Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09. August 2005 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kürzung des dem Kläger bewilligten bzw. die Zahlung höheren Arbeitslosengeldes (Alg).
Mit Bescheid vom 02.08.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für eine Dauer von 780 Kalendertagen nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1175,- EUR (61.450,- EUR versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt: 52,2 Wochen) entsprechend einem wöchentlichen Zahlbetrag von 349,02 EUR und einem täglichen Zahlbetrag von 49,86 EUR.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 02.01.2005 setzte die Beklagte mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgrund der zu diesem Zeitpunkt durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführten Neuregelung der Bestimmungen über die Entgelt- und Leistungsberechnung des Alg im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ein tägliches Bemessungsentgelt von 168,17 EUR fest und den täglichen Zahlbetrag auf 49,70 EUR herab bei einer monatlichen Zahlungsweise von einheitlich 30 Tagen.
Den hiergegen am 21.01.2005 eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, einen derartigen Einschnitt in seinen Lebensstandard nicht verkraften zu können, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 als unbegründet zurück, weil die Neuberechnung der zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Gesetzeslage entspreche.
Der Kläger hat am 17.02.2005 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Differenz von 16 Cent des täglichen Zahlbetrages führe zu einer Verkürzung seines Alg-Anspruchs bezogen auf 365 Kalendertage von 58,40 EUR. Die weitere Änderung, dass nur noch für 360 Tage Alg zur Auszahlung komme, bedeute einen weiteren Verlust von 249,30 EUR pro Jahr. Diese Verschlechterung seines Anspruchs sei eingetreten, obwohl die Kirchensteuer bei der Bemessung nicht mehr berücksichtigt werde. Schließlich komme ihm auch nicht die zum 01.01.2005 in Kraft getretene allgemeine Steuersenkung zugute, weil sein Alg-Anspruch sich weiterhin nach der Steuertabelle des Jahres 2004 richte. Die angefochtene Regelung verstoße gegen Vertrauensschutzgrundsätze und stelle eine rechtswidrige Enteignung dar, die zudem ohne eine vorherige Anhörung erfolgt sei.
Mit Urteil vom 09.08.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 08.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.09.2005 Berufung eingelegt. Er macht unter Berufung auf sein bisheriges Vorbringen geltend, dass sein kalendertägliches Bemessungsentgelt in der Weise zu berechnen sei, dass sein versicherungspflichtiges Jahresarbeitsentgelt von 61.450,- EUR durch 360 Tage zu dividieren sei. Dies folge daraus, dass die Anspruchsdauer in Monaten zu berechnen sei, wobei der Monat mit 30 Tagen anzusetzen sei. Im Übrigen sei es nicht einfacher, eine Teilung durch 360 gegenüber 365 oder 366 Tagen vorzunehmen.
Gegen die Kürzung des monatlichen Zahlbetrages auf 30 Kalendertage auch für die Monate mit 31 Kalendertagen wendet sich der Kläger nicht mehr.
Nachdem die Beteiligten sich im Verhandlungstermin vor dem Senat dahin geeinigt haben, dass die Herabsetzung des Alg erst ab dem 14.01.2005 erfolgt, beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.08.2005 zu ändern und ihm in Änderung des Bescheides vom 02.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005, in der Fassung der heutigen Änderung, höheres Arbeitslosengeld ab 01.01.2005 unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts von 170,69 EUR zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Kürzung um 0,16 EUR pro Tag für eine Restanspruchsdauer von 346 Tagen führe zu einem finanziellen Nachteil von lediglich 103,36 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die auf die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höheren Alg beschränkte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte den täglichen Leistungssatz des Alg zutreffend herabgesetzt hat. Die dagegen erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, weil sich der Kläger nicht nur gegen die Kürzung des Zahlungsbetrages um täglich 16 Cent wendet, sondern ab dem 01.01.2005 einen höheren als den ursprünglich bewilligten Leistungssatz begehrt (50,18 EUR gegenüber 40,86 EUR). Weder Anfechtungs- noch Leistungsklage sind jedoch begründet.
