Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 22.12.2006 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Antragsteller, der österreichischer Staatsangehöriger ist, reiste nach einem längeren Aufenthalt in Spanien über Frankreich und Belgien in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich seit dem 29.10.2006 in B aufhält. Er meldete sich am 02.11.2006 bei der Bundesagentur für Arbeit und beantragte am 06.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Antragsgegnerin. Diese gewährte entsprechende Leistungen, nachdem sie dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit nachgewiesen hatte. Nachdem der Antragsteller der Arbeit nicht mehr nachgehen wollte, stellte die Antragsgegnerin die Leistungen ein.
Seinen am 19.12.2006 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen gestellten Antrag auf vorläufige Weiterverpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung der Grundsicherungsleistungen hat das SG mit Beschluss vom 22.12.2006 abgelehnt, weil nach der seit dem 07.12.2006 geltenden Gesetzeslage Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, weder einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen noch auf Sozialhilfe hätten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Nach nationalem Recht stehen dem Antragsteller – jedenfalls seit dem 29.01.2007 (vgl. dazu noch unten) – keine Leistungsansprüche zu. Sowohl § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II als auch § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII – Sozialhilfe – schließen Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen und Sozialhilfe für Ausländer aus, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Auch das Aufenthaltsrecht des Antragstellers kann sich, obwohl er Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) ist, seit dem 29.01.2007 allein aus dem Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche ergeben. Sowohl nach der Richtlinie (RL) 2004/38/EG vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35 – (sogenannte Unionsbürger-RL) wie auch das in Umsetzung dieser RL geschaffene Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) sehen ein Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates – mit Ausnahme der ersten drei Monate – nur unter besonderen Voraussetzungen vor, von denen beim Antragsteller allein der Aufenthalt zur Arbeitssuche erfüllt sein kann (Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG; § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU). Allerdings erscheint es bedenklich, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit dem Gemeinschaftsrecht der EU vereinbar ist (schon offen gelassen vom Senat im Beschl. v. 22.03.2007 – L 19 B 21/07 AS ER). Durch diese Bestimmung sollte Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG umgesetzt werden (vgl. BT-Drucks. 16/688, S. 13). Danach ist der Aufnahmemitgliedsstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder ggf. während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4b) – Aufenthaltsrecht aufgrund des Nachweises der Arbeitssuche und der begründeten Aussicht einer Einstellung – einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Insoweit ist aber schon fraglich, ob es sich bei der Grundsicherungsleistung nach dem SGB II, die eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne des Art. 4 Abs. 2a V0 (EWG) 1408/71 ist (vgl. Beschl. des Senats v. 30.03.2007 – L 19 B 102/06 AS -; Fuchs in Neue Zeitschrift für Sozialrecht – NZS – 2007, 1, 4), um Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG handelt (kritisch Strick in Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2005, 2182, 2184f). Des weiteren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 12 EWG-Vertrag (EG) unvereinbar ist, einen Unionsbürger, solange er sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, von Sozialhilfeleistungen aus Gründen auszuschließen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaates keine Geltung haben (vgl. Urt. v. 07.09.2004 Rs C – 456/02 [Trojani] Rn 39ff; vgl. auch Beschl. LSG NRW v. 03.11.2006 – L 20 B 248/06 AS ER).
Aus diesen Überlegungen kann der Antragsteller jedoch keinen Anspruch auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen wie auch Sozialhilfe herleiten, da nicht erkennbar ist, dass er sich seit dem 29.01.2007 noch rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Es ist – jedenfalls seit diesem Zeitpunkt – nämlich nicht glaubhaft, dass sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland noch dem Zweck der Arbeitssuche dient. Die dem Antragsteller nachgewiesene Arbeitsgelegenheit hat er zu dieser Zeit nicht mehr wahrgenommen. Irgendwelche Aktivitäten zur Erlangung einer Arbeitsstelle hat er weder belegt, noch ist nach seinem bisherigen Werdegang davon auszugehen, dass ihm hieran tatsächlich gelegen ist. In Spanien hat der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben "auf der Straße gelebt". Diese Lebensweise zieht er auch jetzt wieder vor, weil ihm das nachgewiesene Quartier nicht zumutbar sei. Dass er unter diesen Lebensbedingungen in der Lage ist, eine geregelte Arbeit zu finden, ist ebenso unwahrscheinlich, wie ein überhaupt hierauf gerichteter Wille. Schließlich verfügt er auch nicht über eine Bescheinigung über sein Aufenthaltsrecht gemäß § 5 FreizügG/EU (sogenannte Aufenthaltserlaubnis/EU). Unter diesen Umständen ist der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht zu beanstanden.
Im Zeitraum vom 19.12.2006 bis zum 28.01.2007 hat sich der Antragsteller allerdings gemäß Art. 18 EG, Art. 6 RL 2004/38/EG rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten, da jeder Unionsbürger für einen Zeitraum bis zu 3 Monaten das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats hat, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss. Letztere Voraussetzung erfüllte der Antragsteller. 0b auch während dieses Zeitraums der Anspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen ist, die darauf abstellen, dass das Aufenthaltsrecht sich allein aus der Arbeitssuche ergibt, kann dahin stehen (vgl. dazu Strick a.a.0., 2185). Jedenfalls fehlt es insoweit an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat während dieser Zeit seinen Lebensunterhalt anderweitig sichergestellt. Die nachträgliche Zuerkennung von Leistungen würde dagegen zur Aufrechterhaltung eines von der Rechtsordnung nicht gewünschten Zustands – weiterer Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne ausreichende eigene Mittel – führen.
Schließlich ist dem Antragsteller auch nicht aufgrund der aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) folgenden Verpflichtung des Staates, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, ein Anspruch auf die begehrte Sozialhilfe zuzubilligen (a.A. wohl Strick a.a.0., 2185). Auch dieses würde den Antragsteller wiederum davon abhalten, sich in sein Heimatland zu begeben, um die dort für ihn bereitgehaltenen Mittel in Anspruch zu nehmen. Aus Art. 1 Abs. 1 GG lässt sich daher nur die Verpflichtung zur Gewährung solcher Leistungen herleiten, die notwendig sind, um dem Antragsteller eine entsprechende Rückkehr zu ermöglichen. Solche Leistungen stehen vorliegend aber nicht im Streit.
Die Beschwerde war daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.04.2007
Zuletzt verändert am: 20.04.2007