Auf Rev. der Bekl. wird Urteil des LSG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen! Neues Az. = L 20 AL 135/15 ZVW
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.05.2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 11.09.2010 bis 04.11.2010 hat.
Der Kläger war im Zeitraum vom 02.06.2008 bis 30.06.2010 in Deutschland bei der Firma F. U. NV in H./Belgien als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Am 01.07.2010 nahm er eine Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma F1. E. GmbH & Co.KG in C. auf. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.08.2010 auf Grund ordentlicher Kündigung des Arbeitgebers. Das vom deutschen Arbeitgeber für die Monate Juli und August 2010 abgerechnete Bruttoarbeitsentgelt belief sich auf insgesamt 5001,92 Euro. Vom 01.09.2010 bis einschließlich 10.09.2010 bezog der Kläger Krankengeld. Am 13.09.2010 meldete er sich rückwirkend zum 11.09.2010 (Samstag) bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 11.10.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.10.2010 Alg für den Zeitraum vom 11.09.2010 bis 10.09.2011 Alg in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 30,49 Euro. Sie berücksichtigte bei der Anwartschaftszeit auch die Beschäftigung in Belgien. Da auf Grund der nur kurzzeitigen Inlandsbeschäftigung des Klägers von 61 Tagen auch im gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (in der bis 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) ; jetzt § 150 SGB III ) auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht festzustellen sei, wobei sie nur die Inlandsbeschäftigung berücksichtigte, legte sie gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde. Dabei ordnete sie den Kläger zuletzt der in § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III a.F. geregelten Qualifikationsgruppe 3 zu (Bemessungsentgelt von 68,13 Euro).
Der Kläger widersprach: Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich bei einem in der Vergangenheit erzielten Nettoeinkommen von durchschnittlich 2.600,- Euro ein monatlicher Alg-Anspruch von lediglich 914,70 Euro errechnen könne. Auch auf das in Belgien erzielte Arbeitsentgelt seien Sozialabgaben entrichtet worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 15.11.2010 zurück: Die fiktive Bemessung des Alg unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 3 sei rechtmäßig. Der Kläger habe den Anspruch auf Alg gemäß Art. 62 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) durch deutsche Versicherungs- und europäische Auslandszeiten erworben. Da er vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit nach deutschem Recht bei der Firma F1. E. GmbH & Co.KG beschäftigt gewesen sei, habe die Bemessung des Alg gemäß Art. 62 Abs. 1 und 2 VO (EG) 883/2004 ausschließlich anhand des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts aus dem deutschen Beschäftigungsverhältnis zu erfolgen. Der einjährige Bemessungsrahmen umfasse die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010. Er sei gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. auf zwei Jahre zu erweitern, weil der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (nach deutschem Recht) enthalte. Ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf beitragspflichtiges (in Deutschland erzieltes) Arbeitsentgelt sei jedoch auch innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festzustellen, so dass gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen sei. Der Kläger sei gemäß § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F entsprechend seiner beruflichen Qualifikation der Qualifikationsgruppe 3 zugeordnet worden, so dass ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) als tägliches Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt worden sei.
Mit Bescheid vom 25.11.2010 hob die Beklagte die Entscheidungen über die Bewilligung von Alg gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 330 Abs. 3 SGB III auf Grund des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall ab dem 04.11.2010 auf. Widerspruch wurde hiergegen nicht eingelegt.
Am 07.12.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben: Das Alg sei unter Berücksichtigung des in Belgien erzielten Arbeitsentgelts zu berechnen. Er habe im Rahmen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Belgien ein wesentlich höheres Entgelt erhalten als im Wege der fiktiven Berechnung von der Beklagten zu Grunde gelegt werde. Die Berechnung anhand eines fiktiven Arbeitsentgelts verstoße gegen Verfassungs- und Europarecht. Es sei zumindest das zuletzt im Zeitraum vom 01.07.2010 bis 31.08.2010 im Inland erzielte Entgelt zu Grunde zu legen, wodurch sich ebenfalls ein wesentlich höherer Anspruch ergebe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2010 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung seiner Beschäftigung in Belgien zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 14.05.2012 hat das SG unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 11.09.2010 bis zum 04.11.2010 unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts in Höhe von 80,68 Euro verurteilt. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt:
Der Bescheid vom 11.10.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2010 sei insoweit rechtswidrig, als die Beklagte bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Alg-Anspruchs nicht das zuletzt in Deutschland erzielte Arbeitsentgelt, sondern gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 SGB III a.F. ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt zu Grunde gelegt habe. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Bemessung des Alg unter Berücksichtigung des Entgelts aus der Beschäftigung in Belgien sei hingegen nicht gegeben.