Mit der zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Hartz-III-Gesetzgebung ist in den rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Alg als wiederkehrende Leistung für 780 Kalendertage bewilligenden Verwaltungsakts vom 02.08.2004 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten, so dass die Beklagte die Bewilligung mit der allein noch streitigen Wirkung für die Zukunft nach dieser Vorschrift zu Recht teilweise aufgehoben hat.
Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) sind die Bestimmungen über die Entgelt- und Leistungsberechnungen des Alg im SGB III neu gefasst worden. Nach der bis zum 31.12.2004 gültigen Rechtslage war das pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt), nach dem sich das Alg gemäß § 129 SGB III bemisst, das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die beim Arbeitnehmer gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs. 1 SGB III a.F.). Die entsprechenden Abzüge regelte § 136 Abs. 2 SGB III a.F … Aufgrund der Ermächtigung des § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. wurden die maßgeblichen Leistungsentgelte für ein Kalenderjahr durch Verordnung (Leistungsentgelt-VO) festgesetzt. Die zum 01.01.2005 in Kraft getretene gesetzliche Neuregelung sieht als Leistungsentgelt, nach dem sich weiterhin gemäß § 129 SGB III das Alg bemisst, das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt vor (§ 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F.). Diese Abzüge sind nur noch 1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21% des Bemessungsentgelts, 2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommenssteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10 c Abs. 2 des Einkommenssteuergesetzes in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und 3. der Solidaritätszuschlag (§ 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III n.F.).
Das Bemessungsentgelt, aus dem sich das Leistungsentgelt errechnet, war nach der bis zum 31.12.2004 bestehenden Gesetzeslage das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt (§ 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F.), wobei der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume umfasste, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruches, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren (§ 130 Abs. 1 SGB III a.F.). Dagegen gilt seit dem 01.01.2005 als Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F.). Letzterer umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F.) und dieser wiederum ein Jahr (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III n.F.). Infolge dieser tagesgenauen Berechnung ist die Leistungsentgelt-VO entbehrlich geworden (vgl. BT-Drucks. 15/1515 Seite 85 zu § 131 Abs. 1). Für Ansprüche auf Alg, die vor dem 01.01.2005 entstanden sind, hat der Gesetzgeber gemäß § 434 j Abs. 5 SGB III bestimmt, dass das Bemessungsentgelt nach dem vom 01.01.2005 an geltenden Recht nur neu festzusetzen ist, soweit dies aufgrund eines Sachverhalts erforderlich ist, der nach dem 31.12.2004 eingetreten ist. Da jedoch auch für diese Fälle die Leistungsentgelt-VO mit dem 01.01.2005 entfallen ist, muss der maßgebliche Leistungssatz ab diesem Zeitpunkt auf der Grundlage des § 133 Abs. 1 SGB III n.F. bestimmt werden. Dazu bedarf es aber der (Neu-) Bestimmung eines täglichen Bemessungsentgeltes, da bis zum 31.12.2004 ein wöchentliches, gerundetes Bemessungsentgelt festzusetzen war (§ 132 SGB III a.F.). Wie diese Umrechnung für Altfälle vorzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die von der Beklagten gewählte Methode, das bisher festgesetzte wöchentliche Bemessungsentgelt durch 7 zu teilen, ist jedoch nicht zu beanstanden.
