Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2013 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab dem 27.12.2012 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A. Köln beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Untätigkeitsklageverfahren.
Die am 29.08.1977 geborene Klägerin ist Staatsbürgerin von Kamerun und verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis. Sie lebt zusammen mit ihrem am 15.05.2010 geborenen Sohn seit Oktober 2011 in einer Mietwohnung in der in (Warmmiete 460 EUR monatlich). Die Klägerin und ihr Sohn stehen seit März 2011 im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin bezieht für ihren Sohn Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen.
Der genaue Aufenthalt des am 00.00.1969 geborenen und ebenfalls im Leistungsbezug beim Beklagten stehenden Kindesvaters ist unklar. Nach Ermittlungen des Sozialgerichts Köln in einem Eilverfahren des Kindesvaters (S 30 AS 1389/12 ER) ist sein Lebensmittelpunkt in K. Er hält sich zumindest zeitweilig in der Wohnung eines Bekannten auf, die an die Wohnung der Klägerin angrenzt. In einem Erörterungstermin am 27.04.2012 vor dem Sozialgericht Köln im Eilverfahren des Kindesvaters erklärte dieser, er halte sich ca. drei- bis viermal in der Woche bei der Klägerin auf, übernachte dort aber nicht. Die in diesem Verfahren als Zeugin vernommene Klägerin bestätigte dies. Der Kindesvater halte sich manchmal einen Tag lang, manchmal ein paar Stunden bei ihr und dem Kind auf.
Nachdem der Beklagte der Klägerin zunächst Leistungen unter Einschluss eines Mehrbedarfes wegen Alleinerziehung gewährt hatte, gewährte er ihr mit Bescheid vom 06.06.2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 08.06.2012 bis zum 30.09.2012 iHv 604 EUR monatlich ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfes wegen Alleinerziehung (Regelbedarf iHv 374 EUR, anteilige Unterkunftsleistungen iHv 230 EUR).
Hiergegen legte die Klägerin am 06.07.2012 Widerspruch ein, an dessen Bescheidung sie am 21.09. und 08.11.2012 unter Ankündigung einer Untätigkeitsklage erinnerte. Am 14.11.2012 forderte der Beklagte die Klägerin auf darzulegen, inwiefern sich die Sachlage seit dem Erörterungstermin geändert habe. Am 20.11.2012 teilte die Klägerin mit, an der Betreuungssituation habe sich nichts geändert. Mit Schreiben vom 29.11.2012 forderte der Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts dazu auf, genauere Angaben dazu zu machen, an wie vielen Tagen pro Woche der Kindesvater das Kind betreue, um eine anteilige Gewährung des Mehrbedarfes prüfen zu können. Am 04.12.2012 erklärte die Klägerin, mangels durchgehender Betreuung durch den Kindesvater von einer Woche sei der volle Mehrbedarf zu gewähren. Am 11.12.2012 forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, den genauen Betreuungsumfang anzugeben. Am 11.12.2012 teilte die Klägerin erneut mit, dass sich am Betreuungsumfang nichts geändert habe und dass nunmehr um Entscheidung gebeten werde. Am 14.12.2012 wiederholte der Beklagte seine Aufforderung. Die bisherigen Angaben seien nicht genau genug.
Am 18.12.2012 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung von Rechtsanwältin A aus Köln beantragt. Am 27.12.2012 hat sie ein PKH-Antragsformular vorgelegt.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die erforderlichen Angaben gemacht. Wenn der Beklagte sich nicht zu einer Bewilligung in der Lage sehe, müsse er den Widerspruch zurückweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, ohne nähere Angaben sei keine Entscheidung möglich.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A- aus Köln mit Beschluss vom 26.02.2013 abgelehnt. Es liege ein hinreichender Grund für die Nichtbescheidung vor. Ob die vom Beklagten geforderten Angaben erforderlich seien, sei aus Sicht des Beklagten zu beurteilen, zumal der Klägerin die geforderten Angaben ohne Weiteres zumutbar seien. Solange dem Beklagten nicht alle für eine rechtmäßige Entscheidung erforderlichen Informationen bekannt seien, könne eine zwangsläufig ablehnende Entscheidung von ihm nicht verlangt werden.
Die Klägerin hat gegen den ihrer Bevollmächtigten am 01.03.2013 zugestellten Beschluss am 13.03.2013 Beschwerde eingelegt. Sie verweist weiter auf ihre eigenen Angaben sowie die des Kindesvaters im Erörterungstermin am 27.04.2012, an denen sich nichts geändert habe. Der Beklagte gehe irrig davon aus, dass er einen anteiligen Mehrbedarf gewähren könne.
