Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.02.2007 wird abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 verurteilt, bei dem Versicherten eine chronische obstruktive Bronchitis als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 30 v.H. seit dem 26.03.1996 und einer MdE in Höhe von 40 v.H. seit dem 04.09.1997 – nach Maßgabe der weiteren gesetzlichen Bestimmungen – zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit (BK).
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1916 geborenen und am 00.06.2006 verstorbenen M M (Versicherter), mit dem sie im Zeitpunkt seines Todes in häuslicher Gemeinschaft lebte. Der Versicherte war – unterbrochen durch Reichsarbeits- und Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft und Polizeianwärtertätigkeiten – vom 14.05.1930 bis 30.09.1971 unter Tage angelegt.
Aufgrund einer am 04.09.1997 eingegangenen Ersatzanspruchsmeldung der (damaligen) Bundesknappschaft leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Unter dem 17.09.1997 teilte sie dem Versicherten mit, dass sie prüfe, ob er wegen einer chronischen Bronchitis oder eines Emphysems Leistungen beanspruchen könne. Der zugleich an den Versicherten gerichtete Fragebogen ging am 29.09.1997 ausgefüllt mit weiteren Unterlagen (u.a. einer Kopie des Bergmannsbuches, ärztlichen Unterlagen des Kath. Krankenhauses E West vom 05.09.1997, 28.03.1996, 01.07.1994 und des N-hospiatals I vom 22.11.1993) bei der Beklagten ein. Unter dem 02.10.1997 nahm der Technische Aufsichtsdienst (TAD) Stellung und errechnete bei Unterstellung niedriger Staubkonzentration (aus differenzierter "worst-case"-Betrachtung abgeleitet) insgesamt 205,0 Feinstaubjahre. Die Beklagte forderte Befundberichte bzw ärztliche Unterlagen von Dr. E, Dr.E1, Dres. M und dem Kath. Krankenhaus (KH) E West an und bat die Bundesknappschaft um Übersendung ärztlicher Unterlagen (Schreiben vom 17.10.1997). Die Unterlagen der Bundesknappschaft gingen am 29.10.1997 und am 25.11.1997 ein. Die Befundberichte von Dr. E1 und von Dr. M gingen am 30.10.1997 bzw. am 08.12.1997 bei der Beklagten ein. Der Eingang der Unterlagen des Kath. KH E West ist unter dem 11.11.1997 vermerkt. Dr. E teilte am 11.12.1997 mit, dass Röntgenfilme bzw. medizinische Unterlagen nicht vorliegen. Die von Dres. M erbetenen Lungenfunktionsprüfungen und Thoraxaufnahmen ab 1995 gingen am 09.02.1998 bei der Beklagten ein. Unter dem 10.03.1998 erfolgte eine Anfrage beim Versicherten zur Auswahl eines medizinischen Sachverständigen. Nachdem zunächst die Klägerin unter dem 23.03.1998 mitgeteilt hatte, dass sich der Versicherte wegen eines Schlaganfalles in der Klinik befinde und eine Fortsetzung des Feststellungsverfahrens nicht wünsche, teilte der Versicherte unter dem 19.05.1998 selbst mit, er sei an der Fortsetzung des Feststellungsverfahrens interessiert, befinde sich jedoch weiterhin in stationärer Behandlung. Am 05.06.1998 erteilte die Beklagte an Prof. Dr. C einen Gutachtenauftrag. Der Versicherte wurde am 21.07.1998 untersucht, das Gutachten von Prof. Dr. C/Priv.-Doz. Dr. N/Dr. Q vom 18.08.1998 ging am 21.08.1998 bei der Beklagten ein. Die Ärzte diagnostizierten u.a. eine chronische obstruktive Bronchitis und einen Verdacht auf Lungenemphysem. Aufgrund der beschriebenen Befunde der Hausärztin mit Luftnot und medikamentöser antiobstruktiver Therapie seit 1985 wurde empfohlen, den Versicherungsfall auf den 01.01.1985 zu datieren. Ab dem 26.03.1996 betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 30 v.H., ab dem erstmaligen Nachweis einer schweren obstruktiven Atemwegserkrankung am 04.09.1997 betrage die MdE 40 v.H … Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.09.1998 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil der Versicherungsfall vor dem Stichtag 31.12.1992 eingetreten sei. Den Widerspruch vom 23.09.1998 begründete der Versicherte damit, dass er zwar seit 1985 über Luftnotbeschwerden klage, allein daraus könne ein Versicherungsfall im Jahr 1985 jedoch nicht abgeleitet werden. Bis 1996 habe er nicht an einer Atemwegserkrankung im Sinne eines Versicherungsfalls gem. der BK Nr 4111 gelitten. Das Medikament "Bronchoretard" nehme er erst seit 1993 ein. Die Beklagte holte ein fachradiologisches Gutachten von Prof. Dr. O ein. Dieser führte aus, dass beide Lungenfelder klein- bis mittelfleckige Herdschatten in geringer Streuung aufwiesen, die nach ILO 1980 als Silikose 1/0 q/q zu klassifizieren seien. Bei diesen sehr gering ausgeprägten silikotischen Veränderungen sei das Emphysem jedoch als unabhängig von der vorliegenden Silikose zu betrachten. Nachdem Dr. M auf Anfrage mitgeteilt hatte, seit 1985 die Medikamente Bronchioretard, Pulmicort, Xanef und Bronchio Spray verordneten zu haben, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen am 22.04.1999 erhobenen Klage hat der Versicherte sein Begehren weiter verfolgt. Er habe zwar über Luftnot geklagt, aber zu keinem Zeitpunkt vor 1993 habe ein Arzt über eine chronische obstruktive Bronchitis gesprochen. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. E1 und Dr.M eingeholt und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. T. Mit Gutachten vom 24.11.1999/28.02.2000 hat dieser ausgeführt, dass beim dem Versicherten ein Lungenemphysem und eine deutlich ausgebildete chronische obstruktive Bronchitis bestehe, die ursächlich wesentlich auf die Untertagetätigkeit zurückzuführen sei. Die Karteikarten der Hausärztin belegten, dass mindestens seit 1990 regelmäßig bronchialerweiternde Mittel (in Form von Berotec und Afpred) verordnet worden seien. Im Ergebnis ist Prof. Dr. T davon ausgegangen, dass bei dem Versicherten mindestens seit 1990 eine chronische obstruktive Bronchitis anzunehmen sei.
