Der Klägerin wird auf ihre Beschwerde für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz ab 07.01.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T, L, bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin hat in der Hauptsache im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. hilfsweise von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) begehrt.
Die am 00.00.1992 geborene Antragstellerin iranischer Staatsangehörigkeit wohnte mit ihren Eltern und ihrer 2004 geborenen Schwester zunächst – mit Wohnsitzauflage – in C. Die Eltern sowie die Schwester sind anerkannte Flüchtlinge (§ 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG) und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Antragstellerin selbst ist im Besitz einer Duldung. Sie bezog in der Zeit vom 01.04.2006 bis 30.11.2009 Leistungen nach § 3 AsylbLG von der Stadt C, die Eltern und Schwester Leistungen nach dem SGB II. Anlässlich ihres Umzugs von Bergheim nach Köln zum 01.12.2009 stellten die Eltern der Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen bei der Antragsgegnerin. Diese bewilligte Leistungen für die Eltern und die Schwester der Antragstellerin für den Zeitraum vom 03.12.2009 bis zum 30.06.2010 (Bescheid vom 28.12.2009). Eine Bewilligung für die Antragstellerin erfolgte nicht. Diese beantragte am 23.12.2009 ausdrücklich Leistungen nach dem SGB II über die Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie – QualRL). Auf ein schriftliches Gesuch der Stadt Bergheim vom 15.12.2009 um Zustimmung zum Umzug der Antragstellerin nach Köln reagierte die Stadt Köln zunächst nicht.
Mit ihrem am 07.01.2010 beim Sozialgericht Köln (SG) "wegen Leistungen nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG" gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat die Beschwerdeführerin begehrt, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II, hilfsweise Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Gleichzeitig hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 22.01.2010 abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien nicht erfüllt. Die Antragstellerin sei aufgrund der ihr erteilten Duldung leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und entsprechend von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II). Ein Anspruch auf Leistungen ergebe sich auch nicht aus der QualRL. Dahinstehen könne dabei, ob die Qualifikationsrichtlinie ein subjektives Recht des Einzelnen begründe, wie die Antragstellerin meine. Nach Art. 23 der Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass die Familienangehörigen der Person, deren Flüchtlingseigenschaft anerkannt worden sei, gemäß den einzelstaatlichen Verfahren Anspruch auf die Vergünstigungen in den Art. 24 bis 34 habe, sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar sei. Letzteres treffe auf die Antragstellerin nicht zu, da sie lediglich im Besitz einer Duldung sei und zudem einen Folgeantrag nach dem Asylverfahrensgesetz gestellt habe. Für diesen Personenkreis seien nicht die Leistungen nach dem SGB II, sondern Leistungen nach dem AsylbLG vorgesehen. Bereits das BSG habe mit Urteil vom 16.12.2008, B 4 AS 40/07 R entschieden, dass sich der Umstand, dass ein Familienangehöriger Flüchtling im Sinne des Flüchtlingsabkommens sei, nicht leistungsrechtlich auf den Asylbewerber auswirke. Das Abkommen entfalte keine Ausstrahlungswirkung auf ein Mitglied der Kernfamilie. Eine Beiladung der Stadt Köln wegen der beantragten Leistungen nach dem SGB XII habe nicht zu erfolgen, weil auch dort Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG von Leistungen ausgeschlossen seien (§ 23 Abs. 2 SGB XII). Im Übrigen sei die Antragstellerin darauf zu verweisen, eine Änderung der Wohnsitzauflage zu erreichen, damit sie Leistungen nach dem AsylbLG beziehen könne.