Nach der bis zum 31.12.2004 gültigen Rechtslage umfasste der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren (§ 130 Abs. 1 SGB III a.F.). Der Bemessungsrahmen (zu diesem Begriff, der nunmehr auch in § 130 Abs. 1 SGB III n.F. Verwendung findet, vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 112 Nr. 24 S. 110) von 52 Wochen erstreckte sich hier vom 03.06.2003 bis zum 31.05.2004, da in diesem Zeitraum zuletzt Versicherungspflicht des Klägers vor Entstehung des Alg-Anspruchs im Juli 2004 bestand. Das dem Kläger monatlich gezahlte versicherungspflichtige Arbeitsentgelt war zu diesem Zeitpunkt für die Monate Juli 2003 bis Mai 2004 in Höhe von 61.450,- EUR abgerechnet und zugeflossen, wie die Beklagte dem Bewilligungsbescheid vom 02.08.2004 zugrunde gelegt hat und was infolge der Übergangsregelung des § 434 j Abs. 5 SGB III maßgeblich bleibt. Der Bemessungszeitraum umfasste daher die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.06.2003 bis 31.05.2004. Da das Jahr 2004 ein Schaltjahr war, wurde das maßgebliche versicherungspflichtige Arbeitsentgelt in 366 Tagen erzielt. Die Division von 61.450,- EUR: 366 ergibt aber lediglich ein tägliches Bemessungsentgelt von 167,90 EUR. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung von 168,17 EUR begünstigt daher den Kläger.
Dagegen ist das tägliche Bemessungsentgelt weder im Wege der Teilung des versicherungspflichtigen Entgelts durch 365 Tage (so aber z.B. SG Düsseldorf Urt. vom 04.11.2005 – S 7 AL 63/05 -; SG Dresden Urt. vom 23.08.2005 – S 21 AL 281/05) noch durch 360 (12 x 30), wie der Kläger meint, zu ermitteln. Wie bereits dargelegt, knüpft die bis zum 31.12.2004 gültige Rechtslage nicht an einen Jahreszeitraum an, sondern an die versicherungspflichtigen Zeiten in einem Bemessungsrahmen von 52 Wochen. Dies können aber auch mehr oder weniger als 365 Tage sein.
Ebenso wenig folgt aus der Neuregelung des § 134 Satz 2 SGB III, wonach der Monat mit 30 Tagen anzusetzen ist, sofern für einen vollen Kalendermonat Alg zu zahlen ist, bzw. aus der Bestimmung des § 339 Satz 1 SGB III, der für die Berechnung von Leistungen die Berechnung eines Monats mit 30 Tagen vorsieht, dass für die Umrechnung des täglichen Bemessungsentgelts ein entsprechender 30-Tage-Ansatz heranzuziehen ist. Abgesehen davon, dass diese Regelungen sich ihrem Wortlaut nach nur auf den Zahlungsmodus bzw. die Leistungsseite beziehen und auch keine Definition des Jahres enthalten (vgl. dazu Coseriu/Jacob, Praxiskommentar, 2. Auflage, Rdnr. 7 zu § 339), führte diese Berechnung zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern, deren versicherungspflichtiges Entgelt monatlich abgerechnet worden ist, gegenüber solchen, bei denen kürzere Abrechnungszeiträume im Bemessungsrahmen angefallen sind. Bei Letzteren entstünden wegen der Notwendigkeit der Berücksichtigung der tatsächlich abgerechneten Tage bzw. Wochen (vgl. § 132 Abs. 2 SGB III a.F.) regelmäßig ein höherer Divisor, so dass sich ihr Bemessungsentgelt gegenüber ersterer Gruppe verringerte, wofür aber ein Rechtfertigungsgrund fehlt, da auch erstere ihr versicherungspflichtiges Entgelt nicht für einen Zeitraum von 360 Tagen bezogen haben.
Hat die Beklagte das tägliche Bemessungsentgelt daher zutreffend in Höhe von 168,17 EUR ermittelt, berechnet sich hieraus unter Beachtung der nach § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III n.F. maßgeblichen Abzüge einer Sozialversicherungs-Pauschale von 35,32 EUR, eines Solidaritätszuschlags in Höhe von 2,60 EUR sowie unter Zugrundelegung der nach § 434 j Abs. 5a SGB III, eingeführt durch das 4. SGB III – ÄndG vom 19.11.2004 (BGBl. I S. 2902), maßgeblichen Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 einer Lohnsteuer von 47,42 EUR ein täglicher Leistungssatz von 49,70 EUR.