Der Kläger hat daraufhin erklärt, gegen das Gutachten von Prof. Dr. T keine Einwände erheben zu können und hat im Hinblick auf das anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 235/00) das Ruhen des Verfahren beantragt. Nachdem die Beklagte zugestimmt hatte, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22.05.2000 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.
Der Versicherte hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen einer Berufskrankheit entsprechend der Nr 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung Leistungen zu gewähren, insbesondere eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. seit dem 26.03.1996 und einer MdE um 40 v.H. seit dem 04.09.1997.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Bescheide und darauf verwiesen, dass auch der eingeholte Befundbericht von Dr. M bestätige, dass bei dem Versicherten bereits 1985 eine chronische Bronchitis und ein Emphysem bestanden haben.
Mit Urteil vom 16.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Entschädigung der bei ihm bestehenden chronisch obstruktiven Bronchitis und des Lungenemphysem. Der geltend gemachte Anspruch scheitere daran, dass der Versicherungsfall beim Versicherten vor dem 01.01.1993 eingetreten sei. Das Gericht stütze sich insoweit auf die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T, der von einem im Jahr 1990 eingetretenen Versicherungsfall ausgehe. Zu diesem Zeitpunkt könne anhand der durch Dr. M vorgenommenen Medikation auf eine chronisch obstruktive Bronchitis geschlossen werden. Die demnach im Fall des Klägers zu seinen Ungunsten anzuwendende Rückwirkungsklausel des § 6 Abs 2 Berufskrankheitenverordnung (BKV) sei rechtswirksam.
Gegen das am 10.03.2006 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 21.03.2006 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sei die Beklagte verpflichtet, bei dem Versicherten das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr 4111 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm entsprechend den Feststellungen im Gutachten des Prof. Dr. C vom 18.08.1998 ab dem 26.03.1996 eine Rente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H. und ab dem 04.09.1997 eine solche in Höhe von 40 v. H. zu gewähren. Dies gelte selbst dann, wenn der Versicherungsfall beim Versicherten bereits vor dem 01.01.1993 eingetreten sei. Bei Versicherten, deren Feststellungsverfahren vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung eingeleitet worden sei, sei einzig entscheidend, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der mittlerweile als Listen-BK anerkannten Krankheit als frühere Wie-BK vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung gegeben gewesen seien. Die in der Änderungsverordnung für die neue Listen-BK enthaltene Rückwirkungs- bzw. Stichtagsregelung gelte nur für Feststellungsverfahren, die ab dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung beantragt bzw. eingeleitet wurden. Alles andere würde zu zufälligen, ungerechten und gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstoßenden Ergebnissen führen, da der Versicherte in der Regel nur wenig Einfluss darauf habe, wie schnell sein Verwaltungsverfahren zu einem Abschluss gebracht werde. Bei einer rückblickenden Betrachtung hätten allen Voraussetzungen der BK Nr 4111 objektiv bereits vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung am 01.12.1997 vorgelegen, so dass die Erkrankung des Versicherten nach § 551 Abs 2 RVO als "Wie-BK" anzuerkennen und zu entschädigen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.02.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 zu verurteilen, bei dem Versicherten eine chronisch obstruktive Bronchitis bzw. ein Lungenemphysem als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H. seit dem 26.03.1996 und einer MdE in Höhe von 40 v. H. seit dem 04.09.1997 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass kein "entscheidungsreifer" Vorgriffsfall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliege, da erst mit Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. C vom 18.08.1998 und damit nach dem 01.12.1997 überhaupt von einer Entscheidungsreife ausgegangen werden könne. Zwar sei das Feststellungsverfahren bereits am 04.09.1997 – und damit vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung – eingeleitet worden, die Dauer des Verfahrens sei jedoch nicht durch "willkürliche" dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzuordnende Umstände hinausgezögert worden. Das Argument des Versicherten, dass bei Einleitung des Feststellungsverfahrens vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung grundsätzlich eine Entschädigung ausschließlich nach den Regeln des § 9 Abs 2 SGB VII als "Wie-BK" zu erfolgen habe, könnte selbst unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht greifen. Es wäre auch in diesen Fällen noch von mehr oder weniger zufälligen Gegebenheiten im Risikobereich des Klägers abhängig, ob sein Antrag noch vor Inkrafttreten einer Änderungsverordnung beim Versicherungsträger eingehe. Für die Frage, ob eine Entschädigung als "Wie-BK" gemäß § 9 Abs 2 SGB VII oder als Berufskrankheit Nr 4111 der Berufskrankheiten-Liste zu erfolgen habe, könne es damit nur auf den Zeitpunkt der objektiven Entscheidungsreife ankommen.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Das SG hat zu Unrecht die ablehnende Entscheidung der Beklagten bestätigt. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 11.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.1999 beschwert, weil dieser Bescheid rechtswidrig ist (§ 54 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Versicherte hatte einen Anspruch auf Entschädigung seines Lungenemphysem und seiner chronischen obstruktiven Bronchitis wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO.