Der Kläger habe Anspruch auf Alg gemäß §§ 118,119 SGB III a.F … Die Höhe der Leistung richte sich nach § 129 SGB III a.F … Danach betrage das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind haben, 67% (erhöhter Leistungssatz) und für die übrigen Arbeitslosen 60% (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasse gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nach Satz 2 der Vorschrift umfasse der Bemessungsrahmen ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungsrahmen werde gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Könne ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, sei gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen.
Da der Kläger bis zum 30.06.2010 in einem anderen EU-Mitgliedstaat versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, seien für die Berechnung der Höhe seines Alg-Anspruchs nicht nur die deutschen Berechnungsvorschriften, sondern auch die Regelungen des Art. 62 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 zu beachten. Danach berücksichtige der zuständige Träger, nach dessen Rechtsvorschriften die Leistungen zu berechnen seien, ausschließlich das Entgelt oder Erwerbseinkommen, das der Arbeitslose während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet des zuständigen Staates erhalten habe. Dies gelte gemäß Art. 62 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 auch dann, wenn nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften des zuständigen Staates ein bestimmter Bezugszeitraum vorgesehen sei und der Arbeitslose einen Teil dieses Zeitraums in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe. Aus dem Zusammenspiel von Art. 62 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 folge, dass das Entgelt, welches ein zuletzt in Deutschland beschäftigter und dort arbeitslos gewordener Versicherter in einem anderen (früheren) Beschäftigungsstaat erzielt hat, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes ausnahmslos unberücksichtigt bleibe. Dies gelte unabhängig davon, ob das in der vorletzten Beschäftigung im EU-Ausland erzielte Arbeitsentgelt höher oder niedriger gewesen sei als das zuletzt in Deutschland erzielte Entgelt. Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes nach dem SGB III habe die speziellere Regelung des Art. 62 VO (EG) Nr. 883/2004 also zur Folge, dass nur inländische Versicherungszeiten, die in den Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 SGB III fallen, berücksichtigt würden (Hinweis auf Geiger, info also 2010, 147,148; Greiser, in Eicher/Schlegel, SGB III EGVO 883/2004 Art. 62 Rn. 7 ff.) und eine fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III a.F. auch dann nicht vorzunehmen sei, wenn der Arbeitslose in den letzten zwei Jahren vor der Entstehung des Alg-Anspruchs keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer Inlandsbeschäftigung in Deutschland (als zuständigem Mitgliedstaat) vorzuweisen habe (Hinweis auf Geiger, a.a.O. S. 148, Greiser, a.a.O. Rn. 15).
Als Bemessungsentgelt sei ausgehend von diesen Grundsätzen vorliegend gemäß Art. 62 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004 das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, dass der Kläger im Zeitraum vom 01.07.2010 bis 31.08.2010 bei der Firma F1. E. GmbH & Co.KG in C. erzielt hat. Bei Teilung der Summe der in die vom deutschen Arbeitgeber abgerechneten Entgeltzeiträume fallenden beitragspflichtigen Arbeitsentgelte (5.001,92 Euro) durch die Anzahl der in die inländischen Entgeltzeiträume fallenden Kalendertage (32 Tage) errechne sich ein Bemessungsentgelt von (gerundet) 80,68 Euro, welches bei der Berechnung des Leistungssatzes nach § 129 SGB III a.F. zu Grunde zu legen sei.
Die vom Kläger begehrte Bemessung des Alg unter zusätzlicher Berücksichtigung des in Belgien erzielten Arbeitsentgelts komme angesichts der eindeutigen Regelung des Art. 62 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 hingegen nicht in Betracht, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen gewesen sei.