Die Neuregelung der Bestimmungen über die Bemessung des Alg einschließlich der hierzu ergangenen Übergangsbestimmungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Anspruch auf Alg unterfällt, wenn wie hier sämtliche gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz -GG- (BVerfGE 72,9,18 f.; BVerfGE SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 Seite 27). Die mit der gesetzlichen Neuregelung einhergehende geringfügige Minderung des Anspruchs des Klägers greift nicht in verfassungswidriger Weise in dieses Recht ein, weil dieser Eingriff durch das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel gerechtfertigt ist. Bezweckt war eine durchgreifende Vereinfachung des Leistungsrechts als Teil des Reformvorhabens mit dem Ziel, die Bundesagentur zu "dem" modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt zu machen (BT-Drucks. 15/1515 Seite 71). Das Leistungsrecht sollte mit Blick auf eine unbürokratische Anwendung grundlegend vereinfacht und damit transparenter gestaltet werden. Dadurch sollte gleichzeitig mehr Personal für die Aufgaben der Förderung der Arbeitsaufnahme und Verbesserung der Dienstleistungen für Arbeitgeber frei werden. Das bisherige Leistungsrecht hatte sich zu einem so komplexen Regelungssystem entwickelt, dass die Entscheidung über Bewilligung und Umfang des Alg erheblichen Informationsbedarf bei dem Betroffenen auslöste und einen hohen Personal-, Sach- und Zeitaufwand der Arbeitsverwaltung zur Folge hatte (BT-Drucks. a.a.O., Seite 73). Der Gesetzgeber war sich dabei bewusst, dass sich die vorgesehenen Neuregelungen im Einzelfall zu Gunsten, aber auch zu Ungunsten der Betroffenen auswirken konnten, ohne dass jedoch das Leistungsniveau insgesamt beeinträchtigt werden sollte; Leistungseinschränkungen der Alg-Bezieher waren nicht das Ziel (BT-Drucks. a.a.O.). Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und der Bedeutung einer funktionierenden Arbeitsvermittlung und -Leistungsverwaltung handelte es sich folglich um wichtige Ziele des Gemeinwohls. Die Umstellung auf ein tägliches Bemessungsentgelt (§ 131 SGB III n.F.) bei gleichzeitiger Reduzierung bzw. Pauschalierung der Abzüge (§ 133 SGB III n.F.) waren geeignete Mittel zur Verwirklichung dieser Ziele, weil sie den Erlass einer jährlichen Verordnung über die Leistungsentgelte entbehrlich machte (vgl. BT-Drucks. a.a.O. Seite 85 zu § 131 Abs. 1), den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Einbeziehung der Kirchensteuer (Beschl. vom 23.03.1994 – 1 BvL 8/85 = SozR 3 – 4100 § 111 Nr. 6) Rechnung trugen und die Abzugspositionen insgesamt überschaubarer und für die Betroffenen verständlicher machten. Diese Regelungen sind auch verhältnismäßig, denn aufgrund der Übergangsbestimmung des § 434 j Abs. 5 SGB III verblieb es für die Leistungsempfänger, deren Alg-Anspruch vor dem 01.01.2005 entstanden war, bei allenfalls leicht verminderten Bezügen. Angesichts der Bedeutung der gesetzgeberischen Ziele ist die hier eingetretene Kürzung von 16 Cent pro Tag daher noch hinzunehmen.
Die Regelungen verstoßen auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Eine echte Rückwirkung entfaltet ein Gesetz, wenn es nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift (vgl. BVerfGE 57, 361, 391; 68, 287, 306; 72, 175, 196). Davon ist auszugehen, wenn nicht nur ein Anknüpfungspunkt des Gesetzes, sondern sein zeitlicher Anwendungsbereich zumindest teilweise in der Vergangenheit liegt, die Norm also Rechtsfolgen für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitpunkt auslösen soll. Daran fehlt es hier, weil das bereits am 23.12.2003 verabschiedete 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsplatz wie auch das 4. SGB III ÄndG vom 19.11.2004 lediglich Wirkung für die zukünftigen Zahlungsansprüche ab dem 01.01.2005 entfalten.