Der Beklagte bleibt dabei, dass ohne nähere Angaben keine Entscheidung getroffen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Köln S 30 AS 1389/12 ER Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei darf und muss sich das Gericht mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen. Der Erfolg braucht also nicht gewiss zu sein, er muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben (vgl. Beschluss des Senats vom 21.04.2010 – L 19 B 320/09 AS = juris Rn 13 mwN).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in der Regel der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20.09.2011 – L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 B = juris Rn 19; Bayerisches LSG Beschluss vom 19.03.2009 – L 7 AS 64/09 B PKH = juris Rn 14). Dieser ist dann gegeben, wenn der Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 14.04.2010 – 1 BvR 362/10) und der Gegner nach § 73a SGG iVm § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellung gehabt hat. Vollständige Unterlagen lagen hier am 27.12.2012 vor. Am 15.01.2013 erwiderte der Beklagte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klage nach den vorgenannten Maßstäben hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Gemäß § 88 Abs. 1 und 2 SGG ist eine Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten zulässig, wenn ein Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist. Die 3-Monats-Frist lief nach Einlegung des Widerspruchs am 06.07.2012 am 06.10.2012 ab. Der Beklagte hatte keinen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung.
Darlegungspflichtig für einen zureichenden Grund ist der beklagte Leistungsträger (vgl. Eschner in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 88 Rn 12; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl. 1/08, II/11-2-). Dabei kommt es allein auf objektive Hinderungsgründe an (Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 88 Rn 10; Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 88 Rn 16).
Für das Antragsverfahren gilt, dass der Leistungsträger eine Untätigkeit nicht damit rechtfertigen kann, dass der Antragsteller möglicherweise seinen Mitwirkungspflichten iSv §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) nicht nachkommt. Ggf. muss der Leistungsträger nach § 66 SGB I vorgehen, um einer Untätigkeitsklage die Grundlage zu entziehen (BSG Urteil vom 26.08.1994 – 13 RJ 17/94 = juris Rn 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 88 Rn 4; Eschner in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 88 Rn 6; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 88 Rn 13; Binder in HK-SGG, 2. Aufl. 2006, § 88 Rn 12; Hintz in BeckOK-SGG, Stand: 01.03.2013, § 88 Rn 6; Kampe in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 66 Rn 16; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 19.02.2008 – L 28 B 244/08 AS PKH = juris Rn 5; Bayerisches LSG Beschluss vom 03.02.2009 – L 17 B 1036/08 U = juris Rn 14; SG Stade Beschluss vom 06.04.2011 – S 19 SO 67/10 = juris Rn 3). Die Klärung des Umfangs von Mitwirkungspflichten soll nicht durch eine Untätigkeitsklage erfolgen (BSG Urteil vom 26.08.1994 – 13 RJ 17/94 = juris Rn 22).
Jedenfalls dann, wenn zwischen den Beteiligten gerade die Frage streitig ist, ob die vorgelegten Unterlagen oder Angaben ausreichend sind und der Antragsteller zu erkennen gibt, dass er keine weiteren Unterlagen vorlegen bzw. Angaben mache werde, liegt kein zureichender Grund für eine Nichtbescheidung (mehr) vor (vgl. OVG NRW Urteil vom 29.06.2009 – 12 A 1638/07 = juris Rn 41 ff (43)). Dies ist auf die Bescheidung eines Widerspruchs zu übertragen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass bei entsprechender Mitwirkung im Verwaltungs- bzw. Vorverfahren ein Klageverfahren vermeidbar gewesen wäre, kann dies im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt werden (vgl. BSG Urteil vom 22.10.1987 – 12 RK 49/86 = juris Rn 20; Sächsisches LSG Beschluss vom 24.01.2006 – L 7 B 22/05 R = juris Rn 14; SG Mannheim Beschluss vom 21.04.2011 – S 14 AS 720/11 = juris Rn 14; Leitherer aaO § 193 Rn 12b).
Hier war spätestens am 11.12.2012 für den Beklagten erkennbar, dass die Klägerin die von ihr gemachten Angaben für ausreichend hielt, zu keinen weiteren Angaben bereit war und nunmehr auf einer Bescheidung bestand. Gleichwohl weigert sich der Beklagte weiterhin, den Widerspruch zu bescheiden.
Im Übrigen begegnet es Bedenken, wenn die Ermittlungen des Beklagten maßgeblich auf den zeitlichen Umfang des Umgangs mit dem Kindesvater abzielen. Abgesehen davon, dass solche Angaben bereits vorliegen und der Beklagte die Möglichkeit hat, den Kindesvater direkt zu befragen, ist für die Prüfung eines Mehrbedarfes wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs. 3 SGB II maßgeblich, ob der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (BSG Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 167/11 R = juris Rn 14 mwN). Dies legt es nahe, über den zeitlichen Umfang hinaus die Art und Weise des Umgangs bzw. der Pflege und Erziehung zu ermitteln.
Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, so dass die Prozesskostenhilfe ab Bewilligungsreife ratenfrei zu bewilligen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig, § 73a SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 24.06.2013
Zuletzt verändert am: 24.06.2013