Gegen das am 25.06.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.07.2012 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie i.W. ausführt:
Der Auffassung des SG zur Auslegung des Art. 62 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 könne nicht gefolgt werden. Die Regelungen des Art. 62 der VO seien von dem Grundgedanken getragen, dass mittels europarechtlicher Vorgaben nur eine nationale Rechtsordnung zu der Berechnung der Leistungen herangezogen werden solle (Hinweis auf Marschner in GK-SGB III – Kommentar EG/XI Art. 62 Rz. 3). Dies sei grundsätzlich im Absatz 1 der Vorschrift festgeschrieben. Danach solle ausschließlich das Entgelt berücksichtigt werden, das während der letzten Beschäftigung erzielt worden sei. Dieser Grundsatz gelte nach Auffassung der Beklagten unabhängig davon, dass die deutschen Rechtsvorschriften in Ausnahmefällen abweichend von der Regelbemessung nach dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt eine fiktive Bemessung nach dem erzielbaren Arbeitsentgelt vorsähen. Art. 62 Abs. 2 VO bestimme nach ihrer Auffassung, dass an diesem Grundsatz auch festgehalten werden solle, wenn ein bei der Bemessung zu berücksichtigender Bezugszeitraum nicht nur mit "inländischen" Zeiten, sondern auch mit "ausländischen Zeiten" belegt sei. Ihres Erachtens solle durch die Regelung des Art. 62 Abs. 2 der VO lediglich ausgeschlossen werden, dass (auch) "ausländische" Zeiten des Bezuges von Alg in die Bemessung einflössen. Entgegen der Auffassung des SG schließe das Zusammenspiel von Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 der VO nicht aus, dass nach deutschen Rechtsvorschriften in bestimmten Ausnahmefällen eine fiktive Bemessung des Alg in Betracht komme (Hinweis auf Kador in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 62 VO (EG) 883/2004).
Da der Kläger nach seiner Arbeit in Belgien noch in Deutschland tätig gewesen sei, bevor er arbeitslos geworden sei, sei er nicht mehr als Grenzgänger anzusehen. Jemand, der als Grenzgänger tätig gewesen sei, verliere diesen Status, sobald er im Inland eine Arbeit aufnehme. In diesem Lichte sei Art. 62 Abs. 1 und 2 VO EG 883 / 04 zu sehen. Dies habe zur Folge, dass im Rahmen des Art. 62 VO EG 883/04 die Vorschriften anzuwenden seien, die "normalerweise" gelten, wenn jemand nach Beschäftigung im Inland arbeitslos werde, also die Vorschriften nach dem SGB III. Folglich müsse bei demjenigen, der im Inland vor Arbeitslosigkeit nicht mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer nach deutschem Recht versicherten Beschäftigung nachweisen könne, im Rahmen des Art. 62 VO EG 883/04 eine fiktive Bemessung in Anwendung von § 132 SGB III a.F. erfolgen. Ein im Ausland erzieltes Arbeitsentgelt sei für das Bemessungsentgelt bedeutungslos (Hinweis auf Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Art. 62 Rn. 2). Die Auslegung der VO durch das SG bedeute einen zu weit reichenden und unverhältnismäßigen Eingriff in das deutsche Bemessungsrecht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Dortmund vom 14.05.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) entschieden.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Berücksichtigung eines Bemessungsentgelt von 80,68 EUR verurteilt.
Der Kläger hat, wie das SG, auf dessen zutreffenden Ausführungen der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), näher dargelegt hat, in dem zwischen den Beteiligten allein streitigen Zeitraum vom 11.09.2010 bis 04.11.2010 Anspruch auf Alg. Er war nämlich arbeitslos, bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und erfüllte unter Berücksichtigung der von ihm in Belgien zurückgelegten Beschäftigungszeiten die Anwartschaftszeit (§§ 117,118,119,123 SGB III a.F. i.V.m. Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VO (EG) 883 / 2004).
Wie das SG weiter richtig erkannt hat, hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden die Höhe des Alg-Anspruchs (§§ 129 ff. SGB III a.F.) des Klägers rechtswidrig zu niedrig bestimmt. Das Alg des Klägers war nämlich nicht nach einem gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a.F. fiktiv ermittelten Bemessungsentgelt i.H.v. 68,13 Euro zu bemessen, sondern unter Berücksichtigung des zuletzt (vom 01.07.2010 bis 31.08.2010) in Deutschland konkret erzielten Arbeitsentgelts, das, wie das SG richtig im Einzelnen näher dargelegt hat, zu einem gerundeten Bemessungsentgelt von 80,86 Euro führt.