Der geltend gemachte materielle Anspruch richtet sich nach dem alten, vor Inkrafttreten des 7. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 maßgeblichen Recht der RVO, weil der Kläger einen Anspruch geltend macht, der bereits vor diesem Zeitpunkt – nämlich spätestens im Jahre 1996 – entstanden sein soll (§ 212 SGB VII, Art 36 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch [Unfallversicherungs- Einordnungsgesetz – UVEG]).
Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung und Entschädigung einer chronischen obstruktiven Bronchitis und/oder eines Emphysems als Berufskrankheit, sei es als Wie-BK, sei es als BK Nr 4111 der Anlage zur BKV vom 31.10.1997. Einen solchen Anspruch hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich oder implizit abgelehnt. Durch die Einleitung des Verfahrens am 04.09.1997 (und damit vor Inkrafttreten der neuen BKV am 01.12.1997) ist Gegenstand des Verfahrens auch ein zu diesem Zeitpunkt ausschließlich realisierbarer Anspruch auf Entschädigung der BK als Wie-BK. Unerheblich ist, dass die Beklagte diesen Anspruch im angefochtenen abgelehnenden Bescheid nicht ausdrücklich bezeichnet hat, etwa weil sie dies nach Inkrafttreten der BKV (der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend, u.a. BSG Urteile vom 14.11.1996, 2 RU 9/96, SozR 3-2200 § 551 Nr 9; vom 24.02.2000, B 2 U 43/98 R, SozR 3-2200 § 551 Nr 14 mwN) nicht mehr für erforderlich hielt. Eine Auslegung der getroffenen Entscheidung aus Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers ergibt, dass die Beklagte im Kern abgelehnt hat, eine chronische obstruktive Bronchitis als BK anzuerkennen und zu entschädigen. Damit hat sie jedenfalls konkludent auch die Anerkennung und Entschädigung als Wie-BK abgelehnt.
Der Träger der Unfallversicherung gewährt nach Eintritt eines Arbeitsunfalls wegen dessen Folgen Leistungen, insbesondere Verletztenrente (§§ 547, 548, 581 Abs 1 Nr 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Zum 01.12.1997 hat der Verordnungsgeber mit der Nr. 4111 die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren ([ mg/m³]x Jahre) als Berufskrankheit in die BKV aufgenommen. Ein Anspruch nach § 551 Abs 1 RVO scheitert in der Person des verstorbenen Versicherten jedoch an § 6 Abs 1 BKV idF vom 31.10.1997 ( jetzt: § 6 Abs 2 BKV idF vom 5. September 2002 – BGBl I 3541, neue Fassung – n. F.), weil nach dieser Vorschrift die Erkrankung nach Nr. 4111 der Anlage zur BKV nur dann als Berufskrankheit anerkannt und entschädigt werden kann, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist bei dem Versicherten jedoch bereits 1990 eingetreten. Der Begriff "Versicherungsfall" im Sinne des § 6 Abs 2 BKV meint das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch des Versicherten auf Anerkennung einer Berufskrankheit iS des § 551 Abs 1 RVO (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O., S. 48, m.w.N. und im Einzelnen die Urteile des erkennenden Senats vom 12.10.2000, L 2 KN 204/98 U und L 2 KN 1/00 U). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand ab 1990 eine chronische obstruktive Bronchitis. Denn ab diesem Zeitpunkt nahm der Versicherte regelmäßig bronchialerweiternde Mittel (in Form von Berotec und Afpred) ein, die nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. T den Schluss auf eine chronische obstruktive Bronchitis zu lassen (Gutachten vom 24.11.1999/28.02.2000).
Die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs 2 BKV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (BSG Urteil vom 30. 09.1999, SozR 3-2200 § 551; BSG Urteil vom 13.06.2006, B 8 KN 3/05 U R; SGb 2006, 471 (Kurzwiedergabe), die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschluss vom 30.03.2007, 1 BvR 3144/06)).
