Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.08.2011 geändert. Der Klägerin wird für die Zeit ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N, N, bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Hauptsache begehrte die Klägerin die Bescheidung eines Leistungsantrages.
Die im Jahre 1970 geborene Klägerin beantragte im März 2009 erstmalig für sich und ihre 2001 und 2003 geborenen Kinder Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte erkannte ihr zunächst vorläufig für den Zeitraum vom 25.03.2009 bis zum 31.08.2009 die beantragten Leistungen zu (Bescheid vom 16.04.2009), versagte durch Bescheid vom 09.07.2009 die Leistungen ab 01.08.2009 ganz, nachdem die Klägerin den Aufforderungen zur Vorlage weiterer Unterlagen zu ihren Einkommensverhältnissen nicht nachgekommen war. Am 21.07.2009 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag. Aufgrund weiterer von der Klägerin vorgelegter Unterlagen und einer persönlichen Vorsprache am 10.12.2009 bewilligte der Beklagte ihr mit Bescheid vom selben Tage vorläufig Leistungen für die Zeit vom 06.11.2009 bis zum 30.04.2010. Eine Erläuterung für den Beginn des Leistungszeitraums enthält der Bescheid nicht.
Unter dem 23.12.2009 wandte sich die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten an den Beklagten. Diese baten um Übersendung des entsprechenden Bescheides, sofern die Kosten für die Unterkunft für die Monate September und Oktober 2009 nicht übernommen würden, und legten vorsorglich gegen einen etwaigen bereits ergangenen Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Eine Reaktion des Beklagten hierauf ist nicht aktenkundig.
Am 11.03.2011 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, den Antrag auf Leistungen für die Monate September und Oktober 2009 zu bescheiden. Für diese beiden Monate seien ihr zu Unrecht keine Leistungen bewilligt worden. Ihre Anfrage vom 17.11.2010 an den Beklagten, für welche Monate im Jahr 2009 keine Unterkunftskosten bewilligt worden seien, sei unbeantwortet geblieben.
Der Beklagte wies in seiner Erwiderung darauf hin, dass der Bescheid vom 10.12.2009 bestandskräftig geworden sei. Dieser Bescheid impliziere eine Nichtbewilligung für die Monate September und Oktober 2009. Ein Widerspruch sei nicht eingelegt worden. Eine Untätigkeit liege nicht vor. Er sei aber bereit, die Klage als Überprüfungsantrag zu werten.
Auf die Anfrage des Gerichts, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde, da ein Rechtsschutzinteresse nicht gegeben sei, die Entscheidung im Verfahren nach § 44 SGB X möge abgewartet werden, gab die Klägerin am 24.08.2011 eine prozessbeendende Erklärung ab.
Das Sozialgericht lehnte durch Beschluss vom 25.08.2011 die mit Klageerhebung beantragte Prozesskostenhilfe ab. Es könne offen bleiben, ob die Untätigkeitsklage Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Prozesskostenhilfe sei jedenfalls deshalb zu versagen, weil die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen sei. Von einer schwierigen oder schwer überschaubaren Rechtslage, die die Beiordnung rechtfertige, könne bei einer Untätigkeitsklage nicht die Rede sein.
Gegen den am 01.09.2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 12.09.2011 Beschwerde eingelegt. Die Angelegenheit habe keine einfache Rechts- und Tatsachenlage geboten. Das sei schon daraus ersichtlich, dass die Leistungen im Überprüfungsverfahren zunächst mit Bescheid vom 20.10.2011 ohne Begründung abgewiesen worden seien, nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage durch Abhilfebescheid vom 02.12.2011 dem Antrag aber schließlich in vollem Umfang entsprochen worden sei.
Der Beklagte verweist auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rz. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 23.03.2010 – L 6 B 141/09 AS -). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rn 26 – BVerfGE 81, 347). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, es sei denn, dass das Gericht über den Antrag auf PKH bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt hätte entscheiden können (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. § 73a Rz. 7d).
Vor diesem Hintergrund steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Umstand nicht entgegen, dass die Klägerin den Rechtsstreit am 24.08.2011 für erledigt erklärt hat. Entscheidungsreif war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe spätestens nach Vorlage der Verwaltungsakte nebst Erwiderung durch den Beklagten im Juni 2011.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann Prozesskostenhilfe nicht ohne die Prüfung der Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO allein mit der Begründung versagt werden, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei nicht erforderlich (§121 Abs. 2 ZPO). Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist für die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht von vorgreiflicher Bedeutung. Das wirtschaftliche Interesse eines Klägers, der (von einem Rechtsanwalt vertreten) Prozesskostenhilfe beantragt, mag zwar regelmäßig auf die Zahlung der Rechtsanwaltsgebühren gerichtet sein, es muss sich aber durchaus nicht in diesem Kostenpunkt erschöpfen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe waren bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages gegeben. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nach § 73a SGG in Verbindung mit §§ 114, 115 ZPO waren in der Person der Klägerin erfüllt. Die Klage bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage war zulässig, entgegen der vom Beklagten und Gericht geäußerten Meinung fehlte ihr insbesondere nicht das Rechtsschutzinteresse. Der Bescheid vom 10.12.2009 enthielt keine Regelung über Leistungen für die Monate September und Oktober 2009. Ausdrücklich wird dieser Leistungszeitraum in dem Bescheid nicht genannt. Weder für einen Dritten noch für die Klägerin selbst war ansatzweise erkennbar, dass hier eine über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 06.11.2009 bis zum 30.04.2010 (-in zeitlicher Hinsicht -) hinausgehende Regelung getroffen worden sein könnte, zumal es sich hier nur um eine vorläufige Bewilligung handelte.
Die weiteren Voraussetzungen nach § 88 Abs. 1 SGG waren ebenfalls gegeben. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, wobei die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig ist. Gleiches gilt für die Nichtbescheidung eines Widerspruchs mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 Abs. 2 SGG). Hier hatte die Klägerin am 21.07.2009 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt, der nicht (vollständig) beschieden war. Die Frist des § 88 Abs. 1 SGG war zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits seit langem abgelaufen.
Aber selbst wenn der Auffassung des Beklagten zuzustimmen wäre, dass mit dem Bescheid vom 10.12.2009 inzident eine Ablehnung des Zeitraums September und Oktober 2009 erfolgt ist, war eine Untätigkeitsklage der Klägerin nicht ohne Aussicht auf Erfolg. Denn mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2009 hatte die Klägerin bereits die Frage prüfen lassen wollen, ob die Leistungen für die streitigen Monate als abgelehnt gelten und vorsorglich Widerspruch eingelegt, der – bezogen auf den Bescheid vom 10.12.2009 – auch fristgerecht gewesen wäre. Auch hinsichtlich dieses Widerspruchs war die Frist des § 88 Abs. 2 SGG abgelaufen. Die Rechtsqualität des anwaltlichen Schreibens vom 22.12.2009 sowie die Frage, ob der Beklagte ggf. mit zureichendem Grund den Antrag bzw. den Widerspruch nicht beschieden hat, wären im Klageverfahren zu prüfen gewesen. Aus diesem Grund konnte eine Erfolgsaussicht nicht vollständig verneint werden.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts war entgegen der Auffassung des SG auch erforderlich.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO ist einem Beteiligten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Erforderlichkeit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO beurteilt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.04.1983 – 2 BvR 1304/80, 2 BvR 432/81 – juris Rz. 39). Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. BVerfG Beschluss vom 24.03.2011 – 1 BvR 1737/10 – juris Rz. 16 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist ferner, ob dem Beteiligten rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen (vgl. BVerfG Beschluss vom 06.05.2009 – 1 BvR 439/08 – juris Rz. 18). In einem solchen Fall wird ein vernünftiger Rechtsuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren in jedem Stadium durch sachdienlichen Vortrag und Anträge effektiv fördern zu können (vgl. BVerfG Beschluss vom 24.03.2011 – 1 BvR 1737/10 – juris Rz. 18).
Somit lässt sich weder abstrakt noch generell ein Rechtsatz des Inhalts aufstellen, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen von Untätigkeitsklagen grundsätzlich ausscheidet. Vielmehr verlangt jeder Einzelfall die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts gegeben sind. Diese Prüfung führt im Fall der Klägerin dazu, dass ihrem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zu entsprechen war. Denn, beurteilt aus der Sicht der Klägerin, ist der Sachverhalt unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zur Erfolgsaussicht nicht als einfach gelagert zu bewerten. Ferner sah sie sich rechtskundigen sowie prozesserfahrenen Vertretern der beklagten Behörde gegenüber.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.10.2012
Zuletzt verändert am: 15.10.2012