Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.06.1999 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 05.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1996 einen GdB von 50 festzustellen. Dem Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen auferlegt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Der Kläger begehrt die Feststellung eines GdB von 50 anstelle des von der Beklagten festgestellten GdB von 40.
Am 26.06.1995 beantragte der 1959 geborene Kläger unter Angabe eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eines Bluthochdrucks die Feststellung des GdB. Das Versorgungsamt holte einen Befundbericht des Priv.-Doz. Dr. F … ein und zog einen Arzt brief des Prof. Dr. M …, Chefarzt des St. A …-K … in K …, bei. Anschließend erteilte es den Bescheid vom 11.09.1995, mit dem es einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus als Gesundheitsstörung und einen GdB von 30 feststellte.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er unter Vorlage eines Attest des Dr. F … geltend machte, dass es sich um einen schwer einstellbaren Diabetes mellitus handele und ein GdB von 50 festzustellen sei.
Das Versorgungsamt erteilte den Teilabhilfebescheid vom 05.03.1996, mit dem es den GdB auf 40 anhob.
Im Übrigen wies das Landesversorgungsamt NRW den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1996 zurück.
Der Kläger hat gegen die Bescheide des Beklagten Klage erhoben, mit der er das zusätzliche Vorliegen eines Bluthochdrucks geltend gemacht und ein Attest des Dr. F … sowie einen Arztbrief des Orthopäden R. S … vorgelegt hat.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 11.09.1995 und 05.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1996 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden Gesamt-GdB mit Wirkung ab Juni 1995 mit mindestens 50 zu bewerten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen einen Befundbericht des Orthopäden Dr. G …, das Gutachten des Internisten Dr. C … vom 30.03.1998 und das Gutachten einschließlich ergänzender Stellungnahme des Orthopäden Dr. K … vom 14.01. bzw. 10.09.1998 eingeholt. Nachdem die Sachverständigen Dr. C … und Dr. K … unter Zugrundelegung eines Diabetes mellitus (GdB 40), eines Kniegelenksleidens (GdB 20), eines Wirbelsäulenleidens (GdB 10) und einer Hypertonie (Bluthochdruck – GdB 10 -) einen Gesamt-GdB von 50 eingeschätzt hatten, änderte Dr. K … im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme auf den entsprechenden Einwand des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten seine Einschätzung und beurteilte mangels entsprechender Funktionseinschränkung das Kniegelenksleiden mit einem GdB von 10 und den Gesamt-GdB in Höhe von 40. Im weiteren Verlauf holte das Sozialgericht auf den entsprechenden Antrag des Klägers gemäß § 109 der Sozialgerichtsordnung (SGG) das Gutachten des Internisten Dr. K … vom 15.03.1999 ein. Dieser Sachverständige stellte einen Gesamt-GdB von 40 fest und berücksichtigte hierbei das Vorliegen eines Diabetes mellitus mit einem GdB von 40, eine Hypertonie mit einem GdB von 10, ein wiederkehrendes Hämorrhoidalleiden mit einem GdB von 10 und orthopädische Leiden mit einem GdB von 10.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.06.1999 abgewiesen. Es hat sich der Beurteilung der Sachverständigen angeschlossen.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung eingelegt, mit der er die Feststellung eines GdB von 50 begehrt. Zunächst hat er unter Vorlage eines Kernspintomographiebefundes und eines Attestes der praktischen Ärztin Dr. H …r eine Unterbewerung seines Wirbelsäulenleidens geltend gemacht. Desweiteren hat er unter Vorlage seiner geführten Blutzuckerprotokolle und eines Attestes des Augenarztes Dr. S … vom 30.01.2001, in dem dieser eine beginnende Retinopathia diabetica bescheinigt, geltend gemacht, dass bei ihm ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus vorliegen würde. Mittlerweile würden auch Unterzuckerungen auftreten. In der Nacht vom 29. zum 30.04.2000 habe er wegen einer sehr starken Unterzuckerung erstmals sein Bewußtsein verloren.
