Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 10.02.2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf 499,52 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGG statthaft. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 10.000,00 EUR nicht übersteigt (maßgeblich ist insoweit § 144 Abs. 1 Nr. 2 – nicht: Nr. 1 – SGG, denn die Sparkasse ist als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts).
Der Rechtsbehelf ist auch im Übrigen zulässig.
Zwar war das Sozialgericht Aachen örtlich nicht zuständig. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nämlich hier entsprechend der Grundregelung des § 57 Abs. 1 S. 1 SGG nach dem Sitz der Klägerin mit der Folge der örtlichen Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin. Die Ausnahmeregelung des § 57 Abs. 1 S. 2 SGG greift hier nicht, weil (auch) die beklagte Sparkasse keine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts, sondern eine juristische Person des öffentlichen Rechts (s. oben) ist (s. den letzten Halbsatz der genannten Vorschrift). Nachdem das Sozialgericht seine örtliche Zuständigkeit aber (stillschweigend) bejaht hat und die Beteiligten die fehlende örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Aachen erstinstanzlich nicht gerügt haben, ist der prozessuale Fehler wegen der Bindungswirkung nach § 98 S. 1 SGG i. V. m. § 17 a GVG unerheblich für die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, denn die in § 144 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Voraussetzungen, unter denen die nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossene Berufung zuzulassen ist, sind nicht erfüllt.
Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage der Haftung des Geldinstituts im Rahmen des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI für die nach Kenntniserlangung vom Tod des Kontoinhabers vorgenommenen Eingriffe in den zu schützenden Rentenbetrag hat nach der Auffassung des Senats keine grundsätzliche Bedeutung. So hat der Senat die beschriebene Rechtsfrage in seinem Urteil vom 24.01.2014 (L 14 R 1000/12) im Sinne der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung ohne Revisionszulassung entschieden. In den Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils, gegen das das dort unterlegene Geldinstitut keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hat, heißt es unter anderem:
III. Der Einwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI zugunsten des beklagten Geldinstituts steht dem nicht entgegen.
1. Zwar stellt – entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten – der bloße Wortlaut des § 118 Abs. 3 S. 3 erster Halbsatz SGB VI – unabhängig von der Kenntnis des Geldinstituts vom Tod des rentenberechtigten Kontoinhabers – allein auf den Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung beim Geldinstitut ab, bis zu welchem das Geldinstitut "anderweitige Verfügungen" dem Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers entgegenhalten kann. "Anderweitige Verfügung" im Sinne dieser Vorschrift meint jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zulasten des Kontos, durch das sich eine kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bedient (BSG, Urteil vom 9.12.1998, B 9 V 48/97 R, juris, Rdnr. 28; siehe auch BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, juris, Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen). Kontoverfügungsberechtigte Person ist insbesondere der bevollmächtigte Vertreter des Kontoinhabers (BSG, Urteil vom 9.12.1998, a.a.O.), wobei es auf eine materielle Berechtigung des Verfügenden nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, juris, Rdnr. 16). Prima vista könnte der Auszahlungseinwand vorliegend zugunsten der Beklagte eingreifen: Das Rückforderungsbegehren der Klägerin ging bei der Beklagten am 5.7.2010 ein; zu diesem Zeitpunkt war über die am 30.9.2009, am 30.10.2009 und am 30.11.2009 wertgestellten Hinterbliebenenzahlbeträge bereits vielfach – insbesondere durch Ausführung von Überweisungen des Sohnes M H. am 23.11.2009, welche bereits den Wert der Hinterbliebenenzahlbeträge in Höhe von insgesamt 1.804,26 Euro überstiegen, und durch Einzugsermächtigungslastschriften verfügt worden; die "finale" Verfügung über das Girokonto der Rentenberechtigten war am 17.12.2009 durch dessen Auflösung, spätestens am 9.2.2010 durch Überweisung des Abschlussguthabens in Höhe von 557,95 Euro an M H. erfolgt. M H. war auch über den Tod der Rentenberechtigten hinaus bis zur Kontoauflösung berechtigt, über deren Girokonto bei der Beklagten zu verfügen; dass er durch Ausschlagung der Erbschaft nicht Erbe nach der Rentenberechtigten war, ist insofern unerheblich.