Gegen den ihr am 26.01.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 18.02.2010 Beschwerde eingelegt und weiter Leistungen in Höhe des soziokulturellen Existenzminimums nach Art. 23 i.V.m Art. 28 QualRL sowie Prozesskostenhilfe begehrt. Auf die Qualifikationsrichtlinie könne sie sich unmittelbar berufen. Nach Umsetzung dieser Richtlinie durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28.08.2007 (BGBl. S 1970) seien die entsprechend einschlägigen nationalen Regelungen über den Zugang zu den Vergünstigungen an den Bestimmungen der Richtlinie zu messen. Stehe das nationale Recht in Widerspruch zur Richtlinie, seien deren begünstigende Regelungen unmittelbar anwendbar. Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 2 SGB XII und § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II stehe im Widerspruch zu dem in Art. 23, 28 QualRL formulierten Anspruch auf Zugang zu den Sozialhilfeleistungen wie sie (hier: deutschen) Staatsangehörigen gewährt werde, somit auf Leistungen nach dem SGB XII oder SGB II. Die Leistungen nach § 3 AsylbLG lägen weit unter diesem Niveau und seien nicht existenzsichernd. Die Auffassung des SG Köln, dass die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit der persönlichen Rechtsstellung der Antragstellerin wegen deren Duldung und Asylfolgeantrag nicht zu vereinbaren sei, halte einer Überprüfung nicht stand. Art. 23 QualRL gehe gerade davon aus, dass der Familienangehörige selbst (noch) nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden Status bzw. bestimmte leistungsrechtliche Voraussetzungen erfülle. Würde der Familienangehörige bereits aufgrund seiner eigenen Rechtsstellung Leistungen nach dem SGB II/XII beanspruchen können, bräuchte er diesen Leistungsanspruch nicht über den als Flüchtling anerkannten Familienangehörigen abzuleiten.
Mit (Abhilfe-)Bescheid vom 29.03.2010 hat die Stadt Köln der Antragstellerin Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum vom 07.12.2009 bis 20.12.2009 und Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum ab 21.12.2009 gewährt. Die Antragstellerin hat das Eilverfahren in der Hauptsache anschließend für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beschwerdegegnerin Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Antragstellerin ist für das erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73 a Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 07.05.1997, 1 BvR 296/94 = NJW 1997, 2745) den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 a Rn 7a; LSG NRW, Beschluss vom 29.08.2005, L 6 B 10/05 SB m.w.N.). Der Erfolg braucht nicht gewiss zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH ebenfalls bewilligt werden (BVerfG, Beschluss vom 10.12.2001, 1 BvR 1803/97 = NJW-RR 2002, 793 ff.; Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88 = BVerfGE 81, 347 ff.). Die bedürftige Person muss die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Verfahren zu vertreten und u.U. Rechtsmittel einlegen können.
Ein Erfolg des Eilantrags der Antragstellerin nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG hatte eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eilbedürftig war die Angelegenheit deshalb, weil die Antragstellerin über kein eigenes Einkommen und Vermögen verfügte und ihr insbesondere zunächst keine Leistungen nach anderen leistungsrechtlichen Vorschriften (SGB XII bzw. AsylbLG) bewilligt worden waren.
Ob ein Anordnungsanspruch vorlag, war offen, da konkret im Fall der Antragstellerin eine komplexe Gemengelage von Fragestellungen bestand, dies im Schnittbereich insbesondere zwischen der ausländerrechtlich (gegenüber Eltern und Schwester differenzierten) Behandlung der Antragstellerin, dem Versäumnis der Stadt Köln, zeitnah einer Wohnsitzänderung zuzustimmen und der Frage der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie. Vor dem Hintergrund, dass der Antragstellerin jedenfalls Leistungen nach einem der von ihr benannten Gesetze (SGB II, SGB XII, AsylbLG) zustanden und eine Beiladung der Stadt Köln in Betracht gezogen werden konnte, war in der bei offenem Ausgang notwendigen Folgenabwägung unter Wahrung der grundrechtlichen Belange der Antragstellerin ein Erfolg des Eilantrags nicht unwahrscheinlich. Dies hat sich im Beschwerdeverfahren auch durch die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG durch Bescheid der Stadt Köln vom 29.03.2010 bestätigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 01.07.2010
Zuletzt verändert am: 01.07.2010