheben dürfen. Die wesentliche Änderung liege in der am 15.06.2000 aufgenommenen selbständigen Tätigkeit. Der Kläger habe wissen müssen, dass ihm ab diesem Zeitpunkt kein Arbeitslosengeld mehr habe zustehen können. Hierüber sei er in dem von ihm erhaltenen Merkblatt aufgeklärt worden. Unerheblich sei, dass die Überzahlung von der Beklagten verursacht worden sei. Maßgebend sei allein, dass auch auf Seiten des Klägers grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Wegen des genauen Wortlautes in den Entscheidungsgründen wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 24.04.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.05.2003, einem Montag, eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger betont erneut, dass ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorgehalten werden könne. Er habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, wie sich das als Zuschuss zu gewährende Überbrückungsgeld zusammensetzt. Das Überbrückungsgeld sei als "Zuschuss" gewährt worden. Die Verwendung des Wortes "Zuschuss" beinhalte vom Wortsinn her, dass das Überbrückungsgeld zusätzlich zu einer anderen Leistung bewilligt werde. Er habe nicht erkennen können, dass dieser Begriff als Abgrenzung zu einem Darlehen zu verstehen gewesen sei. Auch aus der Höhe der Gesamtleistung aus Arbeitslosengeld und Überbrückungsgeld habe er nicht auf die Rechtswidrigkeit der Doppelzahlung schließen können. Im Übrigen sei dem Kläger kein Vorwurf bei der Beantragung des Überbrückungsgeldes zu machen. Er habe seinen Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt. Der Fehler sei allein auf Seiten der Beklagten unterlaufen. Wenn dies der Beklagten schon nicht aufgefallen sei, dann könne man nicht davon reden, dass er die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletzt habe. Zu beachten sei auch, dass er erstmalig Überbrückungsgeld beantragt habe und als ausländischer Staatsangehöriger dies erst recht nicht habe erkennen können. Man könne allenfalls von leichter, nicht aber von grober Fahrlässigkeit sprechen. Wenn man dem nicht folgen sollte, so könne grobe Fahrlässigkeit aber allenfalls von dem Zeitpunkt an angenommen werden, an dem nach der am 15.07.2000 erfolgten ersten Überweisung von Überbrückungsgeld am 26.07.2000 nochmals Arbeitslosengeld überwiesen worden sei. Hier sei für einem Fachmann, der er aber nicht sei, möglicherweise erkennbar gewesen, dass etwas nicht habe stimmen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2003 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zur Klarstellung weist sie darauf hin, dass es bei dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht auf den zufälligen Zeitpunkt der nachträglichen Überweisung von Arbeitslosengeld ankommen könne. Maßgebend sei der 15.06.2000, der Tag der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Von diesem Tag an habe der Kläger wissen müssen, dass ihm kein Arbeitslosengeld mehr zustehe konnte.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte mit der Stamm-Nr. 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen mit Wirkung für die Vergangenheit aufheben und einen Betrag in Höhe von 10.574,87 DM (= 5.406,85 Euro) zurückfordern durfte.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, sofern der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebene Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt.
Mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 15.06.2000 ist gegenüber dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 13.09.1999 eine wesentliche Änderung eingetreten. Durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entfiel nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III die Wirkung der Arbeitslosmeldung. Damit war der Kläger nicht mehr arbeitslos im Sinne von § 118 SGB III und die notwendigen Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 1 SGB III waren entfallen.
Der Kläger hätte ferner auch wissen müssen, dass ihm ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitslosengeldanspruch nicht mehr zustand. Hierüber ist er hinreichend über das Merkblatt für Arbeitslose informiert worden.
Bezüglich der Annahme von grober Fahrlässigkeit schließt sich der Senat den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil auf Seite 5 unten und Seite 6 oben voll inhaltlich an. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit darin liegt, dass der Kläger nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht den Schluss gezogen hat, dass ihm Arbeitslosengeld nicht mehr zustehen konnte. Entgegen den Überlegungen des Berichterstatters in seiner prozessleitenden Verfügung vom 09.07.2003 kommt es für den Zeitpunkt der Annahme von grober Fahrlässigkeit nicht darauf an, wann dem Kläger das Arbeitslosengeld und das Überbrückungsgeld tatsächlich überwiesen worden ist.
Auch wenn der Kläger das Arbeitslosengeld für den gesamten Monat Juni erst am Ende des Monats Juni überwiesen worden ist und er Überbrückungsgeld erstmals am 15.07.2000 erhalten hat, so kommt es für die Annahme von grober Fahrlässigkeit nicht auf den zufälligen Tag des Zuflusses der unberechtigten Leistung an, sondern auf den Tag der wesentlichen Änderung. Mit dem Zufluss des Arbeitslosengeldes für den Monat Juni musste dem Kläger bewusst sein, dass ihm Leistungen ab 15.06.2000 zu Unrecht überwiesen worden waren, da er ab 15.06.2000 selbständig war. Auf den Zufluss einer unberechtigten Überweisung von Arbeitslosengeld kann es für die Beurteilung von grober Fahrlässigkeit dann nicht ankommen, wenn dem ein die Arbeitslosigkeit beendendes Ereignis – hier die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit – vorausgegangen ist. Der Kläger hat die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit dem 15.06.2000 selbst angezeigt und hat die Tätigkeit auch an diesem Tag tatsächlich aufgenommen. Ab diesem Tag musste ihm bei Anstellen ganz naheliegender Überlegungen klar sein, dass er nicht mehr arbeitslos war und ihm keine Leistung mehr zustehen konnten, die Arbeitslosigkeit voraussetzt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger Marokkaner ist und erstmalig Überbrückungsgeld beantragt hat.
Unerheblich ist, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, dass die Beklagte die Überzahlung verursacht hat, obwohl der Kläger zutreffende und vollständige Angaben gemacht hat. Der Kläger hat die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit ordnungsgemäß angezeigt. Dies hat auf die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der Bewilligungsentscheidung für die Zeit ab Änderung der Verhältnisse jedoch keine Auswirkungen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X muss die Beklagte die Bewilligungsentscheidung ab dem Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse selbst dann aufheben, wenn auch ihr Fahrlässigkeit oder sogar grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Dies ergibt sich aus § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Ein eventuelles Mitverschulden der Beklagten an einer Überzahlung kann nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden.
Das Recht der Beklagten zur Rückforderung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Hiernach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die Höhe der zu erstattenen Leistungen hat das Sozialgericht auf Seite 6 unten (letzter Absatz) in zutreffender Weise errechnet. Er Erstattungsanspruch beläuft sich auf insgesamt 10.574,87 DM = 5.406,85 Euro.
Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 17.03.2004
Zuletzt verändert am: 17.03.2004