2. Indes ergibt sich aus der Systematik (a.) sowie dem Sinn und Zweck (b.) des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI, dass sich das Geldinstitut ab demjenigen Zeitpunkt nicht mehr auf den Auszahlungseinwand "anderweitiger Verfügungen" berufen kann, ab dem es jedenfalls Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten (und Kontoinhabers) hatte. Die Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung der Rentenleistung besteht demzufolge nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits "anderweitig verfügt" wurde, es sei denn, das Geldinstitut hatte bereits vor Eingang der Rückforderung Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten. Dieser Auslegung steht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht entgegen (c.).
a. § 118 Abs. 3 S. 3 ist im systematischen Kontext zu dem grundlegenden, in § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI normierten Vorbehalt der Erbringung von Rentenleistungen nach dem Tod des Rentenberechtigten zu sehen (vgl. dazu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.9.2013, L 4 R 496/08, juris, Rdnr. 33). Dieser Vorbehalt bewirkt die Unwirksamkeit aller zivilrechtlichen Verfügungen über das Rentenzahlkonto des Renten berechtigten gegenüber dem Rentenversicherungsträger, die nach dessen Tod zu Lasten der rechtsgrundlos erfolgten Rentenleistung bis zu deren Höhe getroffen worden sind, soweit zum Zeitpunkt der Rückforderung diese nicht aus einem Guthaben auf dem betreffenden Konto bedient werden kann (BSG, Urteil vom 26.4.2007, B 4 R 89/06 R, juris, Rdnrn. 73, 74). Diese relative Unwirksamkeit entsteht objektiv im Zeitpunkt der Wertstellung der auf den Tod des Rentenberechtigten folgenden Rentenzahlung und zwar unabhängig davon, ob ein von ihr konkret Betroffener (wie das Geldinstitut, der Rentenversicherungsträger, der Kontobevollmächtigte oder ein Dritter) Kenntnis davon hatte (BSG, Urteil vom 26.4.2007, B 4 R 89/06 R, juris, Rdnr. 74). Bis zum Eingang des Rücküberweisungsverlangens weiß insbesondere das Geldinstitut typischerweise weder vom Ableben des Kontoinhabers noch von diesem Vorbehalt zugunsten des Rentenversicherungsträgers. Die in § 118 Abs. 3 S. 3 erster Halbsatz SGB VI ausdrücklich vorgeschriebene Berück sichtigung anderweitiger Verfügungen bis zu diesem Zeitpunkt kann daher nur so zu verstehen sein, dass sie auf der bis dato unterstellten Unkenntnis des Geldinstituts vom Ableben des Kontoinhabers bzw. von diesem Vorbehalt zugunsten des Rentenversicherungsträgers beruht (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, juris, Rdnr. 17; LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 2.7.2013, L 13 R 2202/12, juris, Rdnr. 41; LSG Hessen, Urteil vom 19.2.2013, L 2 R 262/12, juris, Rdnr. 16).
b. Aus dem Sinn und Zweck des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI folgt weitergehend, dass es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Geldinstituts handelt (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnrn. 37, 40). Trotz der vorstehend erläuterten Unwirksamkeit aller zivilrechtlichen Verfügungen über das Rentenzahlkonto des Rentenberechtigten gegenüber dem Rentenversicherungsträger kann das schutzwürdige – da in Unkenntnis des Vorbehalts bzw. der diesen begründende Tatsache befindlichen – Geldinstitut anderweitige Verfügungen dem Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers entgegen halten. Der Grund für die Berücksichtigung dieser anderweitiger Verfügungen im Sinne des § 118 Abs. 3 S. 3 erster Halbsatz SGB V I entfällt aber jedenfalls in dem Moment, in dem das Geldinstitut Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten erlangt und ab diesem Zeitpunkt in der Lage ist, den Vorbehalt zu kennen und dementsprechend zu handeln (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, juris, Rdnrn. 16, 17; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnrn. 50, 45; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.9.2013, L 4 R 496/08 R, juris, Rdnrn. 31, 27; LSG Hessen, a.a.O.; Pflüger, a.a.O., Rdrn. 119).
c. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte des § 118 Abs. 3 SGB VI keine dieser Auslegung entgegen stehende Gesichtspunkte. Dies hat das LSG Berlin-Brandenburg – unter eingehender Auseinandersetzung mit einer anderen in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung (Habl, NZS 2013, 481 ff) überzeugend dargelegt (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., insbesondere Rdnr. 34); der Senat schließt sich diesen Ausführungen an.
