Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 05.09.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I. Die am 00.00.1932 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 26.11.2004 erlitt die Klägerin eine Fraktur des linken Oberschenkels. Sie wurde zur stationären Krankenbehandlung im T-Krankenhaus, I aufgenommen. Ab 14.12.2004 erfolgte eine geriatrische stationäre Weiterbehandlung im Krankenhaus A, C. Der dort die Klägerin behandelnde Arzt Dr. X beantragte am 27.12.2004 – zum 04.01.2005 – eine geriatrische Rehabilitation. In der darauf hin von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vertrat der Sozialmedizinische Dienst (SMD) die Auffassung, nach Abschluss der stationären Krankenbehandlung sei eine ambulante Maßnahme zur physikalischen Therapie ausreichend (Stellungnahme vom 28.12.2004). Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29.12.2004 die Durchführung der stationären geriatrischen Rehabilitation ab. Dagegen erhob die Klägerin am 31.12.2004 Widerspruch; eingegangen bei der Beklagten (spätestens) am 04.01.2005.
Am 06.01.2005 wurde die Klägerin in den stationären Rehabilitationsbereich des Krankenhauses A übernommen und von dort am 27.01.2005 entlassen. Am 14.02.2005 stellte das Krankenhaus der Klägerin für die Maßnahme insgesamt Euro 4.013,24 in Rechnung und machte – abzüglich des von der Klägerin geleisteten Vorschusses in Höhe von Euro 1.000 – die Zahlung von Euro 3.013,24 geltend. Die Zahlung wurde gestundet.
Am 01.02.2005 meldete sich für die Klägerin der nunmehrige Prozessbevollmächtigte und legte einen Bericht der Reha-Klinik vom 19.01.2005 und den Entlassungsbericht vom 27.01.2005 vor. Der SMD nahm darauf hin zu den übersandten Unterlagen am 17.02.2005 und am 04.03.2005 Stellung. Er vertrat die Auffassung, die stationäre geriatrische Rehabilitation sei sinnvoll gewesen, da ein zusätzlicher Mobilitätsverlust durch Zustand nach Oberschenkelbruch links bestanden habe (Stellungnahme vom 04.03.2005).
Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 08.03.2005 wie folgt an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin:
"Sehr geehrter Herr C, bezugnehmend auf Ihren Schriftsatz vom 02.03.2005 teilen wir Ihnen mit, dass die Angelegenheit der Fachabteilung in der Hauptverwaltung in Bochum mit heutigem Datum zugeleitet wurde. Nach Überprüfung der Angelegenheit kommen wir unaufgefordert auf die Angelegenheit zurück."
Ebenfalls unter dem 08.03.2005 leitete die Verwaltungsstelle Bergheim den Verwaltungsvorgang an die Hauptverwaltung der Beklagten, mit der Bitte um Prüfung weiter, ob dem Widerspruch vom 31.12.2004 abgeholfen werden könne.
Mit der am 12.04.2005 erhoben Klage begehrte die Klägerin die Entscheidung über ihren Widerspruch sowie die Erstattung der ihr in Rechnung gestellten Kosten. Mit Bescheid vom 02.05.2005 half die Beklagte dem Widerspruch ab und übernahm die Kosten der stationären geriatrischen Rehabilitation. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten darauf hin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragten, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 05.09.2005 hat das Sozialgericht der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Drittel auferlegt. Das Gericht ist in der Begründung des Beschlusses davon ausgegangen, dass die gleichzeitig erhobene Verpflichtungsklage unzulässig gewesen und bei der Quotelung die größere Bedeutung der Verpflichtungsklage zu berücksichtigen sei. Der am 30.09.2005 erhobenen Beschwerde der Beklagten hat das Sozialgericht nicht abgeholfen (Beschluss vom 24.10.2005).
II. Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig ( §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), jedoch nicht begründet.
Es kann unentschieden bleiben, ob die Kostenentscheidung hier auf § 102 Satz 3 SGG oder auf § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG beruht, da nach beiden Vorschriften gerichtlich nach billigem Ermessen zu beurteilen ist, inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Im Rahmen dieser unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind sowohl die Erfolgsaussichten der Klage als auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung des Rechtsstreits zu prüfen. In der Regel ist es gerechtfertigt, dass dem Beteiligten Kosten auferlegt werden, der voraussichtlich ganz oder teilweise unterlegen wäre. Zu beachten sind jedoch stets die Besonderheiten des Einzelfalls (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 8. Auflage, 2005, § 193 Rn. 12 ff). Für die Untätigkeitsklage gilt insoweit, dass die (Sperr-) Frist des § 88 SGG zugleich eine angemessene Frist für eine Sachentscheidung darstellt. Es ist jedoch sachgerecht, diese Frist jeweils um diejenigen Zeiträume zu verlängern, die im konkreten Fall für eine vom Normalfall abweichende Sachbehandlung erforderlich waren und deshalb einen zureichenden Grund darstellen, noch nicht zu entscheiden. Die Überschreitung der Frist – ohne Kostentragungsrisiko seitens des Versicherungsträgers – setzt allerdings voraus, dass der Versicherte noch nicht mit einer Entscheidung rechnen durfte, ihm also der Grund für die Untätigkeit bekannt oder mitgeteilt worden ist (u.a. LSG NRW Beschluss vom 04.01.1993 – L 10 S 17/92; Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. Rdn. 13c).