Diesen Bestimmungen kommt allerdings eine sogenannte unechte Rückwirkung zu. Diese ist gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239, 263; 69, 272, 309; 72, 141, 154). Ein absolutes Verbot unechter Rückwirkung ist dem Rechtsstaatsgrundsatz nicht zu entnehmen. Die unechte Rückwirkung von Gesetzen ist aber unter Berücksichtigung der Schranke des Rechts- und Sozialstaatsprinzips im Sinne des Art. 20 GG nur innerhalb sachlicher Grenzen zulässig, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergeben. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises an einem Fortbestand der bisherigen Rechtslage und die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen (BVerfGE 43, 291, 391; 97, 67, 79 f.). Dem Vertrauensschutz kommt dabei umso weniger Bedeutung zu, wie durch die Rückwirkung nur ein unerheblicher Nachteil eintritt (BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258 ff.; 95, 64, 86 f.). Angesichts der bereits dargelegten Bedeutung des gesetzgeberischen Ziels und der geringfügigen Anspruchsminderung liegt daher ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG nicht vor.
Schließlich ist auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Dieser Grundsatz ist regelmäßig dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfGE 1, 14, 52; 89, 132, 141). Gleiches gilt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterscheide von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 93, 386, 397). Die Verletzung des Willkürverbots oder des Gebots der verhältnismäßigen Gleichbehandlung ist nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche zu beantworten (vgl. BVerfGE 75, 108, 157; 103, 310, 318; SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 S. 30).
Der Gesetzgeber hat die Leistungsbezieher, deren Anspruch vor dem 01.01.2005 entsteht, als eine einheitliche Gruppe behandelt, deren Zahlungsansprüche ab dem 01.01.2005 nach denselben Kriterien zu berechnen sind. Allerdings wird diese gegenüber denjenigen Arbeitslosen, deren Ansprüche ab dem 01.01.2005 entstehen, dadurch benachteiligt, dass sie nicht in den Genuss der Vorteile der ab dem 01.01.2005 in Kraft getretenen Steuerreform kommt, weil aufgrund der Übergangsbestimmungen des § 434 Abs. 5a SGB III als Lohnsteuer im Rahmen des § 133 Abs. 1 SGB III n.F. diejenige nach der Lohnsteuertabelle des Jahres 2004 zu berücksichtigen ist.
Der Gesetzgeber hat diese Regelung als "redaktionelle Klarstellung" angesehen (BT-Drucks. 15/3674 S. 11 zu Nr. 19 Buchstabe b). Dies muss daher im Zusammenhang mit der Regelung des § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III n.F. gesehen werden, wonach die Feststellung der Lohnsteuer sich nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Die Anspruchsentstehung im Sinne letzterer Vorschrift wird daher für die vor dem 01.01.2005 entstandenen Leistungsfälle insoweit einheitlich im Jahr 2004 fingiert, was vorliegend allerdings auch tatsächlich zutreffend ist. Da demzufolge dieser Anknüpfungspunkt den Verhältnissen entspricht, die bei der Begründung des Leistungsanspruchs des Klägers bestanden haben, und insoweit eine Gleichstellung mit dem neuen Recht vollzogen wird, beruht die daraus resultierende Schlechterstellung bezüglich des anzuwendenden Steuersatzes nicht auf willkürlichen Überlegungen und muss als noch von dem weiten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Regelung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung zusteht (vgl. BVerfGE SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 Seite 27), gedeckt angesehen werden.
Erweist sich demzufolge die Aufhebungsentscheidung der Beklagten als rechtmäßig, konnte die Berufung keinen Erfolg haben und musste mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 12.06.2006
Zuletzt verändert am: 12.06.2006