Die Nichtzulassung der Revision hat der Senat in seinem Urteil vom 24.01.2014 wie folgt begründet:
D. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG) liegen nicht vor. An grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Nr. 1) mangelt es, weil die sich stellende Rechtsfrage, ob der Einwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI ab Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten seitens des Geldinstituts ausgeschlossen ist, nicht klärungsbedürftig ist. Sie ist im Urteil des BSG vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, (juris, insbesondere Rdnr. 17) höchstrichterlich entschieden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insofern weder um ein obiter dictum noch um eine Beschränkung der Antwort auf Fälle fehlender materieller Verfügungsberechtigung des "anderweitig Verfügenden". Das BSG hat die Auslegung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI, wie sie bereits in dem genannten Urteil vom 22.4.2008 erfolgt ist, in späteren Entscheidungen mit anderen Fallkonstellationen als denjenigen fehlender materieller Verfügungsberechtigung entsprechend entschieden: BSG, Urteil vom 3.6.2009, B 5 R 120/07 R juris (Rdnr. 23).
Da die hier erfolgte Auslegung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI auch der Rechtsprechung des 13. Senats (Urteil vom 5.2.2009, B 13/4 R 91/06 R, juris, Rdnrn. 29 am Ende, 34, 35; BSG Urteil vom 5.9.2009, B 13 R 59/08 R, juris, Rdnrn. 29, am Ende, 34, 35; Urteil vom 5.2.2009, B 13 R 87/08 R, juris, Rdnr. 32) entspricht, ist ferner keine Divergenz im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zu erkennen.
Der Senat hält an diesen Ausführungen auch unter Berücksichtigung der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten weiterhin fest.
Die von der Beklagten weiter aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit des § 118 Abs. 3 SGB VI mit den Artikeln 66 und 86 der europäischen Zahlungsdienstrichtlinie vom 13.11.2007 hat nach der Auffassung des Senats ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Der hier gegenständliche öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut, das das Konto des Rentenberechtigten führt, wird nach der Auffassung des Senats von der genannten Richtlinie gar nicht erfasst. Diese heißt nicht nur "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt", sondern befasst sich auch nur mit Überweisungen, Lastschriften, Debit- und Kreditkartenzahlungen, Bareinzahlungen, Barabhebungen, das Onlinebanking und ähnlichen Zahlungsdiensten. Die Richtlinie ist von der Bundesrepublik Deutschland auch schon umgesetzt worden, im Wesentlichen durch Änderungen und Ergänzungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderen Vorschriften zum Bankenvertragsrecht. Dass der öffentlich-rechtliche Vorbehalt und Erstattungsanspruch des § 118 Abs. 3 SGB VI von der Richtlinie nicht erfasst wird, ergibt sich für den Senat auch aus dem "Erwägungsgrund" 39 zu dieser Richtlinie, in dem es heißt:
Diese Unwiderrufbarkeit sollte nicht das Recht oder die Pflicht eines Zahlungsdienstleisters nach dem Recht einiger Mitgliedsstaaten – soweit sie sich aus dem Rahmenvertrag des Zahlers, innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Leitlinien ergeben – berühren, im Falle einer Streitigkeit zwischen dem Zahler und dem Zahlungsempfänger dem Zahler den Betrag, der Gegenstand des ausgeführten Zahlungsvorgangs war, zu erstatten.
Aus dem ist für den Senat zu entnehmen, dass ein – wie hier – öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers nach innerstaatlichem Recht ungeachtet der Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags nach Artikel 66 der Richtlinie fortexistieren darf, was die unveränderte Geltung des § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI rechtfertigt.
Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass das Sozialgericht nicht von einer obergerichtlichen Entscheidung abgewichen ist (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Die Beklagte rügt keinen Verfahrensmangel des Sozialgerichts (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Ein solcher ist für den Senat auch nicht ersichtlich (zur Frage der örtlichen Zuständigkeit des Sozialgerichts s.o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, die endgültige Festsetzung des Streitwerts auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 3 S. 1 GKG in der seit 01.08.2013 geltenden Fassung.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 14.08.2014
Zuletzt verändert am: 14.08.2014