Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.10.2005 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 31.08.2006 wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Gewährung von Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (BK) Nr. 4101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Quarzstaublungenerkrankung (Silikose).
Der am 00.00.1925 geborene Kläger ist tschechischer Staatsangehöriger. Er hat seinen Wohn- und Aufenthaltsort in der Tschechischen Republik. Er wurde am 14.02.1941 auf dem Bergwerk O in M der Berggewerkschaft M AG in Oberschlesien im ehemaligen Deutschen Reich angelegt. Bis 20.11.1941 war er Übertagearbeiter und wurde am 21.11.1941 als Fördermann nach unter Tage verlegt. Am 16.05.1945 kehrte er ab.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 12.11.2003 an das Bundesministerium der Justiz. Dieses Schreiben nebst Anlagen (u.a.: Schreiben des Klägers vom 22.06.1988 an das Versorgungsamt G und vom 28.04.2000 an die Bundesknappschaft) wurde zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet. Diese leitete darauf ein Verwaltungsverfahren wegen der Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 4101 ein. Der Kläger machte insoweit geltend, er leide an einer mittelstarken Obstruktionsstörung sowie Lungenverstaubung. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) nahm an, dass der Kläger während seiner Tätigkeit im untertägigen Steinkohlenbergbau von November 1941 bis Mai 1945 durch silikogene Stäube im Sinne der BK Nr. 4101 gefährdet gewesen sei.
Die Beklagte lehnte Gewährung von Leistungen wegen einer BK Nr. 4101 ab (Bescheid vom 06.09.2004). Da die gefährdende Tätigkeit außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland verrichtet worden sei, sei das Fremdrentengesetz (FRG) anzuwenden. Ein etwaiger Rentenanspruch ruhe, weil der Kläger sich gewöhnlich außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Da er kein Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs 1 Grundgesetz (GG) und kein früherer Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs 2 GG sei, komme eine Ermessensleistung nicht in Betracht. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2004). Der Kläger habe als Nichtdeutscher von Februar 1941 bis Mai 1945 in einem Betrieb auf dem Gebiet des damaligen Deutschen Reiches gearbeitet. Dieses Gebiet gehöre jedoch nicht zur Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990. Da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland habe, ruhe ein etwaiger Rentenanspruch wegen einer BK Nr. 4101. Da die Berufskrankheit gegebenenfalls außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sei, sei der Kläger auch nicht durch das Deutsch-Tschechische Sozialversicherungsabkommen und die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 begünstigt, so dass die Wohnortklauseln des FRG ihre Gültigkeit behielten.
Zur Begründung seiner zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat er sein Vorbringen wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit Urteil vom 12.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2004 verwiesen.
Zur Begründung seiner am 12.12.2005 erhobenen Berufung trägt der Kläger vor, sein Wohnsitz und sein Arbeitsplatz hätten sich ab dem 01.09.1939 bis zum 08.05.1945 im Deutschen Reich, in Oberschlesien, befunden. Der deutsche Grubenbetrieb habe von seinem Lohn Renten- und sonstige Sozialversicherungsabgaben abgeführt, er habe daher volles Anrecht auf eine Teilrente. Nunmehr verhinderten die staatlichen Organe jedoch die Auszahlung der Rente. Mit Hinweis auf seinen jetzigen Wohnsitz könne der Anspruch jedenfalls nicht verneint werden. Letztlich müsse beachtet werden, wer "das Verbrechen" hervorgerufen und unterstützt habe.
Der Kläger hat auf Anforderung der Beklagten Röntgenaufnahmen seiner Lungen fertigen lassen und diese der Beklagten übersandt. Dr. F nahm für die Beklagte beratungsärztlich Stellung. Die Röntgenaufnahmen zeigten keine sicheren Quarzstaublungenveränderungen, die Streuung sei nach pq 0/1 em einzustufen. Aus medizinischer Sicht liege der Versicherungsfall einer BK Nr. 4101 nicht vor. Mit Bescheid vom 31.08.2006 hat die Beklagte entschieden: Es bestehe keine Berufskrankheit nach den Nrn. 4101/4102 der BKV. Der Kläger erfülle nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen dieser Berufskrankheiten. Die Röntgenaufnahmen zeigten keine sicheren Quarzstaublungenveränderungen. Eine aktive Lungentuberkulose liege nicht vor.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Der Kläger hat gebeten, sein Nichterscheinen zu entschuldigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.10.2005 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 31.08.2006 abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nach seinem Vorbringen geht der Senat davon aus, dass der Kläger geltend macht, die bei ihm bestehenden Lungenfunktionsbeeinträchtigungen seien Folge einer Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4101 aufgrund seiner Untertagetätigkeit im Steinkohlenbergbau vom 21.11.1941 bis 16.05.1945.