Das Landessozialgericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des Dr. G …, des Dr. S … sowie des Internisten Dr. H … und das Gutachten des Chefarztes der Abteilung für Orthopädie der K …-K … M … GmbH, Dr. F …, vom 14.08.2000 sowie die ergänzende Stellungnahme des Dr. K … vom 08.02.2001 eingeholt. Dr. F … hat ebenso wie die erstinstanzlichen Sachverständigen das Wirbelsäulen- und Kniegelenksleiden jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 und den Gesamt-GdB in Höhe von 40 eingeschätzt. Der internistische Sachverständige Dr. K … ist in seiner ergänzenden Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus mit einem GdB von 50 vorliegen würde. Aus dem vorgelegten Blutzuckerprotokoll würden sich Hypoglycämien (Unterzuckerungen) mit Blutzuckerwerten von unter 50 mg/dl sowie mit einem am 20.04.2000 gemessenen HbA1c-Wert von 7,6 % eine schlechte und absolut nicht ausreichende Blutzuckereinstellung ergeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.06.1999 abzu ändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 05.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1996 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Unter Bezugnahme auf ein vorgelegtes Vortragsmanuskript des Dr. B … macht er geltend, dass kein schwer einstellbarer Diabetes mellitus im Sinne der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996" (Anhaltspunkte 1996) vorliegen würde. Denn es würden keine mehrmals im Jahr eingetretenen ausgeprägten Hypoglycämien mit Unterzuckerungen unter 40 mg/dl vorliegen. Hinsichtlich zu hoher Blutzuckerwerte seien HbA1c-Werte von über 10 % zu fordern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Streitakte sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Beklagte vor dem Landessozialgericht (LSG) durch die Bezirksregierung Münster und nicht – wie es der Wortlaut des § 71 Abs. 5 SGG fordert – durch das Landesversorgungsamt NRW (LV) vertreten wird (Art. 1 § 2 des 2. ModernG).
Das dem beklagten Land NRW kraft seiner Organisationsgewalt zustehende Recht, die Art seiner Vertretung vor Gericht selbst zu bestimmen, ist durch § 71 Abs. 5 SGG eingeschränkt. Danach wird in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV) einschließlich des übrigen sozialen Entschädigungsrecht – und in Verbindung mit der Verweisungsvorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 2 SchwbG auch in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts – das Land durch das LV vertreten, und zwar nur durch dieses (BSG Urteile vom 10.03.1964 – 9 RV 746/63, vom 19.12.1967 – 8 RV 517/67). Eine Vertretung durch die Bezirksregierung Münster kommt daher nur in Betracht, wenn sie im Sinne von § 71 Abs. 5 SGG als LV angesehen werden kann. Dazu reicht es allerdings nicht aus, dass die Abteilung 10 der Bezirksregierung, die mit den Aufgaben der bisherigen Versorgungsverwaltung befasst ist, den Namen "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" trägt (Beschluss der Landesregierung vom 28.11.2000; Schreiben des Innenministeriums – IM – an das LSG vom 06.12.2000 – Az.: VA 3-32.10/36.10/50.20. -).
Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (ErrichtG) in der Fassung vom 12.03.1951 wurden die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter von den Ländern als besondere Verwaltungsbehörden errichtet. Nach dem § 1 Abs. 2 ErrichtG durch das 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz vom 03.05.2000 aufgehoben worden ist, braucht das LV keine besondere Verwaltungsbehörde mehr zu sein, muss jedoch den übrigen Anforderungen des ErrichtG weiterhin entsprechen. So sollen die Beamten und Angestellten der Versorgungsverwaltung für ihre Aufgaben besonders geeignet sein (§ 4 ErrichtG); das LV muss der für die KOV zuständigen obersten Landesbehörde unterstehen (§ 3 ErrichtG).