Die wirksame Rückwirkungsvorschrift (§ 6 Abs 2 BKV) schließt jedoch nicht aus, für Versicherungsfälle außerhalb des Rückwirkungszeitraums noch eine Entschädigung nach § 551 Abs 2 RVO zuzusprechen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BKV (Änderungsverordnung vom 31.10.1997 (BGBl. I 2623), inkraftgetreten am 01.12.1997 (§ 8 Abs 1 BKV)) bereits ein Antrag auf Entschädigung einer Krankheit als "Wie-BK" gestellt worden ist und die Voraussetzungen für eine solche Entschädigung an sich gegeben sind (BSG Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 5/05 R, SozR 4-5671 § 6 Nr 2 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung vgl. insoweit u.a. BSG Urteil vom 30.06.1993, 2 RU 16/92, SozR 3-2200 § 551 Nr 3; BSG Urteil vom 25.08.1994, 2 RU 42/93, SozR 3-2200 § 551 Nr 6).
Der Versicherte hatte – aufgrund des am 04.09.1997 und damit vor Inkrafttreten der BKV eingeleiteten Feststellungsverfahrens – einen Anspruch darauf, dass die Beklagte auch nach Maßgabe des § 551 Abs 2 RVO entscheidet. Nach § 551 Abs 2 RVO (inhaltsgleich nach neuem Recht § 9 Abs 2 SGB VII) sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist und die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs 1 erfüllt sind. § 551 Abs 1 Satz 3 RVO bestimmt als Voraussetzung für die Bezeichnung von Krankheiten als Berufskrankheit durch Rechtsverordnung, dass diese nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen sich zur sogenannten Berufskrankheiten-Reife verdichtet haben (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 06.12.1977, SozR 2200 § 551 Nr 11; BSG Urteil vom 30.01.1986, 2 RU 80/84, SozR 2200 § 551 Nr 27; BSG Urteil vom 14.11.1996, 2 RU 9/96, SozR 3-2200 § 551 Nr 9). Im Zeitpunkt der Einleitung des Verwaltungsverfahrens – am 04.09.1997 – lagen derartige neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die sich zudem zur Berufskrankheiten-Reife verdichtet hatten. Denn der Ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung – Sektion Berufskrankheiten – hatte bereits 1995 empfohlen, die BKV zu ergänzen und die chronische obstruktive Bronchitis oder das Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel [100 (mg/m3)xJahre]" in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen (Bekanntmachung des BMA vom 01.08.1995 – IVa 4 – 45212/13 – Bundesarbeitsblatt 10/1995 S. 39 ff). Die wissenschaftliche Begründung (a.a.O.) weist u.a. ausdrücklich darauf hin, dass neuere wissenschaftliche Untersuchungen ergeben haben, dass eine Erkrankung der tieferen Luftwege und der Lungen nach langjähriger Unter-Tage-Tätigkeit im Steinkohlenbergbau signifikant gehäuft vorkommen.
Der Versicherte erfüllte die Voraussetzungen für die Entschädigung von Folgen einer Erkrankung der Atemwege als sog. "Wie- BK". Der Versicherte war als Bergmann unter Tage im Steinkohlenbergbau der "Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren" ausgesetzt (sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen). Der TAD der Beklagten hat – bei Unterstellung niedriger Staubkonzentration (aus differenzierter "worst-case"-Betrachtung abgeleitet) – insgesamt 205 Feinstaubjahre ermittelt (Stellungnahme vom 02.10.1997). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestanden bei dem Versicherten ein Lungenemphysem und eine deutlich ausgebildete chronische obstruktive Bronchitis (Prof. Dr. T, Gutachten vom 24.11.1999/28.02.2000). Diese Anspruchsvoraussetzungen müssen ursächlich miteinander verknüpft sein; insbesondere muss zwischen versicherter Tätigkeit und schädigenden Einwirkungen einerseits und zwischen schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung andererseits ein ursächlicher Zusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung bestehen, wobei für die Bejahung eines solchen Zusammenhangs die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (ständige Rechtsprechung u.a. BSG Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 24/84, SozR 2200 § 548 Nr 70; BSG Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anlage 1, 2108 Nr 2; Brackmann, Handbuch der Versicherung, 11. Auflage, Seite 480 mwN; Hauck in Weiss/Gagel (Hrsg). Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts. Systematische Darstellung Stand Januar 2003; § 22 A. Die Unfallrenten, Rdnr 67). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Tatsachen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (u.a. BSG Urteil vom 02.02.1978, 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr 38). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls fest, dass ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Exposition und der chronisch obstruktiven Bronchitis bzw. dem Lungenemphysem wahrscheinlich ist. Der Senat folgt insoweit dem Sachverständigen Prof. Dr. T, der ausgeführt hat, dass das Lungenemphysem und die chronische obstruktive Bronchitis ursächlich wesentlich auf die Untertagetätigkeit zurückzuführen ist. Der Senat hat darüber hinaus – dem Gutachten von Prof. Dr. C/Priv.-Doz. Dr. N/Dr. Q vom 18.08.1998 folgend, das im Wege des Urkundenbeweises Verwertung findet – keine Bedenken, davon auszugehen, dass die MdE bei dem Versicherten seit dem 26.03.1996 30 v. H und ab dem erstmaligen Nachweis einer schweren obstruktiven Atemwegserkrankung (am 04.09.1997) 40 v. H. betrug.
