Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.12.2011 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Freistellung von einem Erstattungsanspruch des Beigeladenen wegen rechtswidrig gezahlten Kindergeldes, hilfsweise die rückwirkende Bewilligung weiterer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit von April 2005 bis Januar 2007.
Der 1963 geborene Kläger und seine 1968 geborene Ehefrau besitzen die serbische Staatsangehörigkeit. Die Eheleute haben fünf Kinder (geb. 00.00.1988, 00.00.1991, 00.00.1993, 00.00.1996 und 00.00.2000).
Die Familie lebt seit 1992 in Deutschland. Sämtliche Asyl- bzw. Asylfolgeanträge blieben erfolglos. Bis 2007 wurde die Familie durchgehend aufenthaltsrechtlich geduldet. Der Kläger erhielt am 22.02.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die übrigen Familienangehörigen am 29.06.2007.
Bis 1998 lebte die Familie in W, wo ihnen sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG gewährt wurden. Nach Umzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten erhielt sie von dort zunächst in der Zeit von Oktober 1998 bis Oktober 2002 ebenfalls Grundleistungen. Kindergeldzahlungen der Beigeladenen erfolgten in diesem Zeitraum nicht. Die Unterkunfts- und Heizkosten für die Privatwohnung der Familie von zunächst monatlich 650,00 EUR beliefen sich im Juni 2012 auf mittlerweile 680,00 EUR.
Ende August 2002 nahm der Kläger eine Vollzeittätigkeit als Reinigungskraft auf. Die Beklagte stellte daraufhin die Leistungen zum 01.11.2002 ein. Ende September 2002 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen (erstmalig) Kindergeld. Mit Bescheiden vom 20.11.2002 und 09.01.2003 bewilligte sie dem Kläger für seine fünf Kinder Kindergeld für August bis November 2002 bzw. "ab" Dezember 2002. Das Kindergeld belief sich in der Folgezeit zunächst auf 820,00 EUR monatlich; im Juni 2012 zahlte die Beigeladene Kindergeld i.H.v. 978,00 EUR an den Kläger. In beiden Bescheiden ist u.a. ausgeführt: "Staatsangehörige der Länder Jugoslawien ( ), die sich in Deutschland aufhalten und eine ausländerrechtliche Duldung oder Aufenthaltsbefugnis besitzen, haben nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung dann einen Anspruch auf deutsches Kindergeld, wenn sie in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben oder Krankengeld/Arbeitslosengeld erhalten. Die Festsetzung von Kindergeld endet mit Ablauf des Monats, in dem auch letztmalig eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachgewiesen wurde. Hinweis: Änderungen in Ihren Verhältnissen müssen Sie dem Arbeitsamt – Familienkasse – unverzüglich mitteilen. Insbesondere ist von Ihnen anzuzeigen, wenn Sie nicht mehr als Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt sind bzw. keine Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld, Krankengeld, Erziehungsgeld) mehr beziehen, weil Ihr Anspruch auf Kindergeld hiervon abhängig ist."
Zum 15.11.2003 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers gekündigt. Anschließend erhielt er für etwa ein halbes Jahr Arbeitslosengeld (Alg) I, danach Arbeitslosenhilfe bzw. Alg II bis einschließlich März 2005.
Seit April 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger und seiner Familie erneut Grundleistungen nach dem AsylbLG. Der zugrundeliegende Antrag des Klägers vom 22.03.2005 enthält neben einer Erklärung, über die Mitwirkungspflichten aufgeklärt worden zu sein, folgenden Zusatz: " Wegen des Kindergeldanspruches werde ich bei der Familienkasse vorsprechen und auch bei der AOK nachfragen."
Die Beigeladene zahlte auch über den Monat Mai 2005 hinaus laufend Kindergeld (monatlich 820,00 EUR). In einem handschriftlichem Vermerk vom 31.03.2005, der zu den Verwaltungsvorgängen der Beklagten gelangte (Blatt 424), führte sie aus, dass ein Kontoauszug als Nachweis über die laufenden Kindergeldzahlungen ausreiche. Diesen Nachweis legte der Kläger am 14.04.2005 bei der Beklagten vor, die darüber den folgenden Aktenvermerk fertigte: "Herr S legt heute den Nachweis über die Überweisung von Kindergeld vor. Er wurde aufgefordert, die Anspruchsvoraussetzungen für KG prüfen zu lassen. Da er dies weiterhin bekommt, ist von Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen auszugehen. "
Mit Schreiben vom 20.04.2005 informierte die Beklagte den Kläger über die Leistungshöhe und die Modalitäten der Leistungsgewährung ab April 2005. Unter Berücksichtigung gewährter Vorschüsse i.H.v. 600,00 EUR bestehe noch ein Restanspruch i.H.v. 554,14 EUR. Mit Bescheid vom 21.04.2005 bewilligte sie für Mai 2005 Grundleistungen nach dem AsylbLG i.H.v. 1.154,15 EUR. Bei der Leistungsberechnung wurde das monatliche Kindergeld (820,00 EUR) in vollem Umfang dergestalt berücksichtigt, dass es zunächst auf den vollständigen Bedarf des Klägers angerechnet und sodann der Restbetrag bedarfsanteilig auf die übrigen Familienmitglieder verteilt wurde. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf den Bescheid sowie auf das Berechnungsprotokoll (Blatt 434 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten) Bezug genommen. In der Folgezeit bewilligte die Beklagte Grundleistungen durch faktische monatliche Auszahlung.
Nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nahm der Kläger zum 15.03.2007 wieder eine Tätigkeit als Reinigungskraft auf (14 Stunden wöchentlich). Die Beklagte stellte daraufhin mit Ablauf des Monats April 2007 die Leistungen nach dem AsylbLG an den Kläger ein (Bescheid vom 17.04.2007). Die übrigen Familienmitglieder erhielten zunächst unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers weiter Leistungen bis einschließlich Juni 2007.
Nach längerer Zeit verlor der Kläger seine Arbeitsstelle erneut. Im Juni 2012 bezog er Alg I i.H.v. 859,00 EUR. Auch seine Ehefrau und die beiden ältesten Töchter nahmen zwischenzeitlich eine (geringfügige) Beschäftigung auf. Im Juni 2012 erzielten sie daraus einen Nettoverdienst von jeweils 388,97 EUR. Die drittälteste Tochter begann eine Ausbildung; sie erhielt im Juni 2012 eine Nettovergütung von (etwa) 670,00 EUR.
Die (erneute) Aufnahme der Erwerbstätigkeit zum 15.03.2007 teilte der Kläger der Beigeladenen erst am 19.08.2008 mit. Mit Bescheid vom 27.01.2009 hob diese die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Zeit von Juni 2004 bis Januar 2007 vollständig auf. Die Voraussetzungen des § 62 EStG seien nicht erfüllt. Zudem habe der Kläger Kindergeld aufgrund überstaatlicher Rechtsvorschriften bezogen. Dieser Anspruch bestehe jedoch nur, solange Entgelt oder Entgeltersatzleistungen bezogen würden. Deshalb sei von Juni 2004 bis Januar 2007 Kindergeld i.H.v. 26.240,00 EUR überzahlt worden; dieser Betrag sei nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zu erstatten. Der vom Kläger dagegen mit der Begründung erhobene Einspruch, dass er wegen der Kindergeldzahlungen im fraglichen Zeitraum entsprechend verminderte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bzw. nach dem AsylbLG erhalten habe, blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 20.04.2009). Die dagegen vom Kläger vor dem Finanzgericht N geführte Klage (xxx) war nur insoweit erfolgreich, als das Finanzgericht mit Urteil vom 19.11.2010 den Rückforderungsanspruch für den Zeitraum von Juni 2004 bis Dezember 2004 für festsetzungsverjährt (§ 169 AO) befand. Denn eine leichtfertige Steuerverkürzung habe nicht vorgelegen. Im Übrigen aber sei die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtmäßig erfolgt. Insbesondere bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Wegfall des Kindergeldanspruches. Billigkeitsgesichtspunkte könnten nur in einem gesonderten Verwaltungsverfahren nach §§ 163, 227 AO berücksichtigt werden.
Unter dem 30.03.2009 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 27.01.2009 nach § 163 AO. Die Beigeladene lehnte dies ab (Bescheid vom 18.08.2010, Einspruchsentscheidung vom 20.10.2010). Das hiergegen gerichtete Klageverfahren (Finanzgericht N – xxx) ruht derzeit mit Blick auf den vorliegenden Rechtsstreit.
(Bereits) am 19.02.2009 teilte der Kläger unter Hinweis auf das beim Finanzgericht anhängige Verfahren (xxx) der Beklagten mit, zwar sei das Kindergeld seinerzeit wohl zu Unrecht gezahlt worden. Die Beklagte habe es gleichwohl bei der Berechnung der Leistungen nach dem AsylbLG als Einkommen angerechnet; im Umfang des gewährten Kindergeldes seien deshalb die Leistungen zu gering gewesen. Der entsprechende Betrag sei nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nachzuzahlen. Am 14.04.2009 beantragte der Kläger vorsorglich noch einmal ausdrücklich, Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 44 Abs. 1 SGB X rückwirkend zu erbringen. Letztendlich habe jedoch ein Ausgleich zwischen Beigeladener und Beklagter zu erfolgen; diese sollten die Erstattung unmittelbar untereinander regeln (§ 103 Abs. 1 SGB X).
Mit Bescheid vom 21.04.2009 lehnte die Beklagte nachträgliche Leistungen ab. Die Leistungen im fraglichen Zeitraum seien insbesondere mit Blick auf § 7 AsylbLG nicht unzutreffend berechnet gewesen. Zum Einkommen gehörten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die im Bedarfszeitraum zuflössen, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und ihre Rechtsnatur. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit Leistungen nach dem AsylbLG unter Anrechnung von Kindergeld erhalten. Wegen Anrechnung von Wohngeld, Kindergeld und Erwerbseinkommen habe zwischenzeitlich überhaupt kein Anspruch mehr bestanden. Bei Antragstellung am 22.03.2005 sei der Kläger unter gleichzeitiger Belehrung über seine Mitwirkungspflichten darauf hingewiesen worden, dass er sich mit der Beigeladenen in Verbindung setzen müsse. Leistungen nach dem AsylbLG sollten allein gegenwärtige Notlagen beheben, nicht aber rückwirkend erbracht werden oder Verbindlichkeiten begleichen. Im Übrigen sei der Kläger verpflichtet gewesen, der Beigeladenen die geänderten Verhältnisse mitzuteilen und einen entsprechenden Einstellungsbescheid sodann der Beklagten vorzulegen.
Mit seinem Widerspruch wandte der Kläger ein, sein Einkommenswegfall sei durch rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG auszugleichen. Die Familie habe seinerzeit auf ausdrückliche Weisung eines Mitarbeiters der Beklagten weiterhin Kindergeld bezogen. Sollten weiterhin nachträgliche Leistungen nach dem AsylbLG verweigert werden, stelle sich die Frage nach Amtshaftungsansprüchen, zumal die Forderung der Beigeladenen existenzbedrohend sei. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch im Bereich des AsylbLG Anwendung finde, seien erfüllt. Im Übrigen habe auch die Beigeladene in der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2009 darauf hingewiesen, dass wegen des nachträglichen Wegfalls des Anspruches auf Kindergeld bei der Beklagten Leistungen in entsprechendem Umfang zu beantragen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 17.06.2009 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Das sich aus den Entscheidungen der Beigeladenen und der Beklagten ergebende Ergebnis sei grob unbillig. Tatsächlich werde seinen Kindern durch eine ersatzlose Rückforderung des Kindergeldes rückwirkend das Existenzminimum entzogen. Da das EStG und die AO keinen § 45 SGB X entsprechenden Vertrauensschutz kennten, müsse dem rückwirkenden Wegfall des Einkommens für die Vergangenheit durch eine nachträgliche Bewilligung von Leistungen Rechnung getragen werden; vorrangig habe dies durch Erstattung der Leistungsträger untereinander zu geschehen. Soweit er es unterlassen habe, Leistungen nach dem AsylbLG zu beantragen, weil er wegen Fehlberatung durch die Beklagte zu Unrecht Kindergeld bezogen habe, sei er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als wäre er ordnungsgemäß beraten worden. Die Beklagte habe aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsende Nebenpflichten verletzt, indem sie ihn rechtswidrig aufgefordert habe, weiterhin Kindergeld zu beziehen. Von einem Sachbearbeiter des Sozialamtes könne – anders als von ihm selbst – erwartet werden, dass er die Rechtslage beim Kindergeldbezug kenne. Sei das Kindergeld mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen, so sei es ihm auch niemals zugeflossen, selbst wenn es vorübergehend auf seinem Konto gewesen sei. Die Rückforderung mit Wirkung für die Vergangenheit bedeute, dass das Kindergeld nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden habe, auch wenn dies seinerzeit noch nicht bekannt gewesen sei. Die Beklagte sei darüber informiert gewesen, dass er als geduldeter Ausländer arbeitslos gewesen sei und zugleich Kindergeld bezogen habe. In dieser Situation habe kein Mitarbeiter der Beklagten darauf schließen dürfen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen für Kindergeld weiterhin vorgelegen hätten.
Während des laufenden Klageverfahrens haben der Kläger, seine Ehefrau und vier der fünf Kinder – anderweitig vertreten – am 28.12.2009 eine Überprüfung beantragt mit dem Ziel der Zuerkennung sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG anstelle der erbrachten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 01.01.2005. Die Beklagte hat dies jeweils mit der Begründung abgelehnt, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 16/08 R) komme eine Nachzahlung nach § 44 SGB X – unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – schon deshalb nicht in Betracht, weil weder der Kläger noch die übrigen Familienmitglieder derzeit noch bedürftig seien (Bescheide vom 17.06.2010). Die dagegen am 12.10.2010 ohne Begründung eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 05.05.2011 wegen Verfristung als unzulässig zurück.
Mit Schriftsatz vom 26.11.2010 hat der Kläger das Klageverfahren "vorsorglich" auch auf die von ihm vertretenen minderjährigen Kinder erstreckt. Gleichzeitig hat er mit Blick auf das Urteil des Finanzgerichts N vom 19.11.2010 – xxx den Rechtsstreit hinsichtlich des Zeitraums Juni bis Dezember 2004 für erledigt erklärt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Beigeladene für den Zeitraum von April 2005 bis Januar 2007 einen Betrag i.H.v. 18.040,00 EUR zu zahlen, hilfsweise an den Kläger für sich und seine Familienangehörigen Leistungen nach dem AsylbLG i.H.v. 18.040,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie habe nach der Vorsprache des Klägers vom 22.03.2005 und den im Anschluss daran eingereichten Unterlagen davon ausgehen dürfen, dass der Kindergeldanspruch geprüft und das Kindergeld zu Recht gezahlt worden sei. Eine rückwirkende Gewährung weiterer Leistungen nach § 44 SGB X sei mangels Rechtswidrigkeit der Hilfeberechnung nicht möglich. Denn der Kläger habe das Kindergeld tatsächlich erhalten und hierüber tatsächlich verfügen können. Ergänzend hat sie auf ein Urteil des Finanzgerichts N vom 19.09.2007 – xxx Bezug genommen, in dem für Fälle der vorliegenden Art auf die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung als Ausweg hingewiesen werde.
Mit Beschluss vom 29.04.2011 hat das Sozialgericht die Beigeladene hinzugezogen. Diese hat sich weder zum Verfahren geäußert noch einen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 19.12.2011 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Beigeladene für den Zeitraum von April 2005 bis Januar 2007 18.040,00 EUR (820,00 EUR x 22) zu zahlen. Die Verpflichtung hierzu folge aus § 44 Abs. 1 S. 1, 2. Var. SGB X. Die Beklagte sei in dem fraglichen Zeitraum bei der Berechnung des Leistungsanspruches offensichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger zu Recht Kindergeld bezogen habe. Andernfalls hätte sie das Kindergeld nicht anrechnen dürfen und die Familienkasse benachrichtigen müssen. Erst danach habe sich herausgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt habe und die Beklagte damit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Deswegen habe sie die durch tatsächliche Auszahlung erlassenen Verwaltungsakte rückwirkend nach § 44 SGB X zu ändern und für 22 Monate jeweils 820,00 EUR zu erstatten; da die Beigeladene gleichsam für die Beklagte geleistet habe, sei der Gesamtbetrag gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 103 SGB X an die Beigeladene zu zahlen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass § 44 SGB X keine Anwendung finde (BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8 AY 5/07 R). Auch eine Bedürftigkeitsprüfung habe nicht stattzufinden, da der Kläger keine Leistung an sich, sondern an die Beigeladene beantrage.
Gegen das der Beklagten am 23.01.2012 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 17.02.2012. Es sei nicht nachzuvollziehen, wenn das Sozialgericht dem Kläger wegen unrechtmäßiger Anrechnung von Kindergeld nachträgliche Leistungen nach § 44 SGB X zuerkannt habe. Denn das Kindergeld habe ihm tatsächlich zur Verfügung gestanden. Die Beigeladene habe im Übrigen zu keiner Zeit einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X geltend gemacht. Das Ergebnis des Sozialgerichts könne auch nicht mit § 48 SGB X begründet werden. Denn diese Vorschrift gelte nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung; solche seien im fraglichen Zeitraum jedoch nicht ergangen. Im Übrigen habe das Sozialgericht die Frage eines Bedürftigkeitswegfalls, die jedenfalls durch die neuere Entscheidung des BSG (Urteil vom 09.06.2011 – B 8 AY 1/10 R) inzwischen geklärt sei, nicht ohne Weiteres als unerheblich ansehen dürfen. Schließlich könne es bei dem Anspruch nach § 44 SGB X nur um einen solchen des Klägers und nicht seiner Familie gehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beigeladene habe die Festsetzung des Kindergeldes im fraglichen Zeitraum vollständig aufgehoben. Die Wirkung einer Aufhebung nach § 70 Abs. 2 EStG trete ab dem Zeitpunkt der Änderung in den Grenzen der Verjährung rückwirkend ein; Kindergeld sei deshalb tatsächlich gar nicht festgesetzt gewesen. Es dürfe mithin auch nicht als Einkommen im Rechtssinne behandelt werden. Seine Bedürftigkeit sei nicht entfallen, auch wenn er zwischenzeitlich keine Leistungen nach dem AsylbLG bezogen habe. Letzteres sei u.a. vor dem Hintergrund geschehen, dass er in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gekommen sei; in einem solchen Kontext sei der Bezug öffentlicher Mittel besonders schädlich. Jedenfalls habe er seit Oktober 2011 wieder Kinderzuschlag bezogen. Das BSG habe im Übrigen in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung durchaus Ausnahmen von einem Bedürftigkeitswegfall für möglich gehalten, wenn nämlich die Verweigerung der nachträglichen Zahlung zu Unrecht vorenthaltener Sozialhilfeleistungen schlechthin unbillig wäre. In seinem Falle liege eine solche Unbilligkeit vor. Die Rechtsprechung zu einer nachträglichen Bewilligung von Analogleistungen sei auf seinen Fall nicht übertragbar; es bestehe nicht die Gefahr, dass er in der Gesamtschau höhere Leistungen erhalte als derjenige, der nach Ablauf der Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG Analogleistungen sofort – also nicht nach Korrektur bestandskräftiger Bescheide – bezogen habe. § 103 SGB X sei im Übrigen jedenfalls aus Billigkeitsgründen entsprechend anzuwenden; dementsprechend sei er von der Rückforderung der Beigeladenen freizustellen. Denn wenn das Kindergeld nicht systemwidrig in den Anwendungsbereich der AO eingestellt wäre, läge ohne weiteres ein Fall des § 103 oder des § 105 SGB X vor.
Die Beigeladene äußert sich auch im Berufungsverfahren nicht zur Sache.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist weder zum Hauptantrag (dazu 1.) noch zum Hilfsantrag (dazu 2.) erfolgreich. Denn der Kläger kann nachträglich höhere Leistungen nach dem AsylbLG weder im Wege der Freistellung von der Erstattungsforderung der Beigeladenen noch als Zahlung an sich verlangen.
Gegenstand des Verfahrens sind dabei ausschließlich Ansprüche des Klägers und nicht etwa (auch) seiner Ehefrau und der – zum Teil inzwischen volljährigen – Kinder. Zwar hat der Kläger am 29.11.2010 die Klage "vorsorglich" auch auf die von ihm vertretenen minderjährigen Kinder erstreckt. Im Anschluss daran sind jedoch weder seine Kinder noch seine Ehefrau in das Verfahren einbezogen worden. Sowohl der (in einem Erörterungstermin des Sozialgerichts am 12.09.2011) gestellte Klageantrag als auch das Urteil des Sozialgerichts beziehen sich – vom Kläger unbeanstandet – ausdrücklich allein auf ihn. Dies entspricht auch dem Umstand, dass einzig der Kläger Schuldner des Erstattungsanspruches der Beigeladenen ist. Hinzu kommt, dass zwar der Ausgangsbescheid vom 21.04.2009 die gesamte Familie betraf, jedoch zum einen wohl die Überprüfungsanträge (§ 44 SGB X) vom 19.02.2009 und 14.04.2009, zumindest aber der Widerspruchsbescheid vom 28.05.2009 ausdrücklich nur auf den Kläger bezogen waren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren allein Leistungen für bzw. an sich selbst beansprucht.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch unter Beachtung des sog. Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 18/10 Rn. 13 m.w.N. – juris) keine Veranlassung, das Verfahren nachträglich auf die minderjährigen Kinder und/oder die übrigen Familienmitglieder des Klägers zu erstrecken. Ohnehin könnte er weder für seine volljährigen Kinder noch für seine Ehefrau das Verfahren führen; für die minderjährigen Kinder wäre eine solche Verfahrensführung nur gemeinsam mit seiner Ehefrau möglich.
Rechtsnachteile können diesen Familienmitgliedern daraus im Übrigen schon deshalb nicht (mehr) drohen, weil sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf Anregung des Senats bereit erklärt hat, im Falle eines Obsiegens des Klägers über Ansprüche, die entsprechend den Kindern oder der Ehefrau zustehen würden, diesen gegenüber noch zu entscheiden.
1. Der Kläger hat für den Zeitraum von April 2005 bis Januar 2007 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Geldbetrages an die Beigeladene, welche deren Erstattungsanspruch gegen ihn wegen rechtswidrig gezahlten Kindergeldes kompensiert (sog. Dritterstattungs- oder Freistellungsanspruch).
a) Zwar kann er sein Begehren zulässigerweise mit einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgen (vgl. zu einem Anspruch auf Dritterstattung der bzw. Freistellung von den Kosten für eine ambulanten Psychotherapie bei einer nicht zugelassenen Psychotherapeutin nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) BSG, Urteil vom 18.07.2006 – B 1 KR 24/05 R Rn. 11 ff. und 23 ff. – juris). Dabei erscheint die Möglichkeit des Bestehens eines Dritterstattungs- oder Freistellungsanspruches des Klägers – nach §§ 102 ff. SGB X (ggf. in entsprechender Anwendung) oder als sozialrechtlicher Herstellungsanspruch – nicht bereits derart fernliegend, dass schon die Klagebefugnis fehlte (zu Letzterer siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 41a, 22/23 m.w.N.).
b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn für den vom Kläger geltend gemachten Dritterstattungs- oder Freistellungsanspruch gibt es keine Rechtsgrundlage.
aa) Die Erstattungsvorschriften der §§ 102 ff. SGB X – insbesondere § 103 SGB X – sind weder direkt noch entsprechend anwendbar.
Zwar bestimmt § 9 Abs. 3 AsylbLG die entsprechende Anwendung dieser Regelungen für den Bereich des AsylbLG. Verweist jedoch der Wortlaut der Vorschrift allein auf "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander", so sind davon gerade keine Dritterstattung oder Freistellung erfasst. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Norm, eine einheitliche Rechtsanwendung zu sichern bzw. die Möglichkeit von Erstattungen (nur) zwischen den Trägern der Leistungen nach dem AsylbLG und den übrigen "echten" Sozialleistungsträgern zu schaffen (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 9 AsylbLG Rn. 11).
Der Kläger ist jedoch ersichtlich kein Leistungsträger i.S.v. § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. §§ 102 ff. SGB X. Er kann auch nicht etwa einen in diesen Vorschriften geregelten Erstattungsanspruch in gewillkürter Prozessstandschaft für die Beigeladene geltend machen. Denn die §§ 102 ff. SGB X bilden ein "geschlossenes System" von Ansprüchen eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen, innerhalb dessen dem Leistungsberechtigten selbst keine Mitwirkungsrechte zustehen (Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, vor § 102 Rn. 1 und 4). Sind Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X kein Recht des betroffenen Leistungsberechtigten, sondern hängen sie vielmehr nur insoweit von dessen Leistungsanspruch ab, als ein Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen das Bestehen eines Leistungsanspruchs voraussetzt (Roos, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.), so führt Letzteres zwar, insbesondere mit Blick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X, zu gewissen prozessualen Konsequenzen (notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG im Erstattungsstreit der Leistungsträger; vgl. dazu auch Roos, a.a.O. m.w.N.). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leistungsberechtigte als Dritter seinerseits aus eigenem Recht einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X geltend machen könnte.
Ohnehin sind, unabhängig davon, die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Sozialgericht herangezogenen Regelung des § 103 SGB X nicht erfüllt. Denn wie alle Erstattungsvorschriften der §§ 102 ff. SGB X gilt § 103 SGB X von vornherein nur für Sozialleistungsträger im Sinne der §§ 18 bis 29 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I), welche Sozialleistungen erbringen (vgl. Roos, a.a.O. Rn. 17 m.w.N.). Die Beigeladene gewährt im hier betroffenen Zusammenhang jedoch einen – steuerrechtlichen – Familienlastenausgleich (§§ 31, 62 ff. EStG) und damit gerade keine Sozialleistung, so dass kein Grund für eine Anwendung des Sozialgesetzbuches besteht (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 28.04.2009 – III B 36/08 Rn. 12 ff.). Das steuerrechtliche Kindergeld ist insbesondere auch vom – sozialrechtlichen – Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu unterscheiden; nur für Letzteres trifft § 25 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB I eine Regelung über einen für eine Sozialleistung zuständigen Träger (vgl. Palsherm in jurisPK-SGB I, § 25 Rn. 40 f.). Schließlich erfasst auch die Verweisungsvorschrift des § 74 Abs. 2 EStG, welche die Regelungen der §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X für anwendbar erklärt, allein den Fall eines gegen die Familienkasse gerichteten Erstattungsanspruches; dies führt zu dem Umkehrschluss, dass die von § 74 Abs. 2 EStG in Bezug genommenen Regelungen des SGB X für Erstattungsansprüche der Familienkasse gegen Sozialleistungsträger gerade nicht gelten.
Auch eine analoge Anwendung (insbesondere) des § 103 SGB X kommt nicht in Betracht. Handelt es sich bei §§ 102 ff. SGB X um ein in sich geschlossenes System von Erstattungsansprüchen, so besteht bereits keine Regelungslücke, die zur Begründung eines Dritterstattungs- bzw. Freistellungsanspruch zu einer Analogie berechtigen würde. Von vornherein ist der vorliegende Fall nicht mit den gesetzlich geregelten Erstattungssituationen vergleichbar; denn es geht nicht um die Erstattung von Leistungen unmittelbar zwischen zwei Leistungsträgern.
Die – vom Kläger durchaus nachvollziehbar als unbefriedigend empfundenen – Konsequenzen des erstattungsrechtlichen Normengefüges resultieren letztlich aus der gesetzgeberischen Entscheidung, Kindergeldzahlungen wie die vom Kläger erhaltenen nicht als Sozialleistung im engeren Sinne des Sozialgesetzbuchs auszugestalten, sondern als steuerrechtlichen Familienlastenausgleich. Ob dies sozialrechtspolitisch gerade mit Blick auf mögliche Erstattungsfragen wie im vorliegenden Fall sinnvoll erscheint, obliegt nicht der gerichtlichen Beurteilung. Sind verfassungsrechtliche Bedenken jedenfalls nicht zu erheben, ist vielmehr die Entscheidung des Gesetzgebers für eine (im Gegensatz zu früheren Regelungen) weitestgehend steuerrechtliche Gewährung von Kindergeld der gerichtlichen Bewertung ohne weiteres zugrunde zu legen.
bb) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (vgl. zu diesem von der Rechtsprechung entwickelten Anspruch allgemein Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Stand Oktober 2012 -, vor §§ 38 bis 47 SGB I Rn. 120 bis 125).
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Grundsätze dieses Herstellungsanspruches im Falle des Klägers überhaupt anwendbar sind. Denn das würde voraussetzen, dass die rechtlich aufzulösende Problemlage nicht bereits anderweitig eine abschließende gesetzliche Regelung erfahren hat (vgl. Seewald, a.a.O. Rn. 220). So gilt etwa für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch keine Grundlage für Kostenerstattungsansprüche sein kann, weil diese bereits in § 13 Abs. 3 SGB V und § 15 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch abschließend geregelt sind (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 14/07 R Rn. 19 ff. – juris, und Brandts in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Stand Oktober 2012 -, § 13 SGB V Rn. 48 m.w.N.). Beansprucht der Kläger ausweislich seines erstinstanzlichen Hauptantrages eine Erstattung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen, und sind Erstattungsansprüche zwischen (Sozial-) Leistungsträgern – wie ausgeführt (s.o. zu aa) – in den §§ 102 ff. SGB X abschließend normiert, so spricht Vieles dafür, dass der vom Kläger verfolgte Dritterstattungsanspruch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in vergleichbarer Weise ausgeschlossen ist, wie dies im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung für Erstattungsansprüche neben § 13 Abs. 3 SGB V gilt.
Ohnehin ist fraglich, ob die Rechtsfolge eines sozialrechtliche Herstellungsanspruchs im vorliegenden Fall überhaupt einschlägig sein kann. Denn "hergestellt" werden soll durch diesen Anspruch im Sinne einer Naturalrestitution diejenige Rechtsfolge, die eingetreten wäre, wenn sich der Leistungsträger rechtmäßig verhalten hätte (vgl. Seewald, a.a.O. Rn. 190). Der Kläger könnte dementsprechend als "Herstellung" allenfalls (nachträglich) höhere Leistungen – an sich selbst – erhalten. Diesen Anspruch verfolgt er jedoch nicht mit seinem erstinstanzlichen Haupt-, sondern erst mit dem Hilfsantrag.
Letztlich kann all dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles jedoch dahinstehen. Denn in tatbestandlicher Hinsicht fehlt für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch jedenfalls die Verletzung einer im "Sozialrechtverhältnis" zwischen Beklagter und Kläger begründeten Pflicht (hierzu Seewald, a.a.O. Rn. 143 ff.). In Betracht kommt hier nach dem klägerischen Vortrag und den Umständen des Falles allein die Verletzung einer Aufklärungs- und/oder Beratungspflicht der Beklagten im Hinblick auf den Kindergeldbezug des Klägers von der Beigeladenen. Der Beklagten oblag es insoweit jedoch nicht, bestimmte Hinweise zu geben oder den Kläger zu beraten. Denn die Beklagte ist weder durch gesetzliche Vorschriften noch auch nur organisatorisch in irgendeiner Weise in die Abläufe bei der Festsetzung von Kindergeld nach §§ 31, 62 ff. EStG eingebunden. Für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG kam es dem Grunde nach auch nicht darauf an, ob der Kläger zu Recht oder zu Unrecht weiterhin Kindergeld bezog. Die Beklagte konnte sich deshalb darauf beschränken, den Kläger zwar auf mögliche Kindergeldansprüche hinzuweisen, ihm aber eine Prüfung etwaiger Ansprüche durch die Beigeladene nahe zu legen. Keineswegs ist darin ein unberechtigtes Drängen zum Kindergeldbezug zu erkennen. Ein solches wäre der Beklagten ohnehin rechtlich gar nicht möglich gewesen; denn allein die Beigeladene hatte als rechtlich wie organisatorisch einzig zuständige Stelle die Entscheidung über den weiteren steuerrechtlichen Kindergeldanspruch des Klägers zu treffen.
Ohne dass es für die Entscheidung von Bedeutung wäre, weist der Senat schließlich darauf hin, dass der Kläger bereits mit den Kindergeldbescheiden vom 20.11.2002 und 09.01.2003 von der Beigeladenen zutreffend auf die für ihn maßgebenden Voraussetzungen der Bewilligung von Kindergeld sowie darauf hingewiesen worden ist, dass er ggf. umgehend insbesondere mitzuteilen habe, wenn sein Bezug von Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen entfiele. Dieser Mitteilungspflicht ist der Kläger zumindest fahrlässig nicht nachgekommen; aus diesem Grunde bestünden selbst im Falle einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten Zweifel an der für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderlichen Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und Schaden des Leistungsberechtigten.
2. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf rückwirkende Zuerkennung von Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum von April 2005 bis Januar 2007 an ihn selbst steht dem Kläger nicht zu.
a) Gegenstand von Klage und Berufung ist insoweit der Bescheid vom 21.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2009 (§ 95 SGG). Insoweit geht es um die nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der in der tatsächlichen Auszahlung der Leistungen nach dem AsylbLG für April 2005 bis Januar 2007 liegenden Bewilligungsbescheide sowie des – für den genannten Zeitraum einzigen – schriftlichen Bewilligungsbescheides vom 21.04.2005 für Mai 2005. Die Beschränkung auf den genannten Leistungszeitraum folgt bereits aus dem Schriftsatz des Klägers vom 26.11.2010 sowie aus seinem insoweit eindeutigen Klageantrag.
Dem parallel zum Klageverfahren vor dem Sozialgericht durch einen anderen Bevollmächtigten für den Kläger und seine Familienangehörigen unter dem Gesichtspunkt einer Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG gestellten und von der Beklagten abschlägig beschiedenen betreffend den Kläger (überflüssigen) Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 28.12.2009 kommt für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Denn unabhängig von der hierzu getroffenen Entscheidung der Beklagten ist im vorliegenden Rechtsstreit – als einem sog. Höhenstreit – ohnehin nicht nur unter dem Aspekt der Anrechnung der Kindergeldzahlungen, sondern unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen, ob die Beklagte dem Kläger im fraglichen Zeitraum höhere Leistungen hätte erbringen müssen.
b) Dabei handelt es sich in der Sache um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Denn am 19.02.2009, als sich der Kläger erstmals unter Hinweis auf § 44 SGB X mit der Bitte um Überprüfung an die Beklagte wandte, waren der schriftliche Leistungsbescheid für Mai 2005 vom 21.04.2005, wegen Ablaufs der Jahresfrist für einen Widerspruch (§§ 84 Abs. 2 S. 3, 66 Abs. 2 S. 1 SGG) aber auch die durch faktische Auszahlung erfolgten Bewilligungen für die übrigen Monate des streitigen Zeitraumes bereits bestandskräftig. Das auf die rückwirkende Zuerkennung höherer Leistungen für den streitigen Zeitraum gerichtete Begehren ist damit als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) statthaft (vgl. z.B. BSG, Urteil 24.03.2011 – B 8 AY 10/07 R Rn. 11 – juris). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage im Übrigen bestehen nicht.
c) Die Klage auf nachträgliche Gewährung weiterer Leistungen nach dem AsylbLG ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 21.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2009 ist jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig und der Kläger nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
aa) Durch die im fraglichen Zeitraum leistungsmindernde Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen wurde i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat.
Entscheidend ist insoweit allein, dass das Kindergeld dem Kläger in den jeweiligen Monaten tatsächlich zugeflossen ist und dieser Zufluss nach der maßgeblichen Anrechnungsvorschrift (§ 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG) als Einkommen zu berücksichtigen war. Denn das Kindergeld wurde jeweils auf das Konto des Klägers überwiesen und stand ihm damit zur Bestreitung des Lebensunterhaltes tatsächlich zur Verfügung. Im Rahmen der Berücksichtigung von Einkünften nach § 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG gilt insofern das sog. Zuflussprinzip in gleicher Weise wie bei § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II oder § 82 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII); insoweit unterscheiden sich die gesetzlichen Vorschriften weder nach ihrem Sinn und Zweck noch nach der geregelten Interessenlage (vgl. Verwaltungsgericht Ansbach, Gerichtsbescheid vom 18.11.2003 – AN 13 K 02.01556 Rn. 25; ferner Sozialgericht Hannover, Gerichtsbescheid vom 22.07.2005 – S 51 AY 32/05 – beide juris). Da in § 7 AsylbLG eine § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII oder § 11 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB II vergleichbare besondere Anrechnungsregel fehlt, durfte die Beklagte das vom Kläger bezogene Kindergeld auf dessen eigenen Bedarf auch zur Gänze anrechnen (und nur die danach verbleibenden Restbeträge auf die Bedarfe der übrigen Familienmitglieder).
Es kommt auch – entgegen der Rechtsauffassung des Klägers – nicht darauf an, ob das Kindergeld rechtmäßig gezahlt wurde. Entscheidend ist vielmehr allein, dass es als tatsächlich existenter Zufluss für die Bedarfsdeckung zur Verfügung stand. Ohnehin war es von der Beigeladenen zugunsten des Klägers bestandskräftig festgesetzt worden, und die Bindungswirkung der entsprechenden Bescheide endete auch nicht bereits im hier fraglichen Zeitraum; jedenfalls vor Erlass des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides des Beigeladenen vom 27.01.2009 – und damit erst nach Ende dieses Zeitraumes – existierte vielmehr eine bindende Kindergeldfestsetzung.
Durch die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung der Beigeladenen wurde auch keineswegs – wie der Kläger meint – das Existenzminimum rückwirkend wieder entzogen, so dass der Kläger gleichsam rückschauend für den streitigen Zeitraum doch noch als (maximal) im Umfang seiner Nachleistungsforderung bedürftig anzusehen wäre. Dieser Einwand verkennt das Wesen des Zuflussprinzips. Denn dem Kläger standen im fraglichen Zeitraum stets Leistungen in Höhe des vom AsylbLG anerkannten Bedarfs zur Verfügung. Erst nach Ende dieses Bedarfszeitraumes wurde er mit einem Rückforderungsanspruch in Höhe des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes belastet. Dies ändert jedoch nichts daran, dass seine Bedarfe nach dem AsylbLG im fraglichen Zeitraum vollständig gedeckt waren. Derartige, erst nachträglich entstehende Verpflichtungen sind deshalb für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit zu Zeiten vor ihrer Entstehung unbeachtlich.
Die vorliegende Fallgestaltung beurteilt sich insoweit nicht anders als die in der Rechtsprechung bereits entschiedene, dass (aufstockende) Leistungen von Alg II bezogen wurden und nachträglich wegen parallel bewilligtem Alg I bzw. Kindergeld die Bewilligung von Alg II aufgehoben und dieses zurückgefordert wird (dazu ausführlich BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R, sowie Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012 – L 2 AS 5392/11, und LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.05.2010 – L 3 AS 64/10 B PKH – sämtlich juris).
Das sich so ergebende Ergebnis ist auch nicht etwa in einer Weise unbillig, die zu einem Abrücken von den bisherigen Grundsätzen bei der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem Zuflussprinzip Anlass gäben. Vielmehr hat bereits das BSG in seiner Entscheidung zum Bereich des SGB II (a.a.O. Rn. 26) darauf hingewiesen, dass eine sachgerechte Lösung in derartigen Fällen (nur) über eine Billigkeitsentscheidung (dort nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) in Betracht kommt. § 227 AO enthält eine eine solche Lösung ermöglichende, auf Rückforderungsansprüche von Kindergeld nach dem EStG anwendbare Regelung. In diesem Zusammenhang hat etwa der BFH (Urteil vom 22.09.2011 – III R 78/08 Rn. 24 m.w.N. – juris) darauf hingewiesen, dass bezüglich der Rückforderung von zu Unrecht gewährtem Kindergeld ein Billigkeitserlass nach § 227 AO gerechtfertigt sein könne, wenn das Kindergeld bei der Berechnung der Höhe von SGB II-Leistungen als Einkommen berücksichtigt worden und eine nachträgliche Korrektur dieser Leistungen nicht mehr möglich sei. Der Kläger hat diesen Weg auch bereits beschritten; auf den Ausgang des insoweit anhängigen (derzeit ruhenden) Verfahrens vor dem Finanzgericht N – xxx ist er zu verweisen.
bb) Für die Frage eines Anspruchs auf nachträgliche Leistungsbewilligung nach § 44 SGB X kommt es letztlich hierauf allerdings nicht einmal an. Gleiches gilt für die Frage, ob dem Kläger deswegen weitere Leistungen zustehen können, weil sein Bedarf im fraglichen Zeitraum nicht in Höhe von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, sondern von (höheren) Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu bemessen war. Denn der Kläger kann von vornherein höhere Leistungen nach dem AsylbLG schon deswegen nicht erhalten, weil es bei ihm zwischenzeitlich zu einem sog. Bedürftigkeitswegfall gekommen ist.
Der Senat hat, anknüpfend an Rechtsprechung des BSG, bereits mehrfach entschieden, dass eine nachträgliche Leistungserbringung im Rahmen eines Überprüfungsverfahren mit Blick auf § 44 Abs. 4 SGB X dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz die Bedürftigkeit für Leistungen nach dem AsylbLG oder für Leistungen nach dem jeweils einschlägigen grundsicherungsrechtlichen Leistungsregime (SGB II oder SGB XII) zwischenzeitlich temporär oder auf Dauer weggefallen ist (vgl. Urteile des Senats vom 24.10.2011 – L 20 AY 114/10 Rn. 39 f. und vom 23.05.2011 – L 20 AY 139/10 Rn. 33 f.).
Ein solcher Bedürftigkeitswegfall ist beim Kläger jedenfalls für den Monat Juni 2012 festzustellen. Dabei sind als maßgebliches Referenzsystem die Vorschriften der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II heranzuziehen. Denn sowohl der Kläger als auch seine Familienangehörigen besaßen zu diesem Zeitpunkt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG und gehörten damit nicht mehr zum Personenkreis des § 1 AsylbLG. Der Kläger, der im Juni 2012 Alg I bezog, und seine Ehefrau, die – wenn auch nur in geringfügigem Umfang – erwerbstätig war, sind damit als erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 und § 8 SGB II anzusehen. Anhaltspunkte für aus medizinischen Gründen fehlende Erwerbsfähigkeit sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Der Bedürftigkeitswegfall des Klägers ist damit an § 9 SGB II zu messen.
Der (fiktive) Bedarf des Klägers und der weiteren sechs Familienmitglieder – die, da alle Kinder noch nicht das 25. Lebenjahr vollendet hatten, grundsicherungsrechtlich als Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3a und 4 SGB II anzusehen sind – belief sich nach §§ 20 und 22 SGB II im Juni 2012 auf insgesamt 2.789,00 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus jeweils 337,00 EUR Regelbedarf des Klägers und seiner Ehefrau, drei mal 299,00 EUR Regelbedarf für die volljährigen Kinder und 287,00 EUR bzw. 251,00 EUR Regelbedarf für die beiden jüngsten, noch minderjährigen Kinder. Hinzu kommen die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, die sich (nach den vom Senat nicht bezweifelten Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung) im Juni 2012 für die Familie auf insgesamt 680,00 EUR beliefen. Ein darüber hinausgehender Bedarf eines oder mehrerer Familienmitglieder – insbesondere entsprechend der Mehrbedarfsregelung des § 21 SGB II – ist nicht ersichtlich.
Diesem Bedarf sind die Einkünfte der einzelnen Familienmitglieder im Juni 2012 nach Maßgabe des § 11 SGB II i.V.m. der (auf Grundlage des § 13 SGB II erlassenen) Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld in der seinerzeit geltenden Fassung gegenüberzustellen.
Im Juni 2012 erhielt der Kläger Alg I i.H.v. 859,00 EUR. Seine Ehefrau und die beiden ältesten Kinder erzielten ein Nettoeinkommen aus (geringfügiger) Tätigkeit von jeweils 388,97 EUR. Die dritte Tochter erhielt eine Ausbildungsvergütung von ca. 670,00 EUR netto; auch wenn die Verdienstabrechnung für Juni 2012 nicht vorliegt und das Bruttoeinkommen deshalb nicht in exakter Höhe bekannt ist, kann insoweit aus der aktenkundigen Abrechnung für Februar 2012 (mit einem Nettoverdienst von 674,42 EUR) ein hinreichend sicherer Anhaltspunkt entnommen werden. Neben diese Einkünfte trat im Juni 2012 noch Kindergeld von insgesamt 978,00 EUR sowie Kinderzuschlag von 312,00 EUR.
Die – ausweislich der für andere Monate aktenkundigen Verdienstabrechnungen – vom Arbeitgeber (brutto gleich netto) gezahlten Entgelte der Ehefrau und der beiden älteren Töchter des Klägers sind nach Maßgabe des § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II (100,00 EUR) sowie des § 11b Abs. 3 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB II (57,79 EUR) um jeweils insgesamt 157,79 EUR zu bereinigen, so dass ein anzurechnendes Erwerbseinkommen von jeweils 231,18 EUR verbleibt. Das entsprechend (um 100,00 EUR zzgl. ca. 160,00 EUR) bereinigte Nettoeinkommen der dritten Tochter verbleibt mit ca. 410,00 EUR. Die dem (fiktiven) Gesamtbedarf der Familie nach dem SGB II gegenüberzustellenden anrechnungsfähigen Einkünfte des Klägers und der übrigen Familienmitglieder beliefen sich deshalb im Juni 2012 auf (859,00 + 3 x 231,18 + ca. 410,00 + 978,00 + 312,00 =) ca. 3.252,54 EUR.
Diese anrechnungsfähigen Einkünfte überstiegen fiktiven Gesamtbedarf der Familie nach dem SGB II (s.o., 2.789,00 EUR) um mehr als 450,00 EUR. Damit war (auch) der Kläger im Juni 2012 nicht hilfebedürftig i.S.v. § 9 SGB II. Auch auf die Frage, ob der Kinderzuschlag als bedürftigkeitsabhängige Sozialleistung bei der Gegenüberstellung von Einkünften und Bedarf der Familie überhaupt Berücksichtigung finden darf (dazu ausführlich Urteil des Senats vom vom 24.10.2011 – L 20 AY 114/10 Rn. 43 bis 45), kann im Falle des Klägers offen bleiben; denn selbst wenn man ihn (mit 312,00 EUR) als Einkommen unberücksichtigt ließe, ergäbe sich mit (ca. 3.252,54./. 312,00 =) ca. 2.940,54 EUR nach wie vor ein den (fiktiven) Bedarf nach dem SGB II von 2.789,00 EUR deutlich übersteigendes und damit die Bedürftigkeit entfallen lassendes Einkommen. Angesichts dieser erheblichen Bedarfsüberschreitung erscheint ein individualisierte Berechnung für die einzelnen Familienmitglieder entbehrlich
cc) Andere Anspruchsgrundlagen für die vom Kläger (hilfsweise) begehrte nachträgliche Erbringung weiterer Leistungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist von vornherein keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X eingetreten; denn im fraglichen Leistungszeitraum stand jedenfalls – unbeschadet der weiteren Frage, ob es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelte – das zugeflossene Kindergeld unverändert zur Verfügung. Ohnehin wäre auch im Rahmen von § 48 SGB X § 44 Abs. 4 anzuwenden (vgl. § 48 Abs. 4 SGB X), so dass auch dort der jedenfalls im Juni 2012 festzustellende Bedürftigkeitswegfall zu beachten wäre.
Schließlich führt auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch – der ohnehin nicht weitergehen dürfte als die Anwendung des § 44 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2007 – B 13 R 58/06 R Rn 15 (dort allerdings nur zur Vierjahresfrist)) – von vornherein deshalb nicht zu einem Anspruch des Klägers, weil eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht zu erkennen ist (s.o. 1.b.bb).
3. Sofern der Kläger sich zur Stützung seiner Klage auch auf einen Amtshaftungsanspruch beruft, ist der Senat hierüber nicht zur Entscheidung berufen (§ 17 Abs. 2 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz i.V.m. Art. 34 Satz 3 Grundgesetz). Im wohlverstandenen Interesse des Klägers hat der Senat von einer (Kosten auslösenden) Verweisung des Rechtsstreites an das zuständige Zivilgericht zur Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch abgesehen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
III. Gründe für ein Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Erstellt am: 05.02.2013
Zuletzt verändert am: 05.02.2013