Wegen der näheren Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt. Auch zur Überzeugung des Senats führt in einem Fall wie dem des Klägers die speziellere Regelung des Art. 62 VO (EG) Nr. 883/2004 dazu, dass nur inländische Versicherungszeiten, die in den Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 SGB III a.F. fallen, bei der Bemessung der Alg-Leistung berücksichtigt werden und dass eine fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III a.F. auch dann nicht vorzunehmen ist, wenn der Arbeitslose in den letzten zwei Jahren vor der Entstehung des Alg-Anspruchs keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (allein) aus einer Inlandsbeschäftigung in Deutschland als dem zuständigen Mitgliedstaat vorzuweisen hat. Der Senat kann im vorliegenden Fall offen lassen, ob diese Rechtsfolge sich schon daraus ergibt, dass Art. 62 der VO (EG) 883/2004 die Regelung des § 130 Abs. 1 SGB III a.F. verdrängt, oder ob sie daraus folgt, dass die (hier belgischen) ausländischen Zeiten für die Bildung des Bezugszeitraums heranzuziehen sind (so Kador, in: jurisPK Stand 29.04.2013 – Art. 62 VO (EG) 883/2004 Rz. 20, 20.1; Greiser, in: Eicher/Schlegel , SGB III EGVO 883/2004 Art 62 Rz. 15).
Der Senat weist ergänzend zu den Ausführungen des SG darauf hin, dass dies inzwischen jedenfalls im Ergebnis nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur zur VO (EG) 883/2004 entspricht (vgl. rechtskräftiges Urteil des LSG Baden-Württemberg v. 22.03.2013 – L 8 AL 1225/11; Eichenhofer, in: Fuchs (Hrsg.) Europäisches Sozialrecht 6.Aufl. 2012, Art. 62 VO (EG) 883/2004 Rz. 3; Geiger info also 2010, 158 ff; Geiger, info also 2013,147; Greiser, in: Eicher/Schlegel , SGB III EGVO 883/2004 Art 62 Rz. 15; Greiser/Kador, ZFSH SGB 2011, 507,510; Kador, in: jurisPK (Stand 29.04.2013) Art. 62 VO (EG) 883/2004 Rz. 20.1; Koppernock, in: Mutschler (u.a.) Europäisches Sozialrecht Art 62 VOI (EG) 883/2004 Rz. 6; Wendtland, ZESAR 2010, 355,358; nicht eindeutig Mutschler, in: GK SGB III , 5.Aufl., Art. 62 Rz. 3-6).
Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Für die Auffassung der Beklagte könnte zwar sprechen, dass den Erwägungen, die bei einem rein innerstaatlich begründeten Alg-Anspruch für eine (pauschalierende) fiktive Ermittlung des Bemessungsentgelts nach § 132 SGB III a.F. sprechen, in einem Fall wie diesem, in welchem nach einer Beschäftigung im EG-Ausland nur kurze Zeit wieder in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet worden ist, eine Berechtigung nicht ohne weiteres abgesprochen werden könnte, denn auch hier wird das Entgelt aus einer nur kurzen Zeit der (Inlands-) Beschäftigung berücksichtigt, so dass Zufälligkeiten zum Tragen kommen können. Der Rekurs der Beklagten auf mehr allgemeine Erwägungen zur Auslegung der VO (EG) 883/2004 verfängt jedoch angesichts der konkreten Regelungen der Art. 61 und 62 der VO letztlich nicht. Art. 62 der VO (EG) 883/2004 bringt nicht allein zum Ausdruck, dass nur eine nationale Rechtsordnung zur Berechnung der Leistung herangezogen werden soll, worauf die Beklagte diese Vorschrift zu reduzieren scheint. Vielmehr lässt sich ihr auch eine Regelung des bei der Leistungsberechnung maßgeblichen zu berücksichtigenden Entgelts entnehmen, nämlich dass das konkret im zuständigen Trägerland erzielte, nicht ein fiktiv zu berechnendes Bemessungsentgelt Grundlage der Bemessung sein soll, und zwar nach Abs. 2 auch dann, wenn das nationale Recht Regelungen wie die des SGB III in den §§ 130 SGB III a.F. ff. vorsieht. Dies jedenfalls, wenn zusammen mit ausländischen Zeiten die geforderten 150 Tage im Bezugszeitraum gegeben sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 SGG zugelassen, da er der Sache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Erstellt am: 07.07.2015
Zuletzt verändert am: 07.07.2015