Der Anspruch richtet sich nach § 551 Abs 2 RVO, obwohl bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen grundsätzlich auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Hierbei handelt es sich nicht um einen abschließenden Rechtssatz (Hennig, SGG, § 54 SGG Rdn 136). Vielmehr ist stets auf den zeitlichen Geltungswillen des materiellen Rechts abzustellen und jeweils zu untersuchen, ob das aktuelle Recht auf zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden ist (Hennig, SGG, § 54 SGG Rdn, 136, BSG 26,06.2001, B 2 U 28/00 Soz R 3-2700 § 44 Nr 1; Becker, SGb 2006, 97 (100): Der Grundsatz bedarf dann einer Einschränkung, wenn sich durch die Veränderung der Rechtslage die Rechtsposition des Versicherten verschlechtert.).
Das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht (§ 551 Abs 1 RVO in Verbindung mit der zum 01.12.1997 inkraftgetretenen BKV) findet vorliegend keine Anwendung, weil eine verfassungskonforme Auslegung der Regelungen der § 551 Abs 1/ § 9 Abs 1 SGB VII in Verbindung mit § 6 Abs 2 BKV n. F und § 551 Abs 2/§ 9 Abs 2 SGB VII dazu führt, dass in Fällen, in denen vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung ein Feststellungsverfahren eingeleitet worden ist, dem Versicherte einen Anspruch auf Entschädigung "wie eine BK" (§ 551 Abs 2/§ 9 Abs 2 SGB VII) bereits zusteht.
Mit der Einleitung des Verfahrens durch den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erhält der Versicherte eine Rechtsposition (eine anwartschaftsähnliche Position, so BSG Urteil vom 27.06.2007, B 2 U 5/05 R, SozR 4-5671 § 6 Nr 2), die ihm ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs 1 GG) und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs 1 GG) durch die Rückwirkungsklausel einer später inkraftretenden Änderungsordnung nicht wieder genommen werden kann (ähnlich Vossen, Ungereimtes (unreimbares?) um § 9 II SGB VII und die Rückwirkungsklausel des § 6 BKV SGb 2000, 610 ( 612); Koch in Lauterbach, UV (SGB VII), 4 Aufl., Stand Januar 1998 Anhang III zu § 9, § 6 BKV Rdn 11). Zunächst findet die Rechtsposition des Versicherten – nach Einleitung des Feststellungsverfahrens – ihren Ausdruck darin, dass er gegen den Unfallversicherungsträger bis zum Inkrafttreten der jeweiligen Änderungsverordnung – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts – einen Anspruch auf eine zügige Entscheidung – auf der Grundlage des § 551 Abs 2 RVO – hat (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2000, 1 BvR 791/95, SozR 3-2200 § 551 Nr 15; BVerfG Beschluss vom 23.06.2005, 1 BvR 235/00, SozR 4-1100 Art 3 Nr 32). Damit allein kann jedoch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht ausgeschlossen werden. Art. 3 Abs 2 GG ist stets verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl BVerfG Beschluss vom 07.10.1980, 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 (88); BVerfGE Beschluss vom 20.05.1987, 1 BvR 762/85, SozR 2200 § 555a Nr 3; BVerfG Beschluss vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 (329 f); BVerfG Urteil vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (110 f); siehe auch BSG Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 20/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 4). Zwischen jenen Versicherten, deren Verfahren vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung zügig zur Entscheidungsreife geführt wurde und jenen, deren Feststellungsverfahren vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung nicht mehr abgeschlossen werden konnte, gibt es keine Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung der Versicherten rechtfertigen. Unterschiede in der Person der Versicherten beruhen in erster Linie darauf, dass die Krankengeschichte einer Gruppe von Versicherten gegenüber anderen Versicherten längere, zeitintensivere Ermittlungen notwendig macht und die Entscheidungsreife damit später, d. h. möglicherweise erst nach Inkraftreten der Änderungsverordnung, eintritt. Es ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, Versicherte, deren Feststellungsverfahren komplexere, zeitlich länger dauernde Ermittlungen notwendig macht, anders zu behandeln als Versicherte, deren Feststellungsverfahren rechtzeitig vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung abgeschlossen wurde. Insbesondere ist eine lange bzw. komplizierte Krankengeschichte, die umfangreiche medizinische Ermittlungen erfordert, kein geeignetes Kriterium, um den Ausschluss des Versicherten von der Entschädigung zu rechtfertigen. Das gilt in gleicher Weise für die oftmals gerade bei "neuen" Berufskrankheiten – angesichts fehlender Verwaltungsübung – länger dauernden arbeitstechnischen Ermittlungen. Es bestände die Gefahr, dass gerade derjenige, der aufgrund seiner beruflichen Exposition und umfassenden Krankengeschichte als besonders schutzbedürftig gilt, von der möglichen Entschädigung nach § 551 Abs 2 RVO/§ 9 Abs 2 