Der Senat hat Zweifel, ob die letztgenannte Voraussetzung weiterhin vorliegt. Der Begriff "unterstehen" in § 3 ErrichtG erfasst die Zuständigkeit der für die KOV (und auch für das übrige soziale Entschädigungsrecht und für das Schwerbehindertenrecht) zuständigen obersten Landesbehörde – in NRW des Ministeriums für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie (MASQT) – sowohl für die Dienst- als auch für die Fachaufsicht (so auch die Beigeladene im Schriftsatz vom 26.01.2001 – Az.: VI a 3-64 300/1). Abweichend von dieser gesetzlichen Regelung gilt jedoch für die Bediensteten der Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster, die gem. Art. 1 § 3 des 2. ModernG nunmehr die Aufgaben des früheren LV wahrnimmt, dass weitgehend nicht mehr das MASQT, sondern das IM oberste Landesbehörde ist. So ist zwar das MASQT weiterhin oberste Dienstbehörde für die Bediensteten, die versorgungsfachliche Aufgaben wahrnehmen und hierfür eine spezielle Ausbildung besitzen. Darüberhinaus bleibt das MASQT gem. § 2 des 2. ModernG für die Beamten des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes und vergleichbar Angestellte, die bisher im LV beschäftigt waren, vorerst nur noch für eine Übergangszeit von 5 Jahren nach Inkrafttreten des 2. ModernG oberste Dienstbehörde. Für die übrigen Bediensteten der allgemeinen Verwaltung in den anderen Laufbahngruppen ohne eine spezielle Ausbildung für den Versorgungsbereich ist das IM schon jetzt oberste Dienstbehörde i. S. v. § 3 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG). Gleiches gilt für Bedienstete, die Querschnittaufgaben (Organisations- Personal und Haushaltsangelegenheiten, Registratur- Schreib- und Fahrdienst) im LV innehatten und nicht dem höheren allgemeinen Verwaltungsdienst angehören (Schreiben des IM an das LSG vom 06.12.2000 aaO). Auch die Ernennung und Bestellung von Bediensteten in Leitungsfunktionen innerhalb der Abteilung 10 -Abteilungsleiter, Hauptdezernenten, Dezernenten- obliegt dem IM. Zwar ist hinsichtlich des Abteilungsleiters und der Hauptdezernenten ein Einvernehmen mit dem MASQT herzustellen (§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 6 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen des Landes NRW); dadurch werden dem MASQT jedoch nur eingeschränkte Einfluss möglichkeiten auf die personelle Ausgestaltung der Abteilung 10 eingeräumt.
Ob bei dieser weitgehenden Übertragung von Befugnissen des MASQT auf das IM das "Landesversorgungsamt" noch organisationsrechtlich im Sinne von § 3 ErrichtG der für die KOV zuständigen obersten Landesbehörde – nämlich dem MASQT – untersteht, muss bezweifelt werden, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits aber dahingestellt bleiben. Denn an § 71 Abs. 5 SGG sind nach Auffassung des Senats nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an § 3 ErrichtG. Sinn und Zweck dieser verfahrensrechtlichen Vorschrift gebieten es vielmehr, den Begriff "Landesversorgungsamt" eine von § 3 ErrichtG abweichende Bedeutung beizumessen.
Bei Schaffung des SGG im Jahre 1953 bestand bereits seit etwa 2 Jahre eine nach Maßgabe des ErrichtG vom 12.03.1951 aufgebaute Versorgungsverwaltung. Wenn der Gesetzgeber die Vertretung der Bundesländer vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit damals ausschließlich dem LV übertragen hat, dann ersichtlich mit dem Ziel, die auf dem Gebiet der KOV fachkundigste Stelle zu betrauen. Übertragen auf die gegenwärtigen Verhältnisse bedeutet dies nach Auffassung des Senats, dass die Bezirksregierung Münster mit ihrer Abteilung 10 "Arbeit und Soziales, Landesversorgungsamt" als die auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts fachkundigste Stelle der Verwaltung des Landes – jedenfalls in der jetzigen Ausgestaltung – zu alleinigen Vertretung des Landes berufen ist. Eine weitergehende Bedeutung hat § 71 Abs. 5 SGG nicht. Insbesondere würde es dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, die Vertretung des Landes unabhängig von der zukünftigen Struktur der Versorgungsverwaltung allein nach dem Aufbau der Landesbehörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGG auszurichten. Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn die Auflösung des LV und die Übertragung seiner Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster gem. § 3 des 2. ModernG des Landes NRW – wofür manches spricht – gegen die bundesgesetzliche Regelung des § 3 ErrichtG in der Fassung von Art. 25 des 2. Zuständigkeitsverordnungsgesetzes vom 03.05.2000 verstößt.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 zu, § 4 Abs. 1 und 3 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG).