Berücksichtigt man vorliegend diese Grundsätze sowie den gesamten Sach- und Streitstand bis zum Abschluss des Rechtsstreits, so entspricht es dem billigen Ermessen, dass die Beklagte mindestens ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt. Denn mit ihrer am 12.04.2005 erhobenen Untätigkeitsklage hätte die Klägerin letztlich Erfolg gehabt.
Die Untätigkeitsklage war zulässig, weil sie gem. § 88 Abs. 2 SGG nach Ablauf der Sperrfrist von drei Monaten – hier dem 04.04.2005 – erhoben wurde. Die Klage war auch begründet. Die Beklagte hätte zur Erteilung eines Widerspruchsbescheides verurteilt werden müssen, weil die Klägerin bis zur Klageerhebung (12.04.2005) mit einer Entscheidung über ihren Widerspruch rechnen durfte. Ihr waren Gründe, die die Beklagte an einer Entscheidung hinderten weder bekannt noch hätte sie solche kennen müssen.
Allein die Bestellung des Klägerbevollmächtigten musste aus der Sicht der Klägerin nicht zur einer verlängerten Sachbearbeitung führen. Sie ist auch objektiv nicht dafür verantwortlich gewesen, dass die Beklagte erst Ende April entschieden hat, dem Widerspruch abzuhelfen.
Die Vorlage des Berichts vom 19.01.2004 und des Entlassungsberichtes vom 27.01.2005 seitens des Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 01.02.2005 stellen keinen zureichenden Grund dar, die Frist des § 88 SGG zu überschreiten. Dabei kann offen bleiben, ob es nicht zu einem früheren Zeitpunkt bereits Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, für ihre Entscheidungsfindung einen Befundbericht der Reha-Klinik anzufordern. Jedenfalls hat der SMD unter dem 17.02.2005 zu den eingereichten Unterlagen Stellung genommen und sich sodann nochmals umfassend und abschließend unter dem 04.03.2005 geäußert. Selbst wenn die Klägerin diesen Ermittlungstand gekannt hätte, wären ihr Gründe, die die Beklagte bis zur Klageerhebung – also binnen weiterer ca. 5 Wochen – an einer Entscheidung hinderten, nicht erkennbar gewesen. Derartige Gründe hat die Beklagte selbst im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt. Letztlich bleibt – selbst bei einer Betrachtung ex post – offen, warum die Beklagte aufgrund der spätestens Anfang März abgeschlossenen Sachverhaltsaufklärung nochmals mehr als 7 Wochen für ihre abschließende Entscheidung benötigte und ausweislich der Verwaltungsakte auch intern – durch die Verwaltungsstelle Bergheim – erinnert werden musste. Vor diesem Hintergrund lässt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – keine Verpflichtung des Klägerbevollmächtigten begründen, vor Erhebung der Untätigkeitsklage nochmals "kurz nachzufragen", ob und wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann.
Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, der Klägerin unter dem 08.03.2007 Mitteilung darüber gemacht zu haben, dass bzw. warum sich die Entscheidung verzögert. Diese Mitteilung ist lediglich allgemein gehalten. Sie gibt der Klägerin weder eine Erklärung dafür, warum die "Angelegenheit der Fachabteilung in der Hauptverwaltung" vorgelegt wird noch lässt sie ansatzweise erkennen, dass die Beklagte eine weitere medizinische Stellungnahme eingeholt hat, die zu einer Abhilfe des Widerspruchs führen könnte. Der Mitteilung kann somit weder unmittelbar noch mittelbar entnommen werden, dass mit einer Entscheidung vor dem 12.04.2007 nicht gerechnet werden kann. Es bleibt unverständlich, warum die Beklagte zu diesem Zeitpunkt (08.03.2007) – zur Vermeidung ihres Kostenrisikos – die Klägerin nicht vollständig über den Umfang und das Ergebnis ihrer bisherigen Ermittlungen sowie über das weitere Procedere informiert hat.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist in der das Verfahren abschließenden Entscheidung gesondert zu befinden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 08.02.2006, L 2 B 19/05 KN KR).
Diese Entscheidung kann nicht mit Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.02.2007
Zuletzt verändert am: 21.02.2007