Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes. Die Klägerin begehrt, dass ihr Elterngeld nach dem Einkommen berechnet wird, das sie vor der Geburt ihres älteren Kindes erzielt hat.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin ist verheiratet und war bis zur Geburt ihrer Tochter M am 00.10.2005 als Wirtschaftsprüfungsassistentin berufstätig. Seitdem widmete sie sich der Erziehung ihrer Tochter und bezog im ersten Lebensjahr der Tochter Erziehungsgeld. Am 00.08.2007 gebar sie ihr zweites Kind O. Seit dem 24.06.2007 hatte sie Mutterschaftsgeld bezogen.
Am 30.10.2007 beantragte sie bei beim Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Versorgungsamt L, die Gewährung von Elterngeld aus vorangegangenem Erwerbseinkommen für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Kindes O. Mit Bescheid vom 15.11.2007 gewährte ihr der Rechtsvorgänger der jetzigen Beklagten Elterngeld für die Zeit vom 02.08.2007 bis 01.08.2008 und zwar für die Zeit vom 02.09. bis 01.10. in Höhe von 12,50 EUR und für die Zeit vom 02.10.2007 bis 01.08.2008 in Höhe von monatlich 375 EUR; für die Zeit vom 02.08. bis 01.09.2007 ergebe sich kein Zahlbetrag. Zur Begründung führte der Rechtsvorgänger der Beklagten aus, dass der Klägerin mangels Einkommens im 12-monatigen Bemessungszeitraum vor der Geburt ihres Kindes nur der Sockelbetrag in Höhe von 300 EUR zustehe zuzüglich des Geschwisterbonus von 75 EUR.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie begehre, dass bei der Elterngeldberechnung ihr letzter Nettoverdienst herangezogen werde, da ihre beiden Kinder innerhalb von 24 Monaten zur Welt gekommen seien. Diesen Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2008 zurück. Eine Verlängerung des 12-monatigen Bemessungszeitraums vor der Geburt des Kindes um die für ein älteres Kind in Anspruch genommene Elternzeit kenne das Gesetz nicht.
Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2008 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ausdrücklich vorgesehene Verlängerung des Bemessungszeitraums um den Bezug von Elterngeld für ein älteres Kind auch in ihrem Fall entsprechend anzuwenden sei. Der Gesetzestext sei dahingehend auszulegen, dass nicht nur der Bezug von Elterngeld, sondern auch der Bezug von Erziehungsgeld darunter falle. Schließlich verfolge das BEEG das Ziel, dass Familien die Kindererziehung ohne finanzielle Einbußen übernehmen können. Hierfür sprächen auch Sinn und Zweck der Regelung, der darin bestehe, Fälle zu privilegieren, in welchen zwei Kinder in sehr kurzem Abstand (24 Monate) geboren worden seien. Andernfalls würde auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt, da Eltern ohne Elterngeldanspruch für das ältere Kind willkürlich schlechter gestellt würden als solche Eltern mit Elterngeldanspruch für beide Kinder. Ihr Auslegungsergebnis werde also auch durch eine verfassungskonforme Auslegung getragen. Die Klägerin hat ferner Gehaltsbescheinigung aus der Zeit Januar bis Dezember 2005 mit regelmäßigen Nettoeinkünften zwischen ca. 1.800 und 3.000 EUR vorgelegt (z.T. inklusive Mutterschaftsgeld, Urlaubsabgeltung und Bonus).
Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut führe nur der Bezug von Elterngeld für ein älteres Kind zu einer Verlängerung des Bemessungszeitraums, nicht aber der Bezug von Erziehungsgeld oder die Inanspruchnahme von Elternzeit. Das sei auch nicht verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber bei steuerfinanzierten Leistungen einen besonders weiten Gestaltungsspielraum habe. Das Elterngeld sei nur Einkommensersatz und die Klägerin habe vor der Geburt ihres zweiten Kindes kein Einkommen erzielt, das zu ersetzen sei. Anders als in dem im Gesetz vorgesehenen Verlängerungsfall des vorangegangenen Elterngeldbezuges sei bei ihre durch die Geburt des ersten Kindes eine weitgehend einkommenslose Zeit eingetreten, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 21. 3.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2008 zu verurteilen, ihr Elterngeld berechnet nach dem im letzten Jahr vor der Geburt des Kindes M erzielten Netto-Einkommen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Die Beklagte hat das Elterngeld nach dem für die Höhe des Elterngeldes gemäß § 2 BEEG maßgeblichen Bemessungszeitraum richtig bestimmt.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 7 S. 6, 1. Variante BEEG ist das Elterngeld nach dem Einkommen der letzten 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat unter Ausklammerung von Monaten mit Mutterschaftsgeldbezug zu bemessen; das ist hier der Zeitraum 01.06.2006 bis 31.05.2007. Denn das Kind O wurde im August 2007 geboren und ab dem 24.06.2007 hatte die Klägerin Mutterschaftsgeld bezogen. In dieser Zeit hatte die Klägerin kein Einkommen erzielt mit der Folge, dass der Sockelbetrag von 300 EUR aus § 2 Abs. 5 S. 1 BEEG zum Tragen kommt, zuzüglich des Geschwisterbonus von 75 EUR aus § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG.