Zur Überzeugung des Senats hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger an einem durch Diät und alleinige Insulinbehandlung schwer einstellbaren Diabetes mellitus leidet, für den die Anhaltspunkte 1996 einen GdB von 50 vorsehen. Insoweit ist der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K … in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.02.2001 gefolgt. Insbesondere unter Berücksichtigung der ständig eintretenden Hyperglykämien, die sich in den fast ausschließlich erhöhten HbA1-Werten dokumentieren, ist von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus auszugehen. Alle aktenkundigen HbA1-Werte liegen außerhalb des Normbereichs und wurden daher vom Sachverständigen Dr. K … als Nachweis einer schlecht und absolut nicht ausreichenden Blutzuckereinstellung gewertet. So ergab die vom Sachverständigen Dr. K … am 16.03.1999 durchgeführte Untersuchung einen HbA1c-Wert von 7,8 % bei einem angegebenen Normbereich von 4,3 % bis 6,1 %. Auch den vom Vorgutachter Dr. C … erhobenen HbA1-Wert von 8,57 % bezeichnete
Dr. K … als deutlich erhöht und als Anzeige für eine nicht ausreichende Einstellung. Die vom Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung überreichte Zusammenstellung aller seit 1994 festgestellten HbA1-Werte hat ergeben, dass schwankende HbA1-Werte im Bereich von 5,6 % bis 10,1 % vorlagen, von denen 2 Werte über 10 %, 3 Werte über 9 %, 5 Werte über 8 %, 10 Werte über 7 %, 1 Wert über 6 % und lediglich der Wert von 5,6 % im Normbereich lag. Die Auflistung des Klägers hat sich als glaubhaft und zuverlässig erwiesen, da bereits viele HbA1-Werte aktenkundig waren und mit den Angaben des Klägers übereinstimmen (vgl. Arztbrief des Dr. M … von Juli 1994 – HbA1-Wert: 8,1 % -; Gutachten des Dr. C … – HbA1-Wert: 8,57 % -; Gutachten des Dr. K … – HbA1-Wert: 7,8 %; mit Schriftsatz vom 11.07.2000 vorgelegter Laborbefund vom 20.04.2000 – HbA1c-Wert: 7,6 % -, im Termin der mündlichen Verhandlung vorgelegter Laborbericht vom 01.02.2001 – HbA1-Wert: 8,53 % -). Darüberhinaus ist Dr. K … bereits in seinem Gutachten vom 15.01.1999 unter Berücksichtigung der vom Kläger in einem sorgfältig geführten Blutzuckerprotokoll dokumentierten schwanken den Blutzuckerwerten von 42 bis 300 mg/dl von einem unzureichend eingestellten Diabetes mellitus ausgegangen. Die unzureichende Einstellung der Blutzuckererkrankung hat mittlerweile ausweislich des Berichtes des Augenarztes Dr. S … vom 30.01.2001 zu einer beginnenden Retinobathia debitica des rechten Auges geführt.
Nach den Ausführungen des Dr. F … ist die schlechte Einstellbarkeit nicht auf mangelnde Kooperation des Klägers zurückzuführen.