SGB VII ausgeschlossen würde. Selbst wenn Unterschiede in der Person der Versicherten nicht bestehen, ist es letztlich von Zufälligkeiten abhängig, ob es dem Versicherträger gelingt, das Feststellungsverfahren nach § 551 Abs 2 RVO/§ 9 Abs 2 SGB VII vor dem Inkraftreten der Änderungsverordnung abzuschließen (so auch Koch in Lauterbach, UV (SGB VII), 4 Aufl., Stand Januar 1998 Anhang III zu § 9, § 6 BKV Rdn 10 f). Die Dauer des Feststellungsverfahrens ist abhängig von der Arbeitsorganisation und Arbeitsbelastung (Anzahl der Anträge) des Versicherungsträgers. Sie ist weiter abhängig von der zeitnahen Mitwirkung behandelnder Ärzte des Versicherten und möglicherweise zu hörender Sachverständiger. Es besteht darüber hinaus zumindest die Möglichkeit zur Manipulation, indem der Versicherungsträger die Entscheidung (nach Abs 2) hinaus zögert (Breuer, Die Stichtagsregelung im Berufskrankheitenrecht, Festschrift für von Maydell, 2002, S. 125 ff (134); Voosen, a.a.O). Die unterschiedliche Behandlung gegenüber bereits nach § 551 Abs 2 RVO entschädigten Versicherten wäre nicht sachgerecht, weil sie lediglich von Zufälligkeiten in der Bearbeitung der Verfahren durch den Unfallversicherungsträger abhängig wäre. Es darf aber nicht von Zufälligkeiten abhängen, ob ein Versicherter Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hat (vgl. BVerfG Beschluss vom 23.06.2005, 1 BvR 235/00, SozR 4-1100 Art. 3 Nr 32; BVerfG Beschluss vom 22.10.1981, 1 BvR 1369/79, BVerfG E 58, 369 (375 f.); BSG Urteil vom 27.06.2006, 2 U 5/05 R, SozR 4-5671 § 6 Nr 2; Becker, SGb 2006, 97 (100)).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nur dann nicht, wenn angenommen wird, dass der Versicherte mit einem bereits vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung eingeleiteten Feststellungsverfahren eine Rechtsposition erhält, die ihm durch eine Änderungsverordnung nicht mehr genommen werden kann. Lediglich diese Auslegung des § 551 RVO / § 9 SGB VII vermeidet eine unzulässige Beeinträchtigung der Betroffenen. Da diese Auslegung mit den Prinzipien der Verfassung am besten übereinstimmt ist ihr der Vorzug zu geben (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage S.339).
Bei anderem Verständnis beständen zudem Bedenken, ob dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs 3 GG) folgenden Grundsatz der Rechtssicherheit (Bestimmheitserfordernis) ausreichend Rechnung getragen würde, wenn es für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 551 Abs 2 RVO/§ 9 Abs 2 SGB VII, einzig und allein auf die Entscheidungsreife ankäme. Denn diese ist abhängig von Zufälligkeiten mit Folge, dass die gesetzliche Regelung nicht mit der notwendigen Sicherheit zu erkennen gibt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch gegeben ist. Der Gesetzesinhalt muss jedoch hinreichend eindeutig zu fassen sein, so dass – zumindest mit den juristischen Auslegungsmethoden – klar zu erkennen ist, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch besteht (vgl. BVerfG Urteil vom 17.11.1992, 1 BvL 8/87, SozR 3-4100 § 137 Nr 3).
Der Senat sieht daher bereits mit dem vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung eingeleiteten Feststellungsverfahren eine Rechtsposition begründet, die dem Versicherten unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs 1 GG) genommen würde, wenn der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung von den Zufälligkeiten des weiteren Verfahrensgang, insbesondere der Verfahrensdauer abhängig wäre. Es ist rechtstaatlich nicht zu rechtfertigen, dass sich eine außergewöhnlich lange Verfahrensdauer zum Nachteil der Versicherten auswirkt (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.09.1998, L 7 U 29=/96, SGb 1999, 302 a.A. damals noch BSG Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 42/98 R, kritisch dazu Keller, Die Bewältigung des Berufskrankheitensrechts aus der Sicht der juristischen Praxis, SGb 2001, 226 (230), der darauf hinweist, dass die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur durch das Prinzip der Ersetzung der Arbeitgeberhaftung, sondern durch das soziale Schutzprinzip zugunsten des Versicherten gekennzeichnet ist, und der Versicherte daher nicht auf die zivilrechtliche Schadensersatzansprüche verwiesen werden darf und dem Versicherten das Risiko aufgebürdet wird, das durch langsame, unzureichende Ermittlungen oder die Sachverständigenauswahl seitens des Unfallversicherungsträgers entsteht.). Im Ergebnis kommt als einzige dem Gleichheitssatz und rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Lösung eine objektive retrospektive Beurteilung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 551 Abs 2 RVO und das Abstellen auf das Datum des Entschädigungsantrages bzw. der sonstigen Einleitung des Feststellungsverfahrens und des Inkrafttretens der Änderungsverordnung in Betracht (vgl. BSG Urteil vom 27.06.2007, 2 U 5/05 R a.a.O).