Die zulässige Berufung gegen das Urteil des SG vom 12.10.2005 ist ebenso wie die Klage gegen den Bescheid vom 31.08.2006 nicht begründet. Der Bescheid vom 31.08.2006 ist in entsprechender Anwendung von §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Wege der gesetzlichen Klageänderung Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 06.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2004 und durch den Bescheid vom 31.08.2006 nicht beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente bzw. Feststellung des Vorliegens einer BK Nr. 4101 scheitert bereits am Fehlen der entsprechenden medizinischen Voraussetzungen.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den am 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (§ 212 SGB VII). Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gewährt der Träger der Unfallversicherung den Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Rente. Versicherungsfälle sind neben Arbeitsunfällen auch Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Nr. 4101 der Anlage zur BKV (BKV vom 31.10.1997, BGBl. I S. 2623, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 05.09.2002, BGBl. I S. 3541) gehört zu den Berufskrankheiten auch eine "Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)".
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer solchen BK sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger im Steinkohlenbergbau unter Tage gearbeitet, jedoch leidet er nicht mit der im Sinne eines Vollbeweises zu fordernden Sicherheit an einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose). Es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Nachweis zu führen, dass bei dem Kläger eine Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) vorliegt. Der Versicherungsfall der BK Nr. 4101 liegt erst vor bei röntgenologisch beginnenden, eindeutig klassifizierbaren, klinisch aber noch stummen silikotischen Veränderungen. Eine Silikose kann dann als röntgenologisch eindeutig angesehen werden, wenn die kleinen, rundlichen Schatten vom Typ p, q oder r eine gewisse Reichlichkeit und gleichmäßige Verteilung im Sinne der Streuung 1/0 bis 1/1 oder mehr aufweisen (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M 4101 Anmerkung 4 b). Diese Voraussetzungen sind in der Person des Klägers nicht erfüllt. Denn die Röntgenaufnahmen der Lungen vom 15.06.2006 zeigen keine sicheren Quarzstaublungenveränderungen. Die Streuung ist nach pq 0/1 em einzustufen. Der Senat folgt insoweit den nicht angegriffenen Feststellungen des Dr. F.
Das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4102 (Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose – Silikotuberkulose -) wird von dem Kläger weder behauptet noch ergeben sich Anhaltspunkte für eine solche Erkrankung (Stellungnahme von Dr.F).
Liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit nicht vor, so kommt es weder darauf an, welchen völkerrechtlichen Regelungen der Arbeitgeber und der Kläger selbst – während seiner Tätigkeit auf dem Bergwerk O in Oberschlesien – unterworfen waren, noch darauf, ob unter der Geltung der deutschen Gesetze für diese Beschäftigung auch nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären. Ebenfalls dahingestellt bleiben kann daher, ob und inwieweit der Kläger durch das Deutsch-Tschechische Sozialversicherungsabkommen vom 27.07.2001 (in Kraft ab 01.09.2002; BGBl. 2002, II, 1126 ff) oder nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union am 01.05.2004 durch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfasst wird. Bei Fehlen der medizinischen Voraussetzungen hätte selbst ein in der Bundesrepublik Deutschland lebender Versicherter keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit bzw. Zahlung einer Verletztenrente.
Festzustellen bleibt letztlich, dass der Kläger keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und sich gewöhnlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufhält und daher ein Leistungsanspruch gegebenenfalls ohnehin ruht (§ 12 Abs 1 Satz 1 FRG in Verbindung mit § 5 FRG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es handelt sich um eine Tatsachenbewertung im Einzelfall.
Erstellt am: 23.01.2008
Zuletzt verändert am: 23.01.2008