Für eine weitergehende Verschiebung des Bemessungszeitraums mit dem Ziel, an das Erwerbseinkommen aus der Zeit vor der Geburt des älteren Kindes M anzuknüpfen, enthält das BEEG keine Grundlage. Die in § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG vorgesehene Ausklammerung von Kalendermonaten, in denen die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 Satz 2 BEEG Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, ist im Falle der Klägerin nicht einschlägig. Sie hat für ihr älteres Kind M kein Eltern-, sondern zunächst Erziehungsgeld bezogen und sich ab dem 28.10.2006 in Elternzeit ohne Bezug von Leistungen befunden. Angesichts des klaren Wortlauts der vorgenannten Bestimmung scheidet es auch aus, diese auf die Elternzeit der Klägerin für ihr älteres Kind mit teilweisem Erziehungsgeldbezug im Wege der (teleologischen) Auslegung entsprechend anzuwenden. Denn jede Auslegungsmethode findet ihre Grenze im klaren Wortlaut eines Gesetzes (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 – B 10 EG 2/08 R -, Rn. 19 bei Juris m. w. N.). Abgesehen hiervon verfängt aber auch die Argumentation der Klägerin nicht. Soweit sie die Auffassung vertritt, das BEEG verfolge den Zweck, Familien die Kindererziehung ohne finanzielle Einbußen zu ermöglichen, trifft dies nicht zu. Das BEEG bezweckt vielmehr, dass derjenige, der seine Erwerbstätigkeit zu Gunsten eines Kindes ganz oder zum Teil unterbricht, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie erhält (BT-Drucks. 16/1889 S. 2).
Auch eine richterrechtliche Rechtsfortbildung scheidet hier mangels "planwidriger Regelungslücke" (BSG, a.a.O.). Denn der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren das Problem erkannt, dass bei sehr kurzen Geburtenfolgen von bis zu 24 Monaten wegen des Einkommensbezugszeitraumes von 12 Monaten vor der Geburt oder vor Beginn des Mutterschaftsgeldbezuges kein neuer Elterngeldanspruch entstehen kann, wenn Elternzeit in Anspruch genommen wird. Der Gesetzgeber hat sich gleichwohl dafür entschieden, dieses Problem dadurch zu lösen, dass nur der Elterngeldbezug (und nicht die Elternzeit an sich oder der Bezug von Erziehungsgeld) aus dem Einkommensbezugszeitraum herausgerechnet wird (BT-Drucks. 16/2785 S. 34, 37, 38; s.a. vertiefend BSG a.a.O. Rn. 21 bei Juris). Die Folgen kurzer Geburtenabstände werden vom BEEG zudem durch den Basisbetrag von 300 EUR, der nach § 2 Abs. 5 S. 2 BEEG auch bei fehlendem Einkommen im Bemessungszeitraum zu bewilligen ist, sowie die Gewährung des Geschwisterbonus nach § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG abgefedert (BSG a.a.O.). Eine generelle Privilegierung kurzer Geburtenfolgen hat der Gesetzgeber durch § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG nicht bezweckt.
Dies begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung des BSG im Urteil vom 19.02.2009 (a.a.O.) an. Insbesondere verletzt die unterschiedliche Behandlung von Elternzeit und Erziehungsgeldbezug im Vergleich zum Elterngeldbezug nicht den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Die Gleichbehandlung von Personen, die vor der Geburt eines Kindes wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit für ein älteres Kind kein Einkommen erzielt haben, mit solchen Personen, die nicht aus erziehungsbedingten Gründen ohne Einkommen waren, ist sachlich gerechtfertigt. Das Elterngeld ist als Einkommensersatz gedacht und die vorherige Erziehungs- und Betreuungsleistung wird (einheitlich) durch den Sockelbetrag von 300 EUR und den Sockelgeschwisterbonus von 75 EUR honoriert, was durch § 2 Abs. 6 BEEG, wonach bei Mehrlingsgeburten das Elterngeld um je 300 EUR erhöht wird, untermauert wird (BSG, a.a.O., Rn. 29 bei Juris).
Gleichermaßen rechtfertigt sich die Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die nach der Geburt des älteren Kindes wieder Einkommen erzielt haben, aus der Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes (BSG, a.a.O., Rn. 30 bei Juris).
Schließlich ist auch die Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die im unmittelbarem Anschluss an den Elterngeldbezug ein weiteres Kind bekommen, gerechtfertigt. Diese Ungleichbehandlung liegt innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Gewährung familienfördernder Leistungen. Der Gesetzgeber knüpft hier an die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vergleichsgruppen an. Er berücksichtigt, dass derjenige, der Elternzeit ohne Elterngeld in Anspruch nimmt, dies nur kann, weil der Unterhalt anderweitig gesichert ist und belässt es für diese Gruppe insoweit sachlich gerechtfertigt bei den vorgenannten Sockelbeträgen (BSG, a.a.O., Rn. 34 bei Juris).
Letzteres gilt auch im Falle der Klägerin. Während des o.g. Bemessungszeitraums befand auch sie sich in Elternzeit. Sie hat hierbei im Wesentlichen keine staatlichen Leistugen bezogen. Lediglich für die Zeit vor dem 28.10.2006 hat sie Erziehungsgeld erhalten. Dass dieser Zeitraum anders als der Bezug von Elterngeld nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führt, bedeutet keine Ungleichbehandlung der Klägerin. Der Gesetzgeber war nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten, den (vorherigen) Bezug von Erziehungsgeld mit dem vorherigen Elterngeldbezug durch Ausklammerung dieses Zeitraumes aus dem Bemessungszeitraum gleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG enthält (nur) das Gebot, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 71, 255, 271). Insoweit gebietet Art. 3 Abs. 1 GG nicht, Erziehungs- und Elterngeldbezug gleich zu behandeln. Denn beide Leistungen unterscheiden sich wesentlich. Während das Erziehungsgeld unter der Voraussetzung der Unterschreitung von Einkommensgrenzen für einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren ohne Anknüpfung an das vorherige Einkommen zu gewähren war, kann Elterngeld, dessen Höhe sich grundsätzlich nach dem Einkommen im Jahr vor der Geburt oder der Mutterschutzfrist bemisst, grundsätzlich von allen Eltern für maximal 14 Monate beansprucht werden. Dem Gesetzgeber ging es mit der Einführung des Elterngeldes darum, das Erziehungsgeld mit dem Ziel abzulösen, (alle) Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen und hierdurch die Wirkung finanzieller Leistungen für Familien zu verbessern (BT-Drucks. 16/1889 S. 1 f.). Selbst wenn man eine Ungleichbehandlung annehmen würde, so würde diese jedenfalls ihre Rechtfertigung in dem vorgenommenen Systemwechsel mit in sich geschlossenem Konzept finden. Eine andere Betrachtung durch Anknüpfung an ein länger zurückliegendes Einkommen (vor dem ggf. zweijährigen Erziehungsgeldbezug) liefe auch dem Ziel des Gesetzgebers entgegen, Anreize für einen schnellen Wiedereinstieg in das Berufsleben zu setzen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2009 – L 13 EG 36/08). Zudem wird die Klägerin innerhalb der Gruppe der nach dem BEEG Berechtigten gleich behandelt; sie wird nicht schlechter gestellt, als andere, die im Jahr vor der Geburt oder des Beginns der Mutterschutzfrist einkommenslos waren, z. B. in Folge von Arbeitslosigkeit oder Krankheit.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor. Auch hiernach darf der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung familienpolitischer Leistungen die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigen und es wird auch keinerlei Zwang auf Eltern ausgeübt. Es werden lediglich Anreize gesetzt, die familienpolitischen Zielen, aber auch fiskalischen Interessen des Staates dienen (schnellerer Wiedereinstieg ins Erwerbsleben, BSG a.a.O., Rn. 35f. bei Juris).
Der von der Klägerin begehrte Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht kommt unter Berücksichtigung des Vorgenannten nicht in Betracht.
Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 26.10.2009
Zuletzt verändert am: 26.10.2009