Die Feststellung eines schwer einstellbaren Diabetes mellitus mit einem GdB von 50 erscheint im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 06.11.1984 gerechtfertigt. Denn in diesem Beschluss haben die Beiratsmitglieder (zu Punkt 2.1.5) für Insulindosierpumpenträger häufig die Feststellung eines GdB von 50 als gerechtfertigt angesehen. Berücksichtigt wurde dabei, dass mit der Insulindosierpumpenbehandlung besondere Erschwernisse und Einschränkungen im täglichen Leben (Blutzuckerkontrollen mehrmals täglich und einmal wöchentlich auch nachts, regelmäßige Aufzeichnung der Daten, selbstständig dosierte, zusätzliche Insulinverabreichung vor den Mahlzeiten) verbunden seien.
Ausweislich der wiederholt vom Kläger vorgelegten Blutzuckerprotokolle unterliegt auch er diesen Erschwernissen.
Zu einer anderen Entscheidung konnte nicht die Forderung des Beklagten führen, dass von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus erst beim Vorliegen von über 10 % liegenden HbA1c-Werten auszugehen sei. Denn nach Auffassung des Senats ist nach den Maßgaben der Anhaltspunkte 1996 von einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus nicht erst bei wiederholten Entgleisungen schwerer Art mit HbA1c-Werten über 10 % auszugehen, sondern bereits beim Vorliegen von entsprechenden Blutzuckerwerten, die eine nicht optimierbare unzureichende Einstellung dokumentieren. Eine solch unzureichende Einstellung ist nach den dargelegten Ausführungen des Dr. K … gegeben, da fast alle HbA1-Werte des Klägers au ßerhalb des Normbereichs zwischen 4,3 % und 6,1 % liegen. Auch die vom Kläger im Laufe des Verfahrens eingereichten Laborberichte weisen jeweils einen entsprechenden Normbereich und abweichende Werte aus.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist davon auszugehen, dass ein Diabetes mellitus, der mit über dem Normbereich liegenden HbA1c-Werten nur schlecht bzw. nicht zureichend eingestellt werden kann, einen schwer einstellbaren Diabetes mellitus im Sinne der Anhaltspunkte 1996 darstellt. Dies ergibt sich aus der Formulierung der Anhaltspunkte 1996, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts normähnliche Wirkung haben (vgl. z.B. Urteil vom 01.09.1999 – B 9 V 25/98 R -), und den dort gebildeten Fallgruppen zum Diabetes mellitus. Denn insbesondere in der Gruppe des durch die Diät und alleinige Insulinbehandlung einstellbaren Diabetes mellitus sind lediglich die sich ausschließenden beiden Alternativen eines gut einstellbaren Diabetes mellitus mit einem GdB von 40 und eines schwer einstellbaren Diabetes mellitus mit einem GdB von 50 aufgeführt. Der unzureichend eingestellte Diabetes des Klägers ist unter Berücksichtigung der sich ausschließen den Alternativen unter den schwer einstellbaren Diabtes mellitus zu subsumieren. Denn beim Vorliegen von ständig erhöhten HbA1-Werten als Nachweis von Hyperglykämien (und zusätzlich wie derholt auftretenden Hypoglykämien) kann nicht von einem gut einstellbaren Diabetes mellitus ausgegangen werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Anhaltspunkte 1996 beim insulinpflichtigen Diabetes mellitus für die niedrigere GdB-Gruppe – anders als beim durch Diät einstellbaren Diabetes mellitus – nicht nur eine "ausreichende", sondern eine "gute" Einstellbarkeit fordern. Sobald ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus nicht gut einstellbar ist, kann er nur als schwer einstellbar klassifiziert werden.
Im Ergebnis erscheint die Festsetzung des GdB von 50 auch unter Berücksichtigung der starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels mit nicht unerheblichen Hyper- und Hypoklämien sowie der mittlerweile eingetretenen Komplikation der Retinopathia diabetica angezeigt. Zusätzlich wäre hinsichtlich der Erschwernisse und Einschränkungen im täglichen Leben die Frage der Vergleichbarkeit mit einer Insulindosierpumpenbehandlung zu berücksichtigen (vgl. zitierten Beiratsbeschluss vom 06.11.1984).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 71 Abs. 5 SGG grundsätzliche Bedeutung hat.
Erstellt am: 17.08.2003
Zuletzt verändert am: 17.08.2003