Steht dem Versicherten, wenn sich neue medizinische Erkenntnisse zu BK-Reife verdichtet haben mit Einleitung des Feststellungsverfahrens ein Anspruch auf Entschädigung "wie eine BK" zu, so darf er auf den Fortbestand dieser Rechtsposition vertrauen. Die Rechtsposition könnte ihm nur dann, ohne einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs 1 GG) durch § 551 Abs 1 RVO/§ 9 Abs 1 SGB VII genommen werden, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls dies gebieten würden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14.05.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (258); BVerfG Urteil vom 23.11.1999, 1 BvF 1/94, BVerfGE 101,239 (263)). Zu diesen zwingenden Gründen des Gemeinwohls rechnen u.a die Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des des betreffenden Sozialversicherungssystems oder die Entlastung der Staatshaushalte des Bundes und der Länder (vgl. BVerfG Urteil vom 28.04.1999, 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, SozR 3-8570 § 10 Nr 3). Derartige Gründe sind jedoch vorliegend nicht ersichtlich (vgl. BSG Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 5/05 R a.a.O.; Voosen, a.a.O (612)). Der zuvor mit der Einleitung des Feststellungsverfahrens bzw. der Antragstellung entstandene Anspruch des Versicherten auf Entschädigung als "Wie – BK" erlischt damit auch nicht mit dem Inkrafttreten der BKV am 01.12.1997.
Dieses Verständnis des § 551 Abs.2 RVO/§ 9 Abs.2 SGB VII entspricht zudem weitgehend dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Vorschrift bezweckt ein möglichst hohes Maß an Einzelfallgerechtigkeit, indem sie es ermöglicht, auch solche berufsbedingten Erkrankungen, die noch nicht in der Berufskrankheitenliste enthalten sind, wie eine Berufskrankheit zu entschädigen (Koch in Lauterbach, UV (SGB VII), 4 Aufl., Stand Januar 1998 § 9 Rdn 220c unter Hinweis auf die Motive des Gesetzgebers (BT-Drucks IV/938 S. 7 zu § 552 Abs 2 RVO). Diesem Zweck würde es widersprechen, die Entschädigung im Wesentlichen von der Frage abhängig zu machen, ob es dem Versicherungsträger gelingt, vor Inkrafttreten einer Änderungsverordnung die Entscheidungsreife herbeizuführen. Zudem würde sich der Versicherungsträger in einem unauflösbaren Widerspruch befinden zwischen dem Grundsatz, dass er alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch für den Versicherten günstigen Umstände zu ermitteln hat (§ 20 Abs 2 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) und dem Bedürfnis des Versicherten an der schnellen Herbeiführung der Entscheidungsreife. Die Argumentation der Beklagten, dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne selbst dann nicht ausreichend Rechnung getragen werden, wenn bei Einleitung des Feststellungsverfahrens vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung eine Entschädigung ausschließlich nach den Regeln des § 9 Abs 2 SGB VII als "Wie-BK" zu erfolgen habe, weil es auch in diesen Fällen noch von mehr oder weniger zufälligen Gegebenheiten im Risikobereich des Versicherten abhängig wäre, ob sein Antrag noch vor Inkrafttreten einer Änderungsverordnung beim Versicherungsträger eingehe, überzeugt nicht. Die Beklagte wird nicht umhin kommen anzuerkennen, dass nach der Rechtsprechung (vgl. BVerfG Beschluss vom 23.06.2005, 1 BvR 235/00, SozR 4-1100 Art. 3 Nr 32; BVerfG Beschluss vom 22.10.1981, 1 BvR 1369/79, BVerfG E 58, 369 (375 f.); BSG Urteil vom 27.06.2006, 2 U 5/05 R, SozR 4-5671 § 6 Nr 2) es nicht von Zufälligkeiten abhängen darf, ob ein Versicherter Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Die Argumentation der Beklagten könnte vor diesem Hintergrund lediglich zur Konsequenz haben, ohne Rücksicht auf das Listenprinzip alle Anträge wegen beruflich bedingter Schädigung, deren Entstehung vor dem Rückwirkungsstichtag liegt, nach § 551 Abs.2 RVO/§ 9 Abs.2 SGB VII zu behandeln (so Rüfner a.a.O). Das will die Beklagte offensichtlich jedoch nicht und schlägt vor, dass es für die Frage, ob eine Entschädigung als "Wie-BK" gemäß § 9 Abs 2 SGB VII oder als Berufskrankheit Nr. 4111 der Berufskrankheiten-Liste zu erfolgen habe, einzig und allein auf den Zeitpunkt der objektiven Entscheidungsreife ankommen könne. Gerade diese Auffassung begegnet jedoch aufgrund der von Zufälligkeiten abhängigen Dauer des Feststellungsverfahrens verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Übrigen trägt der Versicherte im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich das Risiko Ansprüche auf Sozialleistungen ganz oder teilweise zu verlieren, wenn er selbst nicht tätig wird bzw. keinen Antrag stellt. Dieses Risiko liegt grundsätzlich in der Sphäre des Versicherten. Es zu tragen sieht der Senat angesichts der Regelungen § 19 Satz 2 SGB 4. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) (Leistungen von Amts wegen); § 202 SGB VII (Anzeigepflicht von Ärzten) und § 13 1. Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) (allgemeine Aufklärungspflicht des Versicherungsträgers) für den Versicherten als noch zumutbar an. Demgegenüber hat der Versicherte auf die Dauer des Feststellungsverfahrens und damit auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife keinen Einfluss. Die Dauer des Feststellungsverfahrens liegt in der Risikosphäre des Versicherungsträgers und darf daher nicht zu Nachteilen des Versicherten führen.
Bereits vor dem Hintergrund des Beschlusses des BVerfG (vom 23.06.2005, 1 BvR 235/00, SozR 4-1100 Art 3 Nr 32) ist die Auffassung, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers unbedingten Vorrang vor einer Einzelfallentscheidung des Unfallversicherungsträgers nach § 551 Abs 2 RVO / § 9 Abs 2 SGB VII hat (so die bisherige Rechtsprechung vgl. u.a. BSGE 72, 2003; BSG B 2 U 43/92 R, SozR3-2200 § 551 Nr 14; Breuer, Die Stichtagsregelung im Berufskrankheitenrecht, Festschrift für von Maydell, 2002, S. 125 ff (137);) nicht mehr aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus wird der Vorrang des Verordnungsgebers durch die zeitliche Begrenzung der Regelung auf solche Feststellungsverfahren, die vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung eingeleitet wurden, nicht berührt, da der Verordnungsgeber es immer noch in der Hand hat, durch die zügige Verabschiedung einer Änderungsverordnung die zeitliche Rückwirkung einzuschränken (Becker, SGb 2006, 97 (100); weitergehend allerdings LSG Niedersachsen, 06.04.1993, danach ist dem Verordnungsgeber mit § 551 Abs 1 generell nicht Befugnis eingeräumt worden, einen nach Abs 2 bereits entstandenen Anspruch nachträglich zu beseitigen; ebenfalls a.A. Rüfner, SGb 2007, 357 ff). Am Grundsatz, dass die gesetzliche Unfallversicherung unter Geltung der RVO – ebenso nach dem geltenden Recht des SGB VII – von dem Listenprinzip geprägt wurde bzw. wird, ändert die hier vertretene Auffassung nichts. Denn nach wie vor werden grundsätzlich nicht alle beruflich verursachten Krankheiten, sondern nur solche, die als Berufskrankheiten in die BKV listenmäßig aufgenommen sind, entschädigt. Das Listenprinzip wird jedoch durch § 551 Abs 2 RVO/§ 9 Abs 2 SGB II aufgelockert, ohne dass dies generell (mit dieser Einschränkung ist Eilebrecht, Die Rückwirkungsklausel der 2. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung, BG 1993, S. 187, 189, zuzustimmen) – im Sinne einer Auffangnorm – zur Entschädigung von Berufskrankheiten führt, die nach neuem Recht mangels weitergehender Rückwirkung nicht entschädigt werden können. Lediglich in den Fällen in denen vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung ein Feststellungsverfahren eingeleitet worden ist, verbleibt es bei der Anwendung des § 551 Abs 2 RVO/§ 9 Abs 2 SGB VII.
Nicht entscheidend ist, ob der Versicherte einen Antrag gestellt hat oder das Feststellungsverfahren – wie vorliegend – von Amts wegen eingeleitet wurde. Nach § 18 Satz 1 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften von Amts wegen tätig werden muss (§ 18 Satz 2 Nr 1 SGB X). § 19 Satz 2 SGB IV begründet die Pflicht des Unfallversicherungsträgers zum Tätigwerden von Amts wegen. Begründet wird das antragslose Verfahren durch die Besonderheiten des Unfallversicherungsrechts (Notwendigkeit des unverzüglichen Handelns im Bereich der medizinischen Rehabilitation, Notwendigkeit der Beweissicherung und der Beitrag zur Wahrung des Betriebsfriedens (vgl. im Einzelnen Winter, § 19 Satz 2 SGB IV oder die Besonderheit des Leistungsrechts in der gesetzlichen Unfallversicherung, SGb 2006, 657 ff.)). Erkennbar wird dadurch, dass der Versicherungsträger auch zur Vermeidung von Nachteilen, im Interesse des Versicherten von Amts wegen tätig werden und es nicht auf einen von diesem gestellten Antrag ankommen soll. Es besteht daher kein Anlass, die Entschädigung nach § 551 Abs 2 RVO in Fällen der vorliegenden Art, davon abhängig zu machen, ob der Versicherte vor Inkrafttreten der BKV selbst einen Antrag gestellt hat. Selbst wenn ein Antrag erforderlich wäre, so wäre dieser als mit dem 29.09.1997 gestellt anzusehen. Mit diesem Tage ging der an den Versicherten gerichtete Fragebogen, nebst weiteren Unterlagen (u.a. einer Kopie des Bergmannsbuch, ärztlichen Unterlagen des Kath. Krankenhauses E West vom 05.09.1997, 28.03.1996, 01.07.1994 und des N-hospiatals I vom 22.11.1993) wieder bei der Beklagten ein. An die Form des Antrages sind zum Schutz des Versicherten keine strengen Anforderungen zu stellen. Ausreichend ist, wenn der Versicherte seinen Willen, die Anerkennung einer bereits früher bestehenden Berufskrankheit zu verlangen, in irgendeiner Form gegenüber dem Versicherungsträger zum Ausdruck bringt (Eilebrecht, Die Rückwirkungsklausel der zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung, BG 1993, 187 ( 189)). Auch ein Antrag wäre damit vor Inkrafttreten der Änderungsordnung als gestellt anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 22.11.2007
Zuletzt verändert am: 22.11.2007