Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.03.2012 geändert. Der Bescheid vom 20.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2007 wird insoweit aufgehoben, als darin die Bewilligung der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit vom 08.07.2004 bis 30.11.2006 aufgehoben und eine Erstattungsforderung von 13.629,13 Euro festgesetzt wird. Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe einer Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute.
Der 1941 geborene (und am 00.00.2008 verstorbene) Ehemann der Klägerin (fortan: Versicherter) kehrte am 29.2.1992 aus dem Bergbau ab. Seit dem 1.7.2001 bezieht er von der Beklagten Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute in Höhe von (anfangs) 3.253,74 DM netto monatlich (Bescheid vom 6.6.2001).
Im Juli 2004 ging bei der (früheren) BergbauBerufsgenossenschaft (fortan: BBG) eine Anzeige wegen des Verdachts einer Berufskrankheit (BK) Nr 4105 der Anlage 1 zur BerufskrankheitenVerordnung (fortan: BK 4105) ein. Die Beklagte übermittelte der BBG auf deren Anfrage eine Übersicht über bei ihr gespeicherte Beschäftigungszeiten und meldete (vor dem Hintergrund einer etwaigen Leistungsgewährung durch die BBG) unter Bezugnahme auf §§ 103ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorsorglich einen Erstattungsanspruch mit dem Hinweis an, sie sei auf Erstattungsansprüche beschränkt und nicht befugt, sich bei Überzahlungen an den Versicherten zu halten (Schreiben vom 2.11.2004). Nachdem die BBG mitgeteilt hatte, sie werde voraussichtlich Verletztenrente wegen einer BK 4105 gewähren (Schreiben vom 23.2.2005), teilte die Beklagte ihr die gemeldeten Arbeitsentgelte des Versicherten für die Jahre 1986/7 mit und erklärte gleichzeitig, ein Erstattungsanspruch bestehe nicht (Schreiben vom 7.3.2005).
Die BBG gewährte dem Versicherten (zunächst ausgehend von einem Versicherungsfall am 7.7.2004) vorläufig Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH wegen einer BK 4105. Die laufende Rentenzahlung in Höhe von monatlich (zunächst) 1.970,89 EUR setzte mit dem 1.5.2005 ein. Den für die Zeit bis zum 30.4.2005 errechneten Nachzahlungsbetrag iHv 19.263,86 EUR behielt die BBG zunächst ein (Bescheid vom 27.4.2005, der Beklagten am 6.5.2005 mitgeteilt). Später stellte sie die Verletztenrente (unter Berücksichtigung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes) endgültig auf einen monatlichen Bruttobetrag von 2002,63 EUR fest und gewährte diese ab dem 1.8.2005 laufend. Den sich für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.7.2005 ergebenden weiteren Nachzahlungsbetrag von 405,45 EUR behielt die BBG zunächst ebenfalls ein (Bescheid vom 1.6.2005, der Beklagten am 9.6.2005 mitgeteilt). Die Beklagte erklärte gegenüber der BBG mit Schreiben vom 12.5.2005 und (erneut) 15.6.2005, ein Erstattungsanspruch bestehe nicht. Dabei ging sie (wie sich einer handschriftlichen Notiz auf dem Schreiben vom 15.6.2005 entnehmen lässt) davon aus, § 93 Abs 5 S 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) finde Anwendung. Die BBG kehrte die einbehaltenen Nachzahlungsbeträge am 17. und 20.6.2005 an den Versicherten aus.
Nach Abschluss eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (fortan: SG) Dortmund (Aktenzeichen (Az) 23 KN 271/05 U), in dem der Versicherte und die BBG um den Beginn der Verletztenrente gestritten hatten, verlegte die BBG den Versicherungsfall vor (auf den 9.9.2003) und gewährte entsprechend Verletztenrente rückwirkend auch für die Zeit vom 10.9.2003 bis 7.4.2004 (Bescheid vom 19.9.2006). Den Nachzahlungsbetrag von 19.877,72 EUR behielt sie vorläufig ein und unterrichtete die Beklagte entsprechend. Den von der Beklagten davon (für den Zeitraum: 10.9.2003 bis 7.7.2004) als Erstattung beanspruchten Betrag von 6.248,59 EUR zahlte sie am 20.2.2007 an diese aus.
Die Beklagte hörte den Versicherten am 29.9.2006 zu einer nunmehr von ihr beabsichtigten Aufhebung des Bescheids vom 6.6.2001 ab dem 1.5.2005 an. Für den Zeitraum vom 10.9.2003 bis 30.9.2006 werde sie einen Erstattungsanspruch gegenüber der BBG geltend machen. Sodann hob sie den Bescheid vom 6.6.2001 – gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X – "wegen des Zusammentreffens von Rente und Rente aus der Unfallversicherung" ab dem 8.7.2004 teilweise auf und verpflichtete den Versicherten, die vom 8.7.2004 bis 31.10.2006 entstandene Überzahlung in Höhe von (19.877,72 6.248,59 =) 13.629,13 EUR zu erstatten. Sie habe zunächst irrig angenommen, es liege ein Fall des § 93 Abs 5 SGB VI vor, und deshalb der BBG mitgeteilt, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe. Dass ihr gegenüber der BBG für die Zeit vom 8.7.2004 bis 30.4. bzw. 31.7.2005 ein Erstattungsanspruch nach § 103 Abs 1 SGB X zugestanden habe und sie den Bescheid vom 6.6.2001 für die Zukunft (ab dem 1.5.2005 bzw. 1.8.2005) habe aufheben können, sei ihr erst jetzt aufgefallen. Durch den Bescheid der BBG vom 19.9.2006 sei erneut ein Erstattungsanspruch entstanden, so dass sie nun berechtigt sei, nach § 48 SGB X vorzugehen. Bei der Prüfung, ob eine Aufhebung auch für die Zeit ab dem 8.7.2004 erfolgen könne, sei wegen der versehentlich unterbliebenen Nichtanrechnung der Verletztenrente von einem atypischen Fall auszugehen. Da durch die Vorverlegung des Rentenbeginns eine Nachzahlung in Höhe von 19.877,72 EUR vorhanden sei, sei die Korrektur für die Vergangenheit angemessen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe sie den Rentenbescheid vom 6.6.2001 jedoch nur ab dem 8.7.2004 aufgehoben und ihre Rückforderung der Höhe nach auf die Nachzahlung der BBG begrenzt (Bescheid vom 20.11.2006; Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007, zugestellt am 23.11.2007).
Mit seiner am 20.12.2007 erhobenen Klage hat der Versicherte geltend gemacht, § 93 SGB VI sei nicht einschlägig.
Nach dem Tod des Versicherten haben seine Ehefrau, die mit ihm im Zeitpunkt des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, und seine beiden Söhne den Rechtsstreit als Kläger fortgeführt und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2007 aufzuheben und die Versichertenrente ungekürzt auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Anrechnung der Unfallrente entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Da der Unfallversicherungsträger mit befreiender Wirkung im Sinne der §§ 103, 104 SGB X geleistet habe, greife die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht (mehr) ein.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Die Beklagte habe zu Recht Rückgriff auf den Versicherten genommen, da ihr gegen die BBG kein Erstattungsanspruch (mehr) zugestanden habe und somit die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht eingetreten sei. Sie habe die für die Aufhebung erforderliche Frist beachtet und – bei zutreffender Annahme eines atypischen Falls – ermessensfehlerfrei gehandelt. Eine unbillige Härte für den Versicherten habe sie wegen der – ohnehin schon auf den Nachzahlungsbetrag der BBG begrenzten – Rückforderung zu Recht verneint (Urteil vom 7.3.2012, am 22.3.2012 zugestellt).
Mit ihrer am 23.4.2012 (einem Montag) eingelegten Berufung hat die Klägerin vorgetragen, für eine Rückforderung durch die Beklagte sei kein Raum, da die BBG den Nachzahlungsbetrag mit befreiender Wirkung an den Versicherten ausgezahlt habe. Es handele sich um einen atypischen Fall, wie er selten vorkomme.
Der Senat hat die Rechtsnachfolgerin (seit dem 1.1.2010) der früheren BBG, die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (BG RCI), zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 14.8.2012; fortan: Beigeladene).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind die Söhne des Versicherten mit Einverständnis der übrigen Beteiligten aus dem Verfahren ausgeschieden. Die Klägerin hat erklärt, sie wende sich nicht mehr gegen die Anrechnung der Verletztenrente für den Zeitraum vom 1.12. 2006 bis 31.1.2008.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 7.3.2012 zu ändern und den Bescheid vom 20.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2007 insoweit aufzuheben, als darin die Rente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für den Zeitraum vom 8.7.2004 bis zum 31.11.2006 aufgehoben und eine Erstattungsforderung von 13.629,13 Euro geltend gemacht wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie sei davon ausgegangen, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, und habe daher sie mit erfüllender Wirkung an den Versicherten gezahlt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen und die Vorprozessakten des Sozialgerichts Dortmund (Aktenzeichen (Az) S 24 KN 184/11, S 24 KN 220/08 und S 23 KN 210/07 U = LSG NRW L 2 KN 11/09 U) Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Gegenstand der Berufung ist ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Sachantrags nur noch die (teilweise) Aufhebung des Bescheids vom 6.6.2001 für den Zeitraum vom 8.7.2004 bis zum 30.11.2006 (also für die Vergangenheit). Mit der im Termin abgegebenen Erklärung, sie verfolge den Aufhebungsanspruch für die Zeit ab dem 1.12.2006 (für die Zukunft) nicht weiter, hat die Klägerin ihre Klage im Übrigen konkludent zurückgenommen und dadurch das Verfahren in diesem Umfang erledigt, § 102 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Das SG hat die (Rest)Klage zu Unrecht abgewiesen. Soweit die Beklagte die Bewilligung der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit vom 8.7.2004 bis 30.11.2006 (teilweise) aufhebt und eine Erstattungsforderung von 13.629,13 Euro festsetzt, ist der Bescheid vom 20.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2007 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs 2 SGG. Eine Rechtsgrundlage für diesen Eingriff in die Rechte der Klägerin besteht nicht.
Obwohl der angefochtene Bescheid an den Versicherten adressiert ist, ist (nur) die Klägerin nach seinem Tod legitimiert, den streitigen (Aufhebungs)Anspruch als Rechtsnachfolgerin im eigenen Namen geltend zu machen. Ihre sachliche Berechtigung zur Fortführung des Rechtsstreits nach dem Tod des Versicherten ergibt sich aus ihrer Stellung als Sonderrechtsnachfolgerin (nicht aus ihrer Stellung als Miterbin), §§ 56 Abs 1, 58 S 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Nach der Sondervorschrift des § 56 Abs 1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten [ ] 1. dem Ehegatten [ ], zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Aus dem in den Akten befindlichen Erbschein ergibt sich, dass die Klägerin (anders als ihre Söhne, die aber auch als Sonderrechtsnachfolger nur nachrangig berechtigt wären) zum Zeitpunkt des Todes mit dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Die monatlichen Zahlungen der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, um deren teilweise Aufhebung und Erstattung es vorliegend geht, werden regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte geleistet und sind daher laufende Geldleistungen; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammengefasste Zahlung für mehrere Zeitabschnitte in einem Betrag geleistet oder zurückgefordert werden (vgl Senatsurteil vom 27.3.2012, Az L 18 KN 233/10; Häusler in: Hauck/Noftz SGB I. 34 Lieferung Stand 2011. K 53 Rdnr 35; Lilge in: Berliner Kommentar zum Sozialrecht Sozialgesetzbuch – Band I. 2. Auflage 2009. § 53 Rdnr 44; Voelske in jurisPKSGB I. § 54 Rdnr 6; Gabbert. "Die Möglichkeiten des Versicherten zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über seine Sozialleistungsansprüche" in: Kompass 11/12 2005 S.13). Da die Sonderrechtsnachfolge der Erbfolge vorgeht (§ 58 S 1 SGB I), sind die Söhne des Versicherten als Miterben nicht legitimiert, den streitigen Anspruch weiter zu verfolgen, und deshalb zu Recht aus dem Verfahren ausgeschieden.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Bewilligung der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nachträglich für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (8.7.2004 bis 30.11.2006) aufzuheben.
Nach der insoweit einzig in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB X. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Satz 3).
Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen dieser Eingriffsnorm vorliegen. Die Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist für die Beklagte nämlich für den Zeitraum vom 8.7.2004 bis 31.7.2005 ausgeschlossen, weil die von ihr überzahlte Rente kraft gesetzlicher Fiktion als von der Beigeladenen gezahlte Verletztenrente gilt, § 107 Abs 1 SGB X, und deshalb mit Rechtsgrund geleistet worden ist. Daran ändert nichts, dass die Beklagte aufgrund eines Rechtsirrtums den ihr zustehenden Erstattungsanspruch nach § 103 Abs 1 SGB X nicht geltend gemacht hat (und nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann). Für den Zeitraum der parallelen Gewährung beider Leistungen vom 1.5. – 31.7.2005 (teilweise) bzw. 1.8.2005 bis 30.11.2006 scheidet die rückwirkende Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 1 und 2 Nr 3 SGB X aus, weil die Beklagte sie nicht binnen Jahresfrist nach § 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X verfügt und bekanntgegeben hat.
Mit der Bewilligung der Verletztenrente durch die Beigeladene ist nach der Gesetzessystematik (§§ 102ff insbesondere 107 einerseits und §§ 45, 48 SGB X andererseits) ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Beigeladene entstanden, soweit dadurch – wegen der Anrechnung nach § 93 SGB VI – der Anspruch des Versicherten auf Altersrente für langjährig unter Tage tätige Bergleute nachträglich teilweise entfallen ist, § 103 Abs 1 SGB X. Im Umfang dieses Erstattungsanspruchs hat die Beklagte durch ihre Leistung – kraft der gesetzlichen Fiktion einer abweichenden Tilgungsbestimmung – den Anspruch des Versicherten auf Verletztenrente – soweit jeweils monatlich kongruent – iS von § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches erfüllt, § 107 Abs 1 SGB X. Diese Erfüllungsfiktion tritt unmittelbar kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt ein, in dem der Erstattungsanspruch entsteht (BSG SozR 31300 § 111 Nr 8; Roller in: von Wulffen. SGB X. 7. Aufl. 2010. § 107 Rdnr 9 mwN). Der Erstattungsanspruch nach § 103 Abs 1 SGB X entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Sozialleistungspflicht des vorleistenden Trägers entfällt, also zum Zeitpunkt der Bewilligung der hinzutretenden Leistung (BSG Urteil vom 23.9.1997, Az 2 RU 37/96). Die Erfüllungsfiktion tritt unabhängig davon ein, ob ein Erstattungsanspruch geltend gemacht worden ist oder (noch) werden kann (BSG USK 86122; SozR 31300 § 107 Nr 10; BVerwG Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 22; BVerwGE 87, 31, 35 = Buchholz 435.12 § 104 SGB X Nr 1). Die Erfüllungsfiktion ist auch nicht von der Befriedigung des Erstattungsanspruchs, der (hier versehentlich unterbliebenen) Geltendmachung nach § 111 SGB X oder seiner Durchsetzung abhängig (BSGE 70, 93ff = SozR 32400 § 26 Nr 5; Böttiger in LPKSGB X § 107 SGB X RZ 7). § 107 SGB X soll Doppelzahlungen an den Sozialleistungsberechtigten vermeiden und die Aufhebung der nachrangigen Leistung bei Erstattung von "Überzahlungen" entbehrlich machen; der Ausgleich soll im Interesse der Verwaltungsökonomie und der Rechtsklarheit zwischen Bürger und Sozialleistungsträger nur unter den Sozialleistungsträgern stattfinden, ohne dass der Sozialleistungsberechtigte einbezogen wird (BSG SozR 31300 § 107 Nr 10 mwN; BVerwG aaO). Es besteht kein Wahlrecht des erstattungsberechtigten Trägers, auf einen Erstattungsanspruch und damit auf die Erfüllungsfiktion zu verzichten und sich statt dessen nach den §§ 45, 48, 50 SGB X an den Sozialleistungsberechtigten zu halten (BSG aaO; vgl BSG, Beschluss vom 06.03.2000, B 11 AL 243/99 B; Roller. AaO. § 107 Rdnr 2 mwN). Andernfalls würde der Versicherte bei fehlerhaftem Verhalten eines Sozialleistungsträgers (etwa Versäumung der Frist des § 111 S 1 SGB X) – entgegen der gesetzgeberischen Intention – nachträglich wieder in das Ausgleichsverfahren einbezogen.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist durch die Bewilligung der Verletztenrente mit Bescheid vom 27.4.2005 für den zurückliegenden Zeitraum vom 8.4.2004 bis 30.4.2005 ("nachträglich") materiell entstanden, die Zahlungen der Beklagten an den Versicherten gelten für diesen Zeitraum als Leistungen der Beigeladenen. Es handelt sich um eine kraft Gesetzes eingetretene, nicht abweichend gestaltbare materielle Rechtslage (vgl BSGE 65, 27ff = SozR 1300 § 111 Nr 4). Der Beklagten ist für diesen Zeitraum der Rückgriff auf den Versicherten nach § 48 Abs 1 SGB X verwehrt. Eine Rückabwicklung ist nur (noch) im Verhältnis zur Beigeladenen – nach Maßgabe des § 111 SGB X – möglich. Die Erfüllungsfiktion besteht auch dann fort, wenn ein Erstattungsanspruch wegen § 111 SGB X ausgeschlossen ist (von Wulffen in: von Wulffen. SGB X. 6. Aufl. 2008 (=Vorauflage). § 107 Rdnr 6). Dem Senat erschließt sich nicht, wieso die Beklagte meint, die Gewährung der Verletztenrente für einen weiter zurückliegenden Zeitraum (vor dem 8.7.2004) und der sich dadurch für den Kläger neu ergebende Nachzahlungsbetrag rechtfertigten (wieder) die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherten auch für den späteren Zeitraum. Eine systemwidrige (Umgehungs)Vorschrift, die der Beklagten den Rückgriff auf den Versicherten nach Unterlassung der Geltendmachung einer Erstattungsforderung gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger ermöglichte, existiert nicht. Die Beklagte selbst hatte die richtige Rechtslage zugrundegelegt, als sie mit Schreiben vom 2.11.2004 bei der Beigeladenen vorsorglich einen Erstattungsanspruch mit dem Hinweis anmeldete, ihr sei verwehrt, gegen den Versicherten vorzugehen, und in der Anhörung vom 29.9.2006 angab, den Bescheid vom 6.6.2001 (nur) für die Zeit ab dem 1.5.2005 aufheben zu wollen, da sie im Übrigen einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger geltend machen werde. Aus einem insoweit zutreffenden Aktenvermerk vom 8.2.2007, in dem folgerichtig Teilabhilfe vorgeschlagen wird, ergibt sich ebenfalls, dass der Beklagten die aufgezeigte Rechtslage durchaus bekannt ist. Überdies wäre die von der Beigeladenen rückwirkend vom 10.9.2003 bis 7.7.2004 bewilligte Verletztenrente kein Einkommen, das im Sinne des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs auf Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute in der Zeit vom 8.7.2004 bis 31.7.2005 geführt haben kann, weil es insoweit an der erforderlichen zeitlichen Kongruenz der Leistungen fehlte.
Das zuvor Gesagte gilt gleichermaßen, soweit die Beigeladene mit Bescheid vom 1.6.2005 für den Zeitraum vom 8.7.2004 bis zum 31.7.2005 einen Nachzahlungsbetrag von 405,45 Euro festgestellt hat. Denn durch die Bewilligung höherer Verletztenrente mit Bescheid vom 1.6.2005 (rückwirkend ab 8.7.2004 und laufend ab 1.8.2005) gelten die (erhöhten) Zahlungen der Beklagten für den zurückliegenden Zeitraum vom 8.7.2004 bis 31.7.2005 ebenfalls als Leistungen der Beigeladenen, so dass der Beklagten auch insoweit der Rückgriff auf den Versicherten nach § 48 Abs 1 SGB X verwehrt ist.
Die vorangehenden Ausführungen erhellen, dass die Beigeladene die zunächst einbehaltenen Nachzahlungsbeträge am 17.6. und 20.6.2005 an den Versicherten nicht mehr "mit befreiender Wirkung" auszahlen konnte, weil die Ansprüche des Versicherten bereits durch die Leistungen der Beklagten erfüllt und damit untergegangen waren. Die von der Beklagten behauptete Unkenntnis der Beigeladenen lag auch tatsächlich nicht mehr vor, nachdem die Beklagte ihr bereits mit Schreiben vom 2.11.2004 mitgeteilt hatte, der Versicherte beziehe "seit 01.07.2001 eine Rentenleistung der Bundesknappschaft". Ob der Beigeladenen ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Versicherten bzw seine Rechtsnachfolger zusteht, ist vorliegend nicht zu entscheiden.
Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid den Bescheid vom 6.6.2001 auch wegen der ab dem 1.8.2005 (und in "alter" Höhe ab dem 1.5.2005) bewilligten laufenden Leistungen aufhebt, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 1 und 2 Nr 3 SGB X vorliegen. Denn die Beklagte hat insoweit die gesetzliche Handlungsfrist versäumt, § 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X.
Nach diesen Vorschriften muss die Behörde den Verwaltungsakt innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurücknehmen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Maßgeblich ist im Rahmen des § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB X die Kenntnis der Tatsachen, die den sicheren Schluss auf nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes erzieltes Einkommen oder Vermögen zulassen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Der Tatsachenbegriff erstreckt sich auf alle Tatsachen, die für die Aufhebungsentscheidung bedeutsam sind, und damit grundsätzlich auch auf die aus Sicht der Behörde für eine etwaige Ermessensentscheidung maßgeblichen Tatsachen (BSGE 74,20 = SozR 32100 § 48 Nr 32). Eine bestimmte Form der Kenntniserlangung ist nicht vorgesehen. Es genügt dazu zB eine mündliche Mitteilung oder die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs, wenn dabei auf die Leistung hingewiesen wird (Roos in: von Wulffen. § 103 Rdnr 15; Schellhorn in: GKSGB X. § 103 Rdnr 21).
Der Beklagten waren vorliegend alle für die Aufhebung und Erstattungsentscheidung erforderlichen Tatsachen spätestens am 9.6.2005 bekannt. Sie war von der Beigeladenen bereits am 23.2.2005 aufgefordert worden, ihren Erstattungsanspruch anzumelden. Später wurde sie von der Beigeladenen am 6.5.2006 über den Inhalt des Bescheides vom 27.4.2005 und am 9.6.2005 über den Inhalt des Bescheides vom 1.6.2005 (und damit über den Beginn und die Höhe der laufenden Verletztenrente) in Kenntnis gesetzt. Damit lagen ihr alle für die Anrechnung nach § 93 SGB VI und die Prüfung der (gebundenen) Aufhebungsentscheidung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X erforderlichen Tatsachen vor, so dass die Jahresfrist zum Zeitpunkt der Anhörung vom 29.9.2006 bereits verstrichen war. Dass die Beklagte fälschlich davon ausging, § 93 Abs 5 S1 Nr 1 SGB VI finde keine Anwendung, ist ein (von ihr später auch als solcher erkannter) Rechtsirrtum, der für die Kenntnis von Tatsachen keine Rolle spielt. Ab dem 9.9.2006 war der Beklagten in Kenntnis aller maßgeblichen Tatsachen die (teilweise) Aufhebung der Rentenbewilligung als gebundene Entscheidung möglich. Zu diesem Zeitpunkt bestanden auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer atypischen Fallgestaltung und damit für die Betätigung von Ermessen. Ein atypischer Fall ist erst durch den Rechtsirrtum der Beklagten und die darauf beruhende Unterlassung der Beklagten entstanden.
Die Frage, ob für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung die Kenntnis von der Neufeststellung (und Ermittlung eines Nachzahlungsbetrags) durch die Beigeladene im September 2006 und das sich daran anschließende Erkennen des eigenen Rechtsanwendungsfehlers erforderlich sind, stellt sich damit nicht mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung keine ungeklärten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sind.
Erstellt am: 11.06.2013
Zuletzt verändert